Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.09.2022, RV/3100240/2022

Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe: Kein Anspruch bei Entzug der Obsorge samt Fremdunterbringung sowie Eigenanspruch des Kindes gem. § 6 Abs. 5 FLAG

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/16/0114. Zurückweisung mit Beschluss v. .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff xx1, betreffend Abweisung des Antrages v. auf erhöhte Familienbeihilfe zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf:

1. Mit Schreiben vom hat Herr ***Bf1*** (= Beschwerdeführer, Bf) einen "Antrag auf Überprüfung der erhöhten Familienbeihilfe zu Gunsten unserer mj. Tochter" - di. A, geb. 03/2006 - gestellt. Laut neurologischem Befund vom sei bei der Tochter ein Tourette-Syndrom mäßigen Grades diagnostiziert worden. Es werde um Feststellung des Grades der Behinderung durch das Sozialministeriumservice ersucht.
Daneben führt der Bf ua. aus, die Tochter sei bei stationären Aufenthalten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie wie auch in einer Wohngemeinschaft in Ort1 mehrfach physischer, psychischer und emotionaler Gewalt ausgesetzt gewesen, sei gesetzwidrig ihrer Freiheit beraubt worden und sei deswegen eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft erfolgt, wozu verschiedene Unterlagen beigelegt wurden (Beschluss BG Ort2, neurolog. Befund, E-mails der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Strafanzeige, Schreiben BG Ort3).

2. Das Finanzamt hat mit Bescheid vom , Ordnungsbegriff xx1, den Antrag des Bf auf erhöhte Familienbeihilfe für die mj. Tochter A für den Zeitraum ab Feber 2018 abgewiesen.
Begründend wird ausgeführt, dass die mj. Tochter einen Eigenanspruch habe und die Familienbeihilfe nach § 10 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., nur einmal pro Monat zustehe. Der Antrag sei daher aufgrund mangelnder Antragslegitimation des Bf abzuweisen.

3. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird im Wesentlichen eingewendet, seit August 2021 sei der Bezug der Familienbeihilfe (FB) und des Kinderabsetzbetrages (KG) gegenüber den leiblichen Eltern widerrechtlich eingestellt worden. Es seien dem Bf Informationen vorenthalten und sei verschiedenen Eingaben nicht nachgekommen worden, sondern habe man ohne nachvollziehbare Begründung zugunsten der kriminellen Täter der Jugendwohlfahrtsbehörde, der unzuständigen Kinder- und Jugendhilfe der Bezirkshauptmannschaft (BH) Ort2, der Kinder- und Jugendpsychiatrie und des unzuständigen Bezirksgerichtes entschieden.
Nach weitwendigen Vorwürfen gegenüber den genannten Behörden und Gerichten begehrt der Bf, ua. wegen mehrfacher Verletzung der Rechtsstaatlichkeit und wg. Parteilichkeit der Finanzbehörden, den sofortigen Schutz vor weiteren behördlichen Übergriffen, die man bislang versucht habe zu vertuschen. Die sofortige Bearbeitung aller Eingaben und umgehende Nach- und Fortzahlung der FB und des KG werde daher beantragt.

4. Mit der mehrteiligen Beschwerde wurden - teils mehrfach - folgende Unterlagen vorgelegt:

- eine "Bestätigung über den Bezug von Familienbeihilfe" v. , Ordnungsbegriff
xx2, an Frau B (= Kindesmutter/KM), woraus hervorgeht,
dass diese für die mj. Tochter A von 01/2014 bis 07/2018 die Familienbeihilfe
bezogen hat;

- eine "Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe" des Finanzamtes v. ,
SV-Nr. xx3, an die mj. Tochter A dahin, dass nach Überprüfung deren
(Eigen)Anspruches auf FB ihr die FB sowie der Kinderabsetzbetrag ab August 2018
gewährt werden;

