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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.09.2022, RV/7101361/2022

Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag nach Kenntnisstand des Antragstellers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Schmalzl & Partner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Operngasse 17-21 Tür 6, 1040 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend der Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO betreffen die Einkommensteuer 2013 und 2014 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer hat am seinen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2013 eingebracht, in welchem er Sonderausgaben geltend machte. Er wurde mit dem Einkommensteuerbescheid 2013 datiert vom antragsgemäß veranlagt.

Den Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014, in welchem er Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen anführte, hat der Beschwerdeführer am dem Finanzamt übergeben. Auch der Einkommensteuerbescheid 2014 des Beschwerdeführers wurde antragsgemäß am erstellt.

Beide Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen.

Am beantragte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers gemäß § 240 Abs. 3 BAO (Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961) die Rückzahlung von € 1.240,00 (2013) und € 2.090,00 (2014) an zu viel einbehaltener Lohnsteuer, mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer als Außendienstmitarbeiter von seinem Arbeitgeber einen PKW zur Verfügung gestellt bekomme, diesen aber nachweislich für weniger als 500 km im jeweiligen Monat privat verwendet habe. Zusätzlich würde das Vertreterpauschale von € 2.190,00 für das Jahr 2014 beantragt.

Diese beiden Anträge wurden vom Finanzamt mit Bescheid datiert vom mit der Begründung abgewiesen, dass § 240 BAO nur angewendet werden könne, wenn kein Ausgleich im Weg der Veranlagung zu erfolgen oder zu erfolgen gehabt habe. Auch die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme auf Antrag würden nicht vorliegen, da dem Beschwerdeführer die von ihm geschilderten Umstände bekannt gewesen seien.

In der dagegen am eingebrachten Beschwerde argumentierte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers, dass dieser gar nicht gewusst habe, dass die Lohnsteuer von seinem Arbeitgeber falsch berechnet worden sei und brachte mit Zitat der damals von einzelnen Vertretern der Lehre gestützten Ansicht, vor, dass es für die Wiederaufnahme auf Antrag nicht auf den Wissenstand des Antragstellers ankomme.

Diese Beschwerde gegen die Abweisung seines Antrages nach § 240 BAO wurde mit Beschwerdevorentscheidung datiert vom abgewiesen und der Vorlageantrag des Beschwerdeführers vom mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom als unbegründet abgewiesen. Darin wurde darauf hingewiesen, dass für die Entscheidung über einen Antrag das ***Finanzamt_A*** zuständig sei.

Am langte beim ***Finanzamt_A*** ein vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers verfasster Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO ein. Darin erläuterte der Beschwerdeführer, dass sein Antrag nach § 240 Abs. 3 BAO abgewiesen worden sei, aber sein beim ***Finazamt_B*** gestellter Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren bisher noch nicht entschieden sei, weswegen er erneut den Antrag stelle, die Veranlagung für die Jahre 2013 und 2014 wiederaufzunehmen. Hinsichtlich der Begründung verweise er auf den Antrag vom (gemeint wohl die Beschwerde gegen den den Antrag auf Rückerstattung der Lohnsteuer gemäß § 240 BAO zurückweisenden Bescheid vom ).

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit dem Bescheid vom mit der Begründung ab, dass die Arbeitnehmerveranlagungen 2013 und 2014 bereits durchgeführt worden und die daraus resultierenden Einkommensteuerbescheide in Rechtskraft erwachsen seien. Die vorgelegten Unterlagen würden nicht die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme von Amts wegen erfüllen.

Am teilte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers dem Finanzamt mit, dass er am ich einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 BAO für das Jahr 2013 eingebracht habe. Laut FinanzOnline sei dieser am 18. Dezember abgewiesen worden. Die Versendung der Abweisung sei mit Fensterkuvert erfolgt. Leider sei dieser Abweisungsbescheid weder beim Beschwerdeführer noch beim steuerlichen Vertreter eingelangt. Es werde daher um neuerliche Zusendung ersucht.

