Verteidigungskosten im Strafprozess als Werbungskosten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die die Senatsvorsitzende Dr. Anna Radschek, die Richterin Mag. Julia Carola Cermak-Kapl MA sowie die fachkundigen Laienrichter ***LR 1*** und ***LR 2*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungs- gesellschaft m.b.H., Wagramer Straße 19, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Aufhebung gemäß § 299 BAO des Einkommensteuerbescheides 2018, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der Einkommensteuerbescheid 2018 vom wird gemäß § 299 BAO aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Im vorliegenden Fall ist die Abzugsfähigkeit von Kosten der Rechtsverteidigung im Fall einer Anklage wegen betrügerischer Krida und folgendem Freispruch strittig.
Der Beschwerdeführer brachte am einen Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO des Einkommensteuerbescheides 2018 vom ein und begründete dies dahingehend, dass gemäß Wartungserlass zu den Einkommenssteuerrichtlinien (Rz 1621 ) Kosten eines Strafverfahrens abzugsfähig seien, wenn die zur Last gelegte Handlung ausschließlich und unmittelbar aus der betrieblichen Tätigkeit heraus erklärbar und damit betrieblich veranlasst sei. Das sei ihm zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung nicht bekannt gewesen. Er ersuche daher um nachträgliche Berücksichtigung der zu seiner Verteidigung notwendigen Kosten in Höhe von EUR 18.954,-. Das gegen ihn laufende Strafverfahren habe seine Ursache in seiner Funktion als Vorstand der ***G*** und sei ausschließlich beruflich bedingt.
Der Antrag wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 5 lit b EStG 1988 seien Kosten eines Strafverfahrens grundsätzlich nicht abzugsfähig. Abzugsfähigkeit sei nur dann gegeben, wenn die zur Last gelegten Handlungen mit der beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stünden und das Verfahren mit einem Freispruch ende. Bei einem Freispruch könne das Verfahren gem. § 295a BAO aufgerollt und die Kosten berücksichtigt werden.
Fristgerecht brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom Beschwerde ein und verwies neuerlich auf die Änderung der Einkommensteuerrichtlinien 2000. Er führte dazu begründend aus, Verfahrenskosten seien abzugsfähig, wenn die zur Last gelegte Handlung ausschließlich und unmittelbar aus der betrieblichen Tätigkeit heraus erklärbar und damit betrieblich veranlasst sei, was hier der Fall sei. Die Bestimmung, wonach die Abzugsfähigkeit nur dann gegeben sei, wenn das Verfahren mit einem Freispruch ende, sei in diesem Wartungserlass gestrichen worden.
Mit Datum vom erließ das Finanzamt eine abweisende Beschwerde-vorentscheidung. Begründend wurde angeführt, dass der Beschwerdeführer wegen betrügerischer Krida gemäß § 156 Abs. 1 und 2 StGB angeklagt sei. Es gehe darum, dass die Gesellschaft ***G*** trotz schlechter wirtschaftlicher Situation innerhalb eines Konzerns zu Finanzierungszwecken ohne Besicherung Kredite an verbundene Gesellschaften gewährt, sowie die Übertragung von Maschinen ohne Eigentumsvorbehalt und die Übernahme der Kosten für Um-/Aufbau und Transport an eine zahlungsunfähige Tochtergesellschaft veranlasst habe. Die Gesellschaften hätten zu diesem Zeitpunkt bereits negatives Eigenkapital ausgewiesen bzw. seien buchmäßig überschuldet gewesen.
Durch die einzelnen Vermögensabflüsse sei das Vermögen der ***G*** verringert worden und Gläubiger hätten nicht mehr befriedigt werden können. Die ***G*** sei im November 2011 infolge eines Konkursverfahrens aufgelöst worden.
Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren seien abziehbar, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr gesetzt habe, ausschließlich und unmittelbar aus seiner beruflichen (betrieblichen) Sphäre erklärbar und damit beruflich (betrieblich) veranlasst sei. Es sei also streng zwischen den generell nicht abziehbaren Strafen einerseits und den Verfahrenskosten andererseits zu unterscheiden. Die Verfahrenskosten seien abziehbar, wenn das Delikt nicht den Bereich der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen betreffe, sondern ausschließlich den Bereich der Einkünfteerzielung.
