Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.09.2022, RV/5100193/2022

Reisekosten bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit ohne ausreichenden Nachweis und Zahnprophylaxe als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Martina Märzinger Wirtschaftstreuhand-Steuerberatung GmbH, Bauernstraße 9, 4600 Wels, über die Beschwerden vom gegen den Bescheide des ***FA*** datiert vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 und 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer hat seine Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 und 2020 am elektronisch eingebracht.

Darin hat er für die Einkommensteuer 2019 als Werbungskosten für Arbeitsmittel € 143,95, an Reisekosten € 4.834,40 und an sonstigen Werbungskosten € 1.176,67 geltend gemacht.

Für das Jahr 2020 beantragte der Beschwerdeführer € 143,95 an Arbeitsmitteln, € 4.366,00 an Reisekosten, € 360,00 an Aus-, Fortbildungs- oder Umschulungskosten und € 1.013,56 an sonstigen Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Am verfasste das Finanzamt ein Ersuchen um Ergänzung, in welchem der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, für die beantragten Werbungskosten Kopien der Belege und Kostenaufstellung mit einer genauen Aufteilung der Kosten nach Themen sortiert, beizubringen. Jeder Kostenpunkt solle mit Datum, Bezeichnung der Kostenart und dem Betrag ausgewiesen werden.

Weiter wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, seinen beruflichen Aufgabenbereich bekannt zu geben und das Finanzamt darüber zu informieren, wie die (beantragten) Aufwendungen mit dem Beruf zusammenhängen würden. Es solle die konkrete berufliche Notwendigkeit jeder Position in der Kostenaufstellung begründet werden.

Das Finanzamt wollte auch wissen, ob die beantragten Aufwendungen des Beschwerdeführers von Förderstellen, wie dem Land oder der Arbeiterkammer ganz oder teilweise (in welcher Höhe) ersetzt worden sind.

Für das Anerkennen der Fahrtkosten benötige das Finanzamt Auskunft über die berufliche Veranlassung und bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel oder einer Mitfahrgelegenheit, die Anzahl der Fahrten und einen Nachweis der angefallenen Kosten. Sollte der Beschwerdeführer das eigene Kraftfahrzeug benutzt haben, solle er den genauen Streckenverlauf inklusive Anfangs- und Endadresse, Datum, Uhrzeit und den beruflichen Zweck (der Fahrten bekannt geben).

Zu den beantragten Verpflegungsmehraufwendungen wie Tagesgelder, Diäten beziehungsweise Nächtigungskosten sollte der Beschwerdeführer einen Nachweis der Art und Dauer der beruflichen Veranlassung je Reise, Beginn und Ende (Datum und Uhrzeit) je Reise sowie die Zielorte und die Verweildauer an jedem Zielort bekannt geben.

Bei den geltend gemachten Aufwendungen für Fachliteratur sollte der Beschwerdeführer eine Aufstellung mit Anschaffungstag, Buchtitel und Einzelpreis sowie eine Erklärung der beruflichen Notwendigkeit und Verwendung je Buchtitel beibringen.

Als Antwort übermittelte der Beschwerdeführer elektronisch fünf PDF-Dateien.

Für das Jahr 2019 war darin eine Aufstellung der Kosten enthalten, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer die als Arbeitsmittel geltend gemachten Kosten von € 143,95 für ein Abonnement einer Tageszeitung und ein Computervirenschutzprogramm aufgewendet hat, was auch durch die beigefügten Scans von Rechnungen belegt ist.

Die Reiskosten hat der Beschwerdeführer in einer am Computer erstellten Liste dargestellt, die sich auf Datum, Abfahrtszeit, Rückkehrzeit und als Zielort die Bundeshauptstadt beschänkt. Als Ausgangsort muss wohl der Wohnort des Beschwerdeführers ergänzt werden. Zu dieser Aufstellung wurden keine Belege angefügt.

