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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.11.2022, RV/3100772/2020

Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen - Inanspruchnahme der vollen bzw überwiegenden Zeit des Kindes für die Erstellung einer Diplomarbeit an einer HTL zu einem Nachtermin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 10. Feber 2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum April bis Oktober 2019

zu Recht erkannt:

I.

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Juli 2018 teilte die Beihilfenbezieherin dem Finanzamt in Beantwortung eines Überprüfungsschreibens mit, dass ihr am [GebDat] geborener Sohn eine Höhere Technische Lehranstalt besuche und diese im Oktober 2018 zum Nachtermin abschließen würde. Beigelegt wurde ein Reife- und Diplomprüfungszeugnis und eine "Entscheidung" der Prüfungskommission vom [Datum], nach dem der Sohn im Prüfungsgebiet "Diplomarbeit" mit "Nicht genügend" beurteilt worden ist. Die Präsentation und Diskussion der neu verfassten Diplomarbeit würde am [Datum2] stattfinden. Danach beabsichtige der Sohn den Grundwehrdienst abzuleisten.

Als Reaktion auf ein weiteres Überprüfungsschreiben gab die Beihilfenbezieherin mit bekannt, ihr Sohn werde kein Studium beginnen, sondern mit [Arbeitsbeginn] eine Berufstätigkeit aufnehmen.

Mit Bescheid vom 5. Feber 2020 forderte das Finanzamt die für den Sohn für den Zeitraum April bis Oktober 2019 ausbezahlte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag zurück. Mit dem Wintersemester 2019/2020 wäre kein Studium begonnen worden. Somit stehe der Sohn ab November 2018 nicht mehr in Berufsausbildung. Da auch nach Ableistung des Präsenzdienstes keine Berufsausbildung begonnen worden wäre, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 10. Feber 2020 Beschwerde erhoben. Der Sohn sei im Juni 2018 in der HTL zur Matura angetreten. Er habe den schriftlichen und mündlichen Teil positiv abgeschlossen, allerdings wäre die Diplomarbeit negativ beurteilt worden. In Absprache mit dem Abteilungsvorstand sei ein neues Thema und ein neuer Betreuer festgelegt worden. Die neue Arbeit habe in der Entwicklung eines Softwareprojektes bestanden.
Über den Sommer 2018 habe er die Software entwickelt. Er wäre damit nicht ganz fertig geworden und habe vor allem die Niederschrift vernachlässigt. Er habe seine Arbeit beim zuständigen Lehrer wie vereinbart für den Oktobertermin eingereicht und hätte die Rückmeldung bekommen, dass die Niederschrift für eine positive Beurteilung nicht ausreiche.
Da er schon beim Bundesheer gemeldet gewesen sei, habe er von Oktober 2018 bis März 2019 seinen Grundwehrdienst geleistet.
Im April 2019 hätte er seine Arbeit an der Diplomarbeit wieder aufgenommen. Eine Einreichung der Arbeit wäre ab diesem Zeitpunkt erst wieder zum Herbsttermin 2019 möglich gewesen. Im Oktober 2019 habe er die Reife- und Diplomprüfung erfolgreich bestanden.
Zu Beginn des Wintersemesters 2019/20 hätte er geplant mit dem Informatikstudium in Innsbruck zu beginnen. Er habe das Tutorium besucht, habe sich inskribieren und zu Lehrveranstaltungen anmelden wollen. Die Inskription und Anmeldung zu Lehrveranstaltungen wären aber erst mit Vollendung der Reife- und Diplomprüfung möglich gewesen. Das Reifeprüfungszeugnis wäre am [Abschlussdatum] ausgestellt worden. Da die Lehrveranstaltungen vor dem Abschluss der Reifeprüfung begonnen hätten, wäre die Aufnahme des Studiums in diesem Semester nur in sehr beschränktem Ausmaß möglich gewesen.
Nach Klärung der Anmeldemöglichkeiten im Studium habe sich der Sohn entschlossen, sich eine Arbeit als [Beruf] zu suchen. Nach zwei Schnuppertagen Anfang Dezember 2019 habe er von einer Firma eine Zusage bekommen. Mit [Arbeitsbeginn] habe er sein Dienstverhältnis aufgenommen.
Der Sohn habe daher erst im Oktober 2019 seine Schulausbildung abschließen können. Anschließend habe er sich zeitnah um eine adäquate und qualifizierte Anstellung bemüht und zeitnahe zu arbeiten begonnen.
Aus diesem Grund sei aus ihrer Sicht der Anspruch auf die Familienbeihilfe für ihren Sohn bis inklusive Oktober 2019 gegeben gewesen.