Im vorliegenden Fall sei es letztlich nicht um eine Umsatz- und Gewinnmaximierung im ausschließlichen betrieblichen Interesse gegangen. Ebenso könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer die Insolvenzgefahr der involvierten Gesellschaften nicht gekannt habe. Ihm sei die prekäre wirtschaftliche Situation der Gesellschaften auf Grund seiner Tätigkeit als Vorstand bzw. Geschäftsführer bekannt gewesen.
Laut Anklageschrift im noch nicht abgeschlossenen Kridaverfahren habe es der Steuerpflichtige dabei zumindest für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass durch Vermögensabflüsse im Konzernverbund, die trotz mangelnder Bonität der Vertragspartner nicht besichert worden seien, das Vermögen der ***G*** verringert werde und Befriedigungsrechte der Gläubiger in einem erheblichen Umfang (über EUR 300.000) verletzt würden.
Darin bestehe ein gravierender Unterschied zu , in dem die Verteidigungskosten anerkannt worden seien, denn ein ausschließlich betriebliches Interesse könne im vorliegenden Fall nicht erkannt werden. Vielmehr seien Handlungen gegen das Betriebsinteresse gesetzt worden, die letztlich zu Prozesskosten iZm der Krida-Anklage geführt hätten.
Mit Eingabe vom brachte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Vorlageantrag ein. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass selbst wenn der Tatvorwurf der betrügerischen Krida iSd § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB durch ein entsprechendes Urteil bestätigt werden sollte, und die inkriminierten Handlungen tatsächlich rechtswidrig zum Nachteil der Gläubiger der ***G*** bzw. der ***Z*** gereicht hätten, sich nichts an der ausschließlich und unmittelbar beruflichen Veranlassung der angefallenen Kosten der rechtlichen Verteidigung ändere.
Die anklagegegenständlichen Handlungen beträfen, wie aus der Anklageschrift hervorgehe, insbesondere die konzerninterne Liquiditätsgestionierung und Ressourcenallokation in einer wirtschaftlich äußerst schwierigen Situation der Unternehmensgruppe.
Fragen der konzerninternen Liquiditätsgestionierung und Ressourcenallokation seien für Führungskräfte Kernaufgaben in der betrieblichen Praxis; egal ob sich der Konzern in einer wirtschaftlich stabilen oder in einer wirtschaftlich instabilen Lage befinde.
Die vom Beschwerdeführer in den Jahren 2007 bis 2011 in diesem Zusammenhang getroffenen Entscheidungen hätten im Jahr 2018 zur Anklage geführt, was den von der VwGH-Judikatur (z.B. , Ro 2017/15/002) aber auch den EStR (Rz 1621) geforderten Kausalzusammenhang zwischen Betrieb bzw. beruflicher Sphäre und Verteidigungskosten belege.
Den betrieblichen Zusammenhang aufhebende Umstände lägen nicht vor, zumal dem Beschwerdeführer weder eine persönliche Bereicherung noch ein berufsrechtlicher Verstoß oder außerbetriebliche Verfehlungen zur Last gelegt würden.
Weiters werde in der Anklageschrift auch nicht - wie vom Finanzamt angenommen - ein Verstoß gegen das Betriebs-, sondern gegen das Gläubigerinteresse behauptet. Die WKStA werfe dem Beschwerdeführer im Ergebnis nichts anderes vor, als Maßnahmen zum Vorteil des Konzerns bzw. einzelner Konzerngesellschaften (ergo "im Betriebsinteresse'') getroffen zu haben, welche gegen Gläubigerinteressen verstoßen hätten.
Der Beschwerdeführer stellte den Antrag die Verteidigungskosten iHv EUR 18.954,- im Einkommensteuerbescheid 2018 zu berücksichtigen. Weiters wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat beantragt.
Mit Eingabe vom brachte der Beschwerdeführer eine Vorlageerinnerung ein, da noch keine Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht durch das Finanzamt erfolgt war.
Mit Schreiben vom übermittelte der Beschwerdeführer den Protokollsvermerk und die gekürzte Urteilsausfertigung des Landesgerichtes ***LG***, in dem er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde. Zum Grund des Freispruches wurde angegeben, dass kein Schuldbeweis vorliege (Unternehmensentscheidungen im Konzern als fremdüblich vertretbar bzw. mangels subjektiver Tatseite).
