Indexierung von Familienleistungen europarechtswidrig
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde des Bf., Adresse, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Abweisung des Antrages auf volle (nicht indexierte) Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung) ab Juli 2020 für Kind, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf) besitzt die österreichische und seine Ehegattin die ungarische Staatsbürgerschaft.
Der Bf stellte für seine Stieftochter Kind, geb. am 2001, am mit Formular Bei100 einen Antrag auf Zuerkennung der vollen (nicht indexierten) Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung) ab Juli 2020.
Dem Antrag war folgendes Schreiben beigelegt:
"mit beiliegendem Antrag beantrage ich ab die Familienbeihilfe für meine Stieftochter Kind; bis inkl. Juni 2020 wurde die FB von meiner Ehefraubeantragt und hat meine Ehefrau dies per Ende Juni 2020 widerrufen (Kopie des Schreibens meiner Frau zur Info beiliegend;Geburtsurkunde und Heiratsurkunde liegen da auf).
Wie bereits zuvor während des Bezuges der FB durch meine Ehefrau, wohnt meine Stieftochterweiterhin in Sopron/Ungarn, von wo sie bis zuletzt in die Schule nach M pendelte undab Semesterbeginn in Wien studieren wird (Registrierungsbestätigung beiliegend)
Lt. § 8a FLAG sind die Beträge an Familienbeihilfe (§ 8) für Kinder, die sich ständig in einemanderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommensüber den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten,... entsprechend zukürzen; analoges gilt für Kinderabsetzbeträge gem. § 33 EStG. Meine Stieftochter hält sichjedoch nicht "ständig" in einem anderen MS auf sondern besuchte bisher das BRG Mbzw. wird ab Semesterbeginn in Wien studieren. Kind hält sich somit an mehr als der Hälftealler Tage des Jahres tagsüber in Österreich auf, wodurch der Wortlaut und Sinn des § 8a FLAGnicht erfüllt ist.
Ich beantrage in diesem Sinne, meine Stieftochter iSd § 8a FLAG bzw. § 33 EStG nicht als"ständig im Ausland aufhältig" zu bewerten und daher die ungekürzte Familienbeihilfe bzwAbsetzbeträge zu gewähren. Sollte die Finanzbehörde meinem Antrag nicht zustimmen, bitte ichum Gewährung des Parteingehörs iSd AVG und ggf. iwF um bescheidmäßige Ausführung der Entscheidung.
Während des Bezuges der FB durch meine Ehefrau stellte sich außerdem die Problematik, dassdie geschätzte Finanzbehörde die ö. FB (abgesehen von der Reduzierung auf Grund desWohnsitzes im Ausland) weiters um den Betrag der ungarischen FB reduzierte, obwohl fürmeine Stieftochter kein Anspruch auf ungarischer FB besteht. Die diesbezüglichenAusführungen sind ausführlich im da. Akt zur FB von Kind evident und ich ersuche, diese erneut in Betracht zu ziehen und den Betrag der ungarischen FB nicht abzuziehen. Wie bereitsmehrmals ausgeführt, lebt meine Ehefrau vom leiblichen Vater Kind seit 2004 geschieden undqualifiziert die zuständige ungarische Behörde den Vater nicht als relevantes Familienmitglied.
Der diesbezügliche Bescheid und dessen Arbeitsübersetzung werden nochmals anverwahrtübermittelt. Meine Ehefrau lebt ab mit mir gemeinsam in Ausland, wohin ich alsAuslandsbeamter des Firma für 4 Jahre versetzt wurde. Es besteht daher für Kind keinAnspruch auf ungarische Familienbeihilfe."
Das Finanzamt (FA) wies den Antrag mit Bescheid vom unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut des § 8a FLAG 1967 und § 33 Abs 3 Z 2 EStG 1988 mit der Begründung ab, dass nur ein Anspruch auf die Familienbeihilfe nach § 8a des FLAG 1967 sowie auf den Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs 3 Z 2 EStG 1988 zustehe, da sich Kind ständig in Ungarn aufhalte.
Die vom Bf am eingebrachte Beschwerde richtet sich gegen die indexierte Auszahlung der Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung) ab Juli 2020.
