Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.08.2022, RV/7102283/2022

Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für das Kind ***1*** im Zeitraum vom bis zum bzw. verbunden damit die Rückforderung der aus Kinderstaffel resultierenden anteiligen Familienbeihilfe für die Kinder ***6*** sowie ***7*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Rückforderungsbescheid vom

Das Finanzamt erließ am einen Bescheid vermittels dessen von der Bf. Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kind ***2*** sowie die aus der Kinderstaffel resultierende anteilige Familienbeihilfe für die Kinder ***8*** und ***9*** als im Zeitraum vom bis zum zu Unrecht bezogen rückgefordert wurde. Hierbei wurde begründend nachstehendes ausgeführt:

Zu ***4***:

Sie haben für mehr als ein Kind Familienbeihilfe bezogen. Im Rückforderungsbetrag ist die anteilige Geschwisterstaffel für sämtliche Kinder enthalten, für die Sie im Rückforderungszeitraum zu Unrecht Familienbeihilfe erhalten haben (§ 8 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Zu ***3***:

Sie haben für mehr als ein Kind Familienbeihilfe bezogen. Im Rückforderungsbetrag ist die anteilige Geschwisterstaffel für sämtliche Kinder enthalten, für die Sie im Rückforderungszeitraum zu Unrecht Familienbeihilfe erhalten haben (§ 8 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Zu ***5***:

Familienbeihilfe steht bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu. Wann gilt die Ausbildung als ernsthaft und zielstrebig?

• Das Kind verwendet die volle Zeit dafür

• Das Kind tritt in angemessener Zeit zu Prüfungen an

Bei Ihrem Kind trifft das nicht zu.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Bei Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.

Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.

Ziel einer Berufsausbildung ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Nach ständiger Judikatur des VwGH ist das Ablegen

vorgesehener Prüfungen ein essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Demnach reicht der laufende Besuch einer Universität für sich allein nicht aus, um eine Berufsausbildung anzunehmen. Entscheidend ist vielmehr das nach außen erkennbare ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang bzw. Studienabschluss.

Als Zeiten der Berufsausbildung können daher nur solche Zeiten gelten, in denen aus den objektiv erkennbaren Umständen darauf geschlossen werden kann, dass eine Ausbildung für

den Beruf auch tatsächlich erfolgt ist.

Die Zulassung an einer Universität (Hochschule) bzw. die Bestätigung über die Fortsetzung des Studiums ist als reiner Formalakt allerdings nicht geeignet eine Berufsausbildung nachzuweisen und somit den Anspruch auf Familienbeihilfe zu begründen.

Laut übermittelten Studiendaten hat Ihr Sohn ***2*** sowohl im Sommersemester 2019 als auch im Wintersemester 2019/20 keine Prüfungen abgelegt und somit das Studium nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben.

Die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe sind somit nicht gegeben. Die bereits ausbezahlten Beträge sind daher rückzufordern."

Beschwerde vom

Mit Eingabe vom erhob die Bf. gegen den Rückforderungsbescheid Beschwerde und führte hierbei begründend aus, dass - so wie aus der Beilage betreffend die mit datierten Bestätigung des Studienerfolgs ersichtlich -, ihr Sohn im Sommersemester 2019 die Prüfung Risikomanagement im Finanz- und Versicherungswesen (6 ECTS- Punkte) erfolgreich absolviert habe, bzw. im Wintersemester 2019/20 eine 3 ECTS- umfassende Seminararbeit (Finanz- und Versicherungsmathematik) erstellt, respektive schlussendlich nämliches Seminar mit Seminararbeit am erfolgreich absolviert habe. Darüber hinaus habe ***2*** - laut den nachgereichten Mitschriften - in diesem Zeitraum die Lehrveranstaltungen "Lebensversicherungsmathematik" und "Analysis" besucht.

Vorhalt vom

Mit Vorhalt vom wurde die Bf. ersucht der belangten Behörde ein -gegebenenfalls auch negative Prüfungen umfassendes - Sammelzeugnis für das Kind ***2*** nachzureichen.

