Kfz-Steuer - widerrechtliche Verwendung (Rechtslage vor 24.04.2014)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Wechselberger & Partner WTH GmbH, Römerstraße 41a, 6230 Brixleg, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA Kufstein Schwaz vom betreffend Kraftfahrzeugsteuer 4-12/2004, 1-12/2005, 1-12/2006, 1-12/2007, 1-12/2008, 1-12/2009 sowie 1-12/2010, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt Kufstein Schwaz legte die Berufungen vom am dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Gemäß § 323b Abs. 1 ist mit Wirkung vom das Finanzamt Österreich an die Stelle des die angefochtenen Bescheide erlassenden Finanzamtes Kufstein Schwaz getreten.
Von der gültigen Geschäftsverteilung des Bundesfinanzgerichtes wurden die Beschwerden vorerst der Gerichtsabteilung ***1*** zur Erledigung zugewiesen. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurden sie mit Wirksamkeit der Gerichtsabteilung ***2*** übertragen.
Verfahrensgang
Im Zuge von Vollstreckungsmaßnahmen stellte die Abgabenbehörde fest, dass der Geschäftsführer ***MF*** ein Firmenfahrzeug der Beschwerdeführerin (Bf.in) mit einem amtlichen deutschen Kennzeichen verwendet. Das Fahrzeug befindet sich im Betriebsvermögen und wurde seinerzeit vom Geschäftsführer aus seinem Privatvermögen eingebracht. Nach einem vom Finanzamt durchgeführten Ermittlungsverfahren wurden am Bescheide betreffend Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für 4-12/2004, 1-12/2005, 1-12/2006, 1-12/2007, 1-12/2008, 1-12/2009 sowie 1-12/2010 erlassen. Als Begründung wurde angeführt, dass eine widerrechtliche Verwendung des Fahrzeuges vorliegt.
Mit Schreiben vom wurde von der Bf.in gegen die angeführten Bescheide eine Beschwerde eingebracht. Zusammenfassend wurde ausgeführt, dass das Fahrzeug in Deutschland zugelassen und versichert sei. Es werde vom Geschäftsführer ***MF*** (deutscher Staatsbürger) mit seinem einzigen Hauptwohnsitz in Deutschland benützt. Das Fahrzeug werde vom Geschäftsführer sowohl für Fahrten zum Geschäftssitz der Bf.in nach ***K*** als auch für Privatfahrten benutzt. Die täglichen Fahrten zwischen Wohnsitz in Deutschland und dem Firmensitz in Österreich seien zweifelsfrei betrieblich veranlasst. ***MF*** habe keinen Wohnsitz in Österreich.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Nach Ansicht der Abgabenbehörde handle es sich beim gegenständlichem Fahrzeug durch die Aufnahme in das Anlagevermögen um ein betriebliches Fahrzeug. Daher sei für die Standortvermutung der Ort des Unternehmens in Österreich und somit die Bf.in als Verwenderin und Steuerschuldnerin heranzuziehen.
Mit Schreiben vom wurde von der steuerlichen Vertretung ein Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beim Finanzamt eingebracht. Ergänzend wurde noch angeführt, dass es für den Geschäftsführer ***MF***, der täglich mit dem gegenständlichen Fahrzeug von seinem deutschen Wohnsitz zum österreichischen Betriebssitz und retour fuhr nicht erkennbar gewesen sei, dass er zu prüfen hätte, ob nach dem österreichischen Kraftfahrgesetz das Fahrzeug in Österreich anzumelden gewesen wäre.
Am legte das Finanzamt die Beschwerden dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:
Die Bf.in hat ihren Sitz in ***K***. Überwiegender Gegenstand ist das Steinmetzgewerbe. Als Geschäftsführer fungiert ***MF*** mit Hauptwohnsitz in Deutschland. Das gegenständliche Fahrzeug wurde in Deutschland zugelassen und versichert und in Form einer Nutzungseinlage der Bf.in zur Verfügung gestellt.
