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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.09.2022, RV/4100211/2018

Kosten der Pflege des Vaters als außergewöhnliche Belastung beim Sohn

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ER in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch TPA Regio Steuerberatung GmbH, Walther-von-der-Vogelweide-Platz 4, 9020 Klagenfurt/Wörthersee, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015 begehrte er die Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt in Höhe von 10.615,32 EURO.

Das Finanzamt erließ mit Datum einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015, mit dem es die geltend gemachten Krankheitskosten nicht berücksichtigte. Begründend führte es aus, dass die Pflegekosten des Vaters des Bf. laut vorgelegter Aufstellung nach Abzug des Pflegegeldes sowie der Pflegezuschüsse bereits bei der Arbeitnehmerveranlagung des Vaters berücksichtigt worden seien. Ein nochmaliger Abzug im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung des Bf. sei daher nicht möglich.

Dagegen erhob der Bf. Beschwerde. Seine Mutter und sein Vater seien pflegebedürftig. Sie würden von Betreuerinnen sozialer Anstalten und selbständigen Pflegekräften versorgt. Der Vater sei Pensionist, die Mutter selbst habe gar keine Einkünfte. Für das Jahr 2015 habe der Bf. die Aufwendungen für die Pflege der Eltern, die durch das Pflegegeld und den Pflegezuschuss nicht abgedeckt werden konnten, und die die Lebenshaltungskosten beim Vater überstiegen hätten, auf Grund der Unterhaltspflicht gemäß § 143 und § 144 ABGB als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht. In Anlehnung an die Berufungsentscheidung des UFS RV/2453-W/12 seien dabei die Lebenshaltungskosten mit dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Pensionsberechtigte, die mit dem Ehepartner im gemeinsamen Haushalt leben, gemäß § 293 ASVG mit 1.323,58 EURO monatlich und somit (x 14) für das Jahr 2015 mit 18.530,12 EURO angesetzt worden. Bei einer Gegenüberstellung des verfügbaren wirtschaftlichen Gesamteinkommens des Vaters von 28.120,44 EURO und des notwendigen Lebensunterhaltes für Ehepaare gemäß den Richtsätzen des § 293 ASVG in Höhe von 18.530,12 EURO ergebe sich, dass seinem Vater zur Finanzierung der Pflegekosten in Höhe von 19.155,86 EURO nur mehr ein Betrag von 9.590,32 EURO verblieben sei. Den Restbetrag von 9.565,54 EURO habe der Vater des Bf. nicht mehr aus eigenem tragen können. Insofern sei eine rechtliche Verpflichtung des Bf. gegeben gewesen, seine Eltern zufolge § 143 und § 144 ABGB zu unterstützen. Diese Kostenübernahme sei daher zwangsläufig gewesen und stelle unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes eine außergewöhnliche Belastung dar.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Dazu wurde ausgeführt, dass die Pflegekosten zunächst zu Lasten jenes Vermögens (z.B. Wohnung, Sparbuch) gingen, das der Pflegebedürftige noch nicht übertragen habe. Erst ein im Nachlass voraussichtlich nicht gedeckter Teil komme bei den vorgesehenen Erben als außergewöhnliche Belastung in Betracht, insoweit sie den potentiellen Erbteil übersteigen. Sollten die zunächst vorgesehenen Erben das Vermögen nicht erben, liege ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 295a BAO vor, das die rückwirkende Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung ermögliche.

Mit Schriftsatz vom stellte der Bf. einen Vorlageantrag. Dem Argument des Finanzamtes, dass die Pflegekosten zunächst zu Lasten des Vermögens der Pflegebedürftigen gehe und nur ein etwaiger übersteigender Teil bei den vorgesehenen Erben als außergewöhnliche Belastung in Betracht komme, hielt der Bf. entgegen, dass das einzige Vermögen der pflegebedürftigen Eltern im Eigentum an einer Liegenschaft bestehe, welche auch das Wohnhaus der Familie darstelle. Da dieses Haus sowohl den Eltern als auch dem Bf. zur dringenden Deckung des eigenen Wohnbedarfs diene, sei die Verwertung dieses Vermögens nicht zumutbar. Gemäß LStR Rz 869 liege hinsichtlich der bisherigen Wohnräumlichkeiten des Pflegebedürftigen kein verwertbares Vermögen vor, sofern diese Räumlichkeiten von jenen Personen bewohnt werden, die bisher mit den Pflegebedürftigen im gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Auch der OGH habe in seiner Entscheidung 6 Ob 625/91 erkannt, dass bei einem Einfamilienhaus eine Veräußerung dann nicht zumutbar sei, wenn damit der Verlust der Deckung des dringenden eigenen Wohnbedürfnisses des Unterhaltsschuldners drohe. Dieser Vermögensstamm könne somit nicht in die Beurteilung des eigenen Einkommens der Pflegebedürftigen mit einbezogen werden.

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. Im Vorlagebericht vom beantragte das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde und führte dazu im Wesentlichen Folgendes aus:

Aus dem Steuerakt des zwischenzeitig verstorbenen Vaters des Bf. gehe hervor, dass dieser in seiner Einkommensteuererklärung für 2015 einen Betrag an außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt von 9.590,32 EURO ausgewiesen habe. Das Finanzamt habe davon einen Betrag von 7.690,40 EURO anerkannt. Dieser Betrag entspreche den gesamten in diesem Jahr angefallenen Kosten für Pflege und Heilbehandlung für beide Elternteile abzüglich Pflegegeld und Pflegezuschuss. Die Pflegekosten für die Mutter in Höhe von 1.118,46 EURO seien dabei zur Gänze mit deren Pflegegeld von 5.782,20 EURO gegengerechnet worden. Eine Berücksichtigung weiterer Kosten beim Bf. sei daher nicht gerechtfertigt.

Nach Ansicht des Finanzamtes hätte beim Vater aber der notwendige Lebensunterhalt für zwei Personen in Höhe von 18.310,43 EURO (1.307,89 EURO x 14) berücksichtigt werden können. In diesem Fall wären vom Verstorbenen selbst nur Aufwendungen von 2.457,38 EURO zu finanzieren gewesen. Der Differenzbetrag von 5.080,49 EURO hätte, sofern dieser Betrag von den gemäß § 143 ABGB unterhaltsverpflichteten Personen getragen worden sei, bei diesen berücksichtigt werden können. Eine Kostentragung durch den Bf. sei aber nicht nachgewiesen worden.

Unabhängig davon komme bei den vorgesehenen Erben erst ein im Nachlass voraussichtlich nicht gedeckter Teil als außergewöhnliche Belastung in Betracht. Diesbezüglich liege folgender Sachverhalt vor: Die zwischenzeitig verstorbenen Eltern des Bf. (Mutter verstorben im Jahr 2017 und Vater verstorben im Jahr 2018) seien zu ihren Lebzeiten Eigentümer einer Liegenschaft gewesen. Auf dieser Liegenschaft habe sich bis zu deren Umzug in das jeweilige Pflegeheim der Hauptwohnsitz der Eltern des Bf. befunden. Aus dem Verlassenschaftsprotokoll betreffend das Vermögen der Mutter gehe hervor, dass die Verstorbene neben dem Hälfteanteil an der angeführten Liegenschaft, der mit 23.764,02 EURO bewertet worden sei, auch ein Sparguthaben in Höhe von 15.702,65 besessen habe. Der Bf. sowie sein Bruder hätten diese Erbschaft je zur Hälfte angetreten. Die Verlassenschaftsabhandlung betreffend den Vater des Bf. sei bis dato nicht aktenkundig. Der in Betracht kommende Differenzbetrag sei aber bereits in dem von der Mutter geerbten Sparguthaben gedeckt. Eine weitere Berücksichtigung der in Streit stehenden Pflegekosten beim Bf. komme daher auch aus diesem Grund nicht in Frage.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die gegenständliche Beschwerdesache infolge Pensionierung des bisher zuständigen Richters mit Wirkung vom dem gefertigten Richter zugeteilt.

Mit Vorhalt vom ersuchte das Gericht den Bf., mitzuteilen, ob und in welcher Art und in welcher Höhe er im Jahr 2015 Unterstützungsleistungen gegenüber seinem Vater bzw. seinen Eltern erbracht habe. Entsprechende Unterlagen seien vorzulegen. Weiters möge der Bf. bekannt geben, ob der Verlass seines Vaters bereits abgewickelt worden sei. Zutreffendenfalls seien die Einantwortungsurkunde und die Erbantrittserklärung vorzulegen.

In Beantwortung dieses Vorhaltes übermittelte der Bf. mit Eingabe vom den Einantwortungsbeschluss in der Verlassenschaftssache nach seinem Vater sowie eine Aufstellung der Pflegekosten für seinen Vater im Jahr 2015. Nach dem Einantwortungsbeschluss wurde die Verlassenschaft je zur Hälfte dem Bf. und seinem Bruder eingeantwortet. Demgemäß beschloss das Verlassenschaftsgericht die Einverleibung des Eigentumsrechtes am erblichen Hälfteanteil an der gegenständlichen Liegenschaft je zur Hälfte an den Bf. und seinen Bruder. Weiters ist im Einantwortungsbeschluss festgehalten, dass der Bf. über das erbliche Pensionskonto **Nr.1** und das erbliche Sparbuch **Nr.2** allein behebungs- und verfügungsberechtigt ist.

Über ergänzende Aufforderung wurden noch die der vorgelegten Aufstellung zugrundeliegenden Belege übermittelt, sowie zum Beweis dafür, dass der Bf. diese Kosten getragen hat, am eine Übersicht der Kontoumsätze des Bf. auf seinem Bankkonto im Jahr 2015 vorgelegt. Auf dieser Kontoübersicht sind 16 Barauszahlungen und Automatenbehebungen vom Konto gelb markiert, welche zwischen 90,00 EURO und 1.100,00 EURO liegen. Diese Behebungen belaufen sich in Summe auf 9.660,00 EURO.

Das Finanzamt gab mit Schriftsatz vom dazu noch eine Stellungnahme ab. Aus dem vorgelegten Einantwortungsbeschluss vom gehe hervor, dass dem Bf. und seinem Bruder je zur Hälfte die gegenständliche Liegenschaft eingeantwortet worden sei. Die Bemessungsgrundlage für die GrESt habe je 24.209,00 EURO betragen. Dieser Betrag überschreite die in Betracht kommenden Pflegekosten, weshalb die Voraussetzungen des § 34 EStG nicht vorlägen.

Mit Vorhalt vom wurde der Bf. aufgefordert bekanntzugeben, welchen Kontostand das erbliche Sparbuch **Nr.2** zum und zum gehabt habe und ersucht, Auszüge aus dem Sparbuch betreffend das Streitjahr sowie eine Ablichtung des Protokolls über das Verlassenschaftsverfahren nach seinem Vater vom vorzulegen.

Mit Eingabe vom teilte der Bf. mit, dass das angeforderte Sparbuch nicht übermittelt werden könne. Es sei unauffindbar. Auch die zuständige Bank habe keinen Zugriff mehr auf die entsprechenden Daten. Das Notariat, welches die Verlassenschaft nach dem Vater des Bf. abgewickelt habe, habe nur den Stand des Sparbuches zum Todestag. Dieser habe 10.410,93 EURO betragen, wie dem angeschlossenen Verlassenschaftsprotokoll zu entnehmen sei.

Mit Vorhalt vom hielt das Gericht dem Bf. noch abschließend vor, dass es sich bei den aktenkundigen Sparbüchern des Vaters und der Mutter um ein Vermögen im Sinne des § 234 Abs. 3 ABGB gehandelt haben könnte, deren Heranziehung zur Bestreitung des Unterhaltes der Eltern im Jahr 2015 zumutbar gewesen wäre. Um den Betrag der Sparbuchstände könnte sich daher der Unterhaltsanspruch des Vaters gegenüber dem Bf. gemindert haben. Die Existenz dieser Sparbücher werfe aber auch die Frage auf, ob nicht tatsächlich diese Sparbücher zur Bestreitung des Unterhaltes der Eltern verwendet worden seien, und die Stände der Guthaben laut der Verlassenschaftsabhandlungen nur mehr "Restposten" gewesen seien. Mangels Vorliegen der Sparbücher ließe sich dies nach der derzeitigen Aktenlage nicht zweifelsfrei ausschließen.

Diesen Vorhalt beantwortete der Bf. mit Eingabe vom . Bei den beiden Sparbüchern habe es sich um Losungswortsparbücher gehandelt. Der Bf. habe keine Kenntnis von den jeweiligen Sparbüchern und dementsprechend auch nicht von den Losungsworten gehabt. Daher habe es ihm auch an der faktischen Möglichkeit gefehlt, auf das jeweilige Sparguthaben zuzugreifen. Erst nach dem Ableben der Eltern habe der Bf. von den Sparbüchern Kenntnis erlangt. Der Bf. habe es als seine Pflicht angesehen, seine Eltern bei der Finanzierung der Pflege zu unterstützen und wäre nicht auf die Idee gekommen, zu hinterfragen, ob seine Eltern noch finanzielle Reserven hätten, die zuvor aufgelöst werden könnten.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2), sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Zufolge Abs. 2 leg.cit. ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Gemäß Abs. 3 leg.cit. erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

§ 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 bestimmt wiederum, dass Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

Zu den Aufwendungen des Abs. 7 Z 4 zählen auch Krankheits-, Pflege- oder Betreuungskosten für einen Elternteil. Eine rechtliche Verpflichtung zur Tragung von Krankheitskosten bzw. von Pflegekosten ergibt sich in diesem Fall aus der Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern, darüber hinaus kann freilich auch eine sittliche Verpflichtung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestehen. Bei Unterhaltspflichten der Kinder gegenüber ihren Eltern ist zu beachten, dass sich hier nach § 232 und § 234 ABGB der Unterhaltsanspruch insoweit mindert, als dem Unterhaltsberechtigten die "Heranziehung des Stammes des eigenen Vermögens zumutbar ist". Keine außergewöhnliche Belastung liegt bei diesen Personen daher vor, wenn die pflegebedürftige Person über entsprechendes verwertbares Vermögen verfügt und dies dem Steuerpflichtigen (StPfl) bekannt ist (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG, §34 Rz 52 unter Verweis auf Rechtsprechung des UFS).

Eine "Belastung" im Sinne des § 34 EStG 1988 liegt im Allgemeinen nur dann vor, wenn Ausgaben getätigt werden, die zu einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr, somit zu einer Vermögensminderung führen. Bloße Vermögensumschichtungen führen grundsätzlich nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung. Werden daher z.B. Pflegekosten oder Begräbniskosten als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern (Sachen) übernommen (z.B. Übergabeverträge, Schenkungsverträge), bzw. erwachsen einem StPfl zwangsläufige Aufwendungen nur deshalb, weil ihm das zu ihrer Deckung dienende Vermögen zugekommen ist, liegt insoweit keine Belastung vor. Hierbei ist freilich zu beachten, dass ein konkreter Zusammenhang zwischen Vermögensübertragung und Belastung bestehen muss (etwa Pflegeverpflichtung auf Grund eines Ausgedinges). Ist ein derartiger Zusammenhang gegeben, liegt eine außergewöhnliche Belastung erst dann vor, wenn die Zahlungen den Wert des übertragenen Vermögens übersteigen (vgl. Wanke a.a.O. Rz 11).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Stpfl, der eine abgabenrechtliche Begünstigung (wie hier eine außergewöhnliche Belastung) in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und "unter Ausschluss jeden Zweifels" das Vorliegen der Umstände darzulegen, auf die die Begünstigung gestützt werden kann (vgl. Jakom/Peyerl, EStG, 14. Auflage 2021, §34 Rz 9).

Das Finanzamt sieht die Voraussetzungen des § 34 EStG 1988 aus mehreren Gründen nicht als gegeben an. Zum einen, weil bereits der Vater des Bf. Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung mit einem Betrag von 9.550,32 EURO (ohne Selbstbehalt) geltend gemacht und vom Finanzamt im Betrag von 7.537,87 EURO auch berücksichtigt bekommen habe. Zum anderen, weil nicht nachgewiesen sei, dass der Bf. die fraglichen Pflegekosten tatsächlich getragen habe. Schließlich stehe einer Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung auch im Wege, dass der Bf. in der Folge neben der gegenständlichen Liegenschaft auch ein Sparbuch der Mutter mit einem Guthaben von zuletzt 15.702,65 EURO (jeweils zur Hälfte) geerbt habe.

Das Argument des Finanzamtes, dass bereits der Vater des Bf. einen Betrag von 9.590,32 EURO als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht habe, verfängt nicht. Denn dieser Betrag entspricht dem Betrag, den der Vater des Bf. nach der Gegenüberstellung seines Einkommens (samt Zuschüssen) und der Lebenshaltungskosten selbst finanzieren konnte. Der streitgegenständliche vom Bf. geltend gemachte Betrag ist aber jener, der vom Vater des Bf. nicht mehr finanziert werden konnte. Insofern liegt also keine doppelte Geltendmachung ein und desselben Pflegekostenbetrages vor.

Was den Nachweis der Kostentragung des Bf. angeht, so wurden über Vorhalt im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht eine Aufstellung der Pflegekosten des Vaters für das Jahr 2015 und die dazugehörigen Rechnungen von diversen Pflegestellen über Pflegeleistungen vorgelegt. Diese Rechnungen sind an den Vater des Bf. adressiert und enthalten auch die Kontoverbindungen der Rechnungsaussteller. Zumeist enthalten sie auch Zahlungshinweise wie "prompt nach Rechnungserhalt" oder "Zahlbar nach Rechnungserhalt - binnen einer Woche". Weiters hat der Bf. eine Jahresübersicht der Kontoumsätze auf seinem Bankkonto für das Jahr 2015 vorgelegt. Auf dieser Übersicht sind 16 Barbehebungen in runden Beträgen zwischen 90,00 EURO und 1.100,00 EURO und im Gesamtbetrag von 9.660,00 EURO gelb markiert. Diese Barbehebungen lassen sich allerdings mit den Rechnungen nicht in einen unmittelbaren zeitlichen und betraglichen Zusammenhang bringen. Das Gericht räumt aber ein, dass nach der Aktenlage beim Einkommen des Vaters des Bf. und unter Berücksichtigung der Pflegekosten (und der erhaltenen staatlichen Unterstützungsleistungen) grundsätzlich ein Finanzierungsmanko verbleibt (wenn man dem Bf. folgt rund 9.600,00 EURO). Aus diesem Umstand kann geschlossen werden, dass das Vorbringen des Bf., er habe sich an den Pflegekosten des Vaters beteiligt, zutreffend ist. Auch geht es hier nicht darum, ob der Bf. sämtliche oder ganz bestimmte in Rechnung gestellte Pflegeleistungen getragen hat, sondern nur darum, ob er einen Beitrag zumindest in Höhe des Finanzierungsmankos geleistet hat. Dies hält das Gericht für erwiesen, zumal "Geld kein Mascherl hat" (in diesem Sinne ).

Die Sparguthaben des Vaters und der Mutter stehen dieser Betrachtung nicht entgegen. Diese Sparguthaben betrugen im Zeitpunkt des jeweiligen Ablebens 10.410,93 EURO bzw. 15.700,00 EURO. Für die im gerichtlichen Verfahren (mangels Vorliegens der Sparbücher) angestellte Überlegung, dass die Kosten des Vaters aus Behebungen von diesen Sparbüchern mitfinanziert worden sein könnten, gibt es letztlich keinen Beweis. Vielmehr brachte der Bf. vor, dass ihm die Sparbücher und deren Losungsworte vor dem Ableben seiner Eltern nicht bekannt gewesen seien. Nach den vorliegenden Unterlagen zu den Verlassabhandlungen waren die Sparbücher offenbar tatsächlich Losungswortsparbücher. Es steht im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung, dass nach Ableben insbesondere betagter Personen nicht legitimierte Sparbücher erstmals auftauchen oder letztlich nie auftauchen, was sich bei den Banken in jahrzehntelang unbewegten Spareinlagen zeigt. So betrachtet hält es das Gericht für gerechtfertigt, im Rahmen der freien Beweiswürdigung dem Vorbringen des Bf. zu folgen und dessen Unkenntnis über die Sparbücher als erwiesen anzunehmen.

Die Unkenntnis des Bf. über die Sparbücher hindert rechtlich gesehen aber auch eine Heranziehung der Sparguthaben als verwertbaren Stamm eigenen Vermögens der Eltern. Die in der oben zitierten Literatur vertretene Auffassung, dass das verwertbare Vermögen dem Stpfl auch bekannt sein müsse, damit es einer außergewöhnlichen Belastung entgegenstehe, ist nachvollziehbar. In Unkenntnis eines solchen Vermögens bei seinen Eltern hat der Bf. seinen Unterhaltsbeitrag jedenfalls in gutem Glauben geleistet, was ihm nicht zum Nachteil gereichen soll. Die streitgegenständliche Liegenschaft kann ebenfalls nicht als verwertbarer Vermögensstamm herangezogen werden, da es sich bei dieser Liegenschaft im Streitjahr unbestritten um den Wohnsitz der Eltern gehandelt hat, und daher eine Verwertung nicht zumutbar war.

Die späteren Erbschaften des Hälfteanteils der Liegenschaft und der Sparbücher zugunsten des Bf. nach dem Ableben seiner Eltern stehen einer Anerkennung von Pflegekosten als außergewöhnlicher Belastung ebenfalls nicht im Wege. Denn es ist kein kausaler Zusammenhang zwischen einer Tragung der Pflegekosten und den späteren Erbschaften zu erkennen (vgl. dazu Jakom/Peyerl a.a.O. §34 Rz 27 sowie ). Die Erbschaft erfolgte nach der Aktenlage allein auf Grund des Gesetzes.

Demnach ist die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung aus dem Titel Tragung von Pflegekosten des Vaters gerechtfertigt.

Was die Höhe der außergewöhnlichen Belastung angeht, so ist der Ansatz des Bf. mit einem Betrag von 9.565,54 EURO insofern zu berichtigen, als der notwendige Lebensunterhalt für Ehepaare lt. Richtsatz des § 293 ASVG nicht 18.530,12 EURO sondern nur 18.310,46 EURO (1.307,89 EURO x 14) beträgt. Andererseits sind zu Gunsten des Bf. bei der Ermittlung des Nettoeinkommens des Vaters noch die Sonderausgaben in Höhe von 60,00 EURO und 112,00 EURO in Abzug zu bringen. In Summe vermindert sich die geltend gemachte außergewöhnliche Belastung dadurch auf den Betrag von 9.517,88 EURO.

Es war daher der Beschwerde teilweise Folge zu geben.

Dieser Betrag ist um den Selbstbehalt des § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu vermindern. Dieser berechnet sich im gegenständlichen Fall wie folgt: Auszugehen ist vom Einkommen des Bf. vor Abzug der außergewöhnlichen Belastung in Höhe von 33.727,95 EURO. Dieses ist gemäß Abs. 5 leg. cit. um die sonstigen Bezüge (lt. KZ 220 des Lohnzettels in Höhe von 6.165,96 EURO) abzüglich der darauf entfallenden SV-Beiträge (lt. Kennzahl 225 des Lohnzettels in Höhe von 470,84 EURO) und somit in Höhe von 5.695,12 EURO zu erhöhen. Dies ergibt einen Betrag von 39.423,07 EURO. Bei dieser Einkommenshöhe ist ein Prozentsatz von 12% heranzuziehen und errechnet sich demnach ein Selbstbehalt von 4.730,76 EURO. Die zu berücksichtigende außergewöhnliche Belastung beträgt daher 4.787,12 EURO (9.517,88 EURO abzüglich 4.730,76 EURO).

Das Einkommen und die Einkommensteuer des Jahres 2015 berechnen sich daher wie folgt:

Einkommen laut FA von 33.727,95 EURO abzüglich der außergewöhnlichen Belastung von 4.787,12 EURO ergibt ein Einkommen laut ,83 EURO. Die Einkommensteuer vor Abzug der Absetzbeträge beträgt 6.813,00 EURO. Der Pensionistenabsetzbetrag ist mit 0,00 EURO anzusetzen. Der Steuerbetrag ist um die Steuer für sonstige Bezüge in Höhe von 304,51 EURO zu erhöhen und um die anrechenbare Lohnsteuer von 9.298,05 EURO zu vermindern. Die festgesetzte Einkommensteuer beträgt daher -2.181,00 EURO (Gutschrift).

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall stellen sich in erster Linie Sachverhaltsfragen und keine Rechtsfragen, weshalb die Revision für unzulässig zu erklären war.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.4100211.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at