Vorhaltsbeantwortung vom

In Beantwortung des Vorhaltes reichte die Bf. am eine Bestätigung des Studienerfolgs in der Studienrichtung Bachelorstudium Finanz- und Versicherungsmathematik nach, welche - rein bezogen auf den Rückforderungszeitraum - 2 positiv absolvierte, ein Gesamtausmaß von 9 ECTS- Punkte umfassende Lehrveranstaltungen des Kindes ***2*** widerspiegelt.

Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom

Mit BVE vom wurde das Rechtsmittel der Bf. abgewiesen, wobei die belangte Behörde in der Begründung nachstehendes ausführte:

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Bei Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.

Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.

Ziel einer Berufsausbildung ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Nach ständiger Judikatur des VwGH ist das Ablegen vorgesehener Prüfungen ein essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Demnach reicht der laufende Besuch einer Universität für sich allein nicht aus, um eine Berufsausbildung anzunehmen. Entscheidend ist vielmehr das nach außen erkennbare ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang bzw. Studienabschluss.

Als Zeiten der Berufsausbildung können daher nur solche Zeiten gelten, in denen aus den objektiv erkennbaren Umständen darauf geschlossen werden kann, dass eine Ausbildung für den Beruf auch tatsächlich erfolgt ist.

Richtwert für den Bezug der Familienbeihilfe sind die Erreichung von 16 ECTS pro Studienjahr.

Im Studienjahr 2018/19 wurden lediglich Prüfungen im Umfang von 12 ECTS und im Studienjahr 2019/20 von 3 ECTS absolviert. Erst im Studienjahr 2020/21 wurden Prüfungen im Umfang von 18,5 ECTS abgelegt und somit der Richtwert von 16 ECTS pro Studienjahr erreicht.

Für den im Beschwerdeverfahren abzusprechenden Zeitraum besteht mangels Vorliegen einer ernsthaften und zielstrebigen Berufsausbildung kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Ab Oktober 2020 kann die Familienbeihilfe wieder beantragt werden.

Die Beschwerde war aus oben angeführten Gründen abzuweisen."

Vorlageantrag vom

Am langte beim Finanzamt ein Vorlageantrag nachstehenden Inhalts ein:

1. Bisheriger Verfahrensgang

Mit dem Rückforderungsbescheid des Finanzamtes vom wurde die Familienbeihilfe inklusive Kinderabsetzbetrag für meinen Sohn ***2*** und die anteilige Geschwisterstaffel für meine anderen Kinder ***10*** und ***9*** zurückgefordert. Es wurden die Familienbeihilfe, der Kinderabsetzbetrag und die Geschwisterstaffel von März 2019 bis inklusive Mai 2020 (somit 15 Monate) in der Höhe von insgesamt 3.922,50 Euro zurückgefordert (Beilage 1: Rückforderungsbescheid vom 22.09-2021).

Begründet wird die Rückforderung im Bescheid damit, dass mein Sohn ***2*** im Sommersemester 2019 und im Wintersemester 2019 nicht ernsthaft und zielstrebig studiert haben soll: "Laut übermittelten Studiendaten hat Ihr Sohn ***2*** sowohl im Sommersemester 2019 als auch im Wintersemester 2019/20 keine Prüfungen abgelegt und somit das Studium nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben.

Dagegen erhob ich rechtzeitig mit Bescheidbeschwerde (Beilage 2: Bescheidbeschwerde vom ), begründete das Vorliegen eines ernsthaften und zielstrebigen Studiums und legte Zeugnisse, Bestätigungen und Mitschriften vor.

Nun wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom ablehnend über meine Bescheidbeschwerde entscheiden. Begründet wird die Ablehnung in der Beschwerdevorentscheidung folgendermaßen: ,Ais Zeiten der Berufsausbildung können daher nur solche Zeiten gelten, in denen aus den objektiv erkennbaren Umständen darauf geschlossen werden kann, dass eine Ausbildung für den Beruf auch tatsächlich erfolgt ist Richtwert für den Bezug der Familienbeihilfe sind die Erreichung von 16 ECTS pro Studienjahr.

Im Studienjahr 2018/19 wurden lediglich Prüfungen im Umfang von 12 ECTS und im Studienjahr 2019/20 von 3 ECTS absolviert. Erst im Studienjahr 2020/21 wurden Prüfungen im Umfang von 18,5 ECTS abgelegt und somit der Richtwert von 16 ECTS pro Studienjahr erreicht.