Das Fahrzeug wurde vom Geschäftsführer sowohl für die täglichen Fahrten zum Geschäftssitz der Bf.in nach ***K*** als auch für Privatfahrten benutzt. ***MF*** hat in Österreich weder einen Hauptwohnsitz noch einen Nebenwohnsitz.
2. Beweiswürdigung
Gemäß § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den vom Finanzamt übermittelten Unterlagen bzw. den Angaben des Geschäftsführers in der Niederschrift vom und den eingebrachten Schriftsätzen.
Sinngemäßer Auszug aus der Niederschrift vom : Das Fahrzeug wird seit als Firmenfahrzeug der Bf.in. verwendet. Mit dem Fahrzeug werden auch die täglichen Fahrten zwischen Wohnsitz in Deutschland und dem Firmensitz in Österreich durchgeführt.
Dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom Geschäftsführer im Beschwerdezeitraum während der Arbeitszeiten täglich, aber jedenfalls mehrmals monatlich nach Deutschland verbracht wurde, ergibt sich aus den glaubwürdigen Angaben der Bf.in sowie des Geschäftsführers und wird auch von der Abgabenbehörde nicht in Abrede gestellt. Es gilt somit als unstrittig, dass ***MF*** an jedem Arbeitstag von seinem Wohnsitz in Deutschland zum Sitz der Gesellschaft nach Österreich und wieder retour fuhr.
Vor diesem Hintergrund können die oben angeführten Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
3. Rechtslage
Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 (KfzStG 1992):
§ 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992 lautet:
"Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegen Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung)."
Nach § 3 Z 2 KfzStG 1992 istSteuerschuldner die Person, die das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland verwendet.
Die Steuerpflicht dauert gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992 bei widerrechtlicher Verwendung (§ 1 Z 3) eines Kraftfahrzeuges vom Beginn des Kalendermonats, in dem die Verwendung einsetzt, bis zum Ablauf des Kalendermonats, in dem die Verwendung endet.
4. Erwägungen
Der Tatbestand in § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992 verweist auf kraftfahrrechtliche Bestimmungen, weshalb für die Frage, wann ein Fahrzeug zuzulassen ist, der Norminhalt des Kraftfahrgesetzes maßgeblich ist.
Nach § 36 KFG 1967 dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen u.a. des § 82 leg. cit. über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind (§§ 37 bis 39) und wenn andere hier nicht interessierende Voraussetzungen gegeben sind.
Gemäß § 79 KFG 1967 ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn näher genannte Vorschriften eingehalten werden.
§ 82 Abs. 8 KFG 1967 in der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Fassung des zweiten Abgabenänderungsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 132/2002, lautet: "Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, sind bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass innerhalb dieses Monats die inländische Zulassung nicht vorgenommen werden konnte, darf das Fahrzeug ein weiteres Monat verwendet werden. Danach sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. (….)."
Mit Erkenntnis vom () hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass § 82 Abs. 8 KFG 1967 beim Beginn der Frist auf denselben Vorgang abstelle wie § 79 leg. cit., nämlich auf das Einbringen des Fahrzeuges und lediglich eine andere Dauer der Frist normiere. Auch für die Frist in § 82 Abs. 8 KFG gelte daher, dass beim Verbringen des betreffenden Fahrzeuges die Frist mit der neuerlichen Einbringung zu laufen beginne. Die Ansicht, dass ein vorübergehendes Verbringen des Fahrzeuges ins Ausland die Frist des § 82 Abs. 8 KFG nicht unterbreche, das heißt bei neuerlicher Einbringung des Fahrzeuges die Frist nicht ab der (neuerlichen) Einbringung zu rechnen sei, finde im Gesetz keine Deckung.
Mit den zu den Geschäftszahlen 2015/16/0031 und 2016/16/0031 ergangenen Erkenntnissen vom und bestätigte der Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsansicht.
