Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.09.2022, RV/5101381/2020

"Familienbonus Plus" für ein in einem anderen Mitgliedstaat lebendes Kind

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels (nunmehr "Finanzamt Österreich") vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zur Steuernummer ***Bf-StNr*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind der am Ende der Entscheidungsgründe befindlichen Tabelle zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Rahmen der am eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 wurde durch Herrn ***Bf*** (in der Folge "Bf" oder "Beschwerdeführer") die Gewährung des (ganzen) Familienbonus Plus für 12 Monate beantragt.

Im diesbezüglich ergangenen Einkommensteuerbescheid 2019 vom wurde seitens des belangten Finanzamtes die Gewährung des Familienbonus Plus versagt. Begründend wurde ausgeführt, dass für Kinder, für die in Österreich kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, kein Familienbonus Plus gewährt werden könne.

In der gegen den obig angeführten Einkommensteuerbescheid erhobenen Beschwerde vom wurde seitens des Bf vorgebracht, dass die Kindesmutter auf den gesamten Familienbonus Plus zugunsten des Bf verzichtet und auch selbst den Familienbonus Plus nicht beantragt habe. Es werde daher um Gewährung des Familienbonus Plus in beantragter Höhe gebeten.

Im Rahmen der am vom belangten Finanzamt erlassenen Beschwerdevorentscheidung wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben und der Familienbonus Plus für die Monate Jänner bis August 2019 in Höhe von EUR 1.000 [Anmerkung des erkennenden Richters: somit EUR 125 pro Monat] gewährt. Hinsichtlich der verbleibenden Monate (September bis Dezember 2019) wurde ausgeführt, dass der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zustehe, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt werde. Für das Kind des Beschwerdeführers sei lediglich bis inklusive August 2019 Familienbeihilfe in Österreich bezogen worden. Es könne demnach auch der Familienbonus Plus nur für 8 Monate (und somit nur bis August 2019) gewährt werden.

Gegen diese Entscheidung wurde durch den Bf mittels Schreiben vom fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht. In diesem wurde - nach Darstellung des bisherigen Verlaufs des Verfahrens - zusätzlich ausgeführt, dass die Kindesmutter mit September 2019 mit dem gemeinsamen Sohn nach Deutschland verzogen sei und dort die Familienleistungen beziehe. Richtigerweise könne es für die Beurteilung, ob der Familienbonus Plus zustehe, nur darauf ankommen, ob dem Grunde nach ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht bzw. ob der Bf - als Kindsvater - der in Österreich wohnhaft sei und auch hier arbeite, dem Grunde nach Anspruch auf die Ausgleichs- bzw. Differenzzahlung habe. Es sei zudem auch aus unionsrechtlicher Sicht unsachgemäß, danach zu differenzieren, ob sich das Kind in Österreich oder Deutschland aufhalte, da der Bf jedenfalls Unterhaltsleistungen zu leisten habe und das Kind innerhalb der EU Familienleistungen beziehe.

Es werde daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Erlassung eines neuen, dem Beschwerdevorbringen Rechnung tragenden, Bescheides beantragt.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt. Aufgrund der Pensionierung des ursprünglich zuständigen Richters wurde die Beschwerde am in die Zuständigkeit der Geschäftsabteilung des erkennenden Richters übertragen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war im streitgegenständlichen Jahr in Österreich nichtselbständig beschäftigt und sozialversichert. Der Beschwerdeführer ist seit September 2017 zur Leistung von Unterhaltszahlungen gegenüber dem minderjährigen Sohn verpflichtet, diese wurden im streitgegenständlichen Jahr vollumfänglich geleistet. Der Unterhaltsabsetzbetrag für das Jahr 2019 wurde in voller Höhe (EUR 350,40) gewährt.