Das Finanzamt ersuchte um Vorlage der Diplomarbeit und um Bekanntgabe des zeitlichen Ausmaßes der Arbeit an der Diplomarbeit im Zeitraum April bis Oktober 2019 unter Vorlage entsprechender Beweismittel.

In Beantwortung des Vorhaltes führte die Beschwerdeführerin aus:
Die neue Diplomarbeit habe in der Programmierung einer Software bestanden. Ausgangspunkt wäre eine bestehende Excel-Lösung für je eine Firma gewesen. Die Anforderung wäre eine Datenbanklösung mit einer Weboberfläche, in der mehrere Firmen von mehreren Usern bearbeitet werden könnten, gewesen. In der Folge zählte die Beschwerdeführerin die wichtigsten Funktionen auf.
Stand September 2018: Die Grundfunktionalität der Anwendung sei vorhanden gewesen; für eine Verwendung wären noch einige Verbesserungen notwendig gewesen. Die Oberfläche hätte ein schlechtes Layout gehabt und es wäre nicht möglich gewesen, einen Bericht zu einem Abschluss einer Firma für ein Jahr auszudrucken. Die Niederschrift wäre derart erfolgt, dass nach einem Deckblatt auf ungefähr drei Seiten die verwendeten Programme beschrieben und danach einfach der gesamte Code eingefügt worden sei.
Die Rückmeldung der betreuenden Lehrperson (nach den Sommerferien, kurz vor dem vereinbarten Abgabetermin) wäre gewesen, dass das Programm akzeptabel sei, die Niederschrift jedoch keinesfalls genüge. Da der Sohn aber bereits eine Einberufung zum Präsenzdienst wahrgenommen hätte, wäre sich diese Überarbeitung innerhalb von einer Woche nicht mehr ausgegangen. Deshalb habe der Sohn die Fertigstellung der Arbeit auf nach seinem Präsenzdienst vertagt, da er diese doch herausfordernde Aufgabenstellung möglichst gut bis sehr gut erledigen habe wollen. Er habe den Anspruch gehabt, dass diese Arbeit nicht nur einen Prüfungsakt positiv erledigen solle, sondern diese Arbeit auch praxistauglich für den Auftraggeber im Anschluss an die Fertigstellung eingesetzt werden könne.
Über den Sommer 2019 habe der Sohn folgende Arbeit geleistet:
• Erstellung der Niederschrift mit Beschreibung der Anforderungen des Projektes, einer Darstellung der angewandten Methoden sowie einer Reflexion der Arbeitsweise. Dieser Teil wäre vorher so gut wie nicht vorhanden gewesen, die Arbeit liege bei.
• Das Programm wäre in Rücksprache mit der betreuenden Lehrperson ebenfalls weiterentwickelt worden, insbesondere wären die oben genannten Fehler und Mängel behoben worden. Dies habe teilweise die Anwendung neuer Methoden, die der Sohn bis dahin nicht gekannt habe, erfordert, die aber eine über den Regelunterricht weit hinausgehende Vertiefung seiner Programmierkenntnisse mit sich gebracht hätte. Auf Wunsch hin könne auch der gesamte Code des Projekts übermittelt werden.
Der Sohn habe nach dem Bundesheer im April 2019 Urlaub gemacht und mit Mai 2019 mit der betreuenden Lehrperson die konkreten Anforderungen und die Durchführung im Detail besprochen. Von Mai bis Ende August habe er durchschnittlich ca 30 Stunden je Woche an der Programmierung und Niederschrift gearbeitet. Die Fehlerbehebung wäre zeitaufwendig gewesen und mit der Niederschrift habe er sich schwergetan.
Anfang August 2019 habe er dem Lehrer einen Entwurf abgegeben und eine positive Rückmeldung erhalten, sowohl zur Niederschrift als auch zum Programm. Daraufhin habe er die Arbeit bis Ende August fertiggestellt und Anfang September kurz vor Ende des Abgabetermins eingereicht. Die Präsentation und Verteidigung der Arbeit (Abschluss des letzten Bausteines der Maturaprüfung) sei am [Abschlussdatum] erfolgt (Zeugnis im Anhang).
Die Arbeit sei mit GUT beurteilt worden. Nicht zuletzt aufgrund dieser Arbeit habe der Sohn inzwischen eine Stelle als [Beruf] erhalten. Dieses tiefe Hineinarbeiten in die Programmierung bis zu einer praxistauglichen Umsetzung einer Aufgabenstellung wäre auch der ausschlaggebende Moment gewesen, doch gleich in die Praxis einzusteigen und nicht, wie davor geplant, gleich nach der Schule ein Studium aufzunehmen.