Als sonstige Werbungskosten ordnete der Beschwerdeführer 8 % seiner Aufwendungen für sein Wohnhaus ein (Abschreibung für Dachsanierung, der Solaranlage, Grundsteuer, Versicherung, Gas, Instandhaltungsaufwendungen, Strom, Wasser/Kanal/Müll) und die Hälfte der Kosten für den Internetzugang ein und legte dazu teilweise Rechnungen (unter anderem für die Anschaffung einer Hauseingangstür und Garagentor) vor.

In gleicher Weise ging der Beschwerdeführer für das Jahr 2020 vor. Auch dort erklärt er die € 143,95 für Tageszeitung und Virenschutz als Arbeitsmittel. Die Reisekosten wurden wie oben beschrieben mit einer am Computer erstellten Liste (Datum, Abfahrtszeit, Rückkehrzeit, Zielort Wien) ohne jeden Beleg aufgezählt. Als Aus-,Fortbildungs- oder Umschulungskosten, werden zwei Rechnungen einer Anbieterin für "Mulitdimensionale Bewusstseins- und Körperarbeit" für Einzelcoaching (in Summe € 360,00) angegeben. Die sonstigen angegebenen Werbungskosten sind wieder 8 % der Aufwendungen, welche dem Beschwerdeführer für sein Einfamilienhaus entstanden sind sowie die Internetkosten, in der oben beschriebenen Art und Weise.

In den Einkommensteuerbescheiden 2019 und 2020 blieben die oben beschriebenen Aufwendungen des Beschwerdeführers und auch die vom Beschwerdeführer im Jahr 2020 als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten € 5.049,95 unberücksichtigt.

Dies begründete das Finanzamt damit, dass der Beschwerdeführer nicht alle angeforderten Unterlagen beigebracht habe (2019).

Ein Virenschutzprogramm und Dachsanierungen seien gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 (Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988) Aufwände der privaten Lebensführung und als solche nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Beruflich gefahrene Kilometer seien grundsätzlich durch ein ordnungsmäßig geführtes Fahrtenbuch nachzuweisen. Aus einem ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuch müsse der Tag (Datum) der beruflichen Fahrt, Ort, Zeit, Kilometerstand jeweils am Beginn und am Ende der beruflichen Fahrt, Zweck jeder einzelnen Fahrt und die Anzahl der gefahrenen Kilometer (aufgegliedert in berufliche und privat gefahrene Kilometer) ersichtlich sein. Damit ein Fahrtenbuch ein tauglicher Nachweis sein könne, müsse es übersichtlich, inhaltlich korrekt, zeitnah und in geschlossener Form geführt werden. Der Reiseweg sei so detailliert zu beschreiben, dass die Fahrtstrecke unter Zuhilfenahme einer Straßenkarte (Routenplaner) nachvollzogen werden könne. Treibstoffkosten für die gefahrenen beruflichen Kilometer seien durch Quittungen zu belegen. Diese diene der Nachweisführung und Nachprüfbarkeit. Da der Beschwerdeführer die beantragten Internetkosten belegmäßig nicht nachgewiesen habe, hätten diese nicht berücksichtigt werden können. Garagentor und Eingangstüre seien keine beruflich veranlasste abzugsfähige Werbungskosten und würden nicht anerkannt (2020).

In den elektronisch am von seiner steuerlichen Vertreterin eingebrachten Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 brachte diese vor, dass der Beschwerdeführer für einen Verein in Wien arbeite und in unregelmäßigen Abstanden dorthin fahre. Im Jahr 2019 seien dies 29 Fahrten und im Jahr 2020 26 Fahrten gewesen, für welche das Kilometergeld geltend gemacht werde. Für jedes Jahr seien Diäten für 15 Tage anzusetzen. Eine Aufstellung würde beigelegt, welche nach Ansicht der steuerlichen Vertreterin ausreichend sei. Sollte dies nicht der Fall sein, würde sie noch den Namen des Vereins ergänzen. Seine Büroarbeiten würde der Beschwerdeführer von zu Hause erledigen. Daher seien die Kosten für sein Büro (8 % des gesamten Hauses) angesetzt worden. Daneben würden auch noch Telefon- und Internetkosten für berufliche Angelegenheiten des Vereins, welche der Beschwerdeführer von seinem Wohnsitz aus erledige, angesetzt. Aus Sicht der steuerlichen Vertreterin seien die genannten Aufwendungen zur Gänze anzuerkennen, weil diese beruflich veranlasst seien, weswegen um antragsgemäße Veranlagung ersucht werde. Bei den 2020 geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen handle es sich um Zahnarztkosten, welche mit Selbstbehalt zu anzuerkennen wären.