Für den im Beschwerdeverfahren abzusprechenden Zeitraum besteht mangels Vorliegen einer ernsthaften und zielstrebigen Berufsausbildung kein Anspruch auf Familienbeihilfe."

Die erneute Ablehnung der Aufhebung der Rückforderung ist unrichtig und unrechtmäßig. Darüber hinaus ist die Begründung in mehrfacher Hinsicht falsch. Daher erhebe ich nun in offener Frist das Rechtsmittel des Vorlageantrages (Beilage 3: Zustellnachweis vom betreffend Vorlageantrag)

2. Sachverhalt

***2*** begann im Wintersemester 2016 das Bachelorstudium Technische Mathematik und studierte dieses für zwei Semester als Hauptstudium. In diesem Jahr erzielte er 32 ECTS-Punkte und 21 Semesterwochenstunden.

Mit Wintersemester 2017 wechselte er rechtzeitig und zulässig auf das neue Hauptstudium Bachelor Finanz- und Versicherungsmathematik, in diesem Studium befindet er sich mit aktuellen Sommersemester 2022 somit im 10. Semester. Sein Studium betrieb er durchgehend aktiv, ernsthaft und zielstrebig. Daher stellt sich die Rückforderung von März 2019 bis inklusive Mai 2020 als unrechtmäßig heraus.

Mein Sohn befindet sich erst seit Sommersemester 2022 (seit März 2022) außerhalb der Anspruchsdauer auf Familienbeihilfe, weshalb erst ab diesem Zeitpunkt kein Anspruch mehr besteht.

Mir wurde aber seit Juni 2020 keine Beihilfe mehr für ihn ausbezahlt Daher werde ich diesen Anspruch in einem eigenen Antrag geltend machen.

Zum ernsthaften und zielstrebigen Studium von ***2*** [unter anderem im Zeitraum März 2019 bis inklusive Mai 2020 möchte ich wie folgt ausführen:

1. Studienjahr (Wintersemester 2017 und Sommersemester 2018): Im Wintersemester 2017 erzielte ***2*** 7,5 ECTS und 5 Semesterwochenstunden. Im Sommersemester 2018 erzielte er 9,5 ECT5 und 6 Semesterwochenstunden. Im 1. Studienjahr absolvierte er somit 17 ECTS-Punkte und 11 Semesterwochenstunden positiv.

2. Studienjahr (Wintersemester 2018 und Sommersemester 2019): Im Wintersemester 2018 erzielte ***2*** 6 ECTS und 4 Semesterwochenstunden. Im Sommersemester 2019 erzielte er ebenfalls 6 ECTS und 4 Semesterwochenstunden. Im 2. Studienjahr absolvierte er somit 12 ECTS-Punkte und 8 Semesterwochenstunden positiv.

3. Studienjahr (Wintersemester 2019 und Sommersemester 2020; Im Wintersemester 2019 besuchte er regelmäßig die Lehrveranstaltungen "VO Lebensversicherungsmathematik" und "VO Analysis 3". In diesen Fächern bereitete er sich auf die anstehenden Prüfungen vor, fertigte Mitschriften an und lernte im Heimstudium. Da die Prüfungen aus diesen beiden Fächern sehr anspruchsvoll sind, traute sich ***2*** nicht zu in diesem Studienjahr schon zu den Prüfungen anzutreten. Er wollte keinen Antritt verschwenden (Exkurs: Im aktuellen Sommersemester 2022 plant er zu beiden Prüfungen anzutreten).

Darüber hinaus schrieb er im Wintersemester 2019 auch an seiner Seminararbeit aus der Lehrveranstaltung "Seminar mit Seminararbeit - Finanz- und Versicherungsmathematik" und schloss diese positiv mit 3 ECTS-Punkten und 2 Semesterwochenstunden ab. Die Abgabe der Seminararbeit erfolgte Ende Februar 2020, die Beurteilung am .

Im Sommersemester 2020 konnte aufgrund der besonderen Situation an der Hochschule zum Zeitpunkt des Coronapandemie-umbruchs keine Punkte erzielen. Dies darf jedoch nicht nachteilig berücksichtigt werden (Beilage 4: Sammelzeugnis: Beilage 5: Skripten. Mitschriften, sonstige Zeugnisse).