In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung am verwiesen die Parteien auf das bisherige Vorbringen. Der Beschwerdeführer schilderte den Hergang des Strafprozesses und den letztendlich erfolgten Freispruch. Der steuerliche Vertreter wies nochmalig darauf hin, dass Prozessthema ausschließlich die angebliche falsche Verwendung von Geldmitteln und Produktionsmaschinen im Konzern gewesen sei.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war seit dem Vorstandsmitglied und ab dem bis zum Vorstandsvorsitzender der ***G*** und gemeinsam mit einem weiteren Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen vertretungsbefugt. Mit Eintragung vom xx.xx.2011 wurde die Gesellschaft im Firmenbuch infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst.
Des Weiteren war er im Zeitraum vom bis zum als Geschäftsführer der ***Z*** tätig. Die Tätigkeit wurde unselbstständig ausgeübt.
Mit Anklageschrift vom wurde dem Beschwerdeführer betrügerische Krida gemäß § 156 Abs 1 und 2 StGB vorgeworfen. Von diesem Vorwurf wurde er mit Urteil des Landesgerichts ***LG*** am freigesprochen.
Im Jahr 2018 entstanden dem Beschwerdeführer Kosten seiner Verteidigung iHv EUR 18.954,-, die im Einkommensteuerbescheid 2018 vom nicht als Werbungskosten berücksichtigt wurden.
Bei diesen Kosten handelt es sich um die Honorarnote eines Sachverständigen für die gutachterliche Tätigkeit in dem Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer. Insbesondere handelte es sich dabei um die Aufbereitung von anklagegegenständlichen Sachverhalten, Besprechungen mit dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers, Durchführung diverser Auswertungen und Berechnungen sowie die Teilnahme an den Hauptverhandlungen.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen, den eingereichten Schriftsätzen der steuerlichen Vertretung sowie den Bescheiden des Finanzamtes und den Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung.
Der Sachverhalt als solcher ist zwischen den Parteien unstrittig - strittig ist lediglich die Anerkennung der Prozesskosten des Beschwerdeführers als Werbungskosten.
Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
a) Verteidigungskosten als Werbungskosten
Gemäß § 16 EStG 1988 stellen Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen dar. Es handelt sich dabei um beruflich veranlasste Aufwendungen oder Ausgaben.
Wie bei den Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung soll durch den Abzug von Werbungskosten bei unselbstständiger Tätigkeit das Nettoprinzip verwirklicht werden, indem der Besteuerung nur der Saldo aus Einnahmen und Werbungskosten zugrunde gelegt wird.
Voraussetzung ist, dass die Werbungskosten objektiv in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen, subjektiv der Sicherung oder Erhaltung von Einnahmen dienen oder den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen und nicht unter ein steuerliches Abzugsverbot fallen.
Kosten eines beruflich bedingten Zivilprozesses sind im Regelfall als Werbungskosten absetzbar. Betreffend Strafprozessen sieht § 20 EStG 1988 vor, dass gewisse Aufwendungen und Ausgaben bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden dürfen. Im Sinne der Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z 5 lit b EStG 1988 sind Kosten eines Strafverfahrens grundsätzlich nicht abzugsfähig. Abzugsfähigkeit ist nur dann gegeben, wenn die zur Last gelegten Handlungen mit der beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stehen und das Verfahren mit einem Freispruch endet.
Strafverteidigungskosten stellen daher, ebenso wie Geldstrafen grundsätzlich Kosten der privaten Lebensführung dar. Dieser Beurteilung liegt der Gedanke zugrunde, dass deren auslösende Ursache im schuldhaften Verhalten des Betriebsinhabers und nicht in der Führung des Betriebs liegt (). Lediglich Strafverteidigungskosten eines freigesprochenen Angeklagten sind als betrieblich veranlaßt anzusehen, wenn die ihm zur Last gelegte Tat unter Anlegung eines strengen Maßstabes ausschließlich aus einer betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar ist. Betrifft die vorgeworfene Straftat hingegen eine der privaten Lebensführung zuzurechnende Tätigkeit, sind die Strafverteidigungskosten nicht abzugsfähig (). Der Angeklagte muss deshalb strafgerichtlich freigesprochen werden, weil nach den Feststellungen in dem Gerichtsurteil dem Angeklagten die betreffende Straftat nicht anzulasten war, der diesbezügliche Verdacht daher zu Unrecht gegen ihn erhoben wurde (, ).
