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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.09.2022, RV/6100252/2022

Nachzahlungen aus Insolvenz des Arbeitgebers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria Luise Wohlmayr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See (nunmehr: Finanzamtes Österreich ) vom betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 zu Recht erkannt:

1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) Folge gegeben.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2014 wird im Sinne des Einkommensteuerbescheides vom abgeändert.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2015 wird im Sinne des Einkommensteuerbescheides vom abgeändert.
Die in den Bescheiden vom und vom angeführten Bemessungsgrundlagen und die festgesetzten Abgaben bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Verfahrensgang

A/1. Der Beschwerdeführer (kurz: Bf.) lebt seit dem Jahr 2012 in Österreich und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für die Jahre 2014 und 2015 wurden dem Finanzamt Österreich internationale Kontrollmitteilungen übermittelt, wonach der Bf. nichtselbständige Einkünfte aus Slowenien bezogen habe, nämlich EUR 1.987,10 für 2014 und EUR 1.692,73 für 2015.

Das Finanzamt nahm daher das Einkommensteuerverfahren für diese Jahre wieder auf und erließ neue Einkommensteuerbescheide, in denen die ausländischen Einkünfte zum Progressionsvorbehalt herangezogen wurden.

Die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens erwuchsen in Rechtskraft.
Gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 erhob der Bf. Beschwerde mit der Begründung, es handle sich bei diesen Zahlungen um Nachzahlungen aus dem Konkurs der Fa. ***1***, Slowenien. Er sei bei dieser Firma bis 2011 beschäftigt gewesen, die Firma sei in Konkurs gegangen, und er arbeite seit März 2012 ausschließlich in Österreich. Daneben habe er keine zusätzlichen Einkünfte gehabt. Die Nachzahlungen aus dem Konkurs der Firma XY beträfen aber das Anspruchsjahr und nicht das Auszahlungsjahr. Der Bf. legte eine Internetabfrage über die Fa. XY bei, aus der eine Konkurseröffnung hervorgeht.

A/2. Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, weil Einnahmen in jenem Kalenderjahr als bezogen gälten, in dem sie zugeflossen sind.

In seinem Vorlageantrag vom wies der Bf. nochmals auf die bereits vorgetragenen Argumente hin. Mit Ergänzungsersuchen vom forderte das Finanzamt den Bf. auf, geeignete Unterlagen darüber vorzulegen, dass es sich bei den ausländischen Einkünften um Nachzahlungen aus dem Insolvenzverfahren handelt.

Da dieser Vorhalt unbeantwortet blieb, legte das Finanzamt mit Vorlagebericht vom die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

A/3. In der Zwischenzeit legte der Bf. dem Finanzamt Unterlagen vor, nämlich sein Arbeitsverzeichnisbuch der Republik Bosnien-Herzegowina in deutscher Übersetzung sowie einen weiteren Auszug aus dem Internet betreffend den Konkurs der Fa. XY. Daraus geht hervor, dass am mit Beschluss des Bezirksgerichts Nova Gorica der Konkurs über die Fa. XY eröffnet wurde. Im Arbeitsverzeichnisbuch des Bf. sind beginnend mit 1990 alle Arbeitsverhältnisse des Bf. aufgelistet. Daraus ist ersichtlich, dass der Bf. ab Juni 1996 bei der Fa. XY angestellt war und dass sein Arbeitsverhältnis am endete.

Das Finanzamt übermittelte diese Unterlagen samt Antwort des Bf. ohne weitere Stellungnahme dem Bundesfinanzgericht.

B. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht nimmt den folgenden Sachverhalt als erwiesen an, der in den Akten des Finanzamtes abgebildet ist:

B/1. Der Bf. wurde in Bosnien-Herzegowina geboren und arbeitete ab Oktober 1990 durchgehend in Slowenien. Rund 20 Jahre lang war er bei der Baufirma XY D.D. in Ajdovscina beschäftigt. Über das Vermögen dieses Unternehmens wurde am der Konkurs eröffnet. Das Arbeitsverhältnis des Bf. endete am .

Seit März 2013 lebt der Bf. in Österreich und ist hier bei einer Baufirma angestellt. Andere als nichtselbständige Einkünfte hat der Bf. nicht.

B/2. In den Jahren 2014 und 2015 erhielt er jeweils eine Zahlung der slowenischen Firma XY D.D., die im Wege internationaler Kontrollmitteilungen dem zuständigen Finanzamt in Österreich gemeldet wurden (2014: EUR 1.987,10 und 2015: EUR 1.692,73).

Das Finanzamt ging von nichtselbständigen Einkünften des Bf. aus einem aktiven Dienstverhältnis des Bf. zum slowenischen Unternehmen aus, der Bf. verwies jedoch darauf, dass es sich um Nachzahlungen aus dem Konkurs seines ehemaligen Arbeitgebers handelt.

Das Bundesfinanzgericht folgt dem Vorbringen des Bf. und nimmt es als erwiesen an, dass es sich bei den strittigen Zahlungen nicht um solche aus einem aufrechten Dienstverhältnis des Bf. in Slowenien handelt, sondern dass es Nachzahlungen aus dem Konkursverfahren seines früheren slowenischen Arbeitgebers sind.

