Absolute Verjährung bei der Erbschaftssteuer.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom
gegen den Erbschaftsteuerbescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ***1***, ***2*** und vom
, gegen den Haftungsbescheid gemäß § 13 Abs.2 ErbStG, vom , ***1***, ***3***
zu Recht erkannt:
I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt und Verfahrensgang
Mit Vorlagebericht vom hat das Finanzamt gegenständliche Beschwerde mit folgender Sachverhaltsdarstellung zur Entscheidung vorgelegt:
"Laut Schreiben der ***4***, vom wurde nach der Verlassenschaft nach ***5*** um Ausstellung einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung ersucht. Dies stand im Zusammenhang mit einem zum Todestag für die Verstorbene bei der ***6*** bestehenden Depots, ***7***, mit einem Stand in der Höhe von € 45.664,- mit dem dazugehörigen Verrechnungskonto, ***8*** mit € 8.021,69.
Unter ***9*** wurden € 4.715,75 ErbSt an die Tochter ***10***, ***11***, mit händischem Bescheid vom vorgeschrieben.
Mit Erbschaftsteuerbescheiden vom wurden den Kindern der Verstorbenen, ***12***, Erbschaftssteuer in Höhe von je 2.684,28 € vorgeschrieben.
In der Beschwerde gegen seinen Bescheid führte ***Bf1*** aus, das Depot mit Verrechnungskonto sei als Gemeinschaftskonto geführt worden, sodass das Gesamtvermögen der Erblasserin aus einem Viertel des gesamten Guthabens bestanden habe.
Die Beschwerdevorentscheidung gegen den Erbschaftssteuerbescheid wurde dahingehend begründet, der erbliche Witwer habe sich seinem Erbrecht entschlagen. Daher seien die Kinder je zur Hälfte Erben nach ihrer Mutter.
Am langt der Erbschaftsteuerbescheid von Frau ***13*** wegen Unzustellbarkeit beim Finanzamt ein. Daraufhin wurde ein Haftungsbescheid gemäß § 13 Abs. 2 ErbStG gegenüber ***14*** erlassen.
Am wurde Beschwerde gegen den Haftungsbescheid erhoben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid als unbegründet abgewiesen.
In den Vorlageanträgen wurde die Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht beantragt."
Frau ***15*** ist am ***16*** verstorben. Wie der Abhandlungsniederschrift des Notars ***17*** vom ***18***, zu entnehmen ist, hatte die Verstorbene sowohl die deutsche als auch die österreichische Staatsbürgerschaft inne. Auf die Einbürgerungsurkunde der Regierung von ***37*** wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Gleichzeitig wird festgestellt, dass das im Ausland befindliche bewegliche und unbewegliche Nachlassvermögen - aufgrund der Doppelstaatsbürgerschaft der Verstorbenen - nicht mehr in die Zuständigkeit der österreichischen Abhandlungsjurisdiktion fällt und lediglich das in Österreich befindliche unbewegliche Nachlassvermögen in der gegenständlichen Verlassenschaftssache zu berücksichtigen ist, zumal das sonstige ausländische Vermögen bereits von der zuständigen deutschen Gerichtsbehörde abgehandelt wurde. Nach Mitteilung der erbl. Kinder erstreckt sich die Erbsentschlagungserklärung des erbl. Witwers auf das gesamte Nachlassvermögen der Verstorbenen, somit auch auf das Liegenschaftsvermögen in Österreich. Der erbl. Sohn hat sich laut Abhandlungsprotokoll s.o. ebenfalls hinsichtlich des in Österreich befindlichen Nachlassvermögens des im zustehenden Erbrechts entschlagen.
Gegenstand vorliegenden Verfahrens ist einerseits der Erbschaftssteuerbescheid an Herrn ***Bf1*** vom und andererseits der Haftungsbescheid gemäß § 13 Abs. 2 ErbstG (unterschrieben am ) für den Anteil der Schwester des Bf, ***19***, welcher laut Angaben der Amtspartei s.o. infolge Unzustellbarkeit des Erbschaftssteuerbescheides an den Bf erlassen wurde. Letzterer ist allerdings erst am (siehe Vorlagebericht) an das Finanzamt zurückgekommen.
