Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.07.2022, RV/2100995/2019

Haftung für Kapitalertragsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. jur. Gernot Thonhauser, Steuerberater, Petersgasse 128a/1, 8010 Graz, über die Beschwerde vom betreffend Haftungsbescheide zur Festsetzung von Kapitalertragsteuer 2007, 2008, 2009 des FA Graz-Stadt vom zu Recht erkannt:

  1. Die Bescheide zur Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2007 sowie 2008 werden abgeändert.
    Die Beschwerdeführerin wird zur Haftung für Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 für den Zeitraum 2007 im Betrag von Euro 124.683,42 in Anspruch genommen.
    Die Beschwerdeführerin wird zur Haftung für Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 für den Zeitraum 2008 im Betrag von Euro 2.174,357 in Anspruch genommen.
    Die Beschwerde gegen den Bescheid zur Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2009 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die beschwerdeführende GmbH (Bf.) ist im Einzelhandel mit optischen und feinmechanischen Erzeugnissen tätig.
Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 2007 - 2009 hat das Finanzamt festgestellt, dass es zu einer verdeckten Ausschüttung an die Gesellschafterin gekommen ist. (Erkenntnis des BFG zu RV/2100829/2012). Daraufhin wurden am Haftungsbescheide zur Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2007-2009 erlassen.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurde für sämtliche Ausschüttungen im Zusammenhang mit der Jacht (Anschaffungskosten der Segeljacht in Höhe von Euro 488.000,- sowie die laufenden Kosten für dieses Schiff) Kapitalertragsteuer vorgeschrieben.

Die Bf. wandte sich in ihrer Beschwerde vom gegen diese oa Bescheide mit der Begründung, dass sowohl das Schiff als auch die Betriebsausgaben für die Erlangung der Generalvertretung nicht als für den Gesellschafter angeschaffte Wirtschaftsgüter zu sehen seien und das zivilrechtliche Eigentum niemals auf den Gesellschafter übergegangen sei.
Es stelle immer noch Vermögen der Gesellschaft und daher steuerneutrales Vermögen dar und die Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut Boot liege unverändert bei der Gesellschaft.

Die Kapitalertragsteuerfestsetzung an die Gesellschaft bzw. an den Empfänger der Kapitalerträge Hr. GP sei unzulässig, da die Kapitalerträge nur der Alleingesellschafterin zufließen können.

Weiters wurde auf die Begründung zur Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide der betreffenden Jahre verwiesen.

Die Abgabenbehörde wies in ihrer Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerden gegen die Körperschaftsteuer als unbegründet ab, ebenso wie die Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen die Haftungsbescheide zur Kapitalertragsteuer 2007-2009. Hinsichtlich der Haftungsbescheide zur KESt für die Jahre 2007-2009 wurde festgestellt, "dass irrtümlich Herr GP als Empfänger der Kapitalerträge angeführt wurde. Dies ist unzutreffend, da eine Zurechnung nur an die Alleingesellschafterin AP erfolgen kann. Die Haftungsbescheide für die Jahre 2007-2009 werden dahingehend berichtigt."

Mit Bescheiden vom erfolgte die Aufhebung der Haftungsbescheide und wurden gleichzeitig von der Abgabenbehörde geänderte Festsetzungsbescheide (hinsichtlich des Empfängers (Steuerschuldner) der Kapitalerträge) erlassen.

Dagegen wurde am der Vorlageantrag gestellt, wobei zur Begründung der Beschwerde auf die Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2007 -2009 verwiesen wurde.

In der mündlichen Verhandlung wurde vom steuerlichen Vertreter vorgebracht, dass es sich bei den am erlassenen Bescheiden um res judicata handeln würde und diese Bescheide rechtswidrig seien.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zur Begründung der Beschwerde gegen die Haftungsbescheide wurde von der Bf. auf die Beschwerdebegründung zu den Körperschaftsteuerbescheiden 2007-2009 verwiesen. Als weiterer Einwand rein verfahrensrechtlicher Natur wurde res judicata bezüglich der Haftungsbescheide vom eingewandt, weitere Argumente wurden nicht vorgebracht.

Hinsichtlich des festgestellten Sachverhaltes, der Beweiswürdigung sowie der Begründung des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung wird auf das Erkenntnis des BFG zu RV/2100829/2012 vom betreffend die Beschwerde der Bf. hinsichtlich Körperschaftsteuerbescheid 2007-2009 verwiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat mit oa Erkenntnis, auf das zur Begründung der gegenständlichen Entscheidung verwiesen wird, festgestellt, dass es sich bei der Segeljacht Jacht nicht um Betriebsvermögen der Bf. handelt und jene mit dem Schiff zusammenhängenden Ausgaben in der Folge nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden.

