Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.10.2022, RV/5100283/2022

Wirksames betriebsinternes Kontrollsystem einer Kapitalgesellschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***StB***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom zu Steuernummer ***BF1StNr1***, mit dem der Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO auf Aufhebung des Bescheides vom über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 1.002,35 € abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit Bescheid vom wurden die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 2021 und Folgejahre mit 57.312,00 € festgesetzt. Im Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass bis zur Zustellung eines neuen Bescheides die festgesetzten Vorauszahlungen mit je einem Viertel jeweils am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November fällig sind. Die Vorauszahlungen für die ersten drei Quartale des Jahres 2021 wurden termingerecht entrichtet.

Die Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid vom zur Körperschaftsteuer 2020 veranlagt. Aus diesem Bescheid ergab sich eine Nachforderung von 51.241,00 €, die am fällig war. Der Bescheid erging an die Beschwerdeführerin und wurde zu Handen ihrer steuerlichen Vertreterin zugestellt.

Aus der elektronisch am eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung 09/2021 ergab sich eine Gutschrift in Höhe von 15.389,65 €.

Am wurde die KÖSt-Vorauszahlung für das vierte Quartal 2021 in Höhe von 14.328,00 €, die am fällig war, am Abgabenkonto gebucht.

Die Nachforderung aus dem Körperschaftsteuerbescheid 2020 in Höhe von 51.241,00 € wurde durch eine Gutschrift aus der am selben Tag durchgeführten Veranlagung zur Umsatzsteuer 2020 in Höhe von 62,09 € und die Gutschrift aus der Umsatzsteuervoranmeldung für September 2021 in Höhe von 15.389,65 € auf einen offenen Restbetrag von 35.789,26 € vermindert, der bis zu entrichten gewesen wäre.

Durch die gemäß § 214 BAO verrechnungsbedingte Verwendung dieser Gutschriften für die teilweise Abdeckung der erst am fälligen Körperschaftsteuer 2020 standen die Gutschriften nicht mehr zur Abdeckung der bereits am fällig gewesenen Vorauszahlung an Körperschaftsteuer für das vierte Quartal 2021 zur Verfügung. Zur Entrichtung dieser Vorauszahlung stand aus diesem Grund gemäß § 210 Abs. 6 BAO eine Nachfrist bis zu.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt folgende erste Säumniszuschläge fest:


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Abgabe
Zeitraum
Frist
Betrag
Säumniszuschlag
Körperschaftsteuer
10-12/2021
14.328,00
286,56
Körperschaftsteuer
2020
35.789,26
715,79
Summe
1.002,35

Die Festsetzungen wären erforderlich, weil die angeführten Abgabenschuldigkeiten nicht innerhalb der obenstehenden Fristen entrichtet worden seien.

Die genannten Abgabenschuldigkeiten wurden in weiterer Folge durch die Gutschrift aus der Umsatzsteuervoranmeldung für Oktober 2021 und eine per wirksame Überweisung des sodann noch offenen Restbetrages entrichtet.

