Keine unechte Steuerbefreiung einer Schwimmschule
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Monika Kofler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Copilot Unternehmens- und Steuerberatungs GmbH & Co KG, Littrowgasse 7, 1180 Wien, über folgende Beschwerden gegen die angeführten Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, Steuernummer ***BF1StNr1***,
1. Beschwerde vom gegen den Bescheid vom betreffend Umsatzsteuer 2015,
2. Beschwerde vom gegen die Bescheide vom betreffend Umsatzsteuer 2016 und Einkommensteuer 2016
3. Beschwerde vom gegen die Bescheide vom betreffend Umsatzsteuer 2018 und Einkommensteuer 2018
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
***Bf1***, in der Folge kurz Bf., betrieb in den Jahren 2015, 2016 und 2018 eine Schwimmschule, in welcher Babys und Kleinkindern das Schwimmen beigebracht wurde. Während die Erlöse aus Schwimmhilfen und Badebekleidung als steuerpflichtig behandelt wurden, wurde für die Erlöse der Schwimmkurse nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der MwStSysRL die unechte Steuerbefreiung beantragt und auf einen Beschluss des Finanzgerichtes Köln verwiesen.
2017 wurde bei der Bf. eine Betriebsprüfung betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2013 bis 2015 und eine Umsatzsteuerrevision für den Zeitraum 1/2016 bis 09/2017 durchgeführt. In den steuerlichen Feststellungen wurde unter Tz 2 vermerkt, dass lt. österr. Umsatzsteuergesetz für Babyschwimmkurse keine Steuerbefreiung besteht. Die Umsätze wurden als steuerpflichtig beurteilt. Die Umsatzsteuer wurde aus den vereinnahmten Entgelten herausgerechnet und die um die Umsatzsteuer verminderten Entgelte den von der Bf. als umsatzsteuerpflichtig betrachteten Netto-Entgelten hinzugerechnet. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Einkommensteuer, wo die Umsatzsteuer, vermindert um die darauf entfallende Vorsteuer, als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit berücksichtigt wurde.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 2015 mit Bescheid vom in Höhe von 43.042,66 Euro fest und die Einkommensteuer für das Jahr 2015 mit Bescheid vom in Höhe von 44.460,00 Euro. In der Begründung wurde auf die Feststellungen der Betriebsprüfung laut Betriebsprüfungsbericht und Niederschrift verwiesen.
Gegen den Umsatzsteuerbescheid erhob die Bf. Beschwerde und vertrat die Rechtsauffassung, bei dem erteilten Schwimmunterricht handle es sich nicht um eine reine Freizeitgestaltung, sondern es würden die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler entwickelt. Auf die Umsätze sei daher die Steuerbefreiung gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG anzuwenden. Dies sei nunmehr auch der Stand der deutschen Rechtsprechung. Die Umsätze seien daher in der Jahressteuererkläung als unecht steuerbefreit behandelt worden. Dementsprechend seien die Vorsteuern, welche in Zusammenhang mit den unecht befreiten Umsätzen stehen, auch nicht angesetzt worden. Im Rahmen des bekämpften Bescheides seien alle Umsätze der Umsatzsteuer unterzogen worden. Die Beschwerde richte sich daher gegen alle Punkte, welche von der abgegebenen Steuererklärung abweichen. Es wurde um erklärungsgemäße Veranlagung ersucht.
Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung.
Die Bf. stellte einen Vorlageantrag und einen Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 2016 mit Bescheid vom in Höhe von 42.275,78 Euro fest und die Einkommensteuer für das Jahr 2016 mit Bescheid vom in Höhe von 47.180,00 Euro. In der Begründung wurde auf die Feststellungen der Betriebsprüfung laut Betriebsprüfungsbericht und Niederschrift verwiesen.
Gegen den Umsatzsteuer- und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 erhob die Bf. ebenfalls Beschwerde und ersuchte um erklärungsgemäße Veranlagungen. Die Bf. ging davon aus, dass ihre Tätigkeit steuerbefreit sei und verwies auf die Ausführungen im Rahmen der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015.
Das Finanzamt erließ abweisende Beschwerdevorentscheidungen.
Die Bf. stellte einen Vorlageantrag und einen Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung. Sie regte eine Zusammenlegung des Verfahrens mit demjenigen betreffend 2015 an.
Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 2018 mit Bescheid vom in Höhe von 46.668,70 Euro fest und die Einkommensteuer für das Jahr 2018 mit Bescheid vom in Höhe von 47.443,00 Euro fest. In der Begründung wurde auf die Begründung des Vorjahresbescheides bzw. der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.
