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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.08.2022, RV/5100593/2020

Wiederaufnahme von Amts wegen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Mozartstraße 11 Tür 6, 4020 Linz, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich (vormals des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr ) vom betreffend Wiederaufnahme § 303 BAO / ESt 2012 und Wiederaufnahme § 303 BAO / ESt 2013, Steuernummer ***StNr***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Zur Einkommensteuer 2012 und 2013 ist bereits einmal ein Beschwerdeverfahren beim Bundesfinanzgericht (BFG) anhängig gewesen, in welchem sowohl die Wiederaufnahmebescheide als auch die Einkommensteuerbescheide bekämpft wurden.

Gegenstand des ersten Verfahrens vor dem BFG war unter anderem, dass das Finanzamt eine Schätzung der deutschen Renteneinkünfte der Höhe nach orientiert an den Folgejahren (2014 folgende) für die Jahre Jahren 2012 und 2013 durchgeführt hatte und mittels Wiederaufnahmebescheiden neue Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 unter Berücksichtigung der vom Finanzamt geschätzten deutschen Pensionseinkünfte erlies. Dies erfolgte nach der Ansicht des Finanzamts, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Alters wohl auch 2012 und 2013 eine deutsche Rente bezogen haben müsse. Stichhaltige Beweise für diese Annahmen hatte das Finanzamt nicht vorliegen.

Das BFG verneinte diesfalls das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes (neu hervorgekommene Tatsachen und/oder Beweismittel). Mit Erkenntnis des wurde den Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide stattgegeben, wodurch die ursprünglich erlassenen Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 vom und wieder auflebten. Die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 wurden als gegenstandslos erklärt.

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts verschickte das Finanzamt am ein Auskunftsersuchen an die Deutsche Rentenversicherung ***X***, in welchem um Bekanntgabe der Höhe von allfälligen deutschen Rentenbezügen in den Jahren 2012 und 2013 ersucht wurde. Mit Schreiben vom gab die Deutsche Rentenversicherung ***X*** die entsprechenden Rentenbezüge bekannt.

Aufgrund dieser für die Jahre 2012 und 2013 neu hervorgekommenen Tatsachen, welche die tatsächlich erhaltenen deutschen Rentenbezüge in korrekter Höhe seien, nahm das Finanzamt die Verfahren zur Einkommensteuer 2012 und 2013 am gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf. Das Finanzamt erlies gleichzeitig zu den Wiederaufnahmebescheiden Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013, in denen die deutschen Renteneinkünfte des Beschwerdeführers im Rahmen von Progressionseinkünften Berücksichtigung gefunden haben.

Die Wiederaufnahmebescheide vom betreffend die Einkommensteuer 2012 und 2013 wurden vom Finanzamt wie folgt begründet:
"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO, weil die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen sind auch nicht bloß geringfügig."

Der Einkommensteuerbescheid 2012 vom wurde dabei wie folgt begründet:
"Aufgrund eines Auskunftsersuchens wurde der Abgabenbehörde am von der deutschen Rentenversicherung ***X*** bekanntgegeben, dass Sie im Jahr 2012 deutsche Rentenbezüge in Höhe von Euro 3.487,82 erhalte haben. Diese deutschen Rentenbezüge waren der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides am nicht bekannt. Da diese Bezüge im Veranlagungszeitraum schon existent waren, der Abgabenbehörde ab erst nachträglich bekanntgeworden sind und aus denen sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergibt, liegen die Voraussetzungen (neue Tatsachen bzw. Beweismittel) für eine amtswegige Wiederaufnahme vor."

Der Einkommensteuerbescheid 2013 vom wurde dabei wie folgt begründet:
"Aufgrund eines Auskunftsersuchens wurde der Abgabenbehörde am von der deutschen Rentenversicherung ***X*** bekanntgegeben, dass Sie im Jahr 2013 deutsche Rentenbezüge in Höhe von Euro 4.226,76 erhalte haben. Diese deutschen Rentenbezüge waren der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides am nicht bekannt. Da diese Bezüge im Veranlagungszeitraum schon existent waren, der Abgabenbehörde ab erst nachträglich bekanntgeworden sind und aus denen sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergibt, liegen die Voraussetzungen (neue Tatsachen bzw. Beweismittel) für eine amtswegige Wiederaufnahme vor."

Am brachte der Beschwerdeführer beim Finanzamt Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 2012 und 2013 vom ein.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom und (zugestellt am ) wies das Finanzamt die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 2012 und 2013 vom als unbegründet ab. In der Begründung zur Beschwerdevorentscheidung wurde vom Finanzamt der Gesetzestext des
§ 303 Abs. 1 BAO angeführt. Weiters ist in der Bescheidbegründung ausgeführt worden, dass erst aufgrund eines Auskunftsersuchens der Abgabenbehörde am von der Deutschen Rentenversicherung ***X*** bekanntgegeben worden sei, dass dem Beschwerdeführer im Jahr 2012 und 2013 deutsche Rentenbezüge in exakt bezeichneter Höhe zugeflossen seien. Diese deutschen Rentenbezüge seien der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2012 am und des Einkommensteuerbescheides 2013 am nicht bekannt gewesen. Da diese Bezüge im Veranlagungszeitraum schon existent waren, der Abgabenbehörde ab erst nachträglich bekanntgeworden seien und aus denen sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergebe, lägen die Voraussetzungen (neu hervorgekommene Tatsachen bzw. Beweismittel) für eine amtswegige Wiederaufnahme vor. Das Finanzamt sieht daher einen tauglichen Wiederaufnahmegrund gegeben.
Die Wiederaufnahme sei unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt worden. Im vorliegenden Fall überwiege das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung auf Rechtsbeständigkeit und die steuerlichen Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden.
Zum Beschwerdeeinwand des Vorliegens einer "res iudicata" führte das Finanzamt aus, dass in den bekämpften Wiederaufnahmebescheiden vom Gründe für eine Wiederaufnahme angeführt worden seien, welche im Erstverfahren vom Finanzamt nicht ins Treffen geführt worden seien. Betreffend die in den Wiederaufnahmebescheiden angeführten Gründe für die Wiederaufnahme liege keine "Identität der Sache" vor.