Mit Eingabe vom wurde ein Antrag auf Herabsetzung "des" Säumniszuschlages in Höhe von 1.002,35 € gemäß § 217 Abs. 7 BAO auf 0,00 € gestellt. Die Körperschaftsteuer 2020 sei mit Bescheid vom festgesetzt und an den steuerlichen Vertreter des Abgabenpflichtigen als Zustellvertreter elektronisch übermittelt worden. Der steuerliche Vertreter habe dem Geschäftsführer des Abgabenpflichtigen den Bescheid mit der Information, dass der Betrag in Höhe von 51.178,91 € am fällig wird, elektronisch weitergeleitet. Damit sichergestellt werde, dass die entsprechende Information auch bei der Gesellschaft einlangt, sei als internes Kontrollsystem vorgesehen, dass die Information über fällige Beträge vom steuerlichen Vertreter auch gleichzeitig an die Verwaltungsmitarbeiterin des Abgabenpflichtigen weitergeleitet wird. Die Gesellschaft habe neben dem Geschäftsführer nur eine Person in der Verwaltung beschäftigt. Diese Mitarbeiterin, die die oben angeführte Information erhält, sei erkrankt und habe daher die entsprechende Information nicht bearbeiten können. Der Geschäftsführer der Gesellschaft übe neben seiner Geschäftsführungsfunktion bei der Gesellschaft noch eine unselbständige Vollzeitbeschäftigung im Lebensmittelbereich aus. Aufgrund der Covid-Pandemie ergäbe sich im Rahmen der unselbständigen Betätigung für den Geschäftsführer der Abgabenpflichtigen ein erheblicher Mehraufwand. Insbesondere werde die unselbständige Betätigung derzeit in mehreren Schichten durchgeführt. Der Geschäftsführer der Abgabenpflichtigen habe die Information über den am fälligen Betrag "nicht erhalten bzw. übersehen". Erst verspätet habe der Abgabenpflichtigen seinen Irrtum bemerkt und unmittelbar danach den fälligen Rückstand entrichtet. Gemäß § 217 Abs. 7 BAO könne ein Säumniszuschlag insoweit herabgesetzt bzw. nicht festgesetzt werden, als den Abgabepflichtigen an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Der Abgabenpflichtige habe irrtümlich keine Kenntnis darüber gehabt, dass der Betrag auf seinem Abgabenkonto belastet wurde. Der Abgabenpflichtige erhalte zahlreiche E-Mails pro Tag und dabei könne es passieren, dass auch ein wichtiges E-Mail übersehen wird bzw. im Spam-Filter des E-Mail Providers landet. Die Verwaltungsmitarbeiterin, die ebenfalls dafür sorge, dass fällige Beträge fristgerecht entrichtet werden, habe krankheitsbedingt die Information nicht bearbeiten können. Der Abgabenpflichtige habe ein internes Kontrollsystem eingerichtet, das verhindern soll, dass fällige Abgaben nicht fristgerecht entrichtet werden. Dieses interne Kontrollsystem sei grundsätzlich wirksam. Trotz Vorhandensein eines derartigen internen Kontrollsystems könne bei unregelmäßig anfallenden Zahlungen es nicht zur Gänze verhindert werden, dass eine fällige Zahlung übersehen wird. Nachdem der Irrtum bemerkt worden sei, wäre umgehend der fällige Betrag entrichtet worden. Dem Abgabenpflichtigen sei an der Säumnis kein grobes Verschulden vorzuwerfen.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom im Wesentlichen mit der Begründung ab, in einem vom Antragsprinzip beherrschten, auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichteten Verfahren trete die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Dies bedeute, dass derjenige, der eine Begünstigung in Anspruch nehmen will, von sich aus einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels des Vorliegens all jener Umstände aufzuzeigen habe, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann. Es sei kein Nachweis dafür erbracht worden, dass die Verwaltungsmitarbeiterin der Beschwerdeführerin krank gewesen sei. Im Allgemeinen müsse organisatorisch vorgesorgt sein, dass auch bei Erkrankung von Mitarbeitern eine fristgerechte Wahrnehmung von Fristen sichergestellt ist. Der Hinweis auf Erkrankung bei ansonsten rechtzeitiger Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten sei nicht geeignet, ein grobes Verschulden an der verspäteten Entrichtung der Abgaben auszuschließen (). Eine reibungslose Kommunikation sei ein wichtiger Faktor des wirtschaftlichen Erfolges eines Unternehmens. Kein Betrieb könne es sich leisten, auf Kundenanfragen oder behördliche Anschreiben nicht sofort zu reagieren. Daher sei es auch erforderlich, dass die verwendeten Kommunikationsmittel "entsprechend konfiguriert" und in Folge überwacht würden. Wer dies unterlasse und somit das Risiko auf sich nehme, dass wichtige Mails übersehen werden bzw. im Spamordner landen, handle auffallend sorglos und müsse die Folgen seiner Handlung selbst tragen. Stress und berufliche Mehrbelastung des Geschäftsführers seien allgemein kein Grund um eine Aufhebung eines Säumniszuschlages bei der Gesellschaft zu rechtfertigten.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom . Darin wurde das im Antrag vom erstattete Vorbringen wörtlich wiederholt und zusammenfassend ausgeführt, dass es sich bei dem Fehler, durch den "der" Säumniszuschlag verursacht wurde, um einen Fehler handle, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehe.