- mehrfache Anfragen des Bf v. 4.9., 5.9., 1.10. und ua. zum Verfahrensstand;

- Anfrage um Stellungnahme zur erhöhten FB für die mj. Tochter v. samt
Antwort-E-Mail v. , worin die Finanzbehörde ua. auf den Bezug der
FB seitens des Obsorgeträgers der Tochter hinweist;

- Ansuchen um sofortige Akteneinschau v. 21. und

- verschiedene Aktenstücke zu FB-Verfahren vorangegangener Jahre (Ansuchen auf
erhöhte FB v. ; Ergänzungsersuchen des FA aus 05/2019; Antrag der KM auf
Aufhebung und Wiederaufnahme betr. Rückforderungsbescheid v. ;
Beschwerde wg. Nichtbearbeitung aus 04/2020; Auskunftsersuchen des Bf und
der KM B v. );

- die Ausfertigung einer umfangreichen Beschwerde iSd Art 13 EMRK gegen einen
Bescheid der Kinder- und Jugendhilfe der BH Ort2 v., gerichtet an
das Amt der XY;

- die Ausfertigung einer umfassenden Beschwerde des Bf v. gegen einen
Bescheid der Datenschutzbehörde/Ort4 v. .

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde gegenständliche Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen. Nach Darlegung der Bestimmungen nach § 6 Abs. 5 und § 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967 ua. zum Eigenanspruch auf FB führt das Finanzamt begründend aus:

" … Das Bezirksgericht Ort2 hat mit Beschluss vom die Bezirkshauptmannschaft Ort2, Kinder- und Jugendhilfe, mit der Obsorge Ihrer Tochter A betraut. Ihre Tochter ist im X-Heim in Ort1 untergebracht. Die Voraussetzungen für einen Eigenantrag Ihrer Tochter gem. § 6 Abs. 5 FLAG sind somit erfüllt und die Familienbeihilfe wurde ihr zurecht zuerkannt.
Die Abgabenbehörde ist weder ermächtigt noch zuständig darüber zu entscheiden, ob sich Ihre Tochter rechtmäßig in der Obsorge der BH
Ort2 befindet, noch ob irgendwelche kriminelle Handlungen seitens der BH Ort2, der Pflegepersonen in der Psychiatrie Ort5 oder der Betreuer*innen des X-Heim Ort1 vorliegen. Die Beurteilung sämtlicher Anschuldigungen obliegt anderen Behörden. Die Abgabenbehörde hat lediglich die Anspruchsvoraussetzungen gem. §§ 2 ff FLAG 1967 für die Zuerkennung der Familienbeihilfe zu beurteilen und dem ist die Abgabenbehörde im gegenständlichen Fall auch nachgekommen.
Mangels Legitimation Ihrerseits, einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe als auch einer allfälligen erhöhten Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung stellen zu können, war spruchgemäß zu entscheiden. …"
Abschließend wird noch zur Mutwillensstrafe gem. § 112a BAO samt Judikatur ausgeführt.