Der Bf wendet ein, der Bescheid gehe von der unrichtigen Annahme aus, dass zum Todestag am ***16*** das Guthaben des bei der Bank ***20*** genannten Depots ***21*** und Verrechnungskontos ***22*** in Höhe von Euro 53.685,69 alleine der Erblasserin, Frau ***15***, gehört haben solle. Nachweislich der in der Anlage beigefügten Bestätigung der ***23*** vom seien zum ***24*** neben dem Bf, drei weitere Familienmitglieder Inhaber des Depots samt Verrechnungskontos gewesen. Das Depot mit Verrechnungskonto sei als Gemeinschaftskonto geführt worden. Somit habe das "Gesamtvermögen" der Erblasserin bei der ***23*** aus einem Viertel des gesamten Guthabens, d.h. aus Euro 13.421,42 bestanden. Da der Bf zur Hälfte erbberechtigt sei, belaufe sich sein Erbanteil entsprechend auf Euro 6.710,71. Weiters ersucht der Bf um Aufklärung, wie der festgesetzte Steuersatz von 10% ermittelt worden sei.
Mit Beschwerdevorentscheidungen, je vom , wies das Finanzamt die Beschwerden ab und begründete:
"In der Abhandlungsniederschrift vom , die vom öffentl. Notar ***25*** anlässlich der Abhandlung der Verl, nach Frau ***26*** aufgenommen wurde, ist angegeben, dass sich der erbl. Witwer Hr. ***27*** mit notarieller Urkunde vom auf das ihm zustehende Erbrecht entschlagen hat. Sie haben in dieser Niederschrift (mit Frau ***13***) ebenso angegeben, dass sich dieser Erbverzicht auch auf das gesamte Nachlassvermögen in Österreich erstreckt. Daher sind Sie und Ihre Schwester die Erben nach Ihrer Mutter zu je einer Hälfte bezogen auf das Depotvermögen iHv gesamt Euro 53.685,69 (1/2 = 26.842,85 je Erbe). Beim Nachlass nach Ihrer Mutter wurde gem. Doppelbesteuerungsabkommen zwischenDeutschland und Österreich das gesamte Vermögen für die Vorschreibung der Steuer im Jahr2003 festgestellt, der Prozentsatz der sich daraus ergäbe, ist auf das in Österreich befindlicheVermögen anzuwenden. Daher ergibt sich der Prozentsatz von 10 %.Ihre Beschwerde ist aus den angeführten Gründen daher abzuweisen."
Dagegen wurden Vorlageanträge eingebracht.
Die in den Beschwerden gestellten Anträge werden nunmehr als "Hilfsanträge" gestellt, ein neuer "Hauptantrag" wird wie folgt gestellt und begründet:
Gemäß Anlage 1 PERSONENBLATT von der ***28*** vom sei der Bf (***Bf1***, damals 31 Jahre alt), neben seiner Schwester (***29***), seinem Vater (***30***) und seiner Mutter (***31***) sowohl Kontoinhaber als auch Verfügungsberechtigter für sämtlich bei der ***23*** geführten Konten und Depots. Dieses PERSONENBLATT sei bei der erstmaligen Erfassung durch die Bank, und somit bei der Neueröffnung angelegt worden.
Gemäß Anlage 2 DISPOSITIONSBLATT von der ***28*** vom sei der Bf Inhaber 4, neben den unter 1. genannten Inhabern 1 bis 3, und insbesondere uneingeschränkt Verfügungsberechtigter über das Depot-Nr. ***32*** und das dazugehörige Verrechnungskonto ***33***, welche Gegenstand des im Betreff genannten Erbschaftsteuer- und Haftungsbescheides seien.
Aufgrund der unter 1. u. 2. aufgeführten Dokumente liege im vorliegenden Fall keine Verlassenschaft bzw. kein Erbfall und kein Erwerb von Todes wegen vor, zumindest nicht über das gesamte Guthaben bei der ***23***, so dass die vorliegende Festsetzung der Erbschaftsteuer durch das Finanzamt nicht zutreffend sei.