Diese Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Dabei wies das Finanzamt neuerlich auf die qualifizierte Darlegungs- und Nachweispflicht der Beschwerdeführerin hin, wiederholte die Begründung des Abweisungsbescheides und führte ergänzend aus, dass trotz entsprechenden Hinweises im Abweisungsbescheid auch in der Beschwerde der Zeitraum der Erkrankung der Verwaltungsmitarbeiterin nicht bekanntgegeben worden sei. Der Offenlegungspflicht wäre somit nicht entsprochen worden. Die näheren Umstände der Erkrankung der Mitarbeiterin könnten nicht geprüft werden.

Im Vorlageantrag vom wurde nach Wiederholung des Vorbringens aus dem Antrag bzw. der Beschwerde ergänzend ausgeführt, dass erst mit der Zustellung des Bescheides über die Festsetzung des Säumniszuschlages der Geschäftsführer der Gesellschaft den "Irrtum" bemerkt und unmittelbar danach den fälligen Rückstand entrichtet habe. Zur Klarstellung des Vorhandenseins eines entsprechend der Größe und Struktur des Unternehmens angemessenen internen Kontrollsystems werde der Ablauf des Eingangs und die Bearbeitung von finanzbehördlichen Schriftstücken nachfolgend dargestellt:

Schritt 1
In Finanz-Online sei die Zustellung auf die steuerliche Vertretung eingestellt worden. Nach der Zustellung der Schriftstücke der Finanzbehörde werde die Richtigkeit der Bescheide von dem steuerlichen Vertreter überprüft und an den Geschäftsführer der Gesellschaft und an die Verwaltungsmitarbeiterin übermittelt. Im Falle einer Unrichtigkeit des Bescheides werde die Beschwerde- und Bearbeitungsfrist kalendiert und eine Bearbeitung erfolge durch die steuerliche Vertretung unter Einhaltung der Frist.

Schritt 2
Auch der Geschäftsführer überprüfe die Richtigkeit der Bescheide. Im Falle einer Unrichtigkeit des Bescheides würden die weiteren Schritte mit der steuerlichen Vertretung geklärt. Lediglich bei erfolgter positiver Prüfung der Richtigkeit des Bescheides erfolge keine Rücksprache mit der steuerlichen Vertretung, sondern würden die Bescheide vom Geschäftsführer ausgedruckt, die Fälligkeit des Bescheides kalendiert und auf dem Bescheid (mit Leuchtstift) vermerkt. Als nächster Schritt würden diese Bescheide einer Verwaltungsmitarbeiterin weitergegeben um die weitere Bearbeitung durchzuführen. Von der Mitarbeiterin würden die Bescheide für die Freigabe vorbereitet und auf den Bescheiden entsprechende Informationen vermerkt. Die digital erhaltenen Bescheide würden im EDV-System archiviert.

Kurzfristige Abwesenheiten des Geschäftsführers seien unschädlich für dieses Kontrollsystem. Bei längerfristigen Abwesenheiten (Urlaub etc.) erfolge durch das Vorhandensein von mobilen Geräten (Zustellung E-Mails auch auf das Mobiltelefon, Mitnahme von Laptop) dieselbe Tätigkeit wie im Büro. Daher sei auch bei längeren Abwesenheiten durch das Kontrollsystem gewährleistet, dass fristgerechte Kenntnis gewährleistet sei.

Schritt 3
Der kalendierte und mit Zahlungs- und Bearbeitungsfrist markierte Bescheid werde durch den Geschäftsführer im Internet-Banking mittels einer Terminüberweisung zur Zahlung freigeben. Nach Zahlungsfreigabe würden die Bescheide zur Ablage gegeben und der Kalendereintrag wieder entfernt. Die Verwaltungsmitarbeiterin archiviere die Unterlagen in Papierform. Überweisungen würden grundsätzlich durch den Geschäftsführer selbst durchgeführt.