Die Mutter des gemeinsamen Kindes, Frau ***Kindesmutter***, ist mit September 2019 mit dem gemeinsamen Kind nach Deutschland verzogen. Bis zu diesem Wegzug wurde von der Kindesmutter im streitgegenständlichen Jahr Familienbeihilfe in Österreich (Bezugszeitraum somit Jänner bis August 2019) bezogen. Für den Zeitraum ab September 2019 wurde von der Kindesmutter weder die Familienbeihilfe noch eine Differenz-/Ausgleichszahlung oder der Familienbonus Plus in Österreich beantragt.

Strittig ist lediglich, ob dem Beschwerdeführer für die Monate September bis Dezember 2019 der Familienbonus Plus zusteht. Der Familienbonus Plus für den Zeitraum Jänner bis August 2019 wurde im Zuge der Beschwerdevorentscheidung gewährt.

Beweiswürdigung

Der obig dargestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem elektronisch vorgelegten Akteninhalt. Die Angaben zum Aufenthaltsort der Kindesmutter stimmen mit den im FinanzOnline abrufbaren Informationen zur Anschrift überein. Der Wegzug nach Deutschland ist zudem im ZMR ersichtlich. Die Nichtbeantragung des Familienbonus Plus durch die Kindesmutter im Jahr 2019 ergibt sich aus der von der Kindesmutter eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019. Die Unterhaltszahlungen des Beschwerdeführers wurden durch Vorlage der Unterhaltsvereinbarung und korrespondierende Kontoauszüge nachgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

A. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 33 Abs. 2 EStG 1988 in der für das streitgegenständliche Jahr anzuwendenden Fassung (BGBl. I Nr. 103/2019) sind von der sich nach § 33 Abs. 1 EStG 1988 ergebenden Einkommensteuer Absetzbeträge in folgender Reihenfolge abzuziehen:

1. Der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988; der Familienbonus Plus ist insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuernde Einkommen entfällt.

2. Die Absetzbeträge nach § 33 Abs. 4 bis 6 EStG 1988.

Die im konkreten Fall maßgebliche Bestimmung des § 33 Abs. 3a EStG 1988 lautet auszugsweise:

"Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

1. Der Familienbonus Plus beträgt

  1. bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,

  2. nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.

2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:

  1. Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

  2. Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.

[Anmerkung des erkennenden Richters - § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 aufgehoben durch Art. 2 Z 4, BGBl. I Nr. 135/2022]

3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

  1. Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

  2. Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

  3. beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

  4. Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

  5. Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

  6. beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht demUnterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

  1. Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.

  2. Der Antrag kann zurückgezogen werden. Ein Zurückziehen ist bis fünf Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides möglich und gilt nach Eintritt der Rechtskraft als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung sowohl für den Zurückziehenden als auch für den anderen Antragsberechtigten gemäß lit. a oder b. Wird der Antrag zurückgezogen, kann der gemäß lit. a oder b andere Antragsberechtigte den ganzen nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrag beantragen.

[…]

6. In der Steuererklärung ist die Versicherungsnummer (§ 31 ASVG) oder die persönliche Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte (§ 31a ASVG) jedes Kindes, für das ein Familienbonus Plus beantragt wird, anzugeben.

7. Der Bundesminister für Finanzen hat die technischen Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Familienbonus Plus im Rahmen der Veranlagung zur Verfügung zu stellen."

Die Bestimmung des § 33 Abs. 3a EStG 1988 enthält einen Verweis auf das FLAG 1967. § 2 FLAG 1967 normiert zur Frage des Anspruchs auf Familienbeihilfe - auszugsweise - das Folgende:

"(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

  1. für minderjährige Kinder

[…]

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist."

§ 4 Abs. 1 FLAG 1967 in der für das streitgegenständliche Jahr maßgeblichen Fassung lautet:

§ 4. (1) Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn

• das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 FLAG 1967) und

• für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.

Nach Art. 67 erster Satz der Verordnung Nr. 883/2004 besteht auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, ein Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnten.

Art. 60 Abs. 1 zweiter Satz der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. EU Nr. L 284 vom (im Folgenden: Durchführungsverordnung Nr. 987/2009), normiert, dass bei Anwendung von Art. 67 und 68 der Verordnung Nr. 883/2004, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als ob alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fielen und dort wohnten.

