TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.09.2022, RV/7100863/2019

außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Stefan Pipal in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis wird eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit erging seitens des Finanzamtes folgendes Ersuchen um Ergänzung:
" Belege und Aufstellung betreffend der beantragten außergewöhnlichen Belastungen (Krankheitskosten € 3.988,40 und andere außergewöhnliche Belastungen € 49.000,00) sind bitte nachzureichen.

Etwaige Kostenersätze seitens einer Versicherung oder Krankenkasse sind bekanntzugeben".

Mit erging seitens des Finanzamtes folgendes Ersuchen um Ergänzung:
Der Bf. werde ersucht die "Überweisungsbelege der beantragten € 49.000,00 an Ihren Vater bitte vorzulegen (Frist zur Beantwortung )".

In Beantwortung des Vorhaltes übermittelte der Bf. mit folgenden Schriftsatz:
Versicherungsnummer von allen 3 Pflegerinnen:
***11*** ***12***
***6*** - hier lag ein Werkvertrag zugrunde (anbei der Werkvertrag sowie zwei Rechnungen)
***4*** - hat Rechnungen gestellt (anbei zwei Rechnungen)

Warum wurde von Frau ***13*** kein Lohnzettel übermittelt?
Es wurde bei uns im System keiner gefunden. Anbei der Lohnzettel - dieser sollte nach Rücksprache mit dem vorherigen Steuerberater bereits im September übermittelt worden sein.

Warum wurde eine Abfertigung ausbezahlt? Wurde diese auf freiwilliger Basis ausbezahlt? (Zwangsläufigkeit nicht gegeben)
Frau ***8*** war von bis angemeldet. Die Abfertigung wurde vom damaligen Steuerberater berechnet.

Gibt es einen Vertrag (Übergabe, Schenkung...) in dem vereinbart wurde, dass der Sohn Kosten zur Pflege des Vaters beiträgt?
Anbei die Bestätigung der Vereinbarung".

Die Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2016 ergab für den Bf. eine Gutschrift in Höhe von € 607,00. Der Bescheid trägt folgende Begründung:
"Eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 ESTG liegt ua. nur dann vor, wenn Ausgaben getätigt werden, die zu einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr, somit zu einer Vermögensminderung führen bloße Vermögensumschichtungen führen nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung.

Werden daher z.B. Pflegekosten oder Begräbniskosten als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern übernommen (zB durch Übergabeverträge, Schenkungsverträge) bzw. erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen deshalb, weil ihm das zu ihrer Deckung dienende Vermögen zugekommen ist, ist eine Auswirkung auf die (einkommensbezogenen) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verneinen und liegt insoweit daher keine Belastung im Sinne des § 34 ESTG vor. Erst wenn die Pflegeheimkosten den Wert der übertragenen Liegenschaft übersteigen, liegen steuerliche anzuerkennende Belastungen vor.

In Ihrem Fall liegt der Wert der Liegenschaft bzw. dem Haus über dem Wert der Pflegekosten. Die beantragten Kosten waren daher nicht zu gewähren".

Mit erging seitens des Finanzamtes nachfolgend wiedergegebene Beschwerdevorentscheidung:
"Die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom wird als unbegründet abgewiesen:
Außergewöhnliche Belastungen sind bei Ermittlung des Einkommens unter bestimmten Voraussetzungen abzuziehen. Der Abzug erfolgt nach Berücksichtigung des bereits um die Sonderausgaben geminderten Gesamtbetrags der Einkünfte.

Die Belastung
- darf nicht Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben darstellen,
- muss außergewöhnlich sein,
- muss zwangsläufig erwachsen,
- muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen und
darf nicht unter ein Abzugsverbot fallen.

Alle Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein.
Liegt daher beispielsweise das Merkmal der Zwangsläufigkeit nicht vor, so erübrigt sich eine Prüfung der Außergewöhnlichkeit.
Aufwendungen sind nur insoweit außergewöhnlich, als sie höher sind als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse (Maßgeblichkeit des gesamten wirtschaftlichen Einkommens unter Berücksichtigung des Familienstandes, ) und gleicher Vermögensverhältnisse (Maßgeblichkeit des mit dem Verkehrswert anzusetzenden gesamten Vermögens, ) erwachsen.
Es darf sich um keine im täglichen Leben übliche Erscheinung bzw. "gewöhnliche" Belastung handeln (vgl. , betr. Mehraufwendungen einer berufsbedingten auswärtigen Verpflegung; , betr. Aufwendungen für ein Kindermädchen bei berufstätigen Eltern).