6. Mit Vorlageantrag vom , beim FA eingelangt am , wird unter Verweis auf die vorausgegangenen Eingaben die vollinhaltliche Stattgabe der Beschwerde, dh. Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe, gegen den Abweisungsbescheid vom begehrt und ua. vorgebracht:
Mittels Täuschung und Irreführung habe die unzuständige Kinder- und Jugendhilfe/kjh der BH Ort2 die leiblichen Eltern um ihr Obsorgerecht gebracht und diese zur Unterfertigung eines Hilfeplanes genötigt. Der diesbezügliche Beschluss des BG Ort2 v. , Zl1x, betr. Übertragung des Obsorgerechts auf die kjh bei der BH Ort2 beruhe auf gesetzwidrigen Handlungen. Der Eigenantrag für den FB-Bezug der kjh v. (für die Tochter) sei daher rechtswidrig; die FB werde zu Unrecht an die kjh zur Auszahlung gebracht, weil ein aktueller Obsorgebeschluss dem Finanzamt nicht vorgelegt worden sei. Das Finanzamt habe den zitierten § 6 Abs. 5 FLAG nicht hinreichend begründet, sei auf die kriminellen Handlungen/Unterlassungen der kjh nicht eingegangen und habe es, trotz Verweis auf Missbrauch der Amtsgewalt, unterlassen, diese amtsintern zu überprüfen. Ohne Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen des Bf sei ihm die FB willkürlich entzogen worden, obwohl sich die Tochter aufgrund der kriminellen Handlungen der kjh nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung (mit den Eltern) befinde. Der Übertrag der Obsorge auf die kjh sei rechts- und sittenwidrig und damit nichtig, weshalb der FB-Anspruch weiterhin den Eltern zustehe und der Eigenanspruch der Tochter nicht zum Tragen komme.
Abschließend wurde die vollständige Einschau in den Verwaltungsakt (samt Einsichtnahme in bezeichnete Aktenteile des FB-Aktes der Tochter) beantragt.
Daneben wurde noch die "nähere Präzisierung" des außerordentlichen Revisionsrekurses des Bf an das BG Ort2 v. gg. den Beschluss des LG Ort2 v. , Zl2x bzw. Zl3x, vorgelegt.

7. Mit Vorlagebericht v. , der auch an den Bf ergangen ist, hat das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorgelegt. Darin wird auszugsweise vom FA ausgeführt:
Die Familienbeihilfe werde auf Eigenantrag gem. § 6 Abs. 5 FLAG von der Tochter selbst bezogen, weshalb für den Bf keine Antragslegitimation bestehe. Die Tochter befinde sich lt. Gerichtsbeschluss in der Obhut der BH Ort2 und sei im X-Heim in Ort1 auf Kosten des XY fremduntergebracht, dh. es sei kein Obsorgerecht der Eltern und keine Haushaltszugehörigkeit bei diesen gegeben. Damit liege iSd § 2 Abs. 2 FLAG (Haushaltszugehörigkeit) keine FB-Bezugsberechtigung beim Bf, sondern vielmehr eine solche auf Eigenantrag bei der Tochter vor. Die Klärung oder Beurteilung der erhobenen Vorwürfe gegenüber anderen Behörden oder Gerichten stehe dem Finanzamt nicht zu.

8. Vom BFG wurde Folgendes erhoben:

a) Abfrage im Zentralen Melderegister (ZMR):
Demnach ist die mj. Tochter A seit mit Hauptwohnsitz im
X-Heim in Ort1-X-Gasse, gemeldet;

b) Anfrage an das Finanzamt:
Vom Finanzamt wurde am auf Nachfrage in Bestätigung der
bisherigen Feststellungen bzw. insbesondere auch der eigenen Angaben des Bf
telefonisch (festgehalten im BFG-Aktenvermerk v. ) mitgeteilt, dass:
- mit Hilfsplan v. die "volle Erziehung" der Tochter in einer sozial-
pädagogischen Einrichtung von den Eltern mit dem XY, vertreten durch die
Kinder- und Jugendhilfe der BH Ort2, beginnend im Juli 2018, vereinbart wurde
(= Zustimmung zur Obsorgeermächtigung).
Darin war auch die Kostentragung zunächst durch das XY sowie ein Kostenersatz
durch die Eltern geregelt. Weiters ist festgehalten, dass die Eltern in Zhg. mit dem
Bezug von Förderungen oä. (zB Bezug von Familienbeihilfe), die an die
Haushaltszugehörigkeit des Kindes gebunden sind, die zuständige Stelle über die
Fremdunterbringung des Kindes zu informieren haben;
- nach Widerruf durch die Eltern die Obsorge für die Tochter mit Beschluss des
Bezirksgerichtes Ort2 v. an die BH Ort2, Kinder- und Jugendhilfe,
übertragen wurde und lt. Bestätigungen der BH aufrecht ist;
- seitens der mj. Tochter A, vertreten durch die kjh, ein Eigenantrag auf
Gewährung der FB im Jahr 2021 gestellt und ihr zufolge FA-Mitteilung die Familien-
beihilfe ab August 2018 gewährt wurde.