Am wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt stellte den Sachverhalt dar und folgerte unter Hinweis auf § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 und Judikate des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) im vorliegenden Fall nur bestehen würde, wenn der Sohn für die Erstellung der Diplomarbeit in den entscheidungsgegenständlichen Monaten "die volle Zeit" aufgewendet hätte. Es wäre aber nicht glaubhaft, dass er an dieser sechs Stunden pro Tag gearbeitet habe, da er bereits im Sommer 2018 bis Oktober an der Diplomarbeit gearbeitet hätte. Zudem hielt das Finanzamt fest, dass für das Wintersemester 2019/2020 an der Universität allgemeine Zulassungsfrist bis bestanden habe, eine Zulassung wäre aber auch noch innerhalb der Nachfrist bis möglich gewesen.

Daraufhin beantragte die Einschreiterin die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Der Sohn habe in der genannten Zeit an einem beauftragten Softwareprojekt und nicht "nur" an einer Diplomarbeit gearbeitet. In der Programmierung habe er sich neue Felder erschlossen, in denen er bisher wenig oder keine Kenntnisse gehabt hätte. Er habe sich diese Kenntnisse im Selbststudium angeeignet.
Die Programmierung habe auch die Behebung von Bugs umfasst. Hiermit hätte er keine Erfahrung gehabt.
Diplomarbeitsprojekte an der HTL in dem Umfang würden normalerweise von 2-3 SchülerInnen gemeinsam umgesetzt, die sich gegenseitig helfen könnten. Der Sohn habe hier alleine und selbständig gearbeitet. Während der Sommermonate hätte er auch nicht die Möglichkeit gehabt, seinen Lehrer/Betreuer zu fragen.
Das Verfassen der Niederschrift sei dem Sohn sehr schwer gefallen, ein Beleg dafür sei, dass die erste Diplomarbeit mit einem anderen Thema mit "Nicht Genügend" beurteilt worden sei und ihm die Niederschrift der neuen Arbeit im ersten Anlauf auch nicht ausreichend und rechtzeitig gelungen wäre. Die Überwindung seiner Schreibblockade habe viel Zeit und Unterstützung benötigt.
In der angegebenen Zeit von Mai bis Oktober 2019 habe der Sohn keinen Urlaub gemacht und auch nicht viele Freizeitaktivitäten durchgeführt. Seine Arbeitsweise wäre sicherlich nicht effizient und er wäre oft blockiert gewesen, er habe sich dennoch sehr tief in die Programmierung eingearbeitet, was in der betrieblichen Praxis mit Vorlagen und Schablonen (also abgekürzt) meist erledigt werde. Der nicht so sichtbare Lern- und Verständniszuwachs dahingehend für ein vertieftes Verständnis, was in der Programmierung da passiere, sei nach ihrer Einschätzung zu würdigen und nicht zu unterschätzen. Dies hätten befreundete Experten auch bestätigt; als Eltern hätten sie den Sohn angehalten kontinuierlich an dem Projekt und der Niederschrift zu arbeiten, er wäre laufend an der Arbeit dran gewesen, sei jedoch aus oben erwähntem Grund nur schleppend vorangekommen
Der Sohn habe beabsichtigt im Herbst sein Studium aufzunehmen. Eine Inskription in der allgemeinen Zulassungsfrist wäre nicht möglich gewesen, da die Matura nicht abgeschlossen gewesen wäre. Der Sohn habe zu Studienbeginn Studieneinführungen und die Erstsemestrigenberatung besucht. Dabei habe er festgestellt, dass er auch im Informatikstudium viele schriftliche Arbeiten verfassen müsste. Dies habe ihn veranlasst seine Studienpläne vorerst aufzugeben und zuerst Praxiserfahrung zu sammeln.