Den Beschwerden beigelegt waren die gleichen Unterlagen, welche schon der Vorhaltsbeantwortung vom beigefügt waren, wobei noch Gasrechnungen, Rechnungen für Heckenschneiden, einen Bodenstaubsauger, die Wartung der Gastherme, das Kehren des Kamins, eine Dachreparatur und vier Rechnungen aus dem Jahr 2020 über zahnärztliche Leistungen (€ 3.965,00 Zahnkrone, € 60,00 Prophylaxe, € 700,00 Zahnkrone, € 120,00 Mundhygiene) angefügt waren.

In der Beschwerdevorentscheidung datiert vom betreffend das Jahr 2019 wurden von den beantragten Werbungskosten ausschließlich € 17,48 an sonstigen Werbungskosten anerkannt und dies damit begründet, dass ausschließlich die Kosten für Antivirusprogramm im halben Ausmaß, jenem der behaupteten Internetnutzung, anerkannt worden seien. Die Internetgebühren hätten mangels Vorlage entsprechender Unterlagen oder Nachweise nicht berücksichtigt werden können. Hinsichtlich der anderen geltend gemachten Aufwendungen werde auf die Begründung im sachverhaltsgleichen Erstbescheid für die Einkommensteuer 2020 verwiesen. Da die anzuerkennenden Werbungskosten niedriger seien als der Pauschbetrag von € 132,00 sei der höhere Betrag berücksichtigt worden.

Am gleichen Tag erstellte das Finanzamt auch die Beschwerdevorentscheidung für die Einkommensteuer 2020 des Beschwerdeführers. In dieser wurden keine der beantragten Werbungskosten, jedoch € 4.475,00 als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt anerkannt.

Dies wurde damit begründet, dass die Krankheitskosten in dem Ausmaß anerkannt worden seien, für welches Belege übermittelt worden seien. Die geltend gemachten Internetgebühren hätten mangels Übermittlung entsprechender Unterlagen oder Nachweise nicht berücksichtigt werden können. Die Kosten für das Anschaffen des Antivirenprogramms seien nicht anerkannt worden, da die übermittelte Rechnung nur das Jahr 2019 betroffen habe. Hinsichtlich der restlichen nicht anerkannten Aufwendungen werde unverändert auf die Begründung im Erstbescheid verwiesen.

Im von der steuerlichen Vertreterin verfassten elektronischen Antrag auf Vorlage der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 an das Bundesfinanzgericht vom schränkte der Beschwerdeführer seine Beschwerde auf das Geltendmachen von Reisekosten von € 4.834,00 ein und brachte dazu wörtlich wie in der Beschwerdeschrift vom vor, dass er für einen Verein in Wien arbeite und in unregelmäßigen Abständen dorthin, im Jahr 2019 29-mal dorthin gefahren sei. Für 15 Tage beanspruche er Diäten. Die notwendigen Daten dafür seien aus der übermittelten Aufstellung klar ersichtlich.

Im elektronischen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vom gleichen Tag betreffend die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 schränkt ebenfalls das Beschwerdebegehren auf die geltend gemachten Reisekosten von € 4.366,00 an und unterscheidet sich das Vorbringen von jenem für das Vorjahr nur darin das 26 Fahrten nach Wien, aber ebenfalls Diäten für 15 Tage geltend gemacht wurden.