Eine Belastung erwächst zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung muss nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach vom Begriff der Zwangsläufigkeit umfasst sein. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. ; ; vgl. auch die ständige Verwaltungspraxis bei Begräbniskosten). Die Zwangsläufigkeit eines Aufwandes ist stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen. Eine wirtschaftliche oder typisierende Betrachtungsweise ist ausgeschlossen (vgl. ; ).

Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen kann aus dem Verhältnis des Steuerpflichtigen zu anderen Personen erwachsen. Erwächst eine Belastung aus der Erfüllung einer Rechtspflicht, so muss bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der (rechtlichen oder sittlichen) Zwangsläufigkeit aufweisen (zB Krankheitskosten unterhaltsberechtigter Personen, ).

Dementsprechend sind beispielsweise Zahlungen auf Grund einer freiwillig oder im Rahmen des Unternehmerwagnisses übernommenen Bürgschaftsverpflichtung nicht zwangsläufig siehe dazu ; ).

Eine wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit liegt insoweit vor, als die Belastung den vom Steuerpflichtigen zu tragenden Selbstbehalt überschreitet.

Die Kosten der Unterbringung und der Verpflegung in ein Alters- und Pflegeheim stellen grundsätzlich keine außergewöhnlichen Belastungen iSd des § 34 EStG 1988 dar. Außergewöhnliche Belastungen können aber gegeben sein, wenn Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit Aufwendungen verursachen ().

Eine besondere Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit liegt bei einem behinderten Steuerpflichtigen iSd § 35 EStG 1988 vor, wenn behinderungsbedingt nicht mehr die Fähigkeit besteht, den Haushalt selbst zu führen und daher eine Betreuung erfolgt, wie sie in einem Alters- oder Pflegeheim typisch ist (). Der besondere Pflege- oder Betreuungsbedarf eines Behinderten (iSd § 35 EStG 1988) ist durch ein ärztliches Gutachten oder durch Bezug von Pflegegeld nachzuweisen.

Für zu Hause ersparte Verpflegungskosten ist eine Haushaltsersparnis in Höhe von 8/10 des Wertes der vollen freien Station gemäß der Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge, BGBl. II Nr. 416/2001 von 156,96 Euro anzusetzen.

Wohnt eine pflegebedürftige Person zu Hause und verfügt über ein unentgeltliches Wohnrecht (eingeräumt von einer anderen Person, als dem (Ehe)Partner), gilt Folgendes:

- Da die wesentlichen Lebenshaltungskosten durch das Wohnrecht abgedeckt sind, müssen der pflegebedürftigen Person - in Anlehnung an die Regelungen für Pflegeheimbewohner - 20% des Ausgleichszulagenrichtsatzes für alleinstehende Personen verbleiben.

Der Rest des Einkommens ist für die pflegebedingten Kosten anzusetzen. Nur ein etwaiger Überhang an Pflegekosten kann von unterhaltsverpflichteten Angehörigen steuerlich abgesetzt werden.

Die Beschäftigung einer Hausgehilfin kann nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände eine Belastung nach sich ziehen. Insb. sind Aufwendungen für eine Hausgehilfin kein Grund für eine Steuerermäßigung, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen in der Regel die Beschäftigung einer Hausgehilfin nicht mehr als außergewöhnlich erscheinen lassen.

Die Beschäftigung einer Hausgehilfin kann unter anderem dann zu einer außergewöhnlichen Belastung führen, wenn die allein stehende Person wegen Krankheit oder Pflegebedürftigkeit einer ständigen Betreuung bedarf. Die Aufwendungen sind um öffentliche Zuschüsse zu kürzen, soweit diese dazu bestimmt sind, die mit der Pflege- und Hilfsbedürftigkeit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen abzudecken. Liegt eine Behinderung im Sinne des § 35 EStG 1988 vor, so können die Aufwendungen nicht neben, sondern nur an Stelle der Behindertenfreibeträge geltend ***5*** werden (kein Selbstbehalt).

Die Betreuung Ihres Vaters wurde von zwei Pflegerinnen übernommen.
Die Beschäftigung einer zusätzlichen Hausgehilfin steht nicht im Zusammenhang mit der Behinderung Ihres Vaters und daher stellen die Aufwendungen keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 dar.

Die Aufwendungen der Hausgehilfin stellen Kosten der privaten Lebensführung dar und unterliegen daher gem. § 20 Abs. 1 EStG 1988 dem Abzugsverbot.