Die Beschwerdeführerin als auch ihr Mann seien mit dem Studiensystem an Universitäten gut vertraut. Es wäre kein Problem gewesen Ende Oktober zu inskribieren und anzugeben, dass der Sohn bis Jänner studiert habe. Stattdessen wäre korrekt angegeben worden, dass er im Oktober sich umentschieden und die Aufnahme eines Studiums ausgeschlossen habe.
In der Beschwerdevorentscheidung werde angeführt, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Ausbildung "die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen bzw. die volle Arbeitskraft des Kindes binden" müsse. Hierzu sei festzuhalten, dass der Sohn mit all den Schwierigkeiten die er mit der Arbeit gehabt hätte, voll damit beschäftigt gewesen sei, seine Diplomarbeit doch noch fertigzustellen. Der Sohn habe in der Zeit vom Mai bis August 2019 zeitlich in dem angegebenen Ausmaß von ca. 30 Stunden, jedenfalls aber mehr als halbtags an der Arbeit gearbeitet. Wie angegeben habe er vor Mai noch Urlaub gemacht, anschließend hätten jedoch "wir Eltern" ihn angehalten täglich an seiner Diplomarbeit zu arbeiten. Das habe er im Rahmen seiner Möglichkeiten gemacht, wenn auch nicht effizient und effektiv, aber sehr "lernträchtig".
Insgesamt sei festzuhalten, wenn der Sohn vor dem Abschluss seiner Arbeit einer beruflichen Tätigkeit, und sei es auch nur Teilzeit, nachgegangen wäre, hätte er die Arbeit nicht fertigbekommen und seine Matura nicht abgeschlossen. Nach fünf Jahren HTL-Schulbesuch mit positivem Jahreszeugnis und positiven Noten in allen Maturafächern hätte er wegen der Diplomarbeit keinen anerkannten Abschluss bekommen.
Als Beleg für den Aufwand könnte der Programmiercode zum Zeitpunkt der ersten Abgabe und dann der endgültige Code zur Verfügung gestellt werden. Auch könnten befreundete Programmierexperten benannt werden, die bestätigen könnten, wie tief sich der Sohn mit dieser Arbeit in die "Niederungen derProgrammierung" eingearbeitet habe (ferienbedingt "ohne ev. abkürzende, orientierendeUnterstützung durch einen Betreuer") und wie sehr wir als Eltern ihn nachhaltig und zum Schluss auch engmaschig angehalten hätten, sich an die Arbeit zu setzen und sie fertig zu stellen.
Wie bereits angeführt, habe es sich für den Sohn und seine Zukunft gelohnt, sich so tief in die Programmierung einzuarbeiten, denn er fühle sich jetzt in seinem Beruf sehr wohl und seine selbst angeeigneten, vertieften Programmierkenntnisse kämen ihm Tag täglich zugute und er könne seine Arbeit sehr eigenständig (im Homeoffice) und zur Zufriedenheit der Kunden und seinem Arbeitsteam erledigen.
Es werde um Honorierung dieser besonderen Anstrengung gebeten, indem die Familienbeihilfe für diesen Zeitraum zugestanden wird.

Das Finanzamt legte dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakten vor und wiederholte die Auffassung, dass die Diplomarbeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch genommen habe.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall besuchte der Sohn der Beschwerdeführerin eine Höhere technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt. Diese Schulausbildung hätte plangemäß mit Ende des Schuljahres 2017/18 abgeschlossen werden sollen. Zu diesem Zeitpunkt war der Sohn der Beschwerdeführerin bereits volljährig.

Im Zuge der Ablegung der Reifeprüfung wurde jedoch die für den Abschluss erforderliche Diplomarbeit negativ beurteilt.