Der Beschwerdeführer wurde von der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht informiert. In diesem Vorlagebericht, der insofern auch als Vorhalt des Finanzamtes zu werten ist, vertrat dieses die Ansicht, dass der Nachweis von Fahrtkosten (tatsächliche Aufwendungen, Kilometergelder) grundsätzlich mit einem Fahrtenbuch zu erfolgen habe. Dieses habe die beruflichen und privaten Fahrten zu enthalten (unter Hinweis auf Judikatur). In den (vom Beschwerdeführer) vorgelegten Fahrtenaufzeichnungen seien weder ein Kilometerstand noch irgendwelche Privatfahrten ausgewiesen und könnten daher nach der Judikatur nicht als ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch anerkannt werden. Die übermittelten Tabellen seien weder Fahrtenbücher noch mit Fahrtenbüchern hinsichtlich der Beweiskraft vergleichbar. Es stehe dem Beschwerdeführer frei, seine Aufwendungen auf jegliche geeignete Weise zu belegen und sei ein Fahrtenbuch nicht zwingend erforderlich, in der Praxis werde aber zumindest eine mit einem Fahrtenbuch vergleichbare Beweiskraft, etwa mittels Nachweisen von Dritter Seite, gefordert, wie Bestätigungen des Arbeitgebers oder Werkstattrechnungen. Aufstellungen wie jene des Beschwerdeführers, welche jederzeit und in und in jede Richtung abgeändert werden könnten, komme keine Beweiskraft zu. Andere Beweismittel zu den Reisekosten habe der Beschwerdeführer nicht vorgelegt, weswegen die Reisekosten nicht anerkannt worden seien.

Eine Stellungnahme dazu hat der Beschwerdeführer nicht verfasst und auch keine weiteren Unterlagen beigebracht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer hat in den Beschwerdejahren 2019 und 2020 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von einem Verein mit Sitz in Wien bezogen. Er behauptet, zu diesem Zweck im Jahr 2019 29-mal und im Jahr 2020 26-mal mit seinem Kraftfahrzeug dorthin gereist zu sein und hat für beide Jahre für je 15 Tage Diäten als Werbungskosten geltend gemacht.

Ein Fahrtenbuch, Bestätigungen des Arbeitgebers über Fahrten oder andere Beleg dafür hat der Beschwerdeführer nicht vorgelegt, sondern eine mit dem Computer, dem Anschein nach mit einem Textverarbeitungsprogramm erstellte, Tabelle für jedes Jahr, in denen Datum, Abfahrtszeit, Zeitpunkt der Rückkehr und die Bundeshauptstadt als Ziel genannt sind, beigebracht. Für das Jahr 2019 hat der Beschwerdeführer behauptet, dass sich auf diese Weise € 4.834,00 an Reisekosten (Kilometergelder und Diäten) ergeben hätten, im Jahr 2020 € 4.366,00.

An Aufwendungen für Zahnarztkosten 2020, hat der Beschwerdeführer Rechnungen vorgelegt, deren Summe € 4.845,00 ergibt, darin sind auch € 60,00 für Zahnprophylaxe enthalten. Geltend gemacht wurden vom Beschwerdeführer € 5.049,95 an außergewöhnlicher Belastung für Zahnbehandlungen.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich grundlegend aus dem Parteienvorbringen und dem von den Parteien vorgelegten Unterlagen sowie dem Einblick in die Datenbanken der Finanzverwaltung soweit diese dem Bundesfinanzgericht zugänglich sind.

Grundsätzlich gilt für die Beweiswürdigung, dass nach § 167 Abs. 2 BAO die Abgabenbehörde und auch das Bundesfinanzgericht (§ 269 Abs. 1 BAO) unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen haben, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre genügt es dabei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (siehe Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 167, Rz 7 und die dort zitierten Fundstellen).