9. In Entsprechung des Antrages auf Akteneinschau hat das BFG dem Bf mit Schreiben v. eine Ausfertigung der gesamten, dem BFG vorgelegten Aktenteile des Verwaltungsaktes (siehe lt. Inhaltsverzeichnis des Vorlageberichtes v. ) postalisch zur Kenntnis übermittelt.

10. In der Folge hat der Bf mit Schreiben v. (wiederholt übermittelt ua. mit e-mail am , zum Betreff "tango korrupti") wiederum uneingeschränkte Akteneinsicht beim FA Ort2, beim Bundesfinanzgericht sowie in den "rechtswidrig eingebrachten Akt der unzuständigen Kinder- und Jugendhilfe der BH Ort2 betreffend Familienbeihilfe zu Gunsten unserer mj. Tochter" begehrt; weiters die umgehende Bearbeitung des Antrages v. und die Anberaumung einer mündlichen Tagsatzung vor dem BFG zur Klärung der massiven Gesetzesverstöße und Verstöße gegen Menschenrechte und Grundfreiheiten. Dazu werde die Beischaffung von Beweismitteln und Vorladung von Zeugen und/oder Beschuldigten vom Bf noch bekannt gegeben. Beiliegend wurden Dokumente des bzw. an das Bezirksgericht Ort3 (ua. Fristsetzungsantrag), ein Schreiben an das BG Ort2 betr. mehrere Strafanzeigen gegen Richter und Diplomrechtspfleger sowie der außerordentliche Revisionsrekurs (Präzisierung) an das BG Ort2 v. übermittelt.

II. Sachverhalt:

Die Obsorge betr. die "volle Erziehung" für die mj. Tochter des Bf, A geb. 03/2006, wurde zunächst mit Zustimmung der Eltern lt. Hilfsplan v. an die Kinder- und Jugendhilfe/kjh der BH Ort2 übertragen.
Sie wurde ab Juli 2018 in einer sozialpädagogischen Einrichtung, im X-Heim in Ort1, fremduntergebracht und ist dort seit aufrecht mit Hauptwohnsitz gemeldet (lt. ZMR). Die Kostentragung erfolgt durch das Land; die Eltern haben einen Kostenersatz zu leisten.
Nach Widerruf der Vereinbarung durch die Eltern wurde die Obsorge für die Tochter mit Beschluss des Bezirksgerichtes Ort2 v. , Zl1x, an die kjh der BH Ort2 übertragen und ist diese nach wie vor aufrecht.
Das Finanzamt hat einem Eigenantrag der Tochter, diese vertreten durch den Obsorgeträger, auf Gewährung der Familienbeihilfe entsprochen und ihr die Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 FLAG lt. FB-Mitteilung ab August 2018 zuerkannt.
Laut der vom Bf beigebrachten Bestätigung v. wurde die Familienbeihilfe für die Tochter zuvor, dh. im Zeitraum 01/2014 bis 07/2018, durch die Kindesmutter B bezogen.

III. Beweiswürdigung:

Obiger Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem eingangs dargelegten Akteninhalt, insbesondere aus den eigenen Angaben des Bf samt den von ihm beigebrachten Unterlagen sowie den durchgeführten, die Angaben des Bf bestätigenden Erhebungen (ZMR-Abfrage und Nachfrage beim FA ).