Es werde somit der Hauptantrag auf Aufhebung des Erbschaftsteuerbescheides vom und des dazugehörigen Haftungsbescheides (ohne Datum) gestellt, hilfsweise hält der Bf die Anträge vom und vom aufrecht, wobei es über die Höhe eines möglicherweise anzuwendenden Steuersatzes von 10% keiner Aufklärung mehr bedürfe, weil seitens des Bf nicht mehr nachvollzogen werden könne, wie hoch die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer im Jahr 2003 gewesen sei.
Der Auftrag zur Nachlassabwicklung sei in der Form irrtümlich von der ***23*** eingeholt worden. Es sollte lediglich dazu dienen, eine von der ***23*** geforderte Unbedenklichkeitsbescheinigung als einfache Formalie beim Finanzamt einzuholen, um das Depot samt Verrechnungskonto, ebenfalls auf Wunsch der ***23***, zu löschen. Die Bank habe es versäumt den Auftrag von Tochter und Sohn als Kunden anstelle von Erben einzuholen, denn der Bf und seine Schwester seien zuallererst Kunden und Kontoinhaber. Siehe hierzu auch einen aktuellen Nachweis zur Inhaberschaft zwei Monate vor dem Tod der Mutter gemäß Anlage 3 Schreiben/ Bestätigung der ***23*** vom (Betrifft: Inhaber bei Depot ***32*** samt Verrechnungskonto zum ).
Da es zum Zeitpunkt des Todes der Mutter am ***16*** vier gleichrangige Kontoinhaber gegeben habe, könne hilfsweise mangels anderer Nachweise angenommen werden, dass jeder Kontoinhaber 1/4 des Guthabens besaß.
Es sei zudem zu beachten, dass die Verfügungsberechtigung der drei weiteren Kontoinhaber nach dem Tod der Mutter weiterhin bestanden habe.
Am hat das BFG einen Vorhalt hinsichtlich diverser Zweifelsfragen an das Finanzamt gerichtet, welches dieses mit Schreiben vom beantwortet hat.
Beweiserhebung
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die auf elektronischem Wege vorgelegten Aktenteile des Finanzamtes sowie das Ermittlungsverfahren des BFG.
Rechtslage und Erwägungen
III.1. ErbStG, DBA, Besteuerungsrecht
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 (ErbStG) in der auf den gegenständlichen Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor dem BGBl. I Nr. 9/2007 unterliegt der Steuer nach diesem Bundesgesetz u.a. der Erwerb von Todes wegen. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches.
Nach § 6 Abs. 1 Z 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 ist die Steuerpflicht für den gesamten Erbanfall gegeben, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Erwerber zur Zeit des Eintrittes der Steuerpflicht ein Inländer ist. Nach § 6 Abs. 2 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 gelten als Inländer im Sinne dieses Bundesgesetzes österreichische Staatsbürger, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Z1) oder Ausländer, die im Inland einen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen einen gewöhnlichen Aufenthalt haben (Z2). Dieser Steuerpflicht "für den gesamten Erbanfall", die üblicherweise als "unbeschränkte Steuerpflicht" bezeichnet wird, unterliegt neben dem inländischen auch das ausländische Nachlassvermögen.
Da die Erblasserin die österreichische Staatsbürgerschaft besaß und unter der Prämisse, dass sie (auch) über einen Wohnsitz im Inland verfügte, wäre daher das gesamte Nachlassvermögen grundsätzlich in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.
Unterliegen aber Rechtsvorgänge an sich der Besteuerungshoheit zweier Staaten, so soll durch den Abschluss von Staatsverträgen in Form von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) eine doppelte Besteuerung vermieden werden. Dies geschieht üblicherweise in der Form, dass nach der sogenannten Befreiungsmethode (oder auch Zuteilungsmethode) die Besteuerungsrechte für bestimmtes Nachlassvermögen den Vertragstaaten jeweils zugeteilt werden.