Lässt sich ein Sachverhalt nicht oder nur mit unzumutbaren Aufwand oder durch massiven Eingriff in die Privatsphäre (und damit in den grundrechtlich geschützten Bereich) ermitteln, tritt die Beweisvorsorgepflicht des Abgabepflichtigen in den Vordergrund und hat im Gegenzug die Ermittlungspflicht (§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961) der Abgabenbehörde und damit auch des Bundesfinanzgerichtes, welches ja im Beschwerdeverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse, welche den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind, ihre Grenze.

Dies erklärt, warum zum Beweis das Vorliegen von Reisekosten in ständiger Judikatur bei Fahrten mit eigenen Kraftfahrzeugen in der Regel ein Fahrtenbuch verlangt wird.

Damit ein Fahrtenbuch einen tauglichen Nachweis darstellt, muss es fortlaufend, zeitnah und übersichtlich geführt sein (siehe Doralt/Mayr/Herzog, EStG13, § 16 Tz 220, Stichwort "Fahrtkosten", mit weiteren Nachweisen).

Jede einzelne berufliche Verwendung ist mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeuges aufzuzeichnen. Besteht eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, können diese miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden. Es genügt dann die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Gesamtkilometerstandes, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner und ihre Adressen im Fahrtenbuch in zeitlicher Reihenfolge aufgeführt werden, in der sie aufgesucht wurden. Wird der berufliche Einsatz des Kraftfahrzeuges zugunsten einer privaten Verwendung unterbrochen, stellt diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, der im Fahrtenbuch durch Angabe des bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstandes zu dokumentieren ist (Renner, Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches, in: SWK 27/2008, S 728 mit weiteren Nachweisen).

Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch müssen hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Weisen sie inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, kann dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen (Renner, a.a.O.). Ein mit Hilfe eines Computerprogramms elektronisch geführtes Fahrtenbuch genügt den Anforderungen nur dann, wenn nachträgliche Änderungen technisch ausgeschlossen sind oder dokumentiert und offengelegt werden (siehe Doralt/Mayr/Herzog a.a.O.)

Die vom Beschwerdeführer erstellten Tabellen werden diesen Anforderungen in keiner Weise gerecht. Es fehlt sogar die Angabe des Abfahrtsortes und eine Adresse des jeweiligen Zieles oder der gewählten Fahrtstrecke. Kilometerstände oder die Aufzeichnung von Privatfahrten sind nicht vorhanden. Es wurde nicht einmal angegeben, für welche Tage die Diäten geltend gemacht werden sollten.

Außer einem Fahrtenbuch kommen auch andere Beweismittel in Betracht. Die Führung eines Fahrtenbuches kann entfallen, wenn durch andere Aufzeichnungen (zum Bespiel Reisekostenabrechnungen) eine ebenso verlässliche Beurteilung - im oben dargelegten Sinne - möglich ist (siehe etwa ). Trotz mehrmaliger Aufforderung hat der Beschwerdeführer derartige Beweismittel nicht beigebracht, sondern bloß angeboten, den Namen des Vereins, dessen Sitz er wohl besucht haben will, in seine Tabelle einzutragen.

In Summe gesehen ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die von ihm behaupteten Fahrten mit seinem Kraftfahrzeug zu belegen oder auch nur glaubhaft zu machen.

Für die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Zahnarztrechnungen gilt, dass deren Summe € 4.845,00, worin auch € 60,00 Prophylaxe enthalten sind, ausmacht und nicht wie vom Beschwerdeführer beantragt € 5.049,95. Dazu, wie die Differenz von € 204,95 zustande kommt, hat der Beschwerdeführer keinen Hinweis gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

§ 16 Abs. 1 EStG 1988 (in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2019) lautet auszugsweise:

"Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. … Werbungskosten sind auch: …

9. Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Dabei steht das volle Tagesgeld für 24 Stunden zu. Höhere Aufwendungen für Verpflegung sind nicht zu berücksichtigen."