Im seiner Entscheidung , widersprach der Verwaltungsgerichtshof zwar der Abzugsfähigkeit von Strafverteidigungskosten eines Gesellschafter-Geschäftsführes, der wegen betrügerischen Krida, grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen sowie wegen Betruges iZm der Ggeschäftsführertätigkeit rechtskräftig verurteilt wurde, wies jedoch in seiner Begründung darauf hin, dass in der Beschwerde nicht dargelegt wurde, dass der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Beschwerdeführer zur Wehr gesetzt hat, im Beschwerdefall ausschließlich und unmittelbar aus seiner beruflichen Tätigkeit als Geschäftsführer erklärbar und damit betrieblich veranlasst gewesen wäre.
Bereits aus dieser Entscheidung war abzuleiten, dass der VwGH bei nachgewiesener betrieblicher Veranlassung - unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens und in Abkehr vom Erfordernis des Freispruches - Strafverteidigungskosten ähnlich der Rechtsprechung des BFH zum Abzug zulassen könnte (zB BFH 19.2.192, VI R31/78, BStBl II 982, 13; , VIII R 34/93, BStBl II 1995, 457; , VI R 42/04, BStBl 2008 II, 223). Dieser stellt darauf ab, ob das strafrechtlich relevante Verhalten, das dem Steuerpflichtigen vorgeworfen wird, ausschließlich und unmittelbar aus seiner Einkunftssphäre heraus erklärbar ist. Für die betriebliche/berufliche Veranlassung der Strafverteidigungskosten kommt es nach der Rechtsprechung des BFH auch nicht darauf an, ob dem Steuerpflichtigen der strafrechtliche Vorwurf im Ergebnis zu Recht oder zu Unrecht gemacht worden ist. Kein (ausschließlich) betrieblicher Zusammenhang ist jedoch dann anzunehmen, wenn die berufliche Tätigkeit nur eine Gelegenheit zur Tatbegehung verschafft, die Tat jedoch von persönlichen Motiven getragen wird (BFH , IV R 140/84, BFH/NV 1987; , XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441; Zorn, RdW 2016, 634; Auer/Orzechowski, ecolex 2017, 363; Marschner GES 2016, 311; Kofler/Wurm in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 20 Rz 130/12; Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 4 Rz 265; Ebner/Marschner in Jakom EStG15, § 4 Rz 330).
In der Entscheidung , hat der VwGH erstmals über die Abzugsfähigkeit von Verteidigungskosten iZm einem EU-Kartellverfahren entschieden. Die betriebliche Veranlassung wurde vom Höchstgericht bejaht, da die von der Europäischen Kommission vorgeworfene Tat der Preisabsprache mit anderen Herstellern unmittelbar aus der betrieblichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin zu erklären war. Der vorsätzliche Beschluss eines Unternehmens auf Kartellbildung zielt auf Umsatz- und Gewinnmaximierung ab und liegt im ausschließlich betrieblichen Interesse. Im Ergebnis hat der VwGH folglich die Verteidigungskosten des Steuerpflichtigen unabhängig von der Nichtabzugsfähigkeit der EU-Kartellbuße zum Abzug zugelassen.
Das Erfordernis eines erwerbsbezogenen Veranlassungszusammenhanges von Rechts- und Beratungskosten muss in derselben Weise wie für Betriebsausgaben auch für Werbungskosten im Bereich der außerbetrieblichen Einkünfte gelten.
Im gegenständlichen Fall beantragte der Beschwerdeführer im Rahmen des Antrages auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2018 die Anerkennung von Rechtsanwalts- und Prozesskosten iHv EUR 18.954,- als abzugsfähige Werbungskosten.
Die beantragten Kosten für das Jahr 2018 standen mit dem gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahren in Zusammenhang und wurden durch Vorlage der zugrundeliegenden Honorarnote sowie der Überweisungsbestätigung nachgewiesen.
Auch wenn es grundsätzlich als möglich anzusehen wäre, dass beim verwirklichten Tatbestand der betrügerischen Krida in privatem Interesse und zum Nachteil der Gesellschaft gehandelt werden und daher kein betriebliches Interesse vorliegen könnte, so ist im gegenständlichen Fall jedenfalls von einer ausschließlichen betrieblichen Veranlassung auszugehen, zumal dem Beschwerdeführer eine persönliche Bereicherungsabsicht niemals unterstellt wurde.