B. Erwägungen

Gemäß der obig angeführten Bestimmung (§ 33 Abs. 3a Z 3 lit. b EStG 1988) kann der Familienbonus Plus für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 zusteht, vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, zur Gänze oder zur Hälfte geltend gemacht werden.

Nach § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 haben Steuerpflichtige, die für ein Kind,

  1. das nicht ihrem Haushalt zugehört und

  2. für das weder dem Steuerpflichtigen noch einem nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe)Partner Familienbeihilfe gewährt wird,

Anspruch auf einen Unterhaltsabsetzbetrag, wenn sie für das Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten.

Dass diese Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt sind, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt und wurde zudem vom Finanzamt nicht bestritten bzw. durch die antragsgemäße Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages für das gesamte Jahr 2019 (EUR 350,40, das sind EUR 29,20 pro Monat) zumindest implizit zugestanden.

Zur Frage, ob es für die Gewährung des Familienbonus Plus dem Grunde nach erforderlich ist, dass tatsächlich Familienbeihilfe in Österreich gewährt oder zumindest beantragt wurde, hat das BFG in seinem Erkenntnis vom (RV/5100069/2021) wie folgt ausgeführt:

"Für den Familienbonus Plus sind nämlich nicht der Antrag oder eine tatsächliche Gewährung der Familienleistungen, sondern deren Anspruchsvoraussetzung wesentlich. Dies gilt auch dann, wenn allfällige Familienleistungen im Ausland höher wären und die Differenzzahlung betragsmäßig Null wäre ( RV/5101183/2020, unter Hinweis auf Jakom/Kanduth-Kristen EStG 2020, § 33 Tz 31).

Dass auch tatsächlich ein Antrag gem. § 4 Abs. 4 FLAG 1967 auf die Ausgleichszahlung nach Ablauf des entsprechenden Kalenderjahres eingebracht werden muss, ist demnach gar nicht erforderlich. Es genügt die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach. In § 33 Abs. 3a EStG 1988 wird nämlich auf die Gewährung von Familienbeihilfe nach dem FLAG hingewiesen. Da in § 4 Abs. 1 FLAG jedoch eindeutig nur auf den Anspruch auf Familienbeihilfe abgestellt wird, ist dies bei der Auslegung der Bestimmungen des EStG 1988, die an das FLAG anknüpfen, zu berücksichtigen. § 33 Abs. 3a EStG ist deshalb teleologisch von der Gewährung auf den Anspruch von Familienbeihilfe zu reduzieren ()."

Gegen dieses Erkenntnis des BFG wurde vom Finanzamt Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben. In seiner diesbezüglichen Entscheidung vom (Ra 2021/15/0067) führt der VwGH wie folgt aus:

"Im Falle eines Anspruchs auf eine der Familienbeihilfe vergleichbare ausländische Beihilfe besteht gemäß § 4 FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe (§ 4 Abs. 1 FLAG 1967) oder nur ein verminderter Anspruch im Ausmaß einer Ausgleichszahlung (Unterschiedsbetrag zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der höheren Familienbeihilfe, vgl. § 4 Abs. 2 bis 7 FLAG 1967). In solchen - in § 33 Abs. 3a EStG 1988 nicht ausdrücklich geregelten - Fällen, in denen also (teilweise) an Stelle der Familienbeihilfe eine gleichartige ausländische Beihilfe iSd § 4 FLAG gewährt wird, ist in gleicher Weise die in § 33 Abs. 3a erster Satz EStG 1988 normierte Voraussetzung der "Beihilfengewährung" erfüllt (vgl. Mayr/Gensluckner in Doralt et al, EStG²², § 33, Tz 34/2). Gemäß § 4 Abs. 6 FLAG 1967 gilt die Ausgleichszahlung als Familienbeihilfe. Aus der Sicht des Familienbonus Plus kann es keinen Unterschied machen, ob sich noch eine (geringfügige) Ausgleichzahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG ergibt oder ob die Ausgleichzahlung wegen der Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe bloß Null beträgt.