Seine Stieftochter Kind wohne 6 km von der Staatsgrenze entfernt in Ungarn. Das FA habe seinen Antrag vom mit der Begründung abgewiesen, dass eine Verminderung von Familienbeihilfe bzw. Kinderabsetzbetrag auf Grund der Bestimmungen des § 8a FLAG 1967 und § 33 Abs 3 Z 2 EStG 1988 für Kinder vorgesehen sei, "die sich ständig in einem anderenMitgliedstaat der EU [...] aufhalten". Kind halte sich ständig in Ungarn auf.
Auf seine Ausführungen in dem, dem Antrag beigelegten Schreiben, sei das FA nicht eingegangen und das beantragte Parteiengehör sei nicht gewahrt worden. Kind habe trotz grenznahem Wohnsitz in Ungarn seit 2012 das Bundesrealgymnasium in M besucht bzw. werde nun in Wien studieren und halte sich somit regelmäßig zumindest tagsüber in Österreich auf, wodurch der Wortlaut und Sinn des § 8a FLAG nicht erfüllt sei.
Er begründe die Rechtswidrigkeit der Beschwerde einerseits und insbesondere mit Verweis auf den Wortlaut des Gesetzestextes und der Tatsache, dass die Formulierung "ständig aufhältig" sprachlich eindeutig sei und jemand, der als ordentlicher Schüler ein österreichisches Gymnasium absolviere bzw. an einer Universität in Österreich studiere, unmöglich "ständig außerhalb Österreichs aufhältig" sein könne, auch wenn er in Ungarn seinen Wohnsitz habe und meist dort übernachte.
Abgesehen von der Wortinterpretation beziehe er sich auch auf die Intention des Gesetzgebers, wonach es der Sinn der Familienbeihilfe sei, einen teilweisen finanziellen Ausgleich für die Mehrbelastung zu schaffen, die durch die tatsächlich anfallenden Lebenshaltungskosten der Kinder entstehe. Da seine Stieftochter in Österreich in die Schule gegangen sei bzw. studieren werde, seien die Kosten, die mit Schule/Studium verbunden seien (Lernmaterialien, Utensilien, Transportmittel, etc) und Kosten für Verpflegung während des Aufenthaltes in Österreich die gleichen, wie für jedes andere Kind, das in Österreich wohne. Ebenso ergebe sich aus dem seit 2012 andauernden Schulbesuch in Österreich, dass sich nahezu das komplette soziale Umfeld seiner Stieftochter in Österreich befinde und sich daher auch sonstige Kosten für das Privatleben (Unterhaltung, Transportkosten, Lokalbesuche, teilweise auch Einkäufe) zu einem Großteil in Österreich bzw. nach österreichischem Preisniveau ergäben.
Er beantrage die Änderung des Bescheides vom ; die Behörde möge feststellen, dass Kind auf Grund der geschilderten Lebenssituation nicht als "sich ständig im Ausland aufhältig" zu betrachten sei und die Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbetrag in voller Höhe gemäß § 8 FLAG bzw. § 33 Abs 3 erster Satz Einkommensteuergesetz gewährt werde. Die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verfügbare Studienbestätigung werde anverwahrt nachgereicht.
Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 8a FLAG 1967 mit der Begründung ab, dass Kind zuerst das Gymnasium in M besucht habe und ab dem Wintersemester 2020/21 nach den Angaben des Bf an der Universität in Wien studiere. Der Wohnsitz sei in Ungarn gewesen und sei weiterhin in Ungarn. Die Indexierung stelle auf den Wohnsitz ab. Der Besuch der Schule bzw der Universität stelle keinen gewöhnlichen Aufenthalt dar. Die Beträge würden automatisiert nach dem Wohnortstaat des Kindes berechnet.
Der Bf stellte fristgerecht einen Vorlageantrag (Schreiben vom ) und brachte vor, dass noch anzumerken wäre, dass er nicht bestreite, dass die Familienbeihilfe und die Absetzbeiträge für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedsstaat aufhalten, an das Preisniveau des Wohnsitzstaates anzupassen seien. Wie in seiner Beschwerde ausgeführt, halte sich Kind jedoch nicht ständig in einem anderen Mitgliedstaat auf, sie wohne zwar in Ungarn, da sie aber in Österreich in die Schule gehe und jetzt in Österreich studiere, habe sie sich keinesfalls ständig in Ungarn aufgehalten bzw. halte sich keinesfalls ständig in Ungarn auf.