Bei der Unterbringung im Pflegeheim unterliegt der Einzelzimmerzuschlag ebenfalls den Bestimmungen des § 20 Abs. 1 EStG 1988.

Die Rezeptgebühren, BVA Zahlungen und Wundbehandlungen stehen nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Behinderung und sind daher bei der Berechnung der Kostenübernahme nicht zu berücksichtigen.

Da Ihr Vater sämtliche Kosten selbst tragen kann (siehe Berechnung anbei), liegen keine außergewöhnlichen Belastungen iSd § 34 EStG 1988 vor.

Berechnung der Summe Kosten iZm. Behinderung abzgl. Pflegegeld:

Summe außergewöhnliche Belastung:

€ 30.769,89
€ 15.422,40
€ 15.347,49

Einkommen ***1***: € 34.066,32

abzgl. Ausgleichszulagenrichtsatz 2016

(€ 837,63 *12 = € 10,051,56 davon 20 %) € 2.010,31

Kostenübernahme Pflegling (Herr ***1***) € 32.056,01

Zusammensetzung der Kosten iZm der Behinderung:

Hilfswerk (Seniorenpension ***2***)
Sep.16
Grundversorgung + Zuschlag Pflegestufe 6 € 2.819,67
Miete € 530,70
Okt.16
Grundversorgung + Zuschlag Pflegestufe 6 € 3.014,13
Miete € 567,30
Nov.16
Grundversorgung + Zuschlag Pflegestufe 6 € 2.916,90
Miete € 549,00
Dez. 16
Grundversorgung + Zuschlag Pflegestufe 6 € 3.014,13
Miete € 567,30
Zwischensumme: € 13.979,13

Summe Kosten Seniorenpension abzgl. 4 Mo Haushaltsersparnis (€ 156,96 * 4)
€ 13.351,29

Sozialzentrum ***3***
Jul.16
Grundtarif € 3.961,40

Aug.16
Grundtarif € 127,79

Zwischensumme € 4.089,19
Summe Kosten Sozialzentrum € 3.916,60
abzgl. 33 Tage Haushaltsersparnis (5,23 pro Tag * 33)

Pflegerin ***4***


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jän,16
€ 470,00 (7 Tage)
Feb.16
€ 940,00 (14 Tage)
Mär.16
€ 940,00 (14 Tage)
Apr.16
€ 880,00 (13 Tage)
Mai.16
€ 940,00 (14 Tage)
Jun.
€ 1.141,00 (17 Tage) € 470,00 (7 Tage)
Sep.16
€ 671,00 (10 Tage)
Summe Kosten Pflegerin ***5***
€ 6.452,00

Pflegerin ***6***


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jän.16
€ 1.276,00 (19 Tage)
Feb.16
€ 940,00 (14 Tage)
Mär. 16
€ 1.141,00 (17 Tage)
Apr. 16
€ 1.007,00 (15 Tage)
Mai.16
€ 873,00 (13 Tage)
Jun.16
€ 873,00 (13 Tage)
Aug.16
€ 940,00 (14 Tage)
Summe Kosten Pflegerin ***7***
€ 7.050,00"

Mit erfolgte der Vorlageantrag des Bf. wie folgt:
"In der Beschwerdevorentscheidung wird argumentiert, dass die Beschäftigung einer zusätzlichen Hausgehilfin nicht im Zusammenhang mit der Behinderung des Vaters von ***Bf1*** steht und daher nicht als außergewöhnliche Belastungen anzusehen sind.

Hierzu wollen wir festhalten, dass Frau ***8*** die Hauptpflegerin war. Sie ist ausgebildete Krankenschwester und wurde für die Pflege angestellt. Herr ***9*** war aufgrund einer Querschnittlähmung sowie einer schweren Demenzerkrankung rund um die Uhr pflegebedürftig. Die zwei anderen Pflegerinnen wurden zusätzlich beschäftigt, um Frau ***8*** in den gesetzlich zustehenden Ruhezeiten sowie während ihres Urlaubes, zu vertreten."

Mit wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht wie folgt vorgelegt:
"Der Pflichtige machte in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung vom Aufwendungen für andere außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt in Höhe von 49.000,00 Euro geltend.

In den Ergänzungsersuchen vom und wurden Belege sowie eine Aufstellung über die geltend gemachten Aufwendungen und ein Lohnzettel der Haushälterin abverlangt.