Gegen den Umsatzsteuer- und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 erhob die Bf. ebenfalls Beschwerde und ersuchte um erklärungsgemäße Veranlagungen. Die Bf. ging davon aus, dass ihre Tätigkeit steuerbefreit sei und verwies auf die Ausführungen im Rahmen der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015.
Das Finanzamt erließ abweisende Beschwerdevorentscheidungen.
Die Bf. stellte einen Vorlageantrag und einen Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und regte eine Zusammenlegung des Verfahrens mit jenem betreffend die Vorjahre an.
Nach einem Vorhalt mit Hinweis auf das , welches aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des deutschen BFH erging, zog die Bf. die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf. betreibt unstrittig eine Schwimmschule, in welcher Babys bzw. Kleinkindern das Schwimmen beigebracht wird. Der Unterricht findet in öffentlichen Schwimmbädern statt, welche von der Bf. gemietet werden. Dabei sind die Eltern anwesend und haben jeweils die Obsorgepflicht für ihr Kind.
Der Sachverhalt ist unstrittig. Strittig ist ausschließlich, ob es sich bei den Umsätzen, welche im Rahmen der Schwimmkurse erbracht werden, um unecht steuerbefreite Umsätze handelt.
Die Argumente der Bf. beziehen sich ausschließlich auf das Unionsrecht.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 6 Abs. 1 lit. 11 sind von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen steuerfrei
a) die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, daß eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird;
b) die Umsätze von Privatlehrern an öffentlichen Schulen und Schulen im Sinne der lit. a;
12. die Umsätze aus den von öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Volksbildungsvereinen veranstalteten Vorträgen, Kursen und Filmvorführungen wissenschaftlicher oder unterrichtender oder belehrender Art, wenn die Einnahmen vorwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden; ...
Titel IX ("Steuerbefreiungen") der Richtlinie 2006/112 EG enthält u. a. ein Kapitel 2 ("Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten"). In diesem Kapitel bestimmt Art. 132 Abs. 1:
"Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;
j) von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht;"
Laut 1715 der Beilagen zu den Stenopgraphischen Protokollen des Nationalrates XVIII. GP - Regierungsvorlage zum Bundesgesetz über die Besteuerung der Umsätze (Umsatzsteuergesetz 1994) - entspricht die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Z 11 UStG 1994 dem Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. i und Iit. j der RL.
Auf dem Boden des Unionsrechts sind gesetzliche Bestimmungen, die in Umsetzung einer unionsrechtlichen Richtlinie erlassen wurden, so weit wie möglich im Lichte des Wortlauts und des Zwecks dieser Richtlinie auszulegen und anzuwenden, um das mit ihr angestrebte Ziel zu erreichen (vgl. ).
Betreffend eine andere Schwimmschule für Kinder hat der deutsche Bundesfinanzhof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"1. Umfasst der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112 auch die Erteilung von Schwimmunterricht?
2. Kann sich die Anerkennung einer Einrichtung im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112 als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung wie bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit den Aufgaben der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, des Schul- und Hochschulunterrichts, der Aus- und Fortbildung sowie der beruflichen Umschulung betraut sind, daraus ergeben, dass es sich bei dem von dieser Einrichtung erteilten Unterricht um die Erlernung einer elementaren Grundfähigkeit (hier: Schwimmen) handelt?
3. Bei Verneinung der zweiten Frage: Setzt die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112 voraus, dass der Steuerpflichtige Einzelunternehmer ist?"
Der die erste Frage beantwortet und erklärt, dass der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen ist, dass er nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht umfasst.
In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage erübrige sich eine Antwort auf die zweite und die dritte Frage.
Da die innerstaatliche Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 11 UStG 1994 laut Regierungsvorlage dieser Bestimmung der Richtlinie entsprach, kann die Auslegung der Richtlinienbestimmung auf das innerstaatliche Recht übertragen werden. Die Umsätze der von der Bf. veranstalteten Schwimmkurse für Babys und Kleinkinder sind daher nicht unecht steuerbefreit. Im Übrigen folgte auch der deutsche Bundesfinanzhof mit Urteil vom , V R 31/21 dem zitierten Urteil des EuGH.
Den Beschwerden konnte daher keine Folge gegeben werden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick darauf, dass die strittige Rechtsfrage eine Interpretation des Unionsrechtes betroffen hat und diese Frage vom EuGH bereits entschieden wurde, ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 132 Abs. 1 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 |
Schlagworte | Schwimmschule Schwimmkurse |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103435.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at