Trotz dieses - grundsätzlich verlässlichen - Kontrollsystems habe der Fehler bei der Überweisung der Körperschaftsteuer nicht verhindert werden. Gem. § 217 Abs. 7 BAO könne ein Säumniszuschlag insoweit herabgesetzt bzw. nicht festgesetzt werden, als den Abgabepflichtigen an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Wie im Sachverhalt dargelegt, hätte der Abgabepflichtige irrtümlich keine Kenntnis darüber gehabt, dass der Betrag seinem Abgabenkonto belastet wurde. Der Abgabenpflichtige erhalte zahlreiche E-Mails pro Tag und dabei könne es passieren, dass auch ein wichtiges E-Mail übersehen werde bzw. im Spam-Filter des E-Mail Providers lande. Wie im Sachverhalt dargelegt, habe die Gesellschaft ein umfangreiches internes Kontrollsystem, das verhindern soll, dass Fehler auftreten. Die Gesellschaft beschäftige neben dem Gesellschafter-Geschäftsführer nur eine Person in der Verwaltung. Die Verwaltungsmitarbeiterin, die ebenfalls dafür sorge, dass fällige Beträge fristgerecht entrichtet werden, habe krankheitsbedingt die Information nicht bearbeiten können. Die Abgabenpflichtige habe ein internes Kontrollsystem eingerichtet, das verhindern soll, dass fällige Abgaben nicht fristgerecht entrichtet werden. Dieses interne Kontrollsystem sei grundsätzlich wirksam. Trotz Vorhandensein eines derartigen internen Kontrollsystems könne bei unregelmäßig anfallenden Zahlungen nicht zur Gänze verhindert werden, dass eine fällige Zahlung übersehen wird. Nachdem Irrtum bemerkt wurde, sei umgehend der fällige Betrag entrichtet worden. Auch ein funktionierendes Kontrollsystem könne Fehler und Versehnisse nicht zu Gänze verhindern. Es sei gerade Zweck der Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO, dass negative Folgen durch Versehnisse beseitigt werden können. Der Abgabenpflichtigen sei an der Säumnis kein grobes Verschulden vorzuwerfen, da nicht auffallend sorglos gehandelt wurde, sondern im Gegenteil ein Fehler unterlaufen sei, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehe.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und verwies darin unter anderem auf die Beschwerdevorlage vom zu GZ. RV/5101013/2020. Gegenstand dieses Verfahrens ist die teilweise verspätete Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2019. In diesem Verfahren sei auch auf eine zuvor eingetretene Säumnis bei der Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer 2018 hingewiesen worden. Zur verspätet entrichteten Körperschaftsteuervorauszahlung für das vierte Quartal 2021 wies das Finanzamt auf den entsprechenden Bescheid vom hin. In Wahrheit sei kein funktionierendes Kontrollsystem eingerichtet gewesen, denn einerseits sei nicht klar, ob der Geschäftsführer die Fälligkeit bzw. die Zahlungsfrist der Abgaben einfach übersehen oder diese Informationen überhaupt nie erhalten habe. Anderseits habe schon der Ausfall der Mitarbeiterin zum Säumnisfall geführt, weil der Geschäftsführer ganz offensichtlich keinen Grund zum Einschreiten gesehen habe. Bei näherer Betrachtung der behaupteten Sachlage stelle sich somit heraus, dass weder für den Geschäftsführer noch für die Mitarbeiterin eine Vertretung vorgesehen gewesen wäre. Der Ausfall der Mitarbeiterin habe beim Geschäftsführer kein Handeln ausgelöst. Es sei aber die Pflicht des Geschäftsführers, die Beschwerdeführerin unter anderem in abgabenrechtlichen Belangen zu vertreten. Sollte die sorgfältige Ausübung dieser Verpflichtung aufgrund einer zusätzlichen Beschäftigung nicht oder nur erschwert möglich sein, obliege es dem Geschäftsführer erst recht, entsprechende zusätzliche Maßnahmen zu setzen, was er aber unterlassen habe. Aufgrund der Tatsache, dass keine Überarbeitung des Kontrollsystems stattgefunden habe, zumal es nicht das erste Mal gewesen sei, dass Fristen versäumt wurden, sei nicht mehr nur von einem gelegentlichen Fehler eines sorgfältigen Menschen und somit nicht von leichter Fahrlässigkeit auszugehen. Es werde daher beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Der Alleingeschäftsführer der Beschwerdeführerin, ***GF***, ist auch einer ihrer Gesellschafter. Ferner ist er vollzeitbeschäftigter Angestellter der Fa. ***A*** GmbH.