Eine kurze Internetrecherche des BFG bestätigte das Vorbringen des Bf., dass sein früherer Arbeitgeber im Jahr 2012 in Konkurs ging. Diese Informationen sind der homepage des Unternehmens zu entnehmen (www.XY.si), die außer den Informationen über das Konkursverfahren keine weiteren Inhalte mehr aufweist und im Jahr 2013 das letzte Mal aktualisiert wurde. Weiters findet sich auf der homepage einer internationalen Datenbank für Ingenieurbauwerke, welche diverse Brücken auflistet, die von der Fa. XY D.D. in den Jahren bis 2009 errichtet wurden, der Vermerk, dass diese Firma nach einer Insolvenz aufgelöst wurde (www.structurae.net).

B/3. Diese Ermittlungsergebnisse stehen in Einklang mit den vom Bf. vorgelegten Unterlagen. Besondere Bedeutung kommt auch dem Arbeitsverzeichnisbuch des Bf. zu, das der Bf. in deutscher Übersetzung vorgelegt hat. Das Arbeitsverzeichnisbuch wurde am in Bihac, Bosnien ausgestellt. Es handelt sich dabei um ein offizielles Dokument der Republik Bosnien-Herzegowina, das neben den persönlichen Daten des Bf. alle seine Arbeitsverhältnisse und seine Rentenversicherungszeiten enthält. Daraus ist ersichtlich, dass der Bf. ab Oktober 1990 in Slowenien gearbeitet hat und dass sein Dienstverhältnis zur Fa. XY am geendet hat. Danach hatte der Bf. keine weiteren Dienstverhältnisse in Slowenien. Vielmehr ist er nach eigenen Angaben und im Einklang mit der Aktenlage seit März 2013 in Österreich wohnhaft und bei einer Baufirma angestellt.

Die Angaben des Bf. sind überzeugend und kongruent und stehen nicht in Widerspruch zur sonstigen Aktenlage. Das Bundesfinanzgericht geht daher in freier Beweiswürdigung davon aus, dass es sich bei den strittigen Zahlungen um Nachzahlungen aus dem Konkurs der Fa. XY D.D. handelt. Es gibt nach dem oben Gesagten keine Hinweise darauf, dass der Bf. nach dem Jahr 2012 noch in einem Arbeitsverhältnis zu dieser Firma stand.

C. Rechtliche Würdigung

C/1. Gemäß § 19 Abs 1 EStG 1988 (in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011) sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.
Abweichend davon gelten Nachzahlungen im Insolvenzverfahren in jenem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden (Z 2 leg.cit.).
§ 19 Abs 1 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2011 ist erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2011 anzuwenden (§ 124b Z 204 EStG 1988).

Den erläuternden Bemerkungen (EB) zur Regierungsvorlage (1187 der Beilagen XXII. GP zu Z 9 und 27 (§§ 19 Abs 1 EStG 1988) zum AbgÄG 2005, mit dem die entsprechende Rechtslage damals neu geschaffen wurde, ist zu entnehmen, dass Nachzahlungen in dem Jahr zu erfassen sind, in dem die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers eingetreten ist. Mit der Neuregelung sollte nach der Intention des Gesetzgebers vermieden werden, dass es auf Grund der Progressionswirkung zu erheblichen (Steuer)Nachzahlungen kommt, wenn Arbeitnehmer im Folgejahr bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt sind und neben den laufenden Bezügen auch die Nachzahlungen aus dem Insolvenzverfahren zu versteuern haben, während im Insolvenzjahr nur geringe oder keine steuerpflichtigen Einkünfte vorliegen.

Der Anspruch auf Beendigungsansprüche, das sind solche, für deren Entstehung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses maßgebliche Voraussetzung ist, entsteht nach österreichischem Recht mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl. dazu mwN). Darunter fallen insbesondere die Abfertigung, Urlaubsersatzleistungen sowie der Schadenersatz wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigungsentschädigung ist ein Schadenersatz des Arbeitgebers wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Auch im Falle eines berechtigten Austritts nach § 25 Abs. 1 KO kann die Kündigungsentschädigung geltend gemacht werden.

Nach der vorstehend angeführten Rechtsprechung stellt der Zeitpunkt des Einnahmenzuflusses nach § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 nicht auf den zu ersetzenden Anspruchsgrund (Kündigungsentschädigung, Urlaubsersatzleistung, Abfertigung etc.) und -zeitraum, sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt der Anspruchsbegründung ab (vgl. -F/10; , RV/0355-I/08; , RV/0385-F/10).

C/2. Im vorliegenden Fall hat der Bf. in den Jahren 2014 und 2015 Zahlungen seines früheren slowenischen Arbeitgebers erhalten, die nach dem geschilderten Beweisverfahren nicht aus einem aufrechten Dienstverhältnis stammen. Es ist also davon auszugehen, dass es sich um Nachzahlungen aus dem im Jahr 2012 über das Vermögen des früheren Arbeitgebers eröffneten Konkurs handelt. Die mit diesen Zahlungen abgegoltenen Ansprüche sind somit spätestens mit der Beendigung des Dienstverhältnisses am entstanden.

Eine genaue Prüfung der Zeiträume, für die die Ansprüche entstanden sind, kann unterbleiben, weil bereits im Jahr der Erlassung der angefochtenen Bescheide, nämlich 2020, hinsichtlich aller Veranlagungszeiträume, die vor 2014 gelegen sind, die Verjährung eingetreten ist.

Aus den angeführten Gründen war somit spruchgemäß zu entscheiden.

D. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die vom Bundesfinanzgericht hier anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig. Darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie Fragen der Beweiswürdigung ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
-I/08
-F/10
-F/10
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100252.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at