Keine Gewährung von Familienbeihilfe mangels Berufsausbildung im Sinne des FLAG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Im Schuljahr 2021/2022 besuchte die Tochter der Beschwerdeführerin (Bf), ***1***, das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige in ***2*** in einem Ausmaß von 10 Wochenstunden, weshalb der Bezug der Familienbeihilfe eingestellt wurde. Mit Eingabe vom beantragte die Bf, die Familienbeihilfe für den Zeitraum ab Oktober 2021 erneut zu gewähren. Die verringerte Stundenanzahl sei durch den Umzug ihrer Tochter von ***6*** nach ***2*** bedingt, wo sie anstelle des Faches Italienisch mit dem Fach Latein neu begonnen habe. Zwei Lateinkurse parallel zu belegen sei wegen zeitlicher Überschneidung nicht möglich gewesen.
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag auf Familienbeihilfe für ***1*** mit der Begründung abgewiesen, dass die Familienbeihilfe nur bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung, für welche das Kind die volle Zeit verwendet und in angemessener Zeit zu Prüfungen antritt, zustehe.
Gegen diesen Bescheid hat die Bf mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass zum theoretischen Unterricht nochmals 10 Stunden an Vor- und Nachbereitungszeit sowie 3 Stunden Schulweg pro Woche anfallen würden.
Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine allgemein bildende Schulausbildung qualitativ zweifellos eine Berufsausbildung darstelle. Hinsichtlich der quantitativen Komponente sei der Vergleichsmaßstab der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand von zumindest 30 Wochenstunden. ***1*** sei für 10 Wochenstunden inskribiert, womit der Zeitaufwand inklusive Lernstunden nur 20 Wochenstunden betrage. Die Voraussetzungen einer ernsthaften und zielstrebigen Berufsausbildung lägen daher nicht vor.
Mit Eingabe vom beantragte die Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Die Bf führte im Wesentlichen aus, dass ***1*** nach ***2*** umgezogen sei, wo kein Italienisch angeboten wird, weshalb ***1*** mit Latein neu beginnen habe müssen. Da Latein aufbauend unterrichtet wird, habe sie auch nicht zwei Module pro Semester belegen können. Durch das häufige Distance-Learning sei auch ein erhöhter Lernaufwand zu Hause von 14 Wochenstunden angefallen. ***1*** beziehe lediglich eine Halbwaisenrente von ca. € 450,00, die Miete für ihre Wohnung werde von der Bf bezahlt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Tochter der Bf, ***1***, geb. am ***3*** 1999, besuchte im Schuljahr 2016/2017 die 3. Klasse der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule in ***4***. Ab Herbst 2017 besuchte sie die 4. Klasse der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule in ***5*** und wechselte im Sommersemester 2017/2018 an das Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und wirtschaftskundliches Bundesrealgymnasium für Berufstätige (4. Semester) in ***6***. Diese Schule besuchte sie auch in den Schuljahren 2018/2019 und 2019/2020. Mit Beginn des Schuljahres 2020/2021 wechselte ***1*** an das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige in ***2*** (Klasse 4A), wo dasselbe Modulsystem wie in ***6*** angeboten wurde. Allerdings wird in ***2*** kein Italienisch unterrichtet und ***1*** begann mit dem neuen Unterrichtsfach Latein. Aufgrund der bereits abgeschlossenen Module in den Fächern Deutsch, Englisch, Geschichte, Biologie, Physik, Geografie, Ökonomie, Psychologie und Musikgeschichte - nicht abgeschlossen waren Latein, Mathematik und Ethik - konnte ***1*** lediglich 16 Wochenstunden (Wintersemester) bzw. 18 Wochenstunden (Sommersemester) belegen.
Im Wintersemester 2020/2021 konnte ***1*** nur mehr 10 Wochenstunden Unterricht belegen. Zudem wendete sie 10 Stunden pro Woche zum Vorbereiten und Lernen, in Zeiten des Distance-Learning bis zu 14 Wochenstunden, auf.
***1*** bezieht eine Halbwaisenpension in Höhe von € 416,49 und eine Rente aus Deutschland in Höhe von € 48,76. Die Miete für die Wohnung ihrer Tochter wird von der Bf entrichtet.
Beweiswürdigung
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten. Der Sachverhalt ist unbestritten.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs.1 lit.b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Nach der Rechtsprechung des VwGH fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätige Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten in einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (; , 2006/15/0080 u.a.).
Für die Qualifikation als "Berufsausbildung" kommt es nicht darauf an, ob die schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist, allerdings kommt der zeitlichen Gestaltung und Verteilung einer Ausbildung, einschließlich der erforderlichen Vorbereitungs- und Lernzeit, Indizwirkung für die zeitliche Inanspruchnahme zu ().
Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs.1 lit.b FLAG kommt es nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern die Berufsausbildung muss auch im quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen ().
In zeitlicher Hinsicht liegt eine Berufsausbildung nur vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand von etwa 30 Stunden für Kurse und Vorbereitungszeit anfällt (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz.40). Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben (), insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden an, um von einer Berufsausbildung iSd FLAG zu sprechen ().
Ein Umfang von 12 Wochenstunden Unterricht (vgl. ) bzw. 10 Wochenstunden Unterricht (vgl. ) ist nicht ausreichend.
Mit dem Besuch des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums für Berufstätige in ***2*** mit 10 Wochenstunden Unterricht wurde die überwiegende Zeit der Tochter der Bf im Beschwerdezeitraum nicht in Anspruch genommen, eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs.1 lit.b FLAG liegt daher nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das Bundesfinanzgericht der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, ist eine Revision nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.4100190.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at