Im vorliegenden Fall ist für das Gebiet der Erbschaftsteuer das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen vom (DBA-BRD, oder auch nur DBA) BGBl. Nr. 220/1955 idgF heranzuziehen.
Artikel 1 Abs. 1 DBA-BRD bestimmt, dass durch dieses Abkommen vermieden werden soll, dass Nachlassvermögen von Erblassern, die zur Zeit ihres Todes in einem der beiden oder in beiden Staaten ihren Wohnsitz hatten, in beiden Staaten zur Erbschaftsteuer herangezogen wird. Nach Abs. 2 hat eine natürliche Person einen Wohnsitz im Sinne dieses Abkommens in dem Vertragstaat, in dem sie eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Wenn sie in keinem der Vertragsstaaten einen Wohnsitz hat, gilt als Wohnsitz der Ort ihres gewöhnlichen Aufenthaltes.
Gemäß Artikel 3 Abs. 1 DBA wird unbewegliches Nachlassvermögen, das in einem der Vertragsstaaten liegt, wird nur in diesem Staate besteuert.
Artikel 5 DBA bestimmt:
"Für Nachlassvermögen, das nicht nach Artikel 3 oder Artikel 4 zu behandeln ist, gilt folgendes:
Hatte der Erblasser zur Zeit seines Todes nur in einem der Vertragsstaaten seinen Wohnsitz, so wird dieses Nachlassvermögen nur in diesem Staate besteuert.
Hatte der Erblasser zur Zeit seines Todes in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz, so wird das Nachlassvermögen nur in dem Staate besteuert, zu dem die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Erblassers bestanden (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Wenn dies nicht festzustellen ist, werden die obersten Finanzbehörden der Vertragsstaaten sich nach Artikel 10 verständigen."
Hatte die Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz, so wird gemäß Art. 5 DBA das Nachlassvermögen (Anm.: abgesehen von bestimmten Ausnahmen) nur in dem Staat besteuert, zu dem die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Erblasserin bestanden (Mittelpunkt der Lebensinteressen).
Eine der oben genannten Ausnahmen betrifft unbewegliches Nachlassvermögen (einschließlich des Zubehörs), welches in einem der Vertragstaaten liegt, und das gemäß Art. 3 Abs. 1 DBA nur in diesem Staate zu besteuern ist. Die Erblasserin besaß in Österreich zwei Eigentumswohnungen, jedoch lag der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Zeitpunkt ihres Ablebens in Deutschland. Daraus ergibt sich, dass das gesamte Nachlassvermögen, ausgenommen das unbewegliche (Liegenschafts-) Vermögen, in Deutschland zu besteuern istbzw. war.
Das Besteuerungsrecht Österreichs erstreckte sich sohin gemäß Art. 3 Abs. 1 DBA nur mehr auf die im Inland gelegenen Grundstücke samt Zubehör. Das in Österreich gelegene unbewegliche Vermögen wurde in Österreich versteuert und es wurden unter ***9*** für das inländische Vermögen mit händischem Bescheid vom €4.715,75 ErbSt an die Tochter, ***19***, vorgeschrieben.
Das verfahrensgegenständliche Depot samt Verrechnungskonto wurde dem Finanzamt erst durch die Anfrage der ***23*** vom bekannt.
Mit Erbschaftssteuerbescheiden vom wurde den erbl. Kindern der Verstorbenen, ***14*** und ***13***, Erbschaftssteuer in Höhe von je 2.684,28 € vorgeschrieben, wobei hinsichtlich ***29*** am ein Haftungsbescheid an ***14*** erging.
III.2. Verjährung
Gemäß § 208 Abs. 2 BAO beginnt die Verjährung bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer unterliegenden Erwerben von Todes wegen frühestens mit Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde vom Erwerb Kenntnis erlangt.
