Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.09.2022, RV/7102046/2020

Ablauf der Aussetzung der Einhebung; Verfassungswidrigkeit des §212a Abs.5 lit.b BAO wird behauptet

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater, Stadtlauer Straße 39/1/12, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Baden Mödling vom betreffend Ablauf der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom verfügte das Finanzamt den Ablauf der Aussetzung der Einhebung betreffend Umsatzsteuer 2015 und 2016.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde des steuerlichen Vertreters vom mit folgendem Inhalt:

"A. Allgemeine Angaben zur Beschwerde

I. Bezeichnung des angefochtenen Bescheides (§ 250 Abs 1 lit a BAO)

Diese Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung vom .

II. Angefochtene Punkte (§ 250 Abs 1 lit b BAO)

Das Anfechtungsobjekt wird ihrem gesamten Inhalt nach (in vollem Umfang) angefochten. Es wird beantragt, es ersatzlos aufzuheben und die Fortsetzung des Zahlungsaufschubs bewilligen.

Ein solcher Antrag entspricht den Erfordernissen des § 250 Abs 1 lit b und c BAO (; Ritz BAO6 § 250 Tz 9), wie das Erkenntnis des , VwSlg 7314/F, in sinngemäßer Anwendung schlüssig aufzeigt:

"Es trifft nicht zu, dass das ausdrückliche Begehren der ersatzlosen Behebung eines Abgabenbescheides keine ausreichende Erklärung iS des § 250 Abs. 1 lit. b und c BAO sei.

Ein solches Begehren zielt darauf ab, dass von der Erlassung eines Abgabenbescheides überhaupt Abstand genommen wird. Eine Erklärung, welche Äderungen hinsichtlich der Bemessungsgrundlage beantragt werden, kann begrifflich nicht abgegeben weiden, weil ein nicht zu erlassender Abgabenbescheid keine Abgabenbemessungsgrundlage haben kann. Mit dem zusätzlichen Begehren, die vorgeschriebenen Abgaben mögen "auf Null gestellt werden" hat der AbgPfl mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass seiner Ansicht nach keine Abgaben vorzuschreiben wären. Was bei einem solchen Begehren fehlt, ist die Begründung (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO)."

III. Beantragte Änderungen (§ 250 Abs 1 lit c BAO)

Die lit b und c des § 250 Abs 1 BAO liegen eng beisammen. Speziell wenn - wie hier - eine vollinhaltliche stattgebende Erledigung angestrebt wird, ergeben sich die beantragten Änderungen de facto bereits aus der Anfechtungserklärung.

IV. Angaben zur Rechtzeitigkeit

Das Anfechtungsobjekt: trägt das Ausfertigungsdatum . Damit ist die heute auf dem Faxweg eingereichte Beschwerdeschrift rechtzeitig.

Begründung

1. Die Begründung des angefochtenen 1. Bescheides ist kurz und bündig. Sie lautet: "Die für die nachstehend angeführten Abgaben bewilligte Aussetzung der Einhebung läuft infolge Beschwerdeerledigung ab.

Sie werden ersucht, die betroffenen Abgabenschuldigkeiten bis zu den nachstehend angeführten Zahlungsterminen zu entrichten.

Diese Begründung trifft nicht zu. Dazu im Einzelnen: Wir alle - meine Mandantin und ich - erachten § 212a Abs 5 lit b BAO für verfassungswidrig und streben einen Gang zum VfGH an.

Zumal diese Frage bereits in einigen Fällen dort anhängig ist. Die auf das Wesentliche reduzierte Rechtslage zeigt folgendes Bild;

2.

Die Behörde ist mit der Begründung im Recht und nicht im Recht zugleich. Im Recht deshalb, weil § 212a Abs 5 lit b BAO ihr keine andere Wahl gelassen hat, als den Ablauf der AE zu verfügen. Nicht im Recht deshalb, weil diese Bestimmung mit der Leitentscheidung des VfGH zum rechtsstaatlichen Prinzip im unlösbarem Widerspruch steht (VfSlg 11.196/1986). Die Ausgangslage ist rasch geschildert:

2.1.

"Durch die Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere wird die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten (§ 254 BAO).