In Reaktion auf das Erkenntnis vom änderte der Gesetzgeber den Norminhalt des § 82 Abs. 8 KFG 1967 mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2014 insofern, als nunmehr für den Fristbeginn auf die "erstmalige Einbringung" in das Bundesgebiet abgestellt wurde. Zudem wurde ausdrücklich normiert, dass eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet diese Frist nicht unterbricht. In § 135 Abs. 27 KFG 1967 wurde zudem bestimmt, dass die Gesetzesänderung mit - somit also rückwirkend - in Kraft tritt.
Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom (VfGH G 72/2014) hinsichtlich der Rückwirkungsanordnung die Bestimmung des § 135 Abs. 27 KFG 1967 als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei.
Demzufolge ist die geänderte Bestimmung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 gemäß Art. 49 Abs. 1 B-VG mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung (mit Ablauf des ) in Kraft getreten.
Im Beschwerdefall ist daher § 82 Abs. 8 KFG 1967 in der Fassung des BGBl. I Nr. 132/2002 - unter Beachtung der vorzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - weiterhin anzuwenden.
Die Kraftfahrzeugsteuer ist eine Selbstberechnungsabgabe. Nach dem hiefür einschlägigen Norminhalt des § 201 BAO ist eine Festsetzung der (Selbstbemessungs-)Abgabe durch die Behörde nur zulässig, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet wäre, keine oder eine unrichtige Selbstberechnung vorlegt. Vice versa darf die Behörde keine Festsetzungen vornehmen, wenn keine Steuerpflicht besteht.
Aus der dargestellten Rechtslage ergibt sich, dass die Verwendung eines nicht im Inland zugelassenen Fahrzeuges dann der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zum Verkehr zuzulassen wäre. Dies betrifft vor allem die Verwendung von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen, wenn auf Grund kraftfahrrechtlicher Bestimmungen die Zulassung im Inland zu beantragen wäre, dies aber unterlassen wird. Liegen jedoch regelmäßige, zumindest monatliche Ausbringungen vor, kann bis zum Wirksamwerden der Gesetzesänderung durch das BGBl. I Nr. 26/2014 per unabhängig vom Standort des Fahrzeuges und von der Person des Verwenders keine widerrechtliche Verwendung vorliegen.
Wie sachverhaltsmäßig festgestellt, wurde das streitgegenständliche Fahrzeug regelmäßig und zumindest mehrmals im Monat in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht. Weil mit jeder Verbringung die Monatsfrist wieder neu zu laufen begonnen hat, entstand keine Zulassungsverpflichtung im Inland und die Verwendung des Fahrzeuges ohne inländische Zulassung war kraftfahrrechtlich zulässig. Damit wurde der in § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992 normierte Tatbestand der widerrechtlichen Verwendung nicht verwirklicht. Auf die Frage, ob der Bf.in. der Gegenbeweis zur Standortvermutung nach § 82 Abs. 8 KFG gelungen ist oder nicht, muss daher nicht mehr eingegangen werden.
Daraus folgt, dass die Bf.in. nicht zur Selbstberechnung der Abgaben nach § 201 BAO verpflichtet war und das Finanzamt über keine Berechtigung zur Festsetzung der Abgabe verfügte. Alle angefochtenen Bescheide, mit denen Kraftfahrzeugsteuer vorgeschrieben worden war, waren daher ersatzlos aufzuheben.
Auf eine allfällige Verjährungsproblematik war daher nicht mehr näher einzugehen.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
5. Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis war insgesamt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig. Zur Rechtsfrage des Vorliegens einer widerrechtlichen Verwendung bei monatlichen Ausbringungen (Unterbrechung der Monatsfrist des § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF vor BGBl I 26/2014) liegt die gefestigte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor (; ). Die Frage, ob im vorliegenden Fall tatsächlich jeweils monatliche Aus- und Einbringungen vorlagen, war im Rahmen freier Beweiswürdigung bezogen auf das konkret vorliegende tatsächliche Geschehen zu lösen. Eine Revision war daher nicht zuzulassen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992 § 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967 § 135 Abs. 27 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100070.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at