4. Studienjahr (Wintersemester 2020 und Sommersemester 2021): Im Wintersemester 2020 erzielte ***2*** 3 ECTS und 2 Semesterwochenstunden, Im Sommersemester 2021 erzielte er sogar 16,5 ECTS und 8,5 Semesterwochenstunden. Im 4. Studienjahr absolvierte er somit 19,5 ECTS-Punkte und 10,5 Semesterwochenstunden positiv.

5. Wintersemester 2021: Im Wintersemester 2021 erzielte er weitere 7 ECTS und 5 Semesterwochenstunden.

3. Inhaltliche Begründung derRechtswidrigkeit

Wie zuvor dargestellt, ist ***2*** ein zielstrebiger und bemühter Student, der regelmäßig Lehrveranstaltungen besuchte, wissenschaftliche Arbeiten und Mitschriften anfertigte, sich im stetigen Heimstudium auf Prüfungen vorbereitete und auch zu Prüfungen antrat. Die Tatsache, dass er erst dann zu Prüfungen antritt, wenn er ausreichend vorbereitet ist, kann ihm nicht zum Nachteil ausgelegt werden. Bei der Prüfung der Ernsthaftigkeit und der Zielstrebigkeit des Studierens sind mehrere Aspekte zu berücksichtigen, insbesondere nicht ausschließlich die durch positive Prüfungen erzielten Punkte. Zu dieser Thematik liegt bereits einiges an zu beachtender Judikatur vor.

Dass der Prüfungserfolg alleine für die Zielstrebigkeit und Ernsthaftigkeit des Studiums nicht maßgeblich ist, hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bereits wiederholt ausgesprochen (siehe sowie ).

Der Unabhängige Finanzsenat Graz hat in seiner Entscheidung vom zur Zahl RV/0129-G/07 ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium auch in einem Fall angenommen, in dem keinerlei Prüfungsantritt absolviert wurde.

Auch das Bundesfinanzgericht geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium grundsätzlich auch ohne Absolvierung von Prüfungen möglich ist (siehe }.

§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) sieht einen Nachweis von 16-ECT5 Punkten bzw. 8 Semesterwochenstunden aus dem 1. Studienjahr vor, um danach weiterhin Familienbeihilfe beziehen zu können. Mein Sohn erzielte im 1. Studienjahr 17 ECTS und 11 Semesterwochenstunden und übererfüllte diesen Nachweis. Auch im 2. Studienjahr erreichte er ebenfalls den vollen Nachweis mit insgesamt 8 Semesterwochenstunden (in der Beschwerdevorentscheidung vom werden ausschließlich die 12 ECTS angeführt, jedoch verabsäumt die Behörde die erreichten Semesterwochenstunden als gleichwertig zu berücksichtigen). Im 3. Studienjahr bracht die Corona Pandemie aus, weshalb ein geringerer Nachweis gemäß § 2 Abs. 9 lit. b FLAG zulässig ist. Auch die Anspruchsdauer ist aufgrund dessen um ein Semester zu verlängern, da das Sommersemester 2020 als "neutral" zu betrachten ist (die Behörde fordert bis inklusive Mai 2020 zurück und lässt die Bestimmungen in Bezug auf Covid-13 außer Acht). Im 4. Studienjahr liegen erneut 19,5 ECTS-Punkte und 10,5 Semesterwochenstunden vor (nicht wie fälschlich in der Beschwerdevorentscheidung vom ausgeführt 18,5 ECTS). Im letzten Anspruchssemester (aufgrund von Covid-19 ist ein zusätzliches 9. Anspruchssemester zu gewähren), dem Wintersemester 2021, liegen 7 ECTS-Punkte und 5 Semesterwochenstunden vor.

Es liegt somit durchgehend ein ordnungsgemäßer Leistungsnachweis und ganz klar ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium vor, weshalb die komplette Rückforderung von März 2019 bis inklusive Mai 2020 (samt Abzug der Geschwisterstaffel und der vorgenommenen Aufrechnung mit fälligen Beträgen) rechtswidrig ist.

Bei weiteren Fragen zur Sache stehe ich gerne weiterhin zur Verfügung.

Abschließend stelle ich daher die

4. Anträge:

- Den angefochtenen Rückforderungsbescheid (Beschwerdevorentscheidung) wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben und mir die bereits aufgerechneten Beträge zurück zu überweisen.