Das FA legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht (BFG) vor.
Das BFG setzte mit Bescheid vom die Entscheidung über vorliegende Beschwerde bis zur Beendigung des beim Gerichtshof der Europäischen Union zur Gz C-163/20 anhängigenVorabentscheidungsverfahrens aus.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
Sachverhalt
Der Bf ist österreichischer Staatsbürger. Er ist Auslandsbeamter und wohnt mit seiner Ehegattin, Bf-Gattin, der Mutter von Kind, geboren am 2001, auf Grund seiner Beschäftigung beim Firma seit Juni 2020 in Ausland.
Kind hatte bis Dezember 2019 einen gemeinsamen Wohnsitz mit der Mutter (= Ehegattin des Bf) in Ungarn und wohnt nach wie vor in Ungarn (Sopron). Laut ZMR-Abfrage ist Kind in Österreich nicht gemeldet.
Sie besuchte im Schuljahr 2019/20 das Gymnasium in M und studiert seit dem WS 2000/21 an der Universität Wien (UA 032 331 342 Bachelor Transkulturelle Kommunikation).
Die Familienbeihilfe wurde von Jänner 2019 bis Juni 2020 von der Ehegattin des Bf (Bf-Gattin) von Jänner 2019 bis Juni 2020 indexiert bezogen. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom FA mit Beschwerdevorentscheidung vom stattgegeben.
Nach den Angaben von Bf-Gattin endete ihr Dienstverhältnis in Österreich am und wurde noch bis Krankengeld von der KFA bezogen.
In Ungarn wurde die Auszahlung bei Bf-Gattin mit eingestellt, da sie in Österreich berufstätig war.
Seit Juli 2020 bezieht der Bf die Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung) in indexierter Höhe.
Der Bf trägt den Unterhalt für seine Stieftochter (ca. € 700,00 mtl.).
Beweiswürdigung
Die persönlichen Verhältnisse des Bf und seiner Familie sind unstrittig.
Die Einstellung der Auszahlung der Familienbeihilfe in Ungarn ist durch den Bescheid des Bezirksamtes Györ des Regierungsamtes Györ-Moson-Sopron vom erwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob das FA dem Bf zu Recht seit Juli 2020 die Familienbeihilfe indexiert ausbezahlt.
Gemäß § 8a FLAG 1967 galt bis BGBl. I Nr. 135/22, kundgemacht am , Folgendes:
"(1) Die Beträge an Familienbeihilfe (§ 8) für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, sind auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen.
(2) Die Beträge an Familienbeihilfe nach Abs. 1 gelten erstmals ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte nach Abs. 1. Die Beträge sind in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
(3) Die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend oder der Bundesminister für Frauen,Familien und Jugend hat gemeinsam mit der Bundesministerin für Finanzen oder dem Bundesminister für Finanzen die Berechnungsgrundlagen und die Beträge nach Abs. 1 und 2 sowie die Beträge nach § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 mit Verordnung kundzumachen."
Gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 galt bis BGBl. I Nr. 135/22, kundgemacht am , Folgendes:
"Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Abweichend davon gilt:
1. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu.
2. Für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, ist die Höhe des Kinderabsetzbetrages auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
a) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist erstmals ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
b) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist gemäß § 8a Abs. 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 kundzumachen.
Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden."
Die Europäische Kommission brachte beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine Vertragsverletzungsklage gegen die Republik Österreich ein und beantragte, festzustellen, dass
"- die Republik Österreich durch die Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4, 7 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1) sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1) verstoßen hat und
- die Republik Österreich durch die Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und denUnterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen hat."
Mit , entschied dieser wie folgt:
"1. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicherPersonen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen.
2. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicherPersonen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen."
Daraufhin hat das BFG mit Beschluss das an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV gestellte Ersuchen um Vorabentscheidung, ob die Indexierung von Familienleistungen durch den österreichischen Gesetzgeber nach der Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedsstaaten bzw. Vertragsstaaten unionsrechtskonform ist, protokolliert zu EuGH C-163/20, gemäß Artikel 100 Abs 1 Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union und § 290 Abs 3 BAO zurückgenommen.