Im Zuge des vom Bundesfinanzgericht durchgeführten ergänzenden Ermittlungsverfahrens wurde zunächst darauf hingewiesen, dass die Körperschaftsteuer für das vierte Quartal 2021 am fällig gewesen wäre. Zur rechtzeitigen Abdeckung derselben hätte die Gutschrift aus der UVA 09/2021 ausgereicht, was die Vermutung nahe lege, dass eine Zahlung dieser Vorauszahlung aus eben diesem Grund nicht erfolgte. Die Lohnabgaben 10/2021 wären mit einer entsprechenden Überweisung vom bezahlt worden. Andere Gründe, warum zum die Entrichtung der KÖSt-Vorauszahlung für das vierte Quartal 2021 nicht erfolgte, wären bisher nicht vorgebracht worden. Die steuerliche Vertreterin gab dazu keine ergänzende Stellungnahme ab.

Zum konkreten Verfahrensablauf betreffend Zahlungen an das Finanzamt wurde nochmals (wie in der Beschwerde) ausgeführt, dass die steuerliche Vertreterin per E-Mail die vom Finanzamt übermittelt Benachrichtigung über die Vorschreibung der Körperschaftsteuer sowohl an die E-Mail Adresse des Geschäftsführers als auch an die allgemeine E-Mail Adresse der Gesellschaft, die von der Verwaltungsmitarbeiterin eingesehen wird, übermittle. Die Durchführung der Überweisungsaufträge erfolge durch den Geschäftsführer der Gesellschaft selbst, der auch den Überweisungsauftrag freigebe. Die Überweisungsaufträge würden durch den Geschäftsführer selbst vorbereitet.

Zu der im verfahrensgegenständlichen Antrag vorgebrachten Erkrankung der Verwaltungsmitarbeiterin der Gesellschaft wurde angegeben, dass eine schriftliche Krankmeldung derselben nicht vorliege und damit der genaue Zeitpunkt der Erkrankung nicht mehr nachvollziehbar sei.

Zum internen Kontrollsystem im Betrieb der Beschwerdeführerin wurde ausgeführt, dass die Gesellschaft insgesamt 20 Mitarbeiter beschäftige, wobei es sich bei diesen großteils um Mitarbeiter in der Produktion handle. Um die Verwaltung kümmere sich lediglich der Geschäftsführer der Gesellschaft selbst, der nebenbei seiner Geschäftsführertätigkeit für die Gesellschaft in einem anderen - nicht familieneigenen - Unternehmen einer Vollzeitbeschäftigung nachgehe. Bei der Verwaltung werde der Geschäftsführer von einer teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterin unterstützt. Bei den Mitarbeitern in der Produktion handelt es sich großteils um Mitarbeiter ausländischer Herkunft, die der deutschen Sprache nicht zur Gänze mächtig seien. Diese könnten daher im Verwaltungsbereich nicht eingesetzt werden. Diese familienhafte Struktur des Unternehmens, die durch persönlichen Einsatz geprägt sei, ermögliche es der Gesellschaft nicht, ein durchgehendes Vier-Augen Prinzip im Kontrollsystem zu etablieren.

Beweiswürdigung

Der festgestellte und unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus den zitierten Aktenteilen, dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den im Abgabeninformationssystem gespeicherten Daten.

III. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Soweit eine Abgabe nur deswegen als nicht entrichtet anzusehen ist, weil vor dem Ablauf einer zur Entrichtung einer anderen Abgabenschuldigkeit zur Verfügung stehenden Zahlungsfrist eine Verrechnung gemäß § 214 auf diese andere Abgabenschuldigkeit erfolgte, steht dem Abgabepflichtigen für die Entrichtung der erstgenannten Abgabe eine Nachfrist bis zum Ablauf der später endenden Zahlungsfrist für eine der genannten Abgaben zu (§ 210 Abs. 6 BAO).

In den Fällen einer zusammengefassten Verbuchung der Gebarung sind gemäß § 214 Abs. 1 BAO Zahlungen und sonstige Gutschriften, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen; an die Stelle des Fälligkeitstages hat der davon abweichende zuletzt maßgebliche gesetzlich zustehende oder durch Bescheid zuerkannte Zahlungstermin zu treten. Haben mehrere Abgabenschuldigkeiten denselben Fälligkeitstag oder denselben davon abweichenden Zahlungstermin und reicht ein zu verrechnender Betrag zur Tilgung aller gleichzeitig zu entrichtenden Abgabenschuldigkeiten nicht aus, so hat die Verrechnung bei demselben Zahlungstermin auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten und bei demselben Fälligkeitstag auf die früher verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu erfolgen. Abgabenschuldigkeiten, für welche ein Pfandrecht besteht, gelten als dem Fälligkeitstag nach jüngste verbuchte Abgabenschuldigkeiten, es sei denn, das Pfandrecht wurde vertraglich eingeräumt. Die Verbuchung von Abgabenschuldigkeiten ist ohne unnötigen Aufschub und in einer von sachlichen Gesichtspunkten bestimmten Reihenfolge vorzunehmen (§ 214 Abs. 1 BAO).

§ 217 BAO normiert auszugsweise:

(1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen gemäß § 217 Abs. 7 BAO kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Entscheidend ist nach der zitierten Gesetzesstelle, ob den Abgabepflichtigen an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. (Grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei (oder des Parteienvertreters) ist nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls, ob der Partei selbst (bzw. ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist ().

Bei der Frage, ob grobes Verschulden vorliegt (oder nicht), handelt es sich nicht um eine Frage, die zu beweisen wäre; es handelt sich vielmehr um eine Rechtsfrage ().

Auch die Büroorganisation einer Kapitalgesellschaft muss in gleicher Weise wie eine Rechtsanwaltskanzlei dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen (Ritz, BAO7, § 308 Tz 17 mit Hinweis auf und ).

Das im Unternehmen der Beschwerdeführerin eingerichtete "interne Kontrollsystem" wurde im Antrag vom näher dargestellt. Demnach erhalten sowohl der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin als auch die Verwaltungsmitarbeiterin per E-Mail die Verständigung der steuerlichen Vertreterin über allfällige Zahlungspflichten an das Finanzamt. Auch diese Verwaltungsmitarbeiterin sorge dafür, dass fällige Beträge fristgerecht entrichtet werden. Im Vorlageantrag vom wurden die einzelnen Schritte der Bearbeitung einlangender E-Mails der steuerlichen Vertreterin insbesondere durch den Geschäftsführer noch näher beschrieben.

Dieses betriebsinterne Kontrollsystem genügt den Anforderungen an eine sorgfältige Büroorganisation einer Kapitalgesellschaft. Allerdings scheitert ein solches Kontrollsystem nach dem Vier-Augen-Prinzip dann, wenn einer der beiden Beteiligten aus welchen Gründen auch immer (Krankheit etc.) seine Kontrollfunktion nicht wahrnehmen kann und für keinen Ersatz dieser Person für den Zeitraum ihrer Abwesenheit gesorgt wird - was gegenständlich aber der Fall war. Wird für den Fall der Erkrankung einer auch mit fristgebundenen Arbeiten befassten bzw. fristwahrende Tätigkeiten des Geschäftsführers kontrollierenden Mitarbeiterin keinerlei Vorsorge getroffen, kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehen ausgegangen werden (vgl. und ; ).