Keine Anrechnung des Rückforderungsbetrages auf fällige Familienbeihilfen- bzw. Kinderabsetzbeträge mehr vorzunehmen.

- Falls nicht alle zu meinen Lasten gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid im Vorlageantrag geltend gemacht wurden, diese amtswegig aufzugreifen bzw. allenfalls mir einen Verbesserungsauftrag zu erteilen.

- Darüber hinaus stelle ich gemäß § 212a BAO den Antrag, von der Einhebung des in Streit stehenden Betrages bis zur Erledigung des Vorlageantrages abzusehen."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

In der Folge legte das BFG dem Erkenntnis nachstehenden, auf der Aktenlagen sowie dem Parteienvorbringen basierenden Sachverhalt zu Grunde:

Der Sohn der Bf. begann mit Wintersemester 2017/2018 das Bachelorstudium Technische Mathematik an der TU Wien.

In diesem Studium wurden im Wintersemester 2017/18 20,5 ECTS, im Sommersemester 2018 9 ECTS und im Wintersemester 2017/18 2,5 ECTS erreicht. Mit ist die Zulassung zu diesem Studium erloschen.

Im Wintersemester 2017/2018 war der Sohn der Bf. ab im Bachelorstudium Finanz- und Versicherungsmathematik, ebenfalls an der TU Wien inskribiert. Lt. Studienerfolgsnachweis wurden im Wintersemester 2017/18 bereits Prüfungen im Ausmaß von 7,5 ECTS-Punkten abgelegt.

Weiters wurden in diesem Studium Prüfungen wie folgt abgelegt:

- Sommersemester 2018: 9,5 ECTS

- Wintersemester 2018/19: 6 ECTS

- Sommersemester 2019: 6 ECTS

- Wintersemester 2019/20: keine Prüfungen

- Sommersemester 2020: 3 ECTS (= Covid-Semester)

- Wintersemester 2020/2021: 3 ECTS

- Sommersemester 2021: 15,5 ECTS

Zu beachten ist, dass der Sohn der Bf. im, das Wintersemester 2018/2019 sowie das Sommersemester 2019 umfassenden 2. Studienjahr Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 12 ECTS- Punkten positiv absolviert hat, im Studienerfolgsnachweis der TU- Wien vom nämliche Lehrveranstaltungen jedoch dem Umfang von 8. Semesterwochenstunden entsprechen.

2. Streitgegenstand

Vor dem unter Punkt 1 festgestellten Sachverhalt steht die die Rechtsmäßigkeit der Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kind ***2*** bzw. verbunden damit die aus den Erhöhungsbeträgen gemäß § 8 Abs. 3 Z 3 lit. b FLAG erfolgte Rückforderung der Familienbeihilfe für die Kinder ***8*** sowie ***9*** auf dem Prüfstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

3. Rechtliche Würdigung

3.2. Anspruch der Bf. auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kind ***2*** im Zeitraum vom bis zum

3.2.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß."

3.2.2. Vorliegen einesgünstigen Studienerfolgs ab dem zweiten Studienjahr bzw. für Folgejahre

Der VwGH führt im Erkenntnis vom , Ro 2015/16/0033 aus, dass auf Grund der gesetzlichen Regelung, wann ein Studienerfolg vorliegt, er seine bis dahin vertretene Rechtsprechung, wonach Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG sei, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehöre regelmäßig auch der Nachweis einer ernstlichen Bemühung um diese Qualifikation. Das Ablegen vorgesehener Prüfungen sei essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Zudem reiche der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung für sich allein noch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Hinzu müsse vielmehr das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg treten, das sich im Antreten zu den erforderlichen (Vor-)Prüfungen zu manifestieren habe. Zwar sei nicht der Prüfungserfolg ausschlaggebend. Das anspruchsvermittelnde Kind müsse aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 90/13/0241) nur mehr in jenen Fällen anwende, die außerhalb einer in § 3 StudFördG genannten Einrichtungen angesiedelt seien (vgl. z.B. bezügl. des Besuches eines psychotherapeutischen Propädeutikums).