Mit dem , ECLI:EU:C:2022:468, veröffentlicht auf der Website des Gerichtshofs am selben Tag, habe der Gerichtshof der Europäischen Union im Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 258 AEUV auch die Auslegung der Verträge im Sinne von Art. 267 AEUV klargestellt.
Die vom Gerichtshof der Europäischen Union mit getroffene Auslegung ist auch im ggstdl Beschwerdeverfahren zu beachten, da es sich um idente Rechtsfragen handelt.
Die Aussetzung ggstdl Verfahrens ist daher obsolet geworden, da eine Entscheidung im Verfahren C-163/20 durch den Gerichtshof der Europäischen Union nicht mehr erfolgen wird und ggstdl Beschwerdeverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.
Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art 4 Abs 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig ob sie früher oder später als das Unionsrecht ergangen ist - falls eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist - aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt. Nationales Recht, das im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, ist verdrängt. Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist. Die Verdrängung darf also bloß jenes Ausmaß umfassen, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen (siehe ).
Der Spruch des Erkenntnisses des EuGH stellt eindeutig fest, dass die Indexierung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages den unionsrechtlichen Bestimmungen widerspricht.
Sodann wurde am im Bundesgesetzblatt das BGBl. I Nr. 135/2022 verlautbart. Demnach entfällt § 8a FLAG 1967 rückwirkend ab und auch die Indexierung des § 33 Abs 3 EStG 1988 entfällt rückwirkend.
Der unionsrechtskonforme Zustand wurde vom Gesetzgeber auf Grund des EuGH-Urteils hergestellt. Die Indexierungsbestimmungen des § 8a FLAG 1967 und des § 33 Abs 3 Z 2 EStG 1988 sind daher auf die verfahrensgegenständlichen Ansprüche der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages nicht anzuwenden.
Das FA begründete die indexierte Auszahlung u.a. damit, dass sich die Stieftochter des Bf nicht ständig in Österreich aufhalte, da sie dauerhaft in Sopron (Ungarn) wohne. Sie hat keinen Wohnsitz im Inland.
Der Bf vertritt die Ansicht, dass ein ständiger Aufenthalt von Kind in Österreich wegen des Schulbesuches (2019/20) bzw. des danach begonnenen Studiums (WS 2020/21) vorliege.
Wo sich der der ständige Aufenthalt der Stieftochter des Bf iSd § 5 Abs 3 FLAG 1967, welcher nach der Judikatur unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen ist (; ; ; vgl auch Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, Rz 9 zweiter Absatz zu § 5), befand bzw. befindet, braucht vom BFG wegen der gegebenen Unionsrechtswidrigkeit der Indexierung nicht (mehr) geprüft werden.
Gemäß § 13 FLAG 1967 hat das nunmehr zuständige Finanzamt Österreich über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe zu entscheiden.
Nach § 13 zweiter Satz FLAG 1967 hat ein Bescheid nur dann zu ergehen, wenn einem Antrag auf Familienbeilhilfe nicht oder nicht vollinhaltlich stattgegeben wird. Die Stattgabe eines Antrags auf Familienbeihilfe erfolgt durch deren Gewährung (Auszahlung).
Das BFG darf daher bei Stattgabe der Beschwerde den abweisenden Bescheid des Finanzamts nicht abändern, sondern hat diesen ersatzlos zu beheben (vgl. ).
Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der gegenständlich zu lösenden Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil diese vom EuGH bereits geklärt wurde und sich das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes auf die nunmehr geltende Rechtslage und auch auf die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen konnte.
Auf Grund der eindeutigen Rechtslage war spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | Art. 258 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47 Art. 267 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47 Art. 4 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 7 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 7 Abs. 2 VO 492/2011, ABl. Nr. L 141 vom S. 1 Art. 100 Abs. 1 Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union, ABl. Nr. L 265 vom S. 1 § 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 13 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 290 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 4 Abs. 3 EUV, EU-Vertrag, ABl. Nr. C 202 vom S. 1 |
Verweise | EuGH, C-163/20 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104419.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at