Der VfGH hat diese Bestimmung mit Erkenntnis vom , G 119/86, VfSlg 11,196, als verfassungswidrig aufgehoben. Die Kernaussage lautet (doch erfolgt die optische Hervorhebung durch Fettdruck durch mich, den Verfasser dieser Eingabe. Das gilt ohne gegenteiligen Hinweis auch fü alle weiteten Zitate):

"Der VfGH hegt das Bedenken, dass § 254 BAO mit dem der österreichischen Bundesverfassung innewohnenden rechtsstaatlichen Prinzip nicht vereinbar ist.

Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung betont hat (VfSlg. 8279/1978 mit Bezugnahme auf VfSlg. 2929/1955; s. auch VfSlg. 2455/1952), gipfelt der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips darin, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, dass nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden. Der VfGH neigt zur Meinung, dass die hier unabdingbar geforderten Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen. Von dieser Annahme her scheint es nicht anzugehen, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Widerspricht es aber anscheinend dem Rechtsstaatsprinzip, unter Berufung auf eine behördliche Entscheidung vor Eintritt ihrer Rechtskraft, also trotz Inanspruchnahme von Rechtsschutzeinrichtungen, vollendete und irreversible Tatsachen ohne sachliche Notwendigkeit zn schaffen, so müsste es zumindest möglich sein, die Notwendigkeit der sofortigen Wirksamkeit und Vollziehbarkeit selbst in einem gehörigen Verfahren überprüfen zu lassen. Dem rechtsstaatlichen Prinzip dürfte die vom Gesetzgeber angeordnete sofortige Wirksamkeit und Vollziehbarkeit einer behördlichen Entscheidung vor Eintritt ihrer Rechtskraft sohin dann widersprechen, wenn nicht Zusätzlich zum Hauptverfahren, in dem es um die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung geht, ein zweites Verfahren vorgesehen wird, in dem geprüft wird, ob ohne besondere, im öffentlichen Interesse oder im Interesse dritter Personen gelegene Notwendigkeit der sofortigen Vollstreckung der behördlichen Entscheidung diese einen unwiederbringlichen Rechtsnachteil für ihren Adressaten bedeutet.

Der Gerichtshof nimmt in diesem Zusammenhang auch an, dass der Gesetzgeber in besonderen Fällen die sofortige Wirksamkeit und Vollziehbarkeit behördlicher Entscheidungen (s. derartige gesetzliche Bestimmungen in Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren, S. 354) im Hinblick auf Zweck und Inhalt der Regelung vorsehen darf.

Von der dargelegten Ausgangsposition her erscheint es auch nicht als zweifelhaft, dass dem Gesetzgeber gewiss ein breiter Gestaltungsbereich zwischen dem Grundsatz, dass einem Rechtsmittel im allgemeinen oder sogar ausnahmslos aufschiebende Wirkung zukommt, und dem Prinzip zusteht, dass ein Rechtsmittel nur auf besonderes Verlangen und unter bestimmten mehr oder weniger einschränkenden Voraussetzungen diese Wirkung haben soll.

Sieht man § 254 BAO, der seinem normativen Gehalt nach die Zuerkennung aufschiebender Rechtsmittelwirkung ausschließt, unter diesem Blickwinkel, so genügt es den rechtsstaatlichen Anforderungen anscheinend nicht, weil er den Berufungswerber völlig einseitig mit im Einzelfall sogar sehr schwerwiegenden Rechtsfolgen nicht endgültiger behördlicher Entscheidungen belastet. Diese Belastung wird - wie der Gerichtshof weiters vorläufig annimmt - auch nicht durch § 212 Abs 1 BAO zureichend ausgeglichen, demzufolge auf Ansuchen bestimmte Zahlungserleichterungen, insbesondere eine Stundung, bewilligt werden können, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Wie nämlich der VwGH in ständiger Rechtsprechung (zB /0067 mit Bezugnahme auf Z 739, 740/76 und die dort enthaltenen Judikaturhinweise) zum Ausdruck gebracht hat, kann die zwangsweise Einbringung einer noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Abgabenschuld unter dem Gesichtspunkt eines unerledigten Rechtsmittels nur dann eine erhebliche Härte bedeuten, wenn der erstinstanzliche Bescheid offenkundig (Hervorhebung in der zitierten Entscheidung) klare Fehler enthält, deren Beseitigung im Berufungsverfahren zu gewärtigen ist. Im Hinblick auf diese Auslegung des § 212 Abs. 1 BAO (von welcher der VfGH vorläufig ausgeht) treffen den Rechtsmittelwerber die Nachteile einer rechtswidrigen Entscheidung wohl regelmäßig voll, weil selbstredend anzunehmen ist, dass die vom VwGH beschriebenen qualifizierten Fehler Ausnahmefälle bilden. Wollte man hingegen annehmen, dass das in §212 Abs 1 BAO festgelegte Tatbestandsmerkmal der erheblichen Harte - etwa zufolge des Gebotes verfassungskonformer Gesetzesauslegung - bei anhängigen Berufungen in einer für den Zahlungserleichterungen suchenden Rechtsmittelwerber günstigeren Weise zu handhaben wäre, so stünde einer solchen Gesetzesanwendung - und zwar gerade in besonderen Härtefällen - das Erfordernis entgegen, die Einbringlichkeit der Abgabe durch die Gewährung einer Zahlungserleichterung nicht zu gefährden."