Im Erstbescheid vom wurden die anderen außergewöhnlichen Belastungen mit Selbstbehalt nicht berücksichtigt. Begründend führte das aktenführende Team folgendes aus:

Eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 ESTG liegt ua. nur dann vor, wenn Ausgaben getätigt werden, die zu einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr, somit zu einer Vermögensminderung führen bloße Vermögensumschichtungen führen nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung. Werden daher z.B. Pflegekosten oder Begräbniskosten als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern übernommen (zB durch Übergabeverträge, Schenkungsverträge) bzw. erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen deshalb, weil ihm das zu ihrer Deckung dienende Vermögen zugekommen ist, ist eine Auswirkung auf die (einkommensbezogenen) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verneinen und liegt insoweit daher keine Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 vor. Erst wenn die Pflegeheimkosten den Wert der übertragenen Liegenschaft übersteigen, liegen steuerliche anzuerkennende Belastungen vor. In Ihrem Fall liegt der Wert der Liegenschaft bzw. dem Haus über dem Wert der Pflegekosten. Die beantragten Kosten waren daher nicht zu gewähren.

In der Beschwerde vom begründet der Pflichtige die Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung damit, dass mit der Übertragung der Liegenschaft eine Darlehensforderung mitübergeben wurde und dadurch der auf die Pflegekosten anzurechnende Überschuss nur 16,60 Euro beträgt.

Die Abweisung der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom wird damit begründet, dass der Vater des Pflichtigen als Pflegling die Kosten selbst tragen kann und die Aufwendungen für die Haushälterin neben zwei Pflegerinnen nicht im Zusammenhang mit der Behinderung stehen.

Im Vorlageantrag vom wird nun die Berücksichtigung der Aufwendungen der Haushälterin als Aufwendungen für andere außergewöhnliche Belastungen beantragt, da sie als ausgebildete Krankenschwester die Hauptpflegerin ist und zur Einhaltung der Ruhezeiten und im Urlaub von den beiden anderen Pflegerinnen vertreten wird.

Es wird beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen".

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
  1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung):

Der Bf. begehrt in seiner Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** Aufwendungen für andere außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt in Höhe von 49.000,00 Euro geltend zu machen.


Außergewöhnliche Belastungen sind bei Ermittlung des Einkommens unter bestimmten Voraussetzungen abzuziehen. Der Abzug erfolgt nach Berücksichtigung des bereits um die Sonderausgaben geminderten Gesamtbetrags der Einkünfte.

Die Belastung
- darf nicht Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben darstellen,
- muss außergewöhnlich sein,
- muss zwangsläufig erwachsen,
- muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen und
darf nicht unter ein Abzugsverbot fallen.

Alle Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein.

Liegt daher beispielsweise das Merkmal der Zwangsläufigkeit nicht vor, so erübrigt sich eine Prüfung der Außergewöhnlichkeit.

Aufwendungen sind nur insoweit außergewöhnlich, als sie höher sind als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse (Maßgeblichkeit des gesamten wirtschaftlichen Einkommens unter Berücksichtigung des Familienstandes, ) und gleicher Vermögensverhältnisse (Maßgeblichkeit des mit dem Verkehrswert anzusetzenden gesamten Vermögens, ) erwachsen.

Es darf sich um keine im täglichen Leben übliche Erscheinung bzw. "gewöhnliche" Belastung handeln (vgl. , betr. Mehraufwendungen einer berufsbedingten auswärtigen Verpflegung; , betr. Aufwendungen für ein Kindermädchen bei berufstätigen Eltern).

Eine Belastung erwächst zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung muss nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach vom Begriff der Zwangsläufigkeit umfasst sein. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. ; ; vgl. auch die ständige Verwaltungspraxis bei Begräbniskosten). Die Zwangsläufigkeit eines Aufwandes ist stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen. Eine wirtschaftliche oder typisierende Betrachtungsweise ist ausgeschlossen (vgl. ; ).

Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen kann aus dem Verhältnis des Steuerpflichtigen zu anderen Personen erwachsen. Erwächst eine Belastung aus der Erfüllung einer Rechtspflicht, so muss bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der (rechtlichen oder sittlichen) Zwangsläufigkeit aufweisen (zB Krankheitskosten unterhaltsberechtigter Personen, ).

Dementsprechend sind beispielsweise Zahlungen auf Grund einer freiwillig oder im Rahmen des Unternehmerwagnisses übernommenen Bürgschaftsverpflichtung nicht zwangsläufig siehe dazu ; ).

Eine wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit liegt insoweit vor, als die Belastung den vom Steuerpflichtigen zu tragenden Selbstbehalt überschreitet.