Daraufhin wurde in Absprache mit der Schule ein neues Diplomarbeitsthema und ein neuer Betreuer vereinbart. Über den Sommer 2018 hat sich der Sohn diesem Thema gewidmet und eine neue Diplomarbeit erarbeitet. Vor dem Antritt zum Nachtermin im Oktober 2018 wurde dem Sohn vom Betreuer jedoch mitgeteilt, dass insbesondere der schriftliche Teil der (neu erstellten) Diplomarbeit für eine positive Beurteilung nicht genüge.

Bis September 2018 wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge gewährt.

Mit Oktober 2018 begann der Sohn mit der Ableistung des Grundwehrdienstes, welcher Ende März 2019 beendet wurde. In dieser Zeit wurden weder Familienbeihilfe noch Kinderabsetzbetrag bezogen.

In der Folge widmete sich der Sohn, nach einem Urlaubsmonat im April 2019, wiederum ab Mai 2019 der Fertigstellung seiner Diplomarbeit, welche letztlich im Oktober 2019 präsentiert, diskutiert und mit "gut" beurteilt wurde.

Ab Jänner 2020 stand der Sohn in einem Dienstverhältnis.

Im April 2019 hat der Sohn der Beschwerdeführerin urlaubsbedingt nicht an der Fertigstellung seiner Diplomarbeit gearbeitet. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Sohn der Beschwerdeführerin im Zeitraum Mai bis Oktober 2019 seine volle oder auch nur überwiegende Zeit für die Erstellung der Diplomarbeit bzw der noch fehlenden Niederschrift zur Diplomarbeit aufgewendet hat.

Beweiswürdigung

Der oben dargestellte Sachverhalt ergibt sich mit Ausnahme des Zeitaufwandes im Zeitraum Mai bis Oktober 2019 unstrittig aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin und dem unwidersprochenen Inhalt der Beschwerdevorentscheidung und des Vorhaltes des Bundesfinanzgerichtes vom .