IV. Rechtslage:

1. FB-Anspruch/Grundbetrag:

Nach § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe nach
lit a) für minderjährige Kinder,
….
lit c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

2. Erhöhungsbetrag:

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.
Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Gemäß § 8 Abs. 7 FLAG 1967 gelten die Abs. 4 bis 6 sinngemäß auch für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag zur FB ist, dass der Grundbetrag zusteht. Somit muss entweder ein Anspruch zB nach § 2 Abs. 1 lit a FLAG (für minderjährige Kinder) oder ein Eigenanspruch nach § 6 bestehen (siehe in Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, 2. Aufl., Rzn 5 und 17 f. zu § 8).

3. Eigenanspruch:

Betreffend den "Eigenanspruch auf Familienbeihilfe" wird in § 6 FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 77/2018, in Geltung ab , bestimmt:
(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraus-
setzungen des Abs. 1 lit a bis c zutreffen und wenn sie ...
d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; …"
…..
(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3) ….

4. Zeitliche Wirkung:

Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden.Der Anspruch auf Familienbehilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Nach Abs. 4 dieser Bestimmung gebührt die Familienbeihilfe für einen Monat nur einmal.

5. Obsorgerecht:

Die Obsorge beinhaltet das gesamte persönliche Rechtsverhältnis, das sich aus der familiären Beziehung zwischen Eltern und minderjährigen Kindern ergibt und ist in den §§ 158 bis 169 ABGB geregelt.
Gemäß § 158 Abs. 1 ABGB hat, wer mit der Obsorge für ein minderjähriges Kind betraut ist, dieses zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie allen anderen Angelegenheiten zu vertreten; Pflege und Erziehung sowie die Vermögensverwaltung umfassen auch die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen.
Nach dieser Legaldefinition beinhaltet die Pflege und Erziehung sowie die Vermögensver-waltung somit auch die gesetzliche Vertretung des mj. Kindes in diesen Bereichen.

Bei allen Angelegenheiten der Obsorge steht das Kindeswohl an erster Stelle (näher geregelt in § 138 ABGB). Ist das Kindeswohl in der Familie nicht ausreichend sichergestellt, so ist eine Unterbringung und Betreuung des Kindes außerhalb der Familie, zB in einer Pflegefamilie oder in einer Kinderbetreuungseinrichtung, notwendig. Wird der/die Minderjährige in einer sozialpädagogischen Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe betreut, so wird das Obsorgerecht dem Kinder- und Jugendhilfeträger übertragen, der auch im Rahmen der gesetzlichen Vertretung tätig zu werden hat (zB Unterzeichnung von Lehrvertrag, ärztl. Behandlungsvertrag etc.).
Die "gesetzliche Vertretung" als Obsorgeträger umfasst die Berechtigung und Verpflichtung, das mj. Kind bei allen behördlichen und ausbildungsrelevanten Angelegenheiten zu vertreten.

6. Akteneinsicht:

Nach § 90 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., hat die Abgaben-behörde den Parteien Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich ist.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind von der Akteneinsicht ausgenommen: Beratungsprotokolle, Amtsvorträge, Erledigungsentwürfe und sonstige Schriftstücke (Mitteilungen anderer Behörden, Meldungen, Berichte und dergleichen), deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeiführen würde.

Eine Übersendung von Ablichtungen (Ausdrucken) von Aktenteilen im Rahmen einer begehrten Akteneinsicht ist nach Ritz (siehe BAO-Kommentar, 6. Aufl., Rz 2 zu § 90 BAO) zulässig (arg.: "dem darf entsprochen werden"), wobei in diesem Zusammenhalt auf das Auskunftspflicht-gesetz verwiesen wird.

7. Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BFG:

Gemäß § 274 Abs 1 BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden
Z 1. wenn es beantragt wird
a) in der Beschwerde,
b) im Vorlageantrag (§ 264 BAO)
….

Ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung - vor dem Einzelrichter wie auch vor dem Senat des BFG - setzt daher einen rechtzeitigen Antrag des Beschwerde-führers voraus.
Anträge, die erst in einem die Beschwerde ergänzenden Schreiben gestellt werden, begründen keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung (vgl. zB , 0188; u.a.; siehe dazu in: Ritz, aaO, Rz 2 f. zu § 274).