Am beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht und die Aufhebung der bekämpften Wiederaufnahmebescheide.

Das Finanzamt legte die Beschwerden am samt Akt dem Bundesfinanzgericht vor, verwies auf die Begründungen der Beschwerdevorentscheidungen und beantragte im Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Zu den Zeitpunkten als das Finanzamt am den Einkommensteuerbescheid 2012 und den Einkommensteuerbescheid 2013 erlies, war der Behörde nicht bekannt, dass der Beschwerdeführer eine deutsche Rente für diese Jahre bezogen hatte.

Am wurde dem Finanzamt die Tatsache über das Vorliegen deutscher Rentenbezüge lediglich ab dem Jahr 2014 erstmals bekannt. Einen Nachweis über allfällig tatsächlich zugeflossene Bezüge aus einer deutschen Rente und die Höhe dieser Bezüge betreffend die Jahre 2012 und 2013 besaß das Finanzamt nicht. Aus einer Vermutung heraus und ohne einen Nachweis darüber zu haben, nahm das Finanzamt eine Wiederaufnahme der Einkommensteuerbescheide 2013 und 2013 vor und besteuerte deutsche Renteneinkünfte beim Beschwerdeführer im Rahmen einer Schätzung. Im BFG-Erkenntnis vom , RV/5100614/2019 wurden dieser Wiederaufnahmebescheide mangels Vorliegens neu hervorgekommener Tatsachen und/oder Beweismittel aufgehoben.

Der tatsächlich stattgefundene Zufluss und die konkrete Höhe von Rentenbezügen aus der deutschen Pensionsversicherung in den Jahren 2012 und 2013 wurde dem Finanzamt erst mit der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung ***X*** am bekannt.

Mit erfolgte dann die Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 BAO des Einkommensteuerbescheides 2012 vom und des Einkommensteuerbescheides 2013 vom unter Berücksichtigung der deutschen Pensionseinkünfte des Beschwerdeführers im Rahmen eines Progressionsvorbehaltes. In der Begründung zu den Wiederaufnahmebescheiden führte das Finanzamt als neu hervorgekommene Tatsachen bzw. Beweismittel an, dass es erstmals mit der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung ***X*** vom den Nachweis über das Bestehen und die konkrete Höhe der Rentenbezüge erhalten habe und somit die Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren vorliegen würden.

Strittig ist im vorliegenden Fall die vom Finanzamt neuerlich vorgenommene Wiederaufnahme der Verfahren zur Einkommensteuer 2012 und 2013 aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen und/oder Beweismittel iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig und geht aus dem Vorlagebericht des Finanzamts sowie den vorgelegten Akten hervor.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 303 Abs. 1 BAO bestimmt:
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Tatsachen im Sinne des
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht als Begründung für eine Wiederaufnahme von Amts wegen auch aus, wenn im Wiederaufnahmebescheid auf andere Dokumente (etwa auf die Begründung eines anderen Bescheides oder auf Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung, die darüber aufgenommene Niederschrift und den Prüfbericht) verwiesen wird, sofern dem Bescheidadressaten des Wiederaufnahmebescheides der Inhalt des/der verwiesenen Dokumente(s) bekannt ist, und daraus die Wiederaufnahmegründe auch tatsächlich hervorgehen (; ; ; ; ; ; ; , 2006/13/0172; vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 93, Rz 15). Im gegenständlichen Fall wurde in den Wiederaufnahmebescheiden vom auf die gemäß § 307 Abs. 1 BAO verbundenen Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 sowie auf die dort angeführte Begründung auch in Hinblick auf die Wiederaufnahme der Verfahren verwiesen.

Wenn am mit der schriftlichen Auskunft der deutschen Rentenversicherung ***X*** erstmals dem Finanzamt ein Schriftstück bekannt ist, das den Bezug selbst und die exakte Höhe der vom Beschwerdeführer bezogenen deutschen Renten bestätigt, liegt diesbezüglich unzweifelhaft ein neu hervorgekommenes Beweismittel vor, das die neu hervorgekommenen Tatsachen der konkret bezogenen Rentenzahlungen der Jahre 2012 und 2013 auch betragsmäßig eindeutig belegt.

Da die Kenntnis der neu hervorgekommenen Tatsache und des neu hervorgekommenen Beweismittels im Spruch anderslautende Bescheide (hier Einkommensteuerbescheid 2012 vom und Einkommensteuerbescheid 2013 vom ) herbeigeführt hätte, sind die vom Finanzamt mit Wiederaufnahmebescheiden vom für die Einkommensteuer 2012 und 2013 verfügten Wiederaufnahmen zu Recht erfolgt und die Beschwerden waren spruchgemäß abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen gemäß § 303 BAO ist eindeutig und im gegenständlichen Fall wird von dieser nicht abgewichen. Eine Revision ist daher unzulässig.

Linz, am

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