Am wurde der Bescheid datiert vom über die Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren für Einkommensteuer 2013 und 2014 des Beschwerdeführers nachweislich zugestellt.

Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers übermittelte am die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den Bescheid über die Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren für die Einkommensteuer 2013 und 2014, in welcher erneut die Wiederaufnahme der genannten Verfahren anstrebte.

Dazu führte er aus, dass der Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides, dass eine Wiederaufnahme deshalb nicht möglich sei, weil die Bescheide 2013 und 2014 bereits in Rechtskraft erwachsen seien, schon deshalb ins Leere gehe, da eine Wiederaufnahme nach § 303 BAO nur nach Rechtskraft von Bescheiden möglich sei. Die Rechtskraft von Bescheiden sei eine Bedingung, für die Anwendung des § 303 BAO. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen würden bei richtiger Berücksichtigung zu im Spruch anders lautenden Bescheiden führen. Dass Unterlagen fehlen würden, sei vom Finanzamt nicht angeführt worden. Mit der Ansicht, dass bei Wiederaufnahme vom Wissenstand des Antragstellers auszugehen sei, stehe die Behörde im Widerspruch zur Rechtsmeinung sowohl des Finanzministeriums als auch des Bundesfinanzgerichts. Nach Ritz sei sowohl bei der von Amts wegen als auch bei der antragsgebundenen Wiederaufnahme einzig der Wissensstand der Abgabenbehörde, bezogen auf die Aktenlage im Zeitpunkt der Erlassung des das Verfahren abschließenden Bescheides, maßgebend. In Abänderung der bisherigen Rechtsprechung habe sich das Bundesfinanzgericht dieser Ansicht angeschlossen ( "Kenntnis der Partei vom Wiederaufnahmegrund steht seit 2014 somit einer Antragswiederaufnahme nicht entgegen."). Der Beschwerdeführer beantrage daher nochmals die Wiederaufnahme des Verfahrens § 303 BAO und solle bei der Berichtigung der Jahreslohnzettel 2013 und 2014 nur der halbe Hinzurechnungsbetrag für die Privatnutzung des Firmenkraftfahrzeuges berücksichtigt werden. Für das Jahr 2014 solle auch das Vertreterpauschale in Höhe von € 2.190,00 zuerkannt werden.

Das Finanzamt wies diese Begehren mit den Beschwerdevorentscheidungen datiert vom 4. (2014) und ab und begründete dies damit, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Judikatur klargestellt habe, dass ein Antrag auf Wiederaufnahme, wenn neu hervorgekommener Tatsachen geltend gemacht würden, insbesondere die Behauptung zu enthalten habe, dass Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien. Dies setze aber voraus, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt geworden seien. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO sei abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers beurteilt werden müsse. Da die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände (private Nutzung des Dienstwagens beziehungsweise Vertretertätigkeit) bereits (im Zeitpunkt der Erlassung der ursprünglichen Bescheide) bekannt gewesen wären, seien die Beschwerden abzuweisen gewesen.

Am stellte der steuerliche Vertreter für die Jahre 2013 zwei getrennte Anträge die jeweiligen Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.

Darin brachte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin vor, dass das Finanzamt auf seine rechtliche Argumentation, dass für die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht der Kenntnisstand des Antragsstellers, sondern jener der Abgabenbehörde (im Zeitpunkt des Erlassens der ursprünglichen Bescheide) entscheidend sei, nicht eingegangen worden wäre.

In seinen Anträgen habe er darauf hingewiesen, dass sowohl für den Beschwerdeführer als auch für die Abgabenbehörde neue Tatsachen hervorgekommen seien. Für seinen Beschwerdeführer sei es neu gewesen, dass nicht der volle Zurechnungsbetrag für das Kraftfahrzeug zur Anwendung kommen müsse. Der Beschwerdeführer habe darauf vertraut, dass die Lohnabrechnungen (seines Arbeitgeber) gesetzeskonform gewesen seien. Diese Fehlberechnung des Privatanteils sei auch für die Abgabenbehörde neu gewesen. Für die Nutzung des Dienstwagens in den Jahren 2013 solle nur der halbe Zurechnungsbetrag angewendet und für 2014 das Vertreterpauschale anerkannt werden.