Der VfGH hat diese Meinung aus dem Einleitungsbeschluss beibehalten. Dazu heißt es in dieser Entscheidung an späterer Stelle wortwörtlich:

"Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Gerichtshofs erweisen sich im Ergebnis ebenfalls als gerechtfertigt.

Der VfGH kann von seiner im Prüfungsbeschluss bezogenen ständigen Judikatur zum rechtsstaatlichen Prinzip ausgehen, die nicht bestritten wurde. Ihr zufolge gipfelt der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips darin, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, dass nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erfassen wurden. Der Gerichtshof bleibt auch bei der im Einleitungsbeschluss an diese Umschreibung geknüpften Annahme, dass die hier unabdingbar geforderten Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen. Zunächst ist hiezu die Klarstellung geboten, dass von faktischer Effizienz deshalb die Rede ist, weil unter Effizienz allein unter Umständen bloß das letzten Endes bewirkte Erreichen einer Entscheidung rechtsrichtigen Inhalts durch das Ergreifen von Rechtsbehelfen verstanden werden könnte, nicht aber auch die mitgemeinte Umsetzung einer solchen Entscheidung in den Tatsachenbereich. "Schutz" als Teilaspekt des Ausdrucks "Rechtsschutz" ist auf den Rechtsunterworfenen bezogen und meint nicht zuletzt die -rechtzeitige - Wahrung und Gewährleistung einer faktischen Position, weshalb Rechtsschutzeinrichtungen diesen Zweck notwendig in sich schließen. Der VfGH hält im Hinblick auf diesen Inhalt des Begriffes Rechtsschutzeinrichtung, mithin insbesondere des Begriffes Rechtsbehelf, auch an der Ansicht fest, dass es nicht angeht, den Rechtschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur seine Position, sondern auch - Zweck und Inhalt der Regelung, ferner die Interessen Dritter sowie schließlich das öffentliche Interesse. Der Gesetzgeber hat unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich zu schaffen, wobei aber dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs der Vorrang zukommt und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig ist. Auf welche Weise dieser Ausgleich vom Gesetzgeber vorgenommen wird, lässt sich - wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt - nicht allgemein sagen."

Bezogen auf diesen Fall: Es bedarf nicht vieler Worte, um zu erkennen, dass der verfügte Ablauf der AE mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen ist. Im Ergebnis ist meine Mandantin fortan erst recht wieder jener Situation ausgesetzt, die den VfGH seinerzeit veranlasst hat, den § 254 BAO als verfassungswidrig aufzuheben. Darum ist der Rechtsschutz in diesem Fall nicht in der vom VfGH geforderten Weise "faktisch effizient". Das hat - dieser Hinweis ist ganz wichtig - rein gar nichts mit Kritik am Finanzamt zu tun, das - man muss es so deutlich sagen - angesichts der klaren einfach-gesetzlichen Rechtslage gar nicht anders handeln konnte, als den Ablauf der AE zu verfügen. Solcherart richtet sich meine Kritik einzig und allein gegen das Gesetz selbst.

2.2.

Der Zahlungsaufschub besteht hier angesichts des vorbereiteten Gangs zum VfGH eben nicht bis zur abschließenden Sachentscheidung. Er endet vielmehr bereits mit der ersten Entscheidung des BFG, selbst wenn sie - wovon auszugehen ist - dem Prüfstand des VfGH nicht standhält.

