Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in nicht indexierter Höhe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in nicht indexierter Höhe für die Kinder ***1***, ***2*** und ***3*** ab Jänner 2019, SVNR 1234, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Schreiben vom stellte der Bf. den Abtrag auf Gewährung der Familienbeihilfe in nicht indexierter Höhe. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen und auf die gesetzlichen Vorschriften des § 8a FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 Zif. 2 EStG 1988 verwiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , die der Bf. mit der VO (EG) 883/2004 begründete.
Nachdem die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen worden war, stellte der Bf. mit Schreiben vom einen Vorlageantrag.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist ungarischer Staatsbürger.
Der Familienwohnsitz liegt in Ungarn.
Der Bf. bezog für die im Spruch des Abweisungsbescheides genannten Kinder in dem dort genannten Zeitraum eine Differenzzahlung und Kinderabsetzbeträge in indexierter Höhe.
Beweiswürdigung
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
§ 8a Abs. 1 FLAG 1967 lautete u.a.:
"Die Beträge an Familienbeihilfe (§ 8) für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mit-gliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, sind auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen…."
§ 33 Abs. 3 Zif. 2 EStG 1988 lautete u.a.:
"Für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, ist die Höhe des Kinderabsetzbetrages auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen…"
Die Europäische Kommission brachte beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine Vertragsverletzungsklage gegen die Republik Österreich ein und beantragte, festzustellen, dass
- die Republik Österreich durch die Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4, 7 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1) sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1) verstoßen hat und
- die Republik Österreich durch die Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen hat.
Mit erkannte dieser für Recht und entschied wie folgt:
1. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen.
2. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen.
Infolge dieses Urteiles kam es mit dem 135. Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wurden, ausgegeben am , u.a. zu folgenden gesetzlichen Änderungen:
§ 55 Abs. 56 FLAG 1967 lautet:
§ 8a entfällt rückwirkend ab mit folgenden Maßgaben:
1. Die Nachzahlungen an Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig in Bulgarien, Deutschland, Estland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn oder Zypern aufgehalten haben oder aufhalten, erfolgen automationsunterstützt, soweit auf Grund der im Familienbeihilfenverfahren vorhandenen Daten eine Auszahlung durchführbar ist. Ist mangels Vorliegen von Daten keine Auszahlung durchführbar, ist ein Antrag zu stellen, wobei § 10 Abs. 3 keine Anwendung findet.
2. ……..
3. § 33 Abs. 3 lautet:
Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu……
11. In § 124b werden folgende Ziffern angefügt:
"409. § 33 Abs. 3 in der Fassung vor BGBl I Nr. 135/2022 entfällt rückwirkend ab und § 33 Abs. 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2022 tritt mit in Kraft. Dabei gilt:
a) Die Nachzahlungen des Kinderabsetzbetrages für Kinder, die sich ständig in Bulgarien, Deutschland, Estland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn oder Zypern aufgehalten haben oder aufhalten, erfolgen im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe automationsunterstützt, soweit auf Grund der im Familienbeihilfenverfahren vorhandenen Daten eine Auszahlung durchführbar ist.
Dem Beschwerdeführer stehen daher Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge, so wie beantragt, in voller, nicht indexierter Höhe gem. § 8 FLAG 1967 bzw. § 33 Abs. 3 EStG 1988, jeweils in der geltenden Fassung, zu:
§ 8 FLAG in der geltenden Fassung 1967 lautet:
(1) Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.
(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich
(Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten)
(Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten)
3.
ab
a)
114 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats der Geburt,
b)
121,9 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 3. Lebensjahr vollendet,
c)
141,5 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet,
d)
165,1 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet.
(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind
(Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten)
(Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten)
3.
ab , wenn sie
a)
für zwei Kinder gewährt wird, um 7,1 €,
b)
für drei Kinder gewährt wird, um 17,4 €,
c)
für vier Kinder gewährt wird, um 26,5 €,
d)
für fünf Kinder gewährt wird, um 32 €,
e)
für sechs Kinder gewährt wird, um 35,7 €,
f)
für sieben und mehr Kinder gewährt wird, um 52 €.
(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist,
(Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten)
(Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten)
3.
ab um 155,9 €.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Auszahlung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge für Kinder, die sich ständig in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, in voller, nicht indexierter Höhe ergibt sich unmittelbar aus den gesetzlichen Bestimmungen des § 8 FLAG 1967 und des § 33 Abs. 3 EStG 1988.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100573.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
RAAAC-31857