Das Finanzamt bringt vor, der Gewährung des Familienbonus Plus stehe entgegen, dass der unterhaltsverpflichtete Vater keinen "Antrag" auf Familienbeihilfe bzw. auf eine Ausgleichzahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG 1967 gestellt habe; auch wenn bei höheren Familienleistungen im Ausland die Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG 1967 "betragsmäßig Null" sei, müsste eine entsprechende Antragstellung (auf Ausgleichszahlung von null Euro) nach dem FLAG erfolgen, sodass der Anspruch dem Grunde nach im Beihilfenverfahren geprüft werden könne.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs können, wenn die in Rede stehende Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG "betragsmäßig Null" ist, Antragstellende auf Familienbonus Plus jedenfalls (subsidiär) auch in ihrem Einkommensteuerverfahren nachweisen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind. Gemäß § 13 zweiter Satz FLAG ist im Familienbeihilfenverfahren ein Bescheid dann zu erlassen, wenn dem Beihilfenantrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.

Dass im Revisionsfall - entgegen der Annahme des BFG - für den 2002 geborenen Sohn in Österreich dem Grunde nach gar kein Familienbeihilfenanspruch bestünde, wurde vom Finanzamt nicht konkret behauptet. Der Umstand, dass sich das Kind ständig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, steht - unbeschadet des § 5 Abs. 3 FLAG - dem Beihilfenanspruch nicht entgegen (vgl. § 53 Abs. 1 zweiter Satz FLAG)."

Aus diesen Ausführungen des VwGH zieht das BFG in seinem - zu einer vergleichbaren Rechtslage ergangenen - Erkenntnis vom (RV/7100274/2022) den folgenden Schluss:

"Für die Gewährung des Familienbonus Plus kann es dabei aber keinen Unterschied machen, ob die Differenzzahlung Null oder einen anderen Betrag ergäbe, da es wohl keinen Unterschied machen kann, aus welchen Gründen ein Anspruchsberechtigter/eine Anspruchsberechtigte keinen Antrag auf Differenzzahlung stellt. Wesentlich ist daher nicht der Antrag auf oder die tatsächliche Gewährung von Familienbeihilfe, sondern die Anspruchsvoraussetzung. Der Antragstellende kann daher entsprechend der vom Veraltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0067, vertretenen Rechtsansicht auch in seinem Einkommensteuerverfahren nachweisen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind (vgl. auch Hilber in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer [EStG 1988] - Kommentar, [70. Lfg. 2021], § 33 Abs. 3a, Tz 21ff)."

Im gegenständlichen Beschwerdefall besteht aufgrund der Beschäftigung des Beschwerdeführers im Inland dem Grunde nach ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a der VO 883/2004). Er leistet zudem den gesetzlichen Unterhalt für seinen minderjährigen Sohn, erhält dafür den Unterhaltsabsetzbetrag in voller Höhe und hat dargestellt, dass die Kindesmutter den Familienbonus Plus in Österreich nicht bezieht.

Dass für den minderjährigen Sohn des Beschwerdeführers Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe bzw. auf eine Ausgleichszahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG 1967 besteht, wurde vom Finanzamt nicht bezweifelt.

Basierend auf diesen Ausführungen bzw. unter Verweis auf die obig zitierte Rechtsprechung war der Beschwerde daher stattzugeben. Dem Beschwerdeführer steht der Familienbonus Plus ungekürzt für das gesamte Jahr 2019 (und somit auch für die Monate September bis Dezember 2019) zu.


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Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2020
Einkommen
EUR 22.701,31
Einkommensteuer
EUR 1.310,09
Anrechenbare Lohnsteuer
- EUR 3.841,52
Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG 1988
EUR 0,43
Ergibt folgende festgesetzte Einkommensteuer (Gutschrift)
- EUR 2.531,00

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht hat über die zu beurteilende Rechtsfrage im Sinne des Erkenntnisses des entschieden. Da das vorliegende Erkenntnis somit nicht von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101381.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at