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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.08.2022, RV/7101083/2022

Keine Indexierung des Familienbonus Plus für in der Slowakei wohnende Kinder

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch 1A Steuerberatungs GmbH, Münchner Straße 26, 6130 Schwaz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Recht erkannt:

  1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  1. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) beantragte im Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung 2020 den ganzen Familienbonus Plus für seine beiden in der Slowakischen Republik wohnhaften Söhne (geboren 2010 und 2013). Er beziehe die Familienbeihilfe.

Im Einkommensteuerbescheid für 2020 vom wurde der Familienbonus Plus in Höhe von 1.762,86 Euro berücksichtigt.

In der Beschwerde vom wiederholte der Bf sein Begehren auf Anerkennung des ganzen Familienbonus Plus, wie für in Österreich wohnende Kinder. Die Indexierung sei mit dem geltenden EU-Recht nicht vereinbar. Nach der VO 883/2004 Art. 67 bestehe ein Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. In dieser Sache sei ein EuGH-Verfahren anhängig.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gemäß § 260 BAO zurück, da die Beschwerdefrist bereits abgelaufen sei.

Der Bf führte im Vorlageantrag vom aus, dass der Familienbonus Plus für die zwei minderjährigen Kinder gekürzt worden sei, da diese in der Slowakei wohnen. Er beantrage den ganzen Familienbonus Plus.

Das Finanzamt habe im Zurückweisungsbescheid nicht auf § 108 Abs. 3 BAO Rücksicht genommen. Der Bescheid sei zusätzlich mit einer Rechtswidrigkeit behaftet, da die Beschwerde gemäß § 262 Abs. 3 BAO dem Bundesfinanzgericht unverzüglich vorzulegen gewesen wäre.

Das Finanzamt legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom räumte das Bundesfinanzgericht der Amtspartei Gelegenheit zur Stellungnahme zu der EuGH-Entscheidung vom , C-328/20, ein, in deren Folge die in § 33 Abs. 3a Z 4 EStG 1988 vorgesehene Indexierung des Familienbonus Plus und die Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung nicht mehr anzuwenden seien.

Der Vertreter des Finanzamtes gab am bekannt, von einer Stellungnahme Abstand zu nehmen.

Der steuerliche Vertreter zog mit Schreiben vom den Antrag auf die mündliche Verhandlung vor dem Senat zurück.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2020 vom wurde an diesem Tag elektronisch über FinanzOnline zugestellt. Die Beschwerde langte auf elektronischem Weg am Montag, beim Finanzamt ein. Das Finanzamt hat die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als verspätet zurückgewiesen.

Die beiden Kinder des Bf (geboren 2010 und 2013) sind in der Slowakei wohnhaft. Der Bf war im Jahr 2020 in Österreich beschäftigt und bezog Familienbeihilfe bzw Differenzzahlung. Der Bf beantragte für 2020 den ganzen Familienbonus Plus. Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid wurde aufgrund des ständigen Aufenthaltes der Kinder in einem anderen Mitgliedstaat der EU ein an das Preisniveau angepasster Betrag als Familienbonus Plus in Höhe von lediglich 1.762,86 Euro berücksichtigt.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt entspricht der Aktenlage und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

3.1.1. Rechtzeitigkeit der Beschwerde

Die Beschwerdefrist beträgt nach § 245 Abs. 1 BAO einen Monat.

Gemäß § 108 Abs. 3 BAO werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

Die einmonatige Beschwerdefrist wurde im vorliegenden Fall durch die elektronische Zustellung des Bescheides am ausgelöst und endete gemäß § 108 Abs. 3 BAO mit Ablauf des (Montag), da das Ende der Frist auf Samstag, gefallen wäre. Die am eingebrachte Beschwerde erweist sich daher als rechtzeitig.

Es hätte daher durch die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung keine Zurückweisung wegen Verspätung erfolgen dürfen. Dies hat die Amtspartei bereits im Vorlagebericht an das Bundesfinanzgericht eingeräumt.

3.1.2. Indexierung des Familienbonus Plus

§ 33 Abs. 3a EStG 1988 idF vor BGBl I Nr. 135/2022 bestimmt bezüglich des Familienbonus Plus:

"(3a) Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
1. Der Familienbonus Plus beträgt
a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,
...
2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
a) Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
b) Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.
3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
b) ...
"

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in der über eine Vertragsverletzungsklage der Europäischen Kommission nach Art. 258 AEUV gegen die Republik Österreich in Ziffer 2 seines Urteilstenors ausgesprochen (), dass die Republik Österreich durch die Einführung eines Anpassungsmechanismus in § 33 EStG in Bezug auf den Familienbonus Plus für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 492/2011 verstoßen hat.

Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass dem Bf der Familienbonus Plus für das Jahr 2020 für seine beiden in der Slowakei wohnenden Kinder dem Grunde nach zusteht.

Zur Höhe des Familienbonus Plus ist festzustellen, dass die in § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 vorgesehene Indexierung bzw Anpassung des Familienbonus Plus an das Preisniveau des Wohnortes des Kindes aufgrund des , ebenso wie die Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung nicht mehr anzuwenden ist, da die Anpassung des Familienbonus Plus gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstößt (siehe dazu auch ).

In der Folge wurde § 33 Abs. 3a EStG 1988 mit BGBl I Nr. 135/2022 u.a. dahingehend geändert, dass in Abs. 3a die Ziffer 2 entfällt, wobei die neue Fassung für Kinder, die sich ständig (u.a.) in der Slowakei aufhalten, rückwirkend ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2019 anzuwenden ist. Die Änderung des § 33 EStG 1988 mit BGBl. Nr. 135/2022 stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar (§ 124b Z 410 lit a EStG 1988).

Der Familienbonus Plus ist daher ungekürzt gemäß § 33 Abs. 3a Z 1 EStG 1988 mit 3.000 Euro für zwei Kinder (125 Euro x 12 Monate x 2) bei der Berechnung der Einkommensteuer 2020 zu berücksichtigen.

3.1.3. Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung

§ 262 BAO bestimmt:
"(3) Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen."

Wird ein Verstoß gegen Unionsrecht behauptet, liegt kein Fall des § 262 Abs 3 BAO vor, da Unionsrecht auch unmittelbar von der Abgabenbehörde anzuwenden ist (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren, § 262 Rz 13).

Der Bf beruft sich im Rechtsmittelverfahren auf die Unionsrechtswidrigkeit der Indexierung des Familienbonus Plus. Der Vorwurf, dass die Beschwerde gemäß § 262 Abs. 3 BAO dem Bundesfinanzgericht unverzüglich ohne Beschwerdevorentscheidung vorzulegen gewesen wäre, trifft daher nicht zu. Die Abgabenbehörde hat zu Recht eine Beschwerdevorentscheidung erlassen.

3.1.4. Berechnung der Einkommensteuer 2020


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Gesamtbetrag der Einkünfte lt. Bescheid
20.546,77
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00
Einkommen lt. Bescheid
20.486,77
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge lt. Bescheid
2.270,37
Familienbonus Plus NEU
-3.000,00
Verkehrsabsetzbetrag
-467,55
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
-1.197,18
Anrechenbare Lohnsteuer
-2.264,69
Rundung
-0,13
Festgesetzte Einkommensteuer
-3.462,00

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Lösung der Rechtsfrage ergibt sich vielmehr direkt aus den gesetzlichen Bestimmungen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 Abs. 3a Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 262 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101083.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at