Weiters bestätigte das Gericht mit angeführtem Erkenntnis die Zurechnung des Kaufpreises der Segeljacht Jacht samt der mit dem Schiff in Zusammenhang stehenden laufenden Kosten als verdeckte Ausschüttungen an die Alleingesellschafterin. Der Zufluss an die Alleingesellschafterin erfolgte mit dem Kauf des Schiffes.

Rechtliche Beurteilung

§ 263 BAO (1) Ist in der Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde
a) weder als unzulässig oder als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs 2, § 86a Abs 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs 3, § 261) zu erklären, so ist der angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(3) Eine Beschwerdevorentscheidung wirkt wie ein Beschluss (§ 278) bzw. ein Erkenntnis (§ 279) über die Beschwerde.

§ 299. (1) BAO Die Abgabenbehörde kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;
b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.
(2) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(3) Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat.

Gemäß § 93 EStG 1988 wird bei inländischen Kapitalerträgen die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).

Verdeckte Ausschüttungen sind kapitalertragsteuerpflichtige Kapitalerträge im Sinne des § 93 Abs 2 Z 1 lit a EStG 1988. (vgl. für viele ).

Verdeckte Ausschüttungen sind Vorteile, die eine Gesellschaft ihren Gesellschaftern aus ihrem Vermögen in einer nicht als Gewinnausschüttung erkennbaren Form unter welcher Bezeichnung auch immer gewährt, die sie anderen Personen, die nicht ihre Gesellschafter sind, nicht oder nicht unter den gleichen günstigen Bedingungen zugestehen würde (vgl. ).

Hinsichtlich der Einbehaltung normiert § 95 Abs 2 EStG 1988, dass Schuldner der Kapitalertragsteuer der Empfänger der Kapitalerträge ist. Die Kapitalertragsteuer ist durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. Gemäß § 95 Abs 3 EStG 1988 ist der Schuldner der Kapitalerträge bei inländischen Kapitalerträgen zum Abzug der Kapitalertragsteuer verpflichtet und hat diese gemäß § 95 Abs 4 EStG 1988 im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen, wobei die Kapitalerträge nach Maßgabe des § 19 EStG 1988 als zugeflossen gelten. § 19. (1) EStG 1988 regelt, dass Einnahmen in jenem Kalenderjahr als bezogen anzusehen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

Gemäß § 96 Abs 1 EStG 1988 ist die einbehaltene Kapitalertragsteuer bei Kapitalerträgen gemäß § 93 Abs 2 Z 1 EStG 1988 durch den zum Abzug Verpflichteten unter der Bezeichnung "Kapitalertragsteuer" binnen einer Woche nach dem Zufließen abzuführen.

Die Geltendmachung der Kapitalertragsteuer gegenüber dem zum Abzugsverpflichteten erfolgt im Wege eines Haftungsbescheides (vgl. § 224 BAO).

Zum Einwand der res judicata:

Mit Bescheid vom wurde erstmals die Haftung für den Zufluss von Kapitalerträgen geltend gemacht. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Da Beschwerdevorentscheidungen ihrer Rechtsnatur nach ebenfalls Bescheide sind, können sie daher auch nach § 299 BAO aufgehoben werden, sofern keine Entscheidungssperre nach § 300 Abs 1 vorliegt. (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO 3, § 263 Rz 9,10).

Am erfolgte eine Bescheidaufhebung gem. § 299 BAO und wurde am gleichen Tag ein neuerlicher Haftungsbescheid unter Anführung des richtigen Empfängers der Kapitalerträge (=Schuldners) erlassen.

Eine meritorische Beschwerdevorentscheidung, also eine Entscheidung in der Sache selbst, tritt an die Stelle des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides und ersetzt diesen daher zur Gänze. Der Erstbescheid wurde somit durch die Beschwerdevorentscheidung ersetzt, welche ihrerseits wiederum im Wege der Aufhebung und nachfolgend korrekter Anführung des Schuldners der Kapitalerträge ersetzt wurde. Es trifft also nicht zu, dass zweimal für ein und denselben Vorgang eine haftungsmäßige Festsetzung erfolgt ist, da sich der Erstbescheid bereits nicht mehr im Rechtsbestand befand.

Somit geht der Einwand einer res judicata von Seiten der Bf. ins Leere.

Zum Verfahrensgang, dem festgestellten Sachverhalt, der Beweiswürdigung samt rechtlicher Beurteilung und Begründung des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung an die Alleingesellschafterin wird nochmals auf das Erkenntnis des BFG zu RV/2100829/2012 vom verwiesen.

Im vorliegenden Beschwerdefall liegt im Ausmaß des Kaufpreises der Segeljacht sowie den geltend gemachten laufenden Kosten dafür eine verdeckte Ausschüttung an die Alleingesellschafterin vor und wurde die KESt der Beschwerdeführerin mittels Haftungsbescheiden vorgeschrieben.

Verdeckte Ausschüttungen sind ein klassischer Anwendungsfall des § 95 Abs. 1 EStG, besteht das Wesen verdeckter Ausschüttungen doch gerade darin, die Zuwendung von Vorteilen an die Gesellschafter (die sie anderen Personen, die nicht ihre Gesellschafter sind, nicht oder nicht unter den gleichen günstigen Bedingungen zugestehen würde (vgl. für viele etwa )) nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen und auch keine vorschriftsmäßige Kürzung der Kapitalerträge vorzunehmen (vgl. ).

Eine der Voraussetzungen der verdeckten Ausschüttung ist eine subjektive, auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Körperschaft. Dabei sieht es der Verwaltungsgerichtshof als zulässig an, aus den Umständen des betreffenden Falles, zumeist aus der offenkundigen tatsächlichen Vorteilsgewährung, auf die Absicht der Vorteilsgewährung zu schließen ().
Für die Zurechnung einer verdeckten Ausschüttung an den Gesellschafter kommt es darauf an, ob, wann und in welcher Höhe ihm ein vermögenswerter Vorteil zugeflossen ist (vgl. z.B. Doralt/Ruppe, Steuerrecht I9, Tz 991). An diesen nach § 19 Abs. 1 EStG 1988 zu bestimmenden Zeitpunkt des Zuflusses knüpft auch der Kapitalertragsteuerabzug an (vgl. z.B. , sowie Hofstätter/Reichel, EStG III D, Tz 4 zu § 95).).

In der Beschwerde wird hinsichtlich der verdeckten Gewinnausschüttung erklärt, dass die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer im Zuge einer verdeckten Ausschüttung nur dann erfolgen kann, wenn dies zum persönlichen Nutzen des jeweiligen Gesellschafters erfolgt. Dazu wird auf die ausführlichen Ausführungen im Erkenntnis des BFG zu RV/ RV/2100829/2012 verwiesen, mit denen das Gericht diesen persönlichen Nutzen des Hr. GP als nahestehender Person (Gatte) der Alleingesellschafterin festgestellt hat.

Wie bereits in der oa Entscheidung des BFG festgestellt, war aus den gesamten Umständen des konkreten Falles sowohl der Vorteil an sich, als auch die Vorteilsgewährungsabsicht offenkundig und war daher die Bf zur Haftung für die Kapitalertragsteuer aus den gegenständlichen verdeckten Ausschüttungen heranzuziehen.

Im vorliegenden Beschwerdefall liegt im Ausmaß der Ersparnis aus dem Kaufpreis der Jacht sowie den mit dem Schiff zusammenhängenden laufenden Kosten eine verdeckte Ausschüttung vor. Der Zufluss erfolgte bereits mit dem Ankauf des Schiffes.

Im Jahr 2007 wurde eine kapitalertragsteuerpflichtige verdeckte Ausschüttung an die Alleingesellschafterin im Ausmaß von 498.465,32 Euro festgestellt. Daraus ergibt sich, da die Bf. die Kapitalertragsteuer getragen hat, eine geschuldete Kapitalertragsteuer (Steuersatz: 25%) von 124.616,33 Euro. Der Haftungsbescheid für die Kapitalertragsteuer 2007 war daher auf diesen Betrag anzupassen.

Für das Jahr 2008 wurde eine verdeckte Ausschüttung in Höhe von 8.697,43 Euro festgestellt, woraus sich eine geschuldete Kapitalertragsteuer von 2.174,357 Euro ergibt. Der Haftungsbescheid für die Kapitalertragsteuer 2008 war daher auf diesen Betrag anzupassen

Der der Bf. im Haftungswege vorgeschriebene Betrag an Kapitalertragsteuer für das Jahr 2009 bleibt unverändert.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das vorliegende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs folgt, liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung beizumessen wäre.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100995.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at