Frist für Antrag auf Aufhebung des abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 Abs. 4 BAO (neue Rechtslage)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser in der Beschwerdesache Bf., Adr.Bf., vertreten durch die Prof. Dr. Thomas Keppert Steuerberatung GmbH, 1060 Wien, Theobaldgasse 19, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Zurückweisung des Antrags vom auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Der Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.) war im Jahre 1999 zur Steuernummer **** an einer KEG als Kommanditist beteiligt.
Die belangte Behörde erließ mit Datum gegenüber dem Bf. einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999, mit dem der zuvor ergangene Einkommensteuerbescheid auf Grund zu St.nr. **** für das Jahr 1999 getroffener "bescheidmäßiger Feststellungen" des Finanzamts Gänserndorf Mistelbach vom gemäß § 295 BAO geändert wurde.
Die steuerliche Vertretung des (am XX.12.2020 verstorbenen) Bf. beantragte am den gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO wegen des Fehlens eines im Feststellungsverfahren wirksam ergangenen Bescheides aufzuheben.
Der Begründung des Aufhebungsantrages ist im Wesentlichen zu entnehmen:
Der genannte Bescheid wurde gem. § 295 Abs. 1 BAO von einem Schriftstück abgeleitet, das nach Form und Inhalt den unzutreffenden Eindruck eines (Nicht)Feststellungsbescheides erweckte. Die gegen dieses Schriftstück erhobene Berufung wurde vom Unabhängigen Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom , RV/0785-K/07, als unzulässig zurückgewiesen, da es sich bei diesem um einen Nichtbescheid handeln würde. § 295 Abs. 4 sei durch das AbgAG 2011, BGBl I 2011/76 in die BAO eingefügt worden und sei als Verfahrensvorschrift auch auf vor ihrem Inkrafttreten erlassene Änderungsbescheide iSd § 295 Abs. 1 BAO anzuwenden.
Das Finanzamt wies am den Aufhebungsantrag des Bf. zurück und stützte sich dabei auf § 295 Abs. 4 BAO sowie § 304 BAO. Danach seien bereits mehr als fünf Jahre ab Rechtskraft des abschließenden Bescheides (Einkommensteuerbescheid 1999) vergangen, weshalb der Antrag nicht fristgerecht gewesen wäre. Dagegen erhob der Bf. am Beschwerde, deren Begründung im Wesentlichen darin besteht, dass es unrichtig sei, dass betreffend das Jahr 1999 bereits absolute Verjährung eingetreten ist, wie es das Finanzamt vermeinte.
Mit Schriftsatz vom verzichtete die Erbin des Bf. auf die in der Beschwerde beantragte Entscheidungsfällung durch den Senat und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
Weiters wurde in diesem Schriftsatz die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom , mit dem der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO betreffend Einkommensteuer 1999 zurückgewiesen wurde, zurückgenommen. Die Beschwerde wurde somit auf den Zurückweisungsbescheid vom eingeschränkt, mit dem der Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO betreffend Einkommensteuer 1999 zurückgewiesen wurde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der den Bf. betreffende Einkommensteuerbescheid 1999 vom wurde gemäß § 295 Abs. 1 BAO von einem Schriftstück abgeleitet, das nach Form und Inhalt den unzutreffenden Eindruck eines Feststellungsbescheides bzw. eines Nichtfeststellungsbescheides erweckte. Dementsprechend wurde die gegen dieses Schriftstück erhobene Berufung vom Unabhängigen Finanzsenat als unzulässig zurückgewiesen, da es sich bei den bekämpften Bescheiden um Nichtbescheide handelt.
Der im Sinne des § 295 Abs. 4 BAO gestellte Antrag des Bf., den auf einen Nichtbescheid gestützten Einkommensteuerbescheid 1999 aufzuheben, wurde am gestellt.
Beweiswürdigung
Das Bundesfinanzgericht stützt sich bei dieser Feststellung auf die unstrittige Aktenlage und die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenat vom , RV/0785-K07.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Der VfGH hat den letzten Satz des § 295 Abs. 4 BAO, BGBl Nr. 194, 1961, zuletzt geändert durch BGBL I Nr. 62/2019, als verfassungswidrig aufgehoben ().
Mit dem COVID-19-Steuermaßnahmengesetz - COVID-19-StMG, BGBl I Nr. 3/2021, erhielt § 295 Abs. 4 BAO folgende Neufassung:
"Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt
- eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder
- eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird."
Die als Feststellungsbescheid intendierte Erledigung des Finanzamts Gänserndorf Mistelbach zu Steuernummer **** vom , auf deren Grundlage die belangte Behörde am einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid erlassen hatte, hatte keine Bescheidqualität erlangt, weshalb die dagegen erhobene Berufung mit Beschluss des Unabhängigen Finanzsenats vom zurückgewiesen wurde.
Die Neufassung des § 295 Abs. 4 BAO ist mangels ausdrücklicher Inkrafttretensbestimmung nach § 11 Abs. 1 BGBlG mit Ablauf des Tages der Freigabe des COVID-19-StMG im RIS, somit mit in Kraft getreten. § 295 Abs. 4 BAO ist eine verfahrensrechtliche Bestimmung. Verfahrensrechtliche Bestimmungen sind grundsätzlich für ab ihrem Inkrafttreten erfolgende Amtshandlungen anzuwenden (Ritz/Koran, BAO7, § 295, Rz 21j), und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechts ereignet haben ().
Für die Beurteilung der Frage, ob die belangte Behörde trotz mittlerweile eingetretener Verjährung den Antrag auf Aufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO zu Recht bescheidmäßig zurückgewiesen hat, ist daher die mit dem COVID-19-StMG geschaffene, am in Kraft getretene Rechtslage anzuwenden.
Das bedeutet, dass nach der aktuellen Fassung des § 295 Abs. 4 BAO Aufhebungsanträgen, die innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der im Feststellungsverfahren getroffenen Beschwerdezurückweisung gestellt wurden, durch Aufhebung des abgeleiteten Bescheides (§ 295 Abs. 1 BAO) stattzugeben ist.
Der § 295 Abs. 4 BAO in der aktuell angegebenen Fassung bestimmt ab dem eine Frist für die Einbringung der Anträge auf Aufhebung von abgeleiteten auf einen rechtsunwirksamen Feststellungsbescheid gestützten Bescheiden. Danach ist ein solcher Aufhebungsantrag innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Daraus folgt für den konkreten Fall, dass der am gestellte Aufhebungsantrag rechtzeitig innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der zurückweisenden Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenat () gestellt wurde.
Demnach war der vorliegenden Beschwerde gegen den nach der Einschränkung der Beschwerde nunmehr allein den Verfahrensgegenstand bildenden Bescheid vom , mit dem das Finanzamt den Antrag des Bf. vom unter Hinweis auf § 295 Abs. 4 BAO und § 304 BAO idF BGBl I 2013/14 zurückgewiesen hat, Folge zugeben.
Durch diese Aufhebung ist der Antrag des Bf. auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO wiederum unerledigt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, da sich die Beantwortung der Frage der Rechtzeitigkeit des gestellten Aufhebungsantrages aus der aktuell anzuwendenden Fassung des § 295 Abs. 4 BAO ableitet.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100003.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at