Der Zahlungsaufschub hat aber - so die Vorgabe des VfGH - aus Gründen faktischer Effizienz des Rechtsschutzes während des gesamten Verfahrens zu bestehen und nicht nur für einen bestimmten Teil davon. Der VfGH hat dazu in einer Folgeentscheidung zu § 212a BAO die passenden Worte gefunden (VfGH 27,6,1996, B 131/95, VfSlg 14.548):

2.3.

"1.a) Nach § 212 a BAO ist die Einhebung einer Abgabe auf Antrag des AbgPfl u.a. dann auszusetzen, wenn ihre Höhe von der Erledigung einer Berufung gegen einen Bescheid abhängig ist, mit dem eine Nachforderung verbunden ist, insoweit der Bescheid vom Anbringen abweicht. Nach Abs 2 ist aber die Aussetzung u.a. nicht zu bewilligen, "insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint" (lit a).

b) Nach Ansicht der belangten Behörde ist dabei ausschließlich auf die Erfolgsaussichten des Abgabeverfahrens bis zur letztinstanzlichen Verwaltungsentscheidung abzustellen; ein allfälliger Erfolg eines Verfahrens vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts habe außer Betracht zu bleiben. Insbesondere könne eine Aussetzung nicht bewilligt werden, "wenn eine Berufung nur damit begründet wird, dass eine angewendete gesetzliche Bestimmung verfassungswidrig sei".

"c) Der belangten Finanzlandesdirektion ist zuzugestehen, dass ihre Rechtsauffassung der in einem - angesichts seiner Formulierung unverbindlichen (vgL VfSlg. 8858/1980) - Erlass des BMF festgehaltenen Rechtsansicht entspricht, mit dem dieser zu einigen Auslegungsfragen des § 212a BAO Stellung genommen hat (AÖF 53/1988); in diesem Erlass heißt es:

"Stützt ein AbgPfl ein Rechtsmittel nur auf die Behauptung, eine angewendete Bestimmung sei verfassungswidrig, so kommt eine AE nicht in Betracht, da eine Norm - ungeachtet einer allfälligen Verfassungswidrigkeit - anzuwenden ist, solange sie dem Rechtsbestand angehört."

Ungeachtet dessen ist diese Ansicht grundlegend verfehlt und unterstelle der Bestimmung des § 212 a Abs 2 lit a BAO einen Inhalt, der sie als verfassungswidrig erscheinen ließe. Hätte die Vorschrift tatsächlich den vom Bundesminister und der belangten Behörde angenommenen Inhalt, so wäre sie mit genau jener Verfassungswidrigkeit behaftet, mit der (seinerzeit) § 254 BAO in der Stammfassung im damaligen Kontext belastet war."

Dem ist mit Blick auf diesen Fall rein gar nichts mehr hinzuzufügen. § 212a Abs 5 lit b BAO erfüllt die Vorgaben des VfGH ganz eindeutig nicht.

Beschwerdeantrag

Demzufolge wird nachstehender Antrag gestellt:

Das Finanzamt möge die Bescheidbeschwerde ohne Erlassung einer BVE dem BFG direkt vorlegen (vgl § 262 Abs 3 BAO).

Das Bundesfinanzgericht möge der Beschwerde nach durchgeführter mündlicher Verhandlung vor dem/der Einzelrichterin (kein voller Senat) vollinhaltlich stattgeben und den beantragten Zahlungsaufschub bewilligen, dies nach vorheriger Anrufung des VfGH (vgl Art 89 B-VG).

D. Aussetzung der Einhebung

Ergänzend dazu, stelle ich für meine Mandantin den weiteren Antrag auf Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) von € 349.370,48. Der Aussetzungsbetrag setzt sich wie folgt zusammen:

Umsatzsteuer 2014 (Bescheid vom ) € 117,434,46

Umsatzsteuer 2015 (Bescheid vom ) € 223.335,50

Erste Säumniszuschläge € 6.815,40

Festgesetzte Aussetzungszinsen neu € 1.785.12

Aussetzungsbetrag 349.370,48

Die Ausschlussgründe (§ 212a Abs 2 BAO) liegen nicht vor:

- Die Beschwerde erscheint nach Lage des Falles überaus erfolgversprechend (lit a);

- die bekämpften Bescheide sind auf Grund einer Außenprüfung, daher von Amts wegen, somit ohne bzw gegen den Willen meiner Mandantin ergangen (lit b)

- das Verhalten durch sie ist nicht auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der ausgesetzten Abgabe gerichtet (lit c).