Nur wenn eine beruflich veranlasste Reise vorliegt, kann ein Verpflegungsmehraufwand nach § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 mit den pauschalen Tagessätzen geltend gemacht werden (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20 § 16, Rz 172). Dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2019 und 2020 berufliche Reisen unternommen hat, konnte er nicht glaubhaft machen (siehe oben unter Punkt. 2 Beweiswürdigung), aus diesem Grund können auch keine entsprechenden Werbungskosten bei der Ermittlung des Einkommens des Beschwerdeführers berücksichtigt werden.

Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer beantragten Kilometergelder. Da der Beschwerdeführer das tatsächliche Vorliegen von beruflich veranlassten Reisen nicht glaubhaft gemacht hat (siehe oben unter Punkt. 2 Beweiswürdigung), kommt ein Berücksichtigen derartiger Aufwendungen als Werbungskosten nicht in Betracht.

Außergewöhnliche Belastungen regelt der Gesetzgeber im dritten Teil des EStG 1988 ("Tarif") in den §§ 34 und 35.

Damit ist klargestellt, dass die da getroffenen Anordnungen nichts unmittelbar mit der persönlichen und sachlichen Einkommensteuerpflicht zu tun haben und auch Aufwendungen, welche bei den im zweiten Teil geregelten Einkunftsarten ausdrücklich für nicht abzugsfähig erklärt werden, wie etwa die im § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 genannten Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen und den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge, als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommen können, wenn sie die Voraussetzungen des § 34 EStG 1988 erfüllen.

Nach § 34 Abs. 1 Z 1-3 EStG 1988 sind Aufwendungen, welche weder Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben sind, als außergewöhnliche Belastung zu behandeln, wenn sie außergewöhnlich sind, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Näher erläutert der Gesetzgeber in § 34 Abs. 2 EStG 1988, dass eine Belastung außergewöhnlich ist, soweit sie höher ist als jene, welche der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse erwächst.

Zwangsläufig ist nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 eine außergewöhnliche Belastung, wenn sich ihr der Steuerpflichtige aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird dadurch berücksichtigt, dass in § 34 Abs. 4 EStG 1988 gestaffelt nach Einkommen und Familienstand pauschale Selbstbehalte von sechs bis zwölf Prozent des Einkommens festgelegt werden.

Bei Krankheiten sind nach herrschender Ansicht die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Z 1-3 EStG 1988 jedenfalls gegeben (siehe für Viele: Peyerl in Jakom, EStG 2021, Rz 90, Stichwort Krankheitskosten und die dort zitierten Fundstellen).

Dies gilt jedoch nicht für die Krankheitsvorsorge (Prophylaxe). Bei dieser mangelt es an der Zwangsläufigkeit des § 34 Abs. 3 EStG 1988 (siehe Peyerl a.a.O.; Aufwendungen zur Erhaltung der Gesundheit). Das Finanzamt hat daher richtig in der Beschwerdevorentscheidung datiert vom nur jene Zahnarztkosten anerkannt, welche mit Rechnungen nachgewiesen wurden und jene Rechnung unberücksichtigt gelassen, welche sich auf die Zahnprophylaxe beschränkt (€ 60,00) und daher € 4.775,00 als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt beim Einkommensteuerbescheid 2020 des Beschwerdeführers gemäß § 34 Abs. 4 berücksichtigt.

Insgesamt werden daher die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 wie in den Beschwerdevorentscheidungen datiert vom abgeändert und hinsichtlich der im Vorlageantrag nicht mehr enthaltenen Beschwerdepunkt die Ansicht des Finanzamtes wie in jenen Beschwerdevorentscheidungen geteilt und insofern auf diese verwiesen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich dieses Erkenntnis im Wesentlichen auf die Beweiswürdigung beschränkt und im Übrigen an der oben zitierte herrschende Judikatur und Lehre orientiert, wurden keine Rechtsfragen berührt, deren Bedeutung über die Entscheidung in dieser Rechtssache hinausgeht.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100193.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at