Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter MMag. Gerald Erwin Ehgartner in der Beschwerdesache **BF**, vertreten durch die **StB-1-GmbH**, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer legte mit Selbstanzeige vom bis dahin nicht erklärte Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Spekulationseinkünfte offen. Aufgrund dieser Selbstanzeige erfolgte von Seiten der belangten Behörde die Wiederaufnahme des Verfahrens, in dessen Zusammenhang der mit datierte neue Sachbescheid betreffend Einkommensteuer 2009 erlassen wurde.
Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Beschwerdeführer über zwei steuerliche Vertreter: (**StB-2-GmbH** (damals zustellbevollmächtigt) und **StB-1-GmbH**. Der Bescheid sowie die gesonderte Bescheidbegründung wurden dem zustellbevollmächtigten Vertreter zugestellt, wobei die Zustellung der Bescheidbegründung am durch Hinterlegung erfolgte.
Am beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung der Beschwerdefrist bis zum . Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom als verspätet zurückgewiesen. Laut belangter Behörde sei der Fristenlauf durch die erfolgte Zustellung der gesonderten Begründung am ausgelöst worden und die Frist daher im Zeitpunkt der Einbringung des Fristverlängerungsantrags bereits verstrichen gewesen. Die neuerliche Übermittlung des inhaltsgleichen Dokuments am habe gemäß § 6 ZustG keine Rechtswirkungen auslösen können.
Mit Antrag vom beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 vom und begründete dies wie folgt: Die **StB-1-GmbH** sei nur über die zweite Zustellung am telefonisch von der Abgabenbehörde informiert worden und nur diese sei laut der Abgabenbehörde relevant für den Fristenlauf. Der Antrag auf Fristverlängerung sei daher unwissentlich nicht fristgerecht eingebracht worden, weil die Beschwerdefrist entgegen der telefonischen Auskunft bereits mit der Zustellung an die **StB-2-GmbH** am in Gang gesetzt worden sei. Bis zur Erlassung des Zurückweisungsbescheides vom sei der **StB-1-GmbH** dieser Umstand nicht bewusst gewesen. Die Frist sei aufgrund eines Irrtums, welcher zur falschen Eintragung in die Fristenevidenz geführt habe, versäumt worden. Dieser Irrtum sei der **StB-1-GmbH** aber nicht zuzurechnen, da die Zustellung bei der **StB-2-GmbH** erfolgt sei und die **StB-1-GmbH** darüber nicht informiert gewesen sei. Aus der Rechtsprechung ergebe sich, dass die Unkenntnis einer gesetzmäßig bewirkten Zustellung ein Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen. Nach Auffassung der Abgabenbehörde sei dem Antragsteller zwar grundsätzlich zuzustimmen, dass die Unkenntnis der Zustellung einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen könne, jedoch betreffe die zitierte Judikatur Fälle, in denen die Zustellung durch Hinterlegung erfolgt und die Verständigung über die Hinterlegung in Verstoß geraten sei. Die Sache des Wiedereinsetzungsverfahrens sei der im Wiedereinsetzungsantrag geschilderten Sachverhalt. Andere der Abgabenbehörde erkennbare, aber im Antrag nicht vorgebrachte Umstände könnten nicht berücksichtigt werden. Der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag nicht behauptet, dass die Verständigung über die Hinterlegung beschädigt oder verlustig gewesen sei. Daher sei die vom Beschwerdeführer zitierte Judikatur für den gegenständlichen Sachverhalt nicht relevant. Ebenso sei dem Vorbringen nicht zu entnehmen gewesen, dass die fristauslösende Zustellung nicht wirksam gewesen wäre.
Vom Beschwerdeführer sei das als die Fristeinhaltung behindernde Ereignis die Unkenntnis der **StB-1-GmbH** über die wirksame Zustellung bei der **StB-2-GmbH** gewesen. Bei der Beurteilung des Vorliegens der maßgeblichen Unkenntnis sei auf das Wissen des Antragstellers abzustellen, dem auch das Wissen seiner beiden steuerlichen Vertreter zuzurechnen sei. Somit habe der Antragsteller nachweislich Kenntnis über die Zustellung gehabt. Die unterlassende Kommunikation zwischen den beiden steuerlichen Vertretern bedeute nicht, dass der Antragsteller deren Kenntnis nicht gegen sich gelten lassen müsse. Bei der Bevollmächtigung mehrerer steuerlicher Vertreter trage der Abgabepflichtige das Risiko für dadurch entstehende Fristversäumnisse. Da das im Antrag vorgebrachte unabwendbare bzw unvorhergesehene Ereignis nicht vorläge, sei der Antrag abzuweisen.
Beschwerde vom
Mit gegenständlicher Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Abänderung des Abweisungsbescheides vom dahingehend, dass dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben wird.
Es treffe zu, so der Beschwerdeführer, dass er im Zeitpunkt der Zustellung der beschwerdegegenständlichen Begründung zum Einkommensteuerbescheid 2009 durch zwei Steuerberater vertreten gewesen sei. Die belangte Behörde stütze sich in erster Linie darauf, dass die Zustellung bei der **StB-2-GmbH** durch Hinterlegung am erfolgt sei. Das Finanzamt räume jedoch selbst ein, dass am die zuständige Sachbearbeiterin unaufgefordert telefonisch Kontakt zur **StB-1-GmbH** aufgenommen habe und der Mitarbeiterin der Kanzlei unter anderem mitgeteilt habe, dass die Zustellung der Begründung nicht erfolgt sei, da der Rückschein nicht beim Finanzamt eingelangt sei. In diesem Telefonat sei besprochen worden, dass der zweite Zustellungstermin als maßgeblich für den Fristenlauf betrachtet werden solle. Erst aufgrund dieser Auskunft sei das Fristende auf den verlegt worden. Wäre der Anruf des Finanzamtes nicht erfolgt, hätte der Vertreter des Beschwerdeführers aufgrund des am vorsorglich bereits eingebrachten Fristverlängerungsantrages die nächste Fristverlängerung am eingebracht und damit die Frist gewahrt. Nur im Vertrauen auf die telefonische Auskunft der belangten Behörde sei das Fristende geändert worden.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
1. Entscheidungsrelevanter Sachverhalt
Aufgrund einer Selbstanzeige des Beschwerdeführers wurde im Zuge einer Wiederaufnahme des Verfahrens der mit datierte neue Sachbescheid betreffend Einkommensteuer 2009 erlassen. Der Beschwerdeführer verfügte zu diesem Zeitpunkt über zwei steuerliche Vertreter (**StB-2-GmbH** und **StB-1-GmbH**). Die gesonderte Bescheidbegründung wurde dem damals zustellbevollmächtigten Beschwerdeführervertreter **StB-2-GmbH** am durch Hinterlegung zugestellt.
Nach einem Telefonat der Abgabenbehörde mit dem damals nicht zustellbevollmächtigten weiteren Vertreter des Beschwerdeführers, wurde am auch dem weiteren Vertreter die Bescheidbegründung übermittelt.
Am stellte der zweite Vertreter des Beschwerdeführers einen Fristverlängerungsantrag, welcher von der Abgabenbehörde als verspätet zurückgewiesen wurde.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Veraltungsakt, wurde in der abgehaltenen mündlichen Verhandlung thematisiert und kann insgesamt als unstrittig angesehen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Zu Spruchpunkt I. (Beschwerdeabweisung)
Gemäß § 308 Abs 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, ua gegen die Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter einem eine Fristeinhaltung hindernden Ereignis ist jedes Geschehen zu verstehen, also nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben oder ein Sich irren (vgl etwa , Ritz/Koran, BAO 7. Aufl (2021), § 308, Rz 8). Ein Ereignis ist "unvorhergesehen", wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Es ist "unabwendbar" wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (vgl etwa ).
Die Unkenntnis einer gesetzmäßig bewirkten Zustellung (zB durch Hinterlegung) kann ein Ereignis iSd § 308 Abs 1 BAO sein (vgl ). Daher ist dem Antragsteller grundsätzlich zuzustimmen, wenn er vorbringt, dass die Unkenntnis der Zustellung einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen kann. Allerdings besteht im gegenständlichen Verfahren keine derartige Unkenntnis der Zustellung, da die zitierte Judikatur (bloß) Fälle betrifft, in denen die Zustellung durch Hinterlegung erfolgte, die Verständigung über die Hinterlegung jedoch in Verstoß geraten war.
Gegenständlich wurde die Bescheidbegründung betreffend Einkommensteuerbescheid 2009 dem steuerlichen Vertreter am durch Hinterlegung zugestellt. Der dem Gericht vorliegende Rückschein stellt einen Zustellnachweis nach § 22 des Zustellgesetzes (ZustG) dar, sowie eine öffentliche Urkunde, die den Beweis erbringt, dass die Zustellung an diesem Tag vorschriftsmäßig erfolgte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stellt ein dem Parteienvertreter widerfahrendes Ereignis nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei dar, wenn die-ses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen und unabwendbar war und es sich hierbei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (; , Ra 2016/09/0001; , Ra 2017/16/0101).
Ein Parteienvertreter hat durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Un-zulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (; , Ra 2017/16/0101). Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Parteienvertreter für die Beachtung einer Rechtsmittelfrist grundsätzlich selbst verantwortlich. Da in der Beschwerde erwähnt wurde, dass das Fristende bereits so erfasst wurde, dass ein fristwahrender Fristverlängerungsantrag möglich gewesen wäre, hätte der berufsmäßige Vertreter in Ausübung seiner Sorgfalt diesen Termin nicht verschieben dürfen und den Fristverlängerungsantrag auch entgegen der Auskunft der Abgabenbehörde aus Vorsicht an dem von ihm berechneten Tag stellen müssen. Aus diesem Grund liegt kein unvorhergesehenes Ereignis vor und es war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2 Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbe-sondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage folgt der umfangreichen, ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorlag und die Revision sohin nicht zuzulassen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 22 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104385.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at