V. Erwägungen:

Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Beurteilung der Frage, ob dem Bf der Anspruch auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe nach den Bestimmungen des FLAG zusteht.
Es fällt hingegen in keinster Weise in die Kompetenz des BFG, zu beurteilen oder abzuklären, ob die in verschiedensten anderweitigen Verfahren vor Gerichten (BG, LG) und Behörden ergangenen Entscheidungen zu Recht getroffen wurden bzw. ob die in verschiedensten Einrichtungen durchgeführten Maßnahmen rechtmäßig waren.

Fest steht, dass die Obsorge für die mj. Tochter - aus welchen Gründen immer - gerichtlich an die Kinder- und Jugendhilfe der BH Ort2 übertragen wurde und sich die Tochter im Rahmen der Fremdunterbringung seit Juli 2018 in einer sozialpädagogischen Einrichtung, im X-Heim in Ort1, befindet, wo sie seit auch mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Demgemäß besteht keine für den FB-Anspruch nach § 2 Abs. 2 1. Satz FLAG geforderte Haushaltszugehörigkeit des Kindes zum Haushalt des Bf bzw. der Eltern.
Fraglich wäre nach § 2 Abs. 2 2. Satz FLAG allenfalls, ob es sich beim Bf um jene Person handelt, die den überwiegenden Unterhalt für das Kind trägt. Die überwiegende Unterhaltstragung wäre aber nur dann grundsätzlich anspruchsbegründend, wenn keine andere Person anspruchsberechtigt ist. Im Gegenstandsfall wird die Familienbeihilfe jedoch aufgrund ihres Eigenantrages von der Tochter selbst seit August 2018 bezogen und kommt sohin ihr die Anspruchsberechtigung iSd § 6 Abs. 5 FLAG zu.
Hinzu tritt der Umstand, dass nach § 10 Abs. 4 FLAG die Familienbeihilfe für einen Monat nur einmal gebührt. Zudem ist nicht zu übersehen, dass bezugsberechtigt für die Familienbeihilfe zuvor bis Juli 2018 nicht der Bf, sondern vielmehr die Kindesmutter B war.

Aus den mehreren obgenannten Gründen steht daher dem Bf kein FB-Anspruch (= auf den FB-Grundbetrag) zu, weshalb auch die Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag zur FB nicht erfüllt wird. Antragsberechtigt wäre diesbezüglich vielmehr die Tochter, bei der ein Eigenanspruch nach § 6 FLAG besteht.

Zur Akteneinsicht:

Dem mehrmaligen Antrag auf Akteneinsicht ist das BFG letztlich, da terminlich zuvor nicht möglich, in der - lt. Ritz zulässigen - Form nachgekommen, dass zusammen mit Schreiben vom eine Ausfertigung des kompletten, dem BFG elektronisch vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsaktes (siehe Inhaltsverzeichnis lt. Vorlagebericht) per Post (mit RSb) übersandt wurde.

Angemerkt wird, dass der Aktenvermerk des (siehe oben unter Pkt. I.8.b) nicht mitübermittelt wurde, da es sich zum Einen nach dem Dafürhalten des BFG allenfalls um ein nach § 90 Abs. 2 BAO von der Akteneinsicht ausgenommenes "sonstiges Schriftstück" handelt. Andererseits handelt es sich ohnehin jeweils um Fakten, die vom Bf selbst weitestgehend in seinen umfangreichen Schriftsätzen dem BFG mitgeteilt und insofern lediglich noch von Seiten des Finanzamtes bestätigt wurden. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass die bezughabenden Dokumente (Hilfsplan mit den Eltern; BG-Beschluss betr. Obsorge) dem Bf jedenfalls vorliegen. Wie aus seinen Ausführungen hervorgeht, ist er ebenso in Kenntnis des Umstandes, dass seitens der mj. Tochter, vertreten durch den Obsorgeträger, ein Eigenantrag auf Familienbeihilfe gestellt und dem entsprochen wurde.

