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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.07.2022, RV/7103498/2019

Familienheimfahrten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Monika Kofler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2014, 2015 und 2016, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

***Bf1***, in der Folge mit Bf. bezeichnet, war in den Jahren 2014, 2015 und 2016 in Österreich ganzjährig unselbständig erwerbstätig. Er brachte für diese Jahre Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung ein und beantragte jeweils die Gewährung von Kosten für Familienheimfahrten in der Höhe von 3.672,00 Euro als Werbungskosten.

Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für die Jahre 2014, 2015 und 2016 fest und berücksichtigte jeweils lediglich ein Werbungskostenpauschale in Höhe von 132,00 Euro.

Gegen diese Bescheide erhob der Bf. Berufung (Beschwerde). Er führte begründend aus, er beantrage, Familienheimfahrten Euro 3.670,00 für die Jahre 2014, 2015 und 2016 zu berücksichtigen. Sein Familienwohnsitz sei in Polen, 550 km von Österreich entfernt. Seine Gattin lebe in Polen, sei erwerbstätig und verdiene mehr als 6.000,00 Euro. Seine Gattin betreue auch die minderjährigen Kinder (4 Jahre alt und 9 Jahre alt). Der Bf. fahre einmal monatlich nach Polen. Ein Umzug der ganzen Familie nach Österreich sei unzumutbar.

Vorgelegt wurden Bescheinigungen der Firma UNTERNEHMEN, wonach der Preis für die einfache Fahrt in den verfahrensgegenständlichen Jahren jeweils 30,00 Euro betragen habe und der Bf. die Dienste dieser Firma genutzt habe. Ferner wurden Geburtsurkunden der Kinder vorgelegt.

Das Finanzamt erließ abweisende Beschwerdevorentscheidungen und führte aus, die Bekanntgabe des Fahrpreises für die Strecke Wien-Polen durch das Beförderungsunternehmen stelle keinen geeigneten Nachweis dar. Dieser wäre nur durch eine laufend geführte Aufzeichnung ("Fahrtenbuch") und die Aufbewahrung der einzelnen Tickets zwecks Vorlage bei der Behörde erfüllt.

Der Bf. stellte einen Vorlageantrag und wiederholte sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend erklärte er, er arbeite in Österreich und lebe in einer Mietwohnung. Als Beweis lege er eine Anstellungsbescheinigung und den Einkommensnachweis seiner Gattin für das Jahr 2017 vor.

Vorgelegt wurden Einkommensbestätigungen für die Gattin für die Jahre 2014 bis 2016 und die Übersetzung einer Bescheinigung, gemäß welcher die Frau des Bf. als Lehrerin an einer Schule in Polen beschäftigt ist.

In einem Ersuchen um Ergänzung (Vorhalt) forderte das Finanzamt den Bf. auf, eine genaue Aufstellung der Familienheimfahrten mit dem Datum der Hin- und Rückreise und den verwendeten Verkehrsmitteln vorzulegen. Bei Fahrten mit dem eigenen Auto Vorlage eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuch, Kopie des Zulassungsschein und Vorlage der Tankbelege. Bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln Vorlage der Tickets.

In Beantwortung dieses Vorhaltes des Finanzamtes legte der Bf. wiederum die Bestätigungen der Firma UNTERNEHMEN vor.

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und erklärte, die Kosten für Familienheimfahrten seien dem Grunde nach abzugsfähig. Werbungskosten und Betriebsausgaben müssten jedoch nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden. Aufgrund der erhöhten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten treffe den Bf. eine Beweismittelbeschaffungs- und Beweisvorsorgepflicht. Da der Bf. keinen Nachweis über die tatsächlichen Familienheimfahrten erbracht habe, werde eine Abweisung der Beschwerde beantragt.

In der Folge erklärte das Finanzamt sich mit der Anerkennung von geschätzten Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 720,00 Euro einverstanden (dies entspricht einer Familienheimfahrt pro Monat mit dem Bus zum angegebenen Preis von 30,00 Euro für die einfache Fahrt).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Bf. war unstrittig in den Jahren 2014 bis 2016 in Österreich unselbständig erwerbstätig. Er hatte hier einen Nebenwohnsitz, während sein Hauptwohnsitz, an welchem seine Frau und seine Kinder ständig lebten, sich in Polen befand. Er kehrte nach eigenen Angaben einmal im Monat an seinen Familienwohnsitz zurück. Aufgrund der vorgelegten Bestätigungen des Busunternehmens wird davon ausgegangen, dass ihm dafür Kosten in Höhe von 720,00 Euro erwachsen sind. Dies entspricht dem Preis für 24 einfache Fahrten (jeweils 12 Hin- und Rückfahrten pro Jahr) zum Preis von 30,00 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dürfen bei den Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeitsort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen Berufstätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen, nicht abgezogen werden.

Bei den Kosten für Familienheimfahrten handelt es sich der Art nach um private Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die jedoch im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bis zu einem Höchstbetrag steuerlich zum Abzug zugelassen sind (vgl. Zl. Ra 2019/13/0101).

Der Betrag, der für Familienheimfahrten als Werbungskosten geltend gemacht werden kann, beträgt daher höchstens 3.672,00 Euro jährlich.

Gemäß § 184 BAO gilt Folgendes:

"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind. ..."

Da der Bf. nach eigenen Angaben den Familienwohnsitz nur einmal im Monat aufgesucht hat und als Beleg lediglich eine Bestätigung eines Unternehmens über den Fahrpreis für eine einzelne Fahrt vorgelegt hat, wurden die Kosten, welche dem Bf. für Familienheimfahrten entstanden sind, in Höhe von 24 einfachen Fahrten (jeweils 12 Fahrten pro Monat zum und vom Familienwohnsitz), d.h. 720,00 Euro geschätzt. Statt des Werbungskostenpauschales von 132,00 Euro war daher ein Betrag von 720,00 Euro anzusetzen. Ein höherer Betrag hätte nur bei Vorlage entsprechender Belege anerkannt werden können.

Der Beschwerde konnte daher teilweise Folge gegeben werden.

Die Einkommensteuer für die Jahre 2014 bis 2016 war daher neu zu berechnen wie folgt:

[…]

[…]

[…]

Hinweis: Die festgesetzte Einkommensteuer berücksichtigt jeweils nur die vom Arbeitgeber abgeführte Lohnsteuer. Der tatsächlich aushaftende Betrag oder im Fall einer Überzahlung der rückzuzahlende Betrag ist der Buchungsmitteilung des Finanzamtes zu entnehmen bzw. kann vom Finanzamt auf Anfrage mitgeteilt werden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung des Erkenntnisses war nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Strittig war ausschließlich der Sachverhalt. Die rechtliche Beurteilung war durch das insoweit eindeutige Gesetz vorgegeben. Auf das in diesem Erkenntnis angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
VwGH, Ra 2019/13/0101
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103498.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at