Der Beschwerdeführer wurde mit dem genannten Urteil von den in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien gegen ihn erhobenen strafrechtlich relevanten Vorwürfen zur Gänze freigesprochen.
Da das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren in engem Zusammenhang mit seiner (ehemaligen) beruflichen Tätigkeit bei der ***G*** stand, sind die diesbezüglich entstandenen Verteidigungskosten, insbesondere auch aufgrund des erfolgten Freispruchs als Werbungskosten im Jahr 2018 anzuerkennen.
b) Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO
Gemäß § 299 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides sowie die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt, zu bezeichnen. Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
Diese Verbindung setzt (nach dem zweiten Satz des § 299 Abs. 2 BAO) voraus, dass dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Aufhebungsantrag von der Abgabenbehörde abgewiesen wurde, aber der dagegen gerichteten Beschwerde vom Verwaltungsgericht stattgegeben wird (vgl. z.B. Brennsteiner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 299 Rz 15; sowie Ritz/Koran, BAO7, § 299 Tz 44a). Diesfalls ist der den vom Gericht aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid von der Abgabenbehörde zu erlassen (vgl. z.B. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 299 Anm 21).
Der Inhalt eines Bescheides ist nicht richtig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. Weshalb diese Rechtswidrigkeit vorliegt (etwa bei einer unrichtigen Auslegung einer Bestimmung, bei mangelnder Kenntnis des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, bei Übersehen von Grundlagenbescheiden), ist für die Anwendbarkeit des § 299 Abs. 1 BAO nicht ausschlaggebend.
§ 299 Abs. 1 BAO gilt auch für erst später erweisliche, sogenannte dynamische Unrichtigkeiten (Ritz/Koran, BAO7, § 299 Tz 10).
Gemäß § 302 BAO sind Aufhebungen gemäß § 299 BAO bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97 BAO) des Bescheides zulässig bzw. auch dann, wenn der Antrag innerhalb der Jahresfrist eingebracht wurde.
Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Die Ermessensübung hat sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren (-0381; ; Orientierung an der Intention des Gesetzgebers, ).
Bei der Ermessensübung kommt dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung eine zentrale Bedeutung zu (vgl. z.B. ; ; , Ro 2015/15/0034). Grundsätzlich kommt dem Prinzip der Rechtmäßigkeit (Rechtsrichtigkeit) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit (Rechtsbeständigkeit) zu (vgl. z.B. ; , 2001/15/0133; , 2001/13/0053; , 2002/14/0022).
Eine Aufhebung wird idR dann zu unterlassen sein, wenn die Rechtswidrigkeit bloß geringfügig ist (vgl. z.B. ; , 0029; ; ) bzw. wenn sie keine wesentlichen Folgen nach sich gezogen hat (vgl. z.B. ; Stoll, JBl 1985, 11; ; , 2002/14/0022), etwa weil Fehler sich inner- oder überperiodisch im Wesentlichen ausgleichen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 299 Tz 52f).
Da im Einkommensteuerbescheid 2018 vom die dem Beschwerdeführer erwachsenen Werbungskosten iHv EUR 18.954,- nicht berücksichtigt wurden, ist dieser als unrichtig anzusehen. Im Hinblick auf die Höhe der nicht berücksichtigten Werbungskosten kann die Rechtswidrigkeit auch nicht als nur geringfügig angesehen werden. Es war daher aus Billigkeitsgründen dem Grundsatz der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit zu geben.
Da der Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2018 auch innerhalb eines Jahres nach dessen Bekanntgabe gestellt wurde, war dieser somit gemäß § 299 BAO antragsgemäß aufzuheben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung folgt der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, wonach selbst Zahlungen, die in Zusammenhang mit einem rechts- oder pflichtwidrigen Verhalten des Beschwerdeführers stehen, steuerlich abzugsfähig sind, wenn dieses Verhalten der beruflichen Sphäre zuzurechnen ist (vgl. ).
Die für die Aufhebung eines rechtswidrigen Einkommensteuerbescheides geltenden Grundsätze ergeben sich bereits aus dem Gesetz.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag daher im Entscheidungsfall nicht vor und es war spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104546.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at