Wenn der Bf daneben massiv darauf drängt, Akteneinsicht in den FA-Verwaltungsakt der Tochter zu erhalten - insbesondere in Aktenteile wie zB deren FB-Eigenantrag; den Bescheid über die FB-Zuerkennung an sie bzw. ins betr. FAÖ-Mitteilungsblatt; die einstweilige Verfügung über die Aberkennung der Vermögensverwaltung zu Lasten der Eltern etc. (siehe lt. Vorlage-antrag Pkt. 10.); in den "rechtswidrig eingebrachten Akt der unzuständigen Kinder- und Jugendhilfe der BH-Ort2 betreffend Familienbeihilfe zu Gunsten unserer mj. Tochter"
(lt. e-mail des Bf v. ), so ist dem zu entgegnen:

Zunächst ist die Akteneinsicht des Bf in seinen eigenen Verwaltungsakt für unbedenklich zu erachten, jedoch keinesfalls eine solche in den FA-Akt der mj. Tochter, der deren Eigenantragsverfahren in Zusammenhalt mit dem auf die Kinder- und Jugendhilfe, BH Ort2, übertragenen Obsorgerecht betrifft. Nach Ansicht des BFG (wie auch bereits seitens des Finanzamtes) sind Aktenteile aus dem FA-Akt der Tochter gemäß § 90 Abs. 2 BAO als sonstige Schriftstücke von Behörden zu qualifizieren, deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeiführen würde. Unter dem Gesichtspunkt vor allem auch des Kindeswohls ist gerade im Gegenstandsfall eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen wohl nicht ganz auszuschließen.
Der FB-Akt der Tochter ist daher gemäß § 90 Abs. 2 BAO von der Akteneinsicht ausgenommen; dem diesbezüglichen Begehren des Bf kann nicht entsprochen werden.

Zum Antrag auf mündliche Verhandlung:

Dem im (mehrfach mit e-mail und postalisch übermittelten) Schreiben des Bf v. enthaltenen Antrag (sinngemäß) auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BFG ist ebenso nicht nachzukommen. Der Antrag wurde erst in dem ergänzenden Schreiben vom , dh. weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag, gestellt und ist daher iSd § 274 Abs. 1 BAO nicht rechtzeitig, sodass kein Rechtsanspruch auf mündliche Verhandlung begründet wurde (vgl. zB ).

VI. Ergebnis:

Aufgrund nicht gegebener Haushaltszugehörigkeit iVm der gerichtlich verfügten Übertragung des Obsorgerechtes für die mj. Tochter des Bf samt Fremdunterbringung sowie insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die Tochter zufolge Eigenantrag gem. § 6 Abs. 5 FLAG ab August 2018 die Familienbeihilfe selbst bezieht und diese nach § 10 Abs. 4 FLAG monatlich nur einmal gebührt, besteht für den Bf keinerlei Antragslegitimation auf Zuerkennung der Familienbeihilfe (= Grundbetrag).
Damit fehlt, wie oben dargelegt, von vorneherein auch die Voraussetzung (Zustehen des FB-Grundbetrages) für den vom Bf beantragten Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe, sodass insgesamt beim Bf die Voraussetzungen für eine Gewährung der "erhöhten Familienbeihilfe" nicht vorliegen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welchen Voraussetzungen die erhöhte Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Zu würdigen ist der im Einzelfall gegebene Sachverhalt; hiebei handelt es sich um die Beurteilung von Tatfragen. Da sohin keine Rechtsfrage von "grundsätzlicher Bedeutung" vorliegt, ist eine Revision nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 8 Abs. 7 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 274 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 90 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 90 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100240.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at