Maßgebend für den Verjährungsbeginn ist lediglich die behördliche Kenntniserlangung des Erwerbsvorganges an sich (Ritz, SWK 2003, S 828; Rathgeber, SWK 2005, S 86; Achatz/ Brandl in Kofler/ Kanduth-Kristen, Steuerreform 2005, Rz 496). Die Neufassung des § 208 Abs. 2 durch BGBl I 2003/124 ist ab ihrem Inkrafttreten (ab ) auch für offene Verfahren (zB Rechtsmittelverfahren) anzuwenden. [Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 208, II. Sonderregelung für Erbschafts- und Schenkungssteuer (§ 208 Abs 2) [Rz 6 - 10]].
Unter dem Erwerb ist der Erbanfall als solches und nicht jener, einzelner Vermögensgegenstände zu verstehen.
Gemäß § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4). In den Fällen eines Erwerbes von Todes wegen verjährt das Recht auf Festsetzung der Erbschafts- und Schenkungssteuer jedoch spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der Anzeige.
Die Änderung des § 208 Abs 2, wo für den Verjährungsbeginn die Kenntnis vom Erwerbsvorgang an sich reicht (siehe § 208 Rz 9), spricht nunmehr auch unter dem Gesichtspunkt des Zieles eines synchronen Beginnes dafür, dass auch für § 209 Abs 3jedeAnzeige für den Beginn der absoluten Verjährung ausreicht Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 209, III. Absolute Verjährungsfrist (§ 209 Abs 3) [Rz 36 - 41].
Aus diesen Überlegungen löst daher auch eine hinsichtlich des Umfanges der Verlassenschaft unvollständige Anzeige die absolute Verjährungsfrist aus (ebenso BMF, SWK 2005, S 306; Eberl in Endfellner/Puchinger, BAO 3, 278; vgl auch Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 209, 582 in Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 209, III. Absolute Verjährungsfrist (§ 209 Abs 3) [Rz 36 - 41]).
Vom Erbanfall als solches hatte das Finanzamt spätestens im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides am Kenntnis. Unterbrechungshandlungen danach (§ 209 Abs. 1 BAO) sind dem Akt nicht zu entnehmen. Es ist somit davon auszugehen, dass bereits absolute Verjährung eingetreten ist.
III.3. Wiederaufnahme
Selbst wenn man dem Finanzamt in seiner Stellungnahme folgen würde, dass die erstmalige Kenntnisnahme von der Existenz des gegenständlichen Depots samt Verrechnungskonto laut Schreiben der ***6*** vom ausschlaggebend wäre, so hätten nach dem Grundsatz ne bis in idem keine Erbschaftssteuerbescheide sondern maximal Wiederaufnahmebescheide gemäß § 303 BAO ergehen dürfen, da über die Sache bereits einmal entschieden worden ist, wobei auch dem grundsätzlich Verjährung entgegensteht (§ 304 BAO).
Sinn des § 304 ist, eine Wiederaufnahme zu verhindern, wenn die Sachentscheidung (insbesondere die Abgabenfestsetzung) wegen Eintrittes der Verjährung nicht mehr erfolgen darf (zB G 3/92) [Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 304].
III.4. Berechnung
Schließlich erweist sich auch die Höhe der Steuerfestsetzung als unrichtig.
Mit Schreiben vom bestätigt die genannte Bank, dass "per auf dem angeführten Depot samt Verrechnungskonto neben Ihnen (Anm.: der Bf) noch ***34*** als Inhaber geführt werden".
Wie dem Personenstammblatt der ***35*** vom zu entnehmen ist, sind hier vier Personen als "Inhaber" aufgelistet. Inhaber 1 ***30***, Inhaber 2 ***31***, Inhaber 3 ***29*** und Inhaber 4 ***Bf1***. Ebenso sind unter Dispositionen die genannten vier Personen als Verfügungsberechtigte aufgelistet.
Der OGH hat im Erkenntnis vom , 10 Ob30/12b, u.a. ausgeführt:
"…1. Die Regelungen über die Eröffnung und Führung von Konten gelten auch für Depots (Z 28 der ABB). Sie lassen sich - soweit für den vorliegenden Fall relevant - wie folgt zusammenfassen:
1.1. Hinterleger ist beim Depotvertrag derjenige, von dem oder in dessen Namen dem Verwahrer die Wertpapiere anvertraut werden, im Normalfall also der Partner der Bank aus dem Depotvertrag (Apathy/Iro/Koziol Österreichisches Bankvertragsrecht II² Rz 4/7).