Hierbei lauten die Entscheidungsgründe des Höchstgerichts wie folgt:

"Der Gesetzgeber hat mit der Änderung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 311/1992 ersichtlich der sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den Bereich der Einrichtungen nach § 3 des Studienförderungsgesetzes ergebenden Schwierigkeit der Beurteilung begegnen wollen, ob ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dabei wurde der Tatbestand, "Kinder, die (...) für einen Beruf ausgebildet werden", nicht geändert. Der Gesetzgeber hat jedoch die von der Rechtsprechung geforderte zusätzliche Voraussetzung (arg.: "nur dann anzunehmen, wenn") in den Gesetzestext aufgenommen und für den Besuch der in § 3 des Studienförderungsgesetzeses genannten Einrichtungen Kriterien festgelegt, wann ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Diese Kriterien betrafen den Studienerfolg. Die Regierungsvorlage nannte hiezu lediglich Studiennachweise, was allerdings eine ex post-Betrachtung nahegelegt hätte. Der beschlossene Gesetzestext indes legte den bisherigen Studienerfolg als (zusätzliche) Voraussetzung für den Anspruch ab dem zweiten und den folgenden Studienjahren fest und ermöglichte eine (im Familienbeihilfenrecht grundsätzlich anzustellende - vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2010/16/0084, VwSlg 8752 F/2012 - ex-ante-Prüfung. Für das erste Studienjahr wäre bei einer solchen ex-ante-Prüfung ein Studienerfolgsnachweis nicht möglich. Dem wurde durch den Satz "Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr." Rechnung getragen."

Zurückkehrend zu den Ausführungen unter Punkt 1 bzw. unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Bf. im Vorlageantrag hat der Sohn der Bf. im - das Wintersemester 2018/2019 sowie das Sommersemester 2019 umfassenden zweiten Studienjahr nachweislich Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 8 Semesterwochenstunden positiv absolviert.

In Ansehung des an oberer Stelle angeführten Höchstgerichtserkenntnis sowie der Textierung des 12. und 13. Satzes in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht somit - ob nachgewiesenem Studienerfolg im zweiten Studienjahr Anspruch der Bf. auf Familienbeihilfe für das mit Oktober 2019 beginnende und am endende dritte Studienjahr.

3.2.3. Beurteilung der Rechtsmäßigkeit der Rückforderungder Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum vom bis zum

Bezogen auf den auf den auf bis lautenden Rückforderungszeitraum bedeuten die Ausführungen unter Punkt 3.2.2. nachstehendes:

3.2.3.1. Rückforderung vom bis zum

Angesichts der Tatsache, dass der Sohn der Bf. im das Wintersemester 2017/2018 sowie das Sommersemester 2018 umfassenden ersten Studienjahr der Studienrichtung Finanz- und Versicherungsmathematik nachweislich Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 17 ECTS- Punkten positiv absolviert hat, obwalten nach Ansicht des BFG an der Anspruchsberechtigung der Bf. auf Familienbeihilfe für das den Zeitraum vom bis zum umfassende zweite Studienjahr keine Zweifel.

Demzufolge erfolgte - betreffend obigen Zeitraum - die Rückforderung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge für das Kind ***2*** sowie die aus der Anpassung der Kinderstaffel herrührende Rückforderung der Familienbeihilfe für die Kinder ***8*** und ***9*** zu Unrecht.

3.2.3.2. Rückforderung vom bis zum

Angesichts der Tatsache, dass der Sohn der Bf. im das Wintersemester 2018/2019 sowie das Sommersemester 2019 umfassenden zweiten Studienjahr der Studienrichtung Finanz- und Versicherungsmathematik nachweislich Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 8 Semesterwochenstunden positiv absolviert hat, obwalten nach Ansicht des BFG an der Anspruchsberechtigung der Bf. auf Familienbeihilfe für das den Zeitraum vom bis zum umfassenden dritten Studienjahr keine Zweifel.

Demzufolge erfolgte - betreffend obigen Zeitraum - die Rückforderung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge für das Kind ***2*** sowie die aus der Anpassung der Kinderstaffel herrührende Rückforderung der Familienbeihilfe für die Kinder ***8*** und ***9*** zu Unrecht.

Zusammenfassend war daher wie im Spruch zu befinden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor, da die Anspruchsberechtigung der Bf. direkt auf der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b Satz 12 und 13 FLAG 1967 basiert und auch nicht von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102283.2022

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