Die steuerliche Vertreterin hat in dem vom Bundesfinanzgericht ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren selbst eingeräumt, dass aufgrund der näher dargestellten Umstände ein durchgehendes Vier-Augen-Prinzip im Kontrollsystem nicht etabliert werden haben können. Sofern eine Gegenkontrolle durch die Verwaltungsmitarbeiterin aber aus welchen Gründen auch immer nicht stattfindet, und damit der Geschäftsführer die von ihm kalendierte Fälligkeit der Abgaben selbst kontrolliert, ist darauf hinzuweisen, dass ein Kontrollsystem, das sich in einer "Selbstkontrolle" erschöpft, kein wirksames Kontrollsystem ist (vgl. ).

Zum Vorbringen im Antrag vom , der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe die Information über den am fälligen Betrag "nicht erhalten bzw. übersehen", wird bemerkt, dass zum eine damit die Unwirksamkeit eines "Selbstkontrollsystems" dokumentiert wird, und zum anderen ein auf einen bloßen Irrtum, Vergesslichkeit oder Nachlässigkeit zurückzuführendes Versehen ohne das Hinzutreten besonderer hierfür ausschlaggebender und über alltägliche Belastungen hinausgehender Umstände (noch) nicht als bloß minderer Grad des Verschuldens qualifiziert werden kann (; ). Dies gilt auch für die geltend gemachten beruflichen Mehrbelastungen aufgrund der zusätzlichen unselbständigen Berufstätigkeit des Geschäftsführers in einem anderen Unternehmen. Den Mehrbelastungen durch die Covid-Pandemie hat der Gesetzgeber ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass für Abgaben mit Fälligkeiten zwischen dem und abweichend von § 217 Abs. 2 und 3 BAO überhaupt keine Säumniszuschläge zu entrichten waren (§ 323c Abs. 15 BAO).

Zu der vom Finanzamt im Vorlagebericht geltend gemachten wiederholten Säumigkeit der Beschwerdeführerin bei der Abgabenentrichtung wird auf die stattgebende Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom heutigen Tag zu GZ. RV/5101013/2020 verwiesen. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob noch ein ausreichender zeitlicher Zusammenhang der dort erörterten Fristversäumnisse (Fälligkeit der Kraftfahrzeugsteuer 2018 am , Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung 12/2019 am ) mit der vorliegenden Säumigkeit (Fälligkeit bzw. Zahlungsfrist gemäß § 210 Abs. 6 BAO am ) besteht. Liegt eine wiederholte Säumigkeit bei der Entrichtung von Abgaben vor, kann regelmäßig nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens ausgegangen werden ( mit Hinweis auf ; ). Dabei kommt es aber stets auf die Umstände des konkreten Einzelfalles und insbesondere die Gründe für die jeweiligen Fristversäumnisse an. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er bei einer in der Vergangenheit liegenden (schuldhaften) Versäumung einer Zahlungsfrist die Anwendung des § 217 Abs. 7 BAO grundsätzlich und für einen unbefristeten Zeitraum ausschließen wollte.

Schließlich hat bereits das Finanzamt im angefochtenen Bescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass § 217 Abs. 7 BAO einen Begünstigungstatbestand normiert, welcher vom Antragsprinzip beherrscht wird. Dies bedeutet, dass der Grundsatz der Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt. Dieser hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen all jener Umstände aufzuzeigen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann. Aus dieser erhöhten Behauptungs- und Beweislast des Antragstellers folgt, dass es seine Sache ist, ein fehlendes grobes Verschulden an der Säumnis aufzuzeigen (z.B. ; weitere Nachweise zur erhöhten Behauptungs- und Beweislast bei Ritz, BAO7, § 217 Tz 49).

Da im vorliegenden Fall aus den angeführten Erwägungen nicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels aufgezeigt wurde, dass der verspäteten Entrichtung der verfahrensgegenständlichen Abgabenschulden kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden zugrunde liegt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat u.a. Fragen des Vorliegens groben Verschuldens der Partei der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts zugeordnet und eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann anerkannt, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre. Diese Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch bei der Prüfung der Frage des groben Verschuldens im Zusammenhang mit einem Antrag auf Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen nach § 217 Abs. 7 BAO angewendet ( mit Hinweis auf ). Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Linz, am

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