1.2. Ein Depot kann auch für mehrere Personen eröffnet werden (Gemeinschaftsdepot), wodurch alle Personen Hinterleger im Sinne des DepotG werden (Avancini/Iro/Koziol Österreichisches Bankvertragsrecht I Rz 10/33; Apathy/Iro/Koziol Österreichisches Bankvertragsrecht II² Rz 4/8). Die Verfügung über ein solches Gemeinschaftsdepot kann entweder als Gesamtgläubiger ("Oder-Depot") oder Gesamthandgläubiger ("Und-Depot") vereinbart werden (Avancini/Iro/Koziol Österreichisches Bankvertragsrecht I Rz 10/33).
1.3. Während Änderungen des Depotvertrags oder dessen Kündigung immer der Einstimmigkeit bedürfen, kommt es für Verfügungen über das Gemeinschaftsdepot grundsätzlich nur auf die Position als Hinterleger, nicht jedoch die Eigentumsverhältnisse an (Apathy/Iro/Koziol Österreichisches Bankvertragsrecht II² Rz 4/13). Im vorliegenden Fall wurde die Form des Oder-Depots gewählt. Im Gegensatz zum Und-Konto, bei dem grundsätzlich nur die Gesamtheit der Depotinhaber verfügen kann, ist zu Verfügungen über das Oder-Depot jeder Depotinhaber allein berechtigt, wobei im Falle konkurrierender Dispositionen das Zuvorkommen entscheidet (Apathy/Iro/Koziol Österreichisches Bankvertragsrecht II² Rz 4/13). Zweck des Oder-Depots ist es ja nicht zuletzt,eine von den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen abweichende, besondere Regelung der Verfügungsmachtherbeizuführen (BGH v , XI ZR 321/95, NJW 1997, 1434; Canaris in Großkomm HGB³ III² Rz 2095).
2. Zu den Verfügungen über das Oder-Depot, die jedem Hinterleger alleine zustehen und mit denen jeder von mehreren Inhabern rechnen muss, solange die Einzelverfügungsbefugnis, insbesondere durch Überführung in ein Und-Konto, nicht widerrufen ist, zählt insbesondere auch das Verlangen nach Ausfolgung des Depotinhalts. Aus diesem, auch dem Nichteigentümer zustehenden Verfügungsrecht wurde abgeleitet, dass der Eigentümer der Wertpapiere dem gegen den (Nichteigentümer-)Depotmitinhaber vorgehenden Gläubiger, der das Depot gerichtlich pfänden lässt, nicht die Exszindierungsklage entgegensetzen kann (3 Ob 49/02f; vgl zum Oder-Konto: SZ 71/62)…."
Die Inhaberschaft und uneingeschränkte Verfügungsberechtigung sagt also noch nichts über die Eigentumsverhältnisse aus. Dem Bf ist jedoch insofern zu folgen als hilfsweise von Viertelanteilen ausgegangen werden kann. Somit ist auch die Berechnung des Bf zutreffend, wonach maximal jeweils die Hälfte des Viertelanteiles der Verstorbenen der Erbschaftsteuer unterzogen werden kann. Wie das Finanzamt in seiner Stellungnahme vom ausführt, gehe aufgrund eines Schreibens, des Herrn ***14*** vom an das Finanzamt Österreich nunmehr eindeutig hervor, dass ***36*** Inhaber bzw. Zeichnungsberechtigte zu gleichen Teilen sind. Die Erbschaftssteuer wäre somit jeweils mit 671,06 € festzusetzen gewesen.
Da jedoch nach Ansicht des BFG in Österreich kein Besteuerungsrecht für das streitgegenständliche Vermögen gegeben ist und darüber hinaus inzwischen Verjährung eingetreten ist, war den Beschwerden zu entsprechen und die Bescheide ersatzlos aufzuheben.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da dem Erkenntnis keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 208 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101174.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at