Die Kosten der Unterbringung und der Verpflegung in ein Alters- und Pflegeheim stellen grundsätzlich keine außergewöhnlichen Belastungen iSd des § 34 EStG 1988 dar. Außergewöhnliche Belastungen können aber gegeben sein, wenn Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit Aufwendungen verursachen ().

Eine besondere Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit liegt bei einem behinderten Steuerpflichtigen iSd § 35 EStG 1988 vor, wenn behinderungsbedingt nicht mehr die Fähigkeit besteht, den Haushalt selbst zu führen und daher eine Betreuung erfolgt, wie sie in einem Alters- oder Pflegeheim typisch ist (). Der besondere Pflege- oder Betreuungsbedarf eines Behinderten (iSd § 35 EStG 1988) ist durch ein ärztliches Gutachten oder durch Bezug von Pflegegeld nachzuweisen.

Für zu Hause ersparte Verpflegungskosten ist eine Haushaltsersparnis in Höhe von 8/10 des Wertes der vollen freien Station gemäß der Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge, BGBl. II Nr. 416/2001 von 156,96 Euro anzusetzen.

Wohnt eine pflegebedürftige Person zu Hause und verfügt über ein unentgeltliches Wohnrecht (eingeräumt von einer anderen Person, als dem (Ehe)Partner), gilt Folgendes:

- Da die wesentlichen Lebenshaltungskosten durch das Wohnrecht abgedeckt sind, müssen der pflegebedürftigen Person - in Anlehnung an die Regelungen für Pflegeheimbewohner - 20% des Ausgleichszulagenrichtsatzes für alleinstehende Personen verbleiben.

Der Rest des Einkommens ist für die pflegebedingten Kosten anzusetzen. Nur ein etwaiger Überhang an Pflegekosten kann von unterhaltsverpflichteten Angehörigen steuerlich abgesetzt werden.

Die Beschäftigung einer Hausgehilfin kann nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände eine Belastung nach sich ziehen. Insb. sind Aufwendungen für eine Hausgehilfin kein Grund für eine Steuerermäßigung, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen in der Regel die Beschäftigung einer Hausgehilfin nicht mehr als außergewöhnlich erscheinen lassen.

Die Beschäftigung einer Hausgehilfin kann unter anderem dann zu einer außergewöhnlichen Belastung führen, wenn die allein stehende Person wegen Krankheit oder Pflegebedürftigkeit einer ständigen Betreuung bedarf. Die Aufwendungen sind um öffentliche Zuschüsse zu kürzen, soweit diese dazu bestimmt sind, die mit der Pflege- und Hilfsbedürftigkeit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen abzudecken. Liegt eine Behinderung im Sinne des § 35 EStG 1988 vor, so können die Aufwendungen nicht neben, sondern nur an Stelle der Behindertenfreibeträge geltend gemacht werden (kein Selbstbehalt).

Die Betreuung des Bf. wurde von zwei Pflegerinnen übernommen.

Die Beschäftigung einer zusätzlichen Hausgehilfin steht nicht im Zusammenhang mit der Behinderung des Vaters des Bf. und daher stellen die Aufwendungen keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 dar.

Die Aufwendungen der Hausgehilfin stellen Kosten der privaten Lebensführung dar und unterliegen daher gem. § 20 Abs. 1 EStG 1988 dem Abzugsverbot.

Bei der Unterbringung im Pflegeheim unterliegt der Einzelzimmerzuschlag ebenfalls den Bestimmungen des § 20 Abs. 1 EStG 1988.

Die Rezeptgebühren, BVA Zahlungen und Wundbehandlungen stehen nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Behinderung und sind daher bei der Berechnung der Kostenübernahme nicht zu berücksichtigen.

Da der Pflegebedürftige mit einem Einkommen von € 34.066,32 die Kosten der Betreuung großteils selbst tragen kann, liegen keine außergewöhnlichen Belastungen iSd § 34 EStG 1988 vor.

In der Vereinbarung vom haben die Söhne des Bf. Hr. ***Bf1*** und ***10*** bestätigt, die Kosten für die Pflege des Vaters, welche er nicht selbst aus dem laufenden Einkommen zu tragen in der Lage ist, zu übernehmen, da "sein Besitz nicht verwertet werden soll und letztendlich im Erwerbsweg an uns übergeben werden soll".

Eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 ESTG liegt ua. nur dann vor, wenn Ausgaben getätigt werden, die zu einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr, somit zu einer Vermögensminderung führen bloße Vermögensumschichtungen führen nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung.
Werden daher z.B. Pflegekosten oder Begräbniskosten als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern übernommen (zB durch Übergabeverträge, Schenkungsverträge) bzw. erