Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.10.2022, RV/7400128/2020

Beschwerdevorentscheidung ohne unerledigte Beschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 31 Wiener Wasser vom betreffend Festsetzung von Wasser- und Abwassergebühren zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom wird gemäß § 279 BAO ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ist Wasserabnehmer bezüglich einer Liegenschaft im xx. Wiener Gemeindebezirk.

Mit Bescheid vom setzte der Magistrat der Stadt Wien bezüglich dieser Liegenschaft für den Zeitraum bis Wasser- und Abwassergebühren in Höhe von 540,91 € fest, Abzüglich bereits entrichteter Teilzahlungen und zuzüglich der neuen Teilzahlungen ergab sich für den Beschwerdeführer insgesamt ein zu entrichtender Gesamtbetrag von 291,60 €.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde rügte der Beschwerdeführer, dass im angefochtenen Bescheid die pauschale Ermäßigung für die Bewässerung der Grünflächen des Kleingartens bei der Abwassermenge nicht abgezogen worden sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und in der Begründung ausgeführt, aus den der Beschwerde beigelegten Einreichplänen gehe hervor, dass die Nutzfläche im Erdgeschoß und im Obergeschoß in Summe 148,69 m2 betrage und es der Erfahrung des täglichen Lebens widerspreche, dass dann nicht zumindest ein Teil der Kellerfläche von 79,53 m2 als "Raum zur Aufbewahrung von Gegenständen" verwendet würde.

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom , seine Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Mit Beschluss vom , RV/7400013/2016, wurden der angefochtene Bescheid vom und die Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die belangte Behörde aufgehoben.

Nach Durchführung ergänzender Ermittlungen erließ die belangte Behörde - datiert mit - neuerlich eine Beschwerdevorentscheidung und wies damit die Beschwerde vom gegen den Gebührenbescheid vom als unbegründet ab.

Der Beschwerdeführer brachte mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Zuständigkeit der Gerichtsabteilung 1046 zur Entscheidung über die Beschwerde vom fußt auf der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom , mit welcher die gegenständliche Rechtssache der bisher zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen worden ist. Die Umverteilung trat mit in Kraft.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerde vom wurde mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7400013/2016, dahingehend erledigt, als damit der angefochtene Bescheid vom und die Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die belangte Behörde aufgehoben wurden.

Im Vorlagebericht vom wurde als angefochtener Bescheid der Bescheid angeführt, der infolge des , nicht mehr dem Rechtsbestand angehört.

Datiert mit erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, deren Spruch wie folgt lautet:

"Über die von Herrn ***Bf1*** eingebrachte Beschwerde gegen den Gebührenbescheid vom betreffend den Wasseranschluss in ***1***, wird gemäß § 263 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) wie folgt entschieden:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen."

Mit Schriftsatz brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag ein.

Beweiswürdigung

Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die im Akt befindlichen Unterlagen und ist insoweit unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Rechtsgrundlagen

§ 243 BAO lautet:

"§ 243. Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist."

§ 262 BAO lautet:

"§ 262. (1) Über Bescheidbeschwerden ist nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

(2) Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat zu unterbleiben,

  1. wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und

  2. wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.

(3) Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

(4) Weiters ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat."

§ 264 BAO lautet:

"§ 264. (1) Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

(2) Zur Einbringung eines Vorlageantrages ist befugt

  1. der Beschwerdeführer, ferner

  2. jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt.

(3) Wird ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht, so gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt. Bei Zurücknahme des Antrages gilt die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehreren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der Zurücknahme aller dieser Anträge.

(4) Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden:

  1. § 93 Abs. 4 und 5 sowie § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 5 (Frist),

  2. § 93 Abs. 6 und § 249 Abs. 1 (Einbringung),

  3. § 255 (Verzicht),

  4. § 256 (Zurücknahme),

  5. § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung),

  6. § 274 Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 5 (Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung).

(5) Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.

(6) Erfolgt die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von zwei Monaten ab Einbringung des Vorlageantrages bzw. in den Fällen des § 262 Abs. 3 und 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde, so kann die Partei (§ 78) beim Verwaltungsgericht eine Vorlageerinnerung einbringen. Diese wirkt wie eine Vorlage der Beschwerde. Sie hat die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und des Vorlageantrages zu enthalten.

(7) Durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung scheidet der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus."

§ 278 BAO lautet:

"§ 278. (1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

  1. weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

  2. als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst."

Der Vorlagebericht vom nennt als angefochtenen Bescheid jenen vom und als Beschwerde jene vom . Damit übersieht die belangte Behörde, dass der Gebührenbescheid vom zufolge des , nicht mehr dem Rechtsbestand angehört.

Durch die Aufhebung nach § 278 Abs. 1 BAO trat das Verfahren nämlich in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hat (§ 278 Abs. 2 BAO).

Die Beschwerdevorentscheidung vom spricht über eine Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom ab. Damit lässt die belangte Behörde außer Acht, dass die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom bereits durch den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7400013/2016, einer Erledigung zugeführt worden ist.

Die Beschwerdevorentscheidung vom ist somit rechtswidrig ergangen, weil ihr keine (unerledigte) Beschwerde zugrunde liegt.

Sie war daher auf Grund des am bei der belangten Behörde eingelangten Vorlageantrags ersatzlos aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolge der ersatzlosen Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung, die über eine bereits erledigte Beschwerde abspricht, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 263 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400128.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at