Dieser Antrag erweist sich sohin als berechtigt."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 212a Abs. 1 BAO lautet:

"Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird."

§ 212a Abs. 3 BAO lautet:

"Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde gestellt werden. (...)"

§ 212a Abs. 5 BAO lautet:

"Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden

a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder

b) Erkenntnisses (§ 279) oder

c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung

zu verfügen. (...)"

Die Bf. gesteht im Beschwerdeverfahren selbst zu, dass der Ablaufbescheid im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen erlassen wurde.

Die Bf. vertritt die Ansicht, dass § 212a Abs. 5 lit. b BAO verfassungswidrig sei, da "der Zahlungsaufschub angesichts des vorbereiteten Ganges zum VfGH nicht bis zur abschließenden Sachentscheidung bestehe und begehrt, das Bundesfinanzgericht möge die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 212a Abs. 5 lit. b BAO an den VfGH herantragen.

Dazu ist festzustellen:

Es trifft zwar zu, dass § 212a Abs. 5 BAO keine Möglichkeit einer Aussetzung der Einhebung für den Fall der Einbringung einer Beschwerde bzw. Revision an den VfGH/VwGH vorsieht, jedoch scheint der Bf. bei seiner Argumentation zu übersehen, dass die Bundesabgabenordnung nur den Verfahrensablauf bis zum Ergehen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes und nicht darüber hinaus auch das höchstgerichtliche Verfahren regelt, weshalb bereits aus diesem Grunde § 212a Abs. 5 BAO nicht verfassungswidrig sein kann. Die diesbezüglichen Bestimmungen für das Verfahren vor den Höchstgerichten sind ausschließlich im VfGG bzw. VwGG normiert, die einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (§ 30 Abs. 2 VwGG bzw. § 85 Abs. 2 VfGG) als Äquivalent zur Aussetzung der Einhebung im Bereich der BAO vorsehen, weshalb auch aus diesem Grunde selbst eine Ausdehnung des § 212a Abs. 5 lit. b BAO für das Verfahren vor den Höchstgerichten nicht erforderlich ist.

Zudem wäre eine Ausdehnung des § 212a Abs. 5 lit b BAO auf das Verfahren vor den Höchstgerichten im Hinblick auf lit a und c leg. cit systemwidrig:

Gemäß § 212a Abs. 5 lit a und c wäre der Ablauf anlässlich des Ergehens der Beschwerdevorentscheidung bzw. abschließenden Erledigung zu erlassen, im Falle des Ergehens eines Erkenntnisses nicht anlässlich dessen Erlassung (wie in lit a und c) sondern erst nach Ablauf der Frist zur Einbringung einer Revision bzw. Beschwerde an des VfGH.

Daraus folgt, dass § 212a Abs. 5 lit b BAO nicht verfassungswidrig sein kann. Der vorliegende Fall wird daher nicht an den Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorgelegt.

Zudem wird auf den verwiesen, in welchem in einem gleichgelagerten Fall der VfGH die Behandlung der Beschwerde mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt hat.

Weitere Einwendungen gegen die Bescheide über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung wurden nicht erstattet.

Über die Beschwerde hat gemäß § 274 Abs. 1 BAO eine mündliche Verhandlung stattzufinden, 1. wenn es beantragt wird a) in der Beschwerde, b) im Vorlageantrag, c) in der Beitrittserklärung oder d) wenn ein Bescheid gemäß § 253 BAO an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe des späteren Bescheides, oder 2. wenn es der Einzelrichter bzw. der Berichterstatter für erforderlich hält.

Da es im gegenständlichen Fall ausschließlich um die Lösung von Rechtsfragen ging und kein Sachverhaltselement strittig war, konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da kein ergänzendes Vorbringen vorstellbar ist, das zu einem anderen Ergebnis in der Sache geführt hätte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

§ 212a Abs. 5 lit b BAO sieht zwingend vor, dass der Ablauf der Aussetzung der Einhebung anlässlich des Ergehens eines Erkenntnisses zu verfügen ist. Diese Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, demnach liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und damit kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102046.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at