Hinsichtlich des strittigen Punktes des Zeitaufwandes ist festzuhalten, dass die Erstellung der Diplomarbeit üblicherweise neben dem laufenden Unterricht (und den damit verbundenen Vor- und Nachbearbeitungszeiten) der letzten Schulstufe außerhalb der Unterrichtszeit zu erarbeiten ist. Nachdem davon auszugehen ist, dass für den laufenden Unterricht und die damit verbundenen Vor- und Nachbereitungszeiten die überwiegende Zeit der Schülerin/des Schülers aufgewendet wird, kann für die Diplomarbeit daher nur ein vergleichsweise eher geringerer Zeitaufwand anfallen.
Zur Feststellung des entscheidungsrelevanten bzw eines besonders gelagerten Sachverhaltes hat das Bundesfinanzgericht die Beschwerdeführerin ersucht, weitere Unterlagen (Begleitprotokoll und Betreuungsprotokoll) und Beweismittel (Bestätigung des Betreuungslehrers über nähere Umstände bei der Erstellung der Diplomarbeit) vorzulegen bzw anzugeben, in welcher Art und welchem Umfang nach Fertigstellung der Diplomarbeit im August 2019, sohin in den Monaten September und Oktober 2019, ausbildungsrelevante Tätigkeiten durch den Sohn ausgeführt wurden. Diesem Ersuchen ist die Beschwerdeführerin trotz der sie treffenden erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
Fest steht, dass der Sohn der Beschwerdeführerin, nachdem er über den Sommer 2018 bereits die neue Diplomarbeit "akzeptabel" programmiert hatte (vgl Eingabe der Beschwerdeführerin vom ), in der Zeit nach dem Präsenzdienst (nur) noch die dazu gehörige Niederschrift, welche im Oktober 2018 noch nicht ausreichend war, zu verbessern hatte. In Anbetracht der Tatsache, dass - nach der negativen Beurteilung im Juni 2018 - die Erstellung der gesamten neuen Diplomarbeit in einem Zeitraum bis Oktober 2018 (erster Nachtermin), sohin in vier Monaten, möglich hätte sein müssen, kann alleine die Verfassung der Niederschrift keine zusätzlich sechs Monate andauernde, die volle oder zumindest überwiegende Zeit des Sohnes in Anspruch nehmende Beschäftigung darstellen. Wenn der Sohn neben dieser für einen erfolgreichen Schulabschluss notwendigen Arbeit an der Niederschrift seine Zeit und Energie ab Mai 2019 (primär?) der Verbesserung der (für den Schulabschluss bereits im Oktober 2018 ausreichenden) Programmierung widmete, um einem (nicht näher genannten) Auftraggeber ein praxistaugliches Produkt zu liefern (vgl neuerlich die Eingabe der Beschwerdeführerin vom bzw den Vorlageantrag), mag dies allenfalls viel Zeit (auch für die Erlernung neuer Kenntnisse im Selbststudium) in Anspruch genommen haben, ist die Verbindung zur Berufsausbildung (Reifeprüfung an einer HTL) jedoch nicht mehr gegeben. Im Übrigen hat es die Beschwerdeführerin durch die Nichtbeantwortung des Vorhaltes des Bundesfinanzgerichtes vom unterlassen, einen allfälligen und entsprechend konkreten Zusammenhang auch zu diesem Punkt durch entsprechende Beweismittel (Begleitprotokoll, Betreuungsprotokoll, Bestätigung des Betreuungslehrers) zu belegen.
Letztlich kann auch das - erstmals im Vorlageantrag vorgebrachte - Argument des Vorliegens einer "Schreibblockade" nicht zu einer anderen Schlussfolgerung führen. Nicht nur, dass das Vorliegen einer "Schreibblockade" - trotz diesbezüglicher Aufforderung mit Vorhalt vom - medizinisch nicht belegt wurde, wird auch in keiner Weise die konkrete Dauer einer allfälligen krankheitsbedingten Verhinderung dargelegt. Im Übrigen wird seitens der Beschwerdeführerin darauf verwiesen, dass sich der Sohn (an Stelle der Verfassung der Niederschrift?) "sehr tief in die Programmierung eingearbeitet" habe. Der "nicht so sichtbare Lern- und Verständniszuwachs" wäre zu würdigen. Damit wird aber seitens der Beschwerdeführerin selbst zugestanden, dass sich der Sohn nicht primär mit der Erstellung der Niederschrift beschäftigt hat.
Zusammengefasst kann somit nicht festgestellt werden, dass sich der Sohn der Beschwerdeführerin in den Monaten Mai bis Oktober 2019 tatsächlich mit vollem oder zumindest überwiegendem Zeiteinsatz ernsthaft und zielstrebig der Erarbeitung der Niederschrift als letztem Teil für den Abschluss der Schulausbildung gewidmet hat.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die Beschwerdeführerin für ihren Sohn im Zeitraum April bis Oktober 2019 (nach Ende des Grundwehrdienstes bis zum positiven Abschluss der Reifeprüfung) zu Recht die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag bezogen hat.

Für volljährige Kinder besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe nur dann, wenn - neben anderen für den gegenständlichen Fall nicht relevanten - eine der in § 2 Abs 1 lit b ff FLAG 1967 genannten Voraussetzungen erfüllt ist. Im vorliegenden Fall kommt einzig die Bestimmung des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 in Frage, nachdem der Sohn nach Beendigung des Präsenzdienstes bzw der Schulausbildung keine weitere Berufsausbildung begonnen hat. Nach der genannten Gesetzesbestimmung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.

Gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 hat derjenige, welcher Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Nach § 33 Abs 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag in näher angeführter Höhe zu. Werden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 - außerhalb des in der genannten Bestimmung besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes - jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern muss die Berufsausbildung auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl , mit Verweis auf ; ; ; und ). Bei kursmäßigen Veranstaltungen kommt es darauf an, dass sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet (vgl das zur Studienberechtigung ergangene Erkenntnis , oder ). Der Verwaltungsgerichtshof ist aber auch im Fall einer nicht kursmäßigen oder in einer Lehrveranstaltung erfolgten Vorbereitung auf zB die Aufnahmeprüfung für den physiotherapeutischen Dienst von diesem Begriffsinhalt der Berufsausbildung ausgegangen. Dabei kommt es, so der Gerichtshof, für die Qualifikation als Berufsausbildung im Wesentlichen darauf an, dass die Berufsausbildung in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen muss (vgl neuerlich ) und der Antritt zu den festgesetzten Prüfungsterminen erfolgt (vgl ).

Aus dem Zusammenhalt obiger Aussagen ergibt sich, dass auch die Vorbereitung zu einem Nachtermin der Reifeprüfung, der evidenter Weise nicht mehr im Regelunterricht erfolgt, grundsätzlich einen Anspruch auf Familienbeihilfe aus dem Anspruchsgrund der Berufsausbildung vermitteln kann, wenn diese Vorbereitung so intensiv und zielstrebig betrieben wird, dass sie die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und auf die schnellstmögliche Beendigung der Berufsausbildung abzielt.
Das Finanzamt hat diesen Anspruch im vorliegenden Fall auch für den Zeitraum Juli bis Oktober 2018 anerkannt und der Beschwerdeführerin für den Zeitraum bis zum ersten Nachtermin der Reifeprüfung die Familienbeihilfe zuerkannt, obwohl dieser Nachtermin vom Sohn offenbar gar nicht genutzt werden konnte, da auch die neu verfasste Diplomarbeit wegen der unzureichenden Niederschrift wiederum für eine positive Beurteilung nicht ausreichte.
Dafür, dass der Sohn der Beschwerdeführerin in der Folge nach Beendigung des Präsenzdienstes für die Fertigstellung der Diplomarbeit, bei der nach den Angaben der Beschwerdeführerin eigentlich "nur" mehr eine ausreichende Niederschrift fehlte, über weitere sechs Monate seine volle bzw überwiegende Zeit aufwenden musste, fehlen nicht nur belastbare Nachweise, sondern ist dies auch nicht glaubhaft.

Aus den oben angeführten Judikaten ergibt sich aber auch, dass nicht unmittelbar mit einer Berufsausbildung zusammenhängende Beschäftigungen nicht zu einem Anspruch auf Familienbeihilfe aus diesem Titel führen. Wenn nunmehr der Sohn der Beschwerdeführerin sich statt sich mit der Verfassung einer tauglichen Niederschrift zu beschäftigen, tatsächlich der Verbesserung der Programmierung in einem Ausmaß widmete, welches (weit) über das für die Ablegung der Reifeprüfung notwendige Maß hinausging, mag dies zwar für eine spätere Berufsausübung vorteilhaft sein, stellt dies für sich aber keine einen Beihilfenanspruch vermittelnde Berufsausbildung iSd FLAG 1967 mehr dar. Vielmehr widmete er sich einem konkreten Arbeitsauftrag, welchen er offenbar von einem Auftraggeber (vgl zB die Ausführungen im Vorlageantrag) erhalten hat.

Damit steht fest, dass dem Finanzamt nicht entgegengetreten werden kann, wenn es im bekämpften Bescheid davon ausgegangen ist, dass im Rückforderungszeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat.

Wird Familienbeihilfe trotz fehlender Anspruchsvoraussetzungen vereinnahmt, wurde diese zu Unrecht bezogen. Nach § 26 Abs 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen (vgl Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 26 Rz 20f).

Aus § 26 Abs 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, es kommt somit auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug an und sind subjektive Elemente unbeachtlich und unerheblich. Dies unabhängig davon, ob die Beträge an das Kind weitergegeben wurden (vgl ) oder ob diese gutgläubig verbraucht worden sind (vgl ). Auch eine unrichtige Auszahlung, die ausschließlich auf einer Fehlleistung der Abgabenbehörde beruht, steht einer Rückforderung nicht entgegen. Die Rückforderung ist auch keine Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde (vgl Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 26 Rz 12ff mwN).

Steuerpflichtigen, denen Familienbeihilfe für ein Kind nach dem Familienlastenausgleichsgesetz gewährt wird, steht auch ein Kinderabsetzbetrag von € 58,40 monatlich zu. Dieser wird gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlt (vgl Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG²², § 33 Rz 51).

Wurden, wie gegenständlich mangels Familienbeihilfenanspruch, auch Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden. Die obigen Ausführungen zur Familienbeihilfe gelten somit auch für den Kinderabsetzbetrag (vgl Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG²², § 33 Rz 55).

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegenständlich hat das Bundesfinanzgericht basierend auf der einheitlichen und oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden. Der Umstand, dass das Kind nicht seine volle bzw überwiegende Zeit für den Abschluss der Reifeprüfung aufgewendet hat, erfolgte in freier Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, war nicht zu beantworten.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at