Am wurde der Beschwerdeführer von der Vorlage der gegenständlichen Beschwerden an das Bundesfinanzgericht in Kenntnis gesetzt. Im beigefügten Vorlagebericht vertrat das Finanzamt unter Hinweis auf Judikatur die Rechtsansicht, dass die Frage, ob diese Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien, aus der Sicht der jeweiligen Verfahrenspartei zu beurteilen sei. Daher würden Umstände, die der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Entscheidung bekannt gewesen seien, jedoch bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden seien, keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine amtswegige Wiederaufnahme bilden. Umstände, die der Partei (§ 78 BAO) im Zeitpunkt der Entscheidung zwar bekannt, jedoch (etwa aufgrund einer Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht) bei der Bescheiderlassung nicht berücksichtigt hätten werden können, würden keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine Wiederaufnahme über Antrag der Partei bilden. Andernfalls käme dieser Bestimmung kein sinnvoller normativer Inhalt zu.

Zu diesem als Vorhalt zu wertenden Vorbringen, hat der Beschwerdeführer keine Stellungnahme abgegeben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Für die Jahre 2013 und 2014 wurde der Beschwerdeführer mit den Bescheiden datiert vom und antragsgemäß zur Einkommensteuer veranlagt.

Nachdem ein Antrag auf Rückzahlung von Lohnsteuer nach § 240 Abs. 3 BAO mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom abgewiesen worden war, stellte er am die Anträge die Verfahren für die Einkommensteuer 2013 und 2014 wiederaufzunehmen und in den neuen Sachbescheiden zu berücksichtigen, dass er als Außendienstmitarbeiter sein vom Arbeitgeber gestelltes Dienstfahrzeug jeweils im Monat nachweislich weniger als 500 km privat genutzt habe, weswegen richtig, anders als vom Arbeitgeber berechnet, nur der halbe Hinzurechnungsbetrag für Sachbezug vorzunehmen sei. Für das Jahr 2014 solle auch das Vertreterpauschale berücksichtigt werden.

Im weiteren Rechtsmittelverfahren argumentierte der Beschwerdeführer damit, dass er im Zeitpunkt der Erlassung der Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 nicht gewusst habe, dass sein Arbeitgeber die Lohnsteuer falsch berechnet habe und es nicht darauf ankomme, dass ihm immer bewusst gewesen sei, dass er das Dienstfahrzeug weniger als 500 km im Monat privat genutzt habe. Es sei vielmehr auch bei einer Wiederaufnahme auf Antrag der Wissenstand der Abgabenbehörde im Zeitpunkt des Erlassens des Erstbescheides entscheidend.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien, den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen und dem Einblick in die Datenbanken der Finanzverwaltung, soweit diese dem Bundesfinanzgericht zugänglich sind.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

§ 303 BAO in der ab dem geltenden Fassung BGBl. I Nr. 14/2013 lautet:

"(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;

b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.

(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen."

Das Vorbringen der Parteien lässt allenfalls eine Anwendung des § 303 Abs. 1 lit. b BAO (Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten) zu.

Wie der Beschwerdeführer erkannt hat, gab es nach der Neuformulierung des § 303 BAO mit dem BGBl. I Nr. 14/2013 Tendenzen in der Lehre und Judikatur, welche annahmen, dass es nunmehr anders als in der alten Rechtslage nach dem BGBl. I Nr. 97/2002 für einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht mehr auf den Wissenstand des Antragstellers im Zeitpunkt des Erlassens der ursprünglichen Bescheide ankomme, sondern immer allein der Wissensstand der bescheiderlassenden Behörde entscheidend sei.

Diese Rechtsfrage wurde nach intensiver Diskussion durch die fortgesetzte Linie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelöst. Dies hat auch vom Beschwerdeführer wiederholt zitierte Autor Ritz (siehe Ritz/Koran, BAO7, § 303, Tz 47) mittlerweile konzediert und die Entwicklung der Judikatur richtig dargestellt.

Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2016/15/0058 wurde die Bedeutung des Kenntnisstandes der Parteien im Erkenntnis vom , Ra 2014/15/0058, bereits beantwortet, sodass keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG mehr vorliegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dies im Erkenntnis , Ra 2014/15/0058 wie folgt ausgedrückt:

"Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wendung ,im abgeschlossenen Verfahren' beruht erkennbar auf einem Redaktionsversehen. Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (Ritz, BAO5 § 303 Tz 24). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. Ro 2014/15/0035).

Mit dem FVwGG 2012 erfolgte eine Harmonisierung der Wiederaufnahme von Amts wegen mit jener auf Antrag (vgl. auch diesbezüglich die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 2007 BlgNR 24. GP 22). Nicht geändert wurde aber insbesondere, dass der Wiederaufnahmeantrag u.a. die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird, zu enthalten hat (§ 303a lit. b BAO idF vor FVwGG 2012; § 303 Abs. 2 lit. b BAO idF FVwGG 2012).

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde (vgl. 90/14/0262).

Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Damit setzt aber diese Bestimmung voraus, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt geworden sind. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Gleiches gilt spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen, bei der die für die Behörde neu hervorgekommenen Tatsachen im Wiederaufnahmebescheid anzuführen sind."

Seither folgt die Judikatur diesem Erkenntnis (siehe dazu Ritz/Koran a.a.O. und die dort zitierten Fundstellen, so auch dieses Erkenntis.

Dem Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der Erlassung der Einkommensteuerbescheide, und am , sehr wohl bekannt, dass er in den Jahren 2013 und 2014 sein Dienstfahrzeug in jedem Monat weniger als 500 km für private Zwecke genutzt hat. Diese Tatsache eignet sich daher nicht als Grund für eine Wiederaufnahme auf Antrag nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO.

Dass dem Beschwerdeführer nicht bekannt war, dass sein Arbeitgeber die Lohnsteuer insofern falsch berechnet hatte, als ein Sachbezug für das Dienstfahrzeug in voller Höhe angesetzt wurde, ist keine Tatsache, welche, wenn dies dem Finanzamt zum Zeitpunkt des Erlassen der ursprünglichen Bescheide bekannt gewesen, wäre, zu einem anders lautenden Bescheid geführt hätte. Die Lohnsteuer ist nur eine (vorläufige) Erhebungsform der Einkommensteuer, welche bei der Berechnung der tatsächlichen Abgabenschuld wie eine Vorauszahlung zum Abzug gebracht wird. Sind daher alle entscheidungsrelevanten Tatsachen, wie das Ausmaß der Privatnutzung eines Dienstfahrzeuges bekannt, wird die Einkommensteuer jedenfalls richtig festgesetzt, egal wie hoch die Lohnsteuer vom Arbeitgeber errechnet worden ist.

Da der Beschwerdeführer das ihm bewusste Ausmaß der Privatnutzung seines Dienstfahrzeuges der Abgabenbehörde nicht bekannt gegeben hat, steht ihm die Möglichkeit die Rechtskraft der Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 durch einen Antrag auf Wiederaufnahme dieser Verfahren nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO (innerhalb der Verjährungsfrist) nicht offen und waren die Beschwerde daher abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich dieses Erkenntnis auf rechtlicher Ebene ausschließlich mit der bereits durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes , Ra 2014/15/0058 geklärten Rechtsfrage beschäftigt, wurde keine Rechtsfrage berührt, deren Bedeutung über die Entscheidung in dieser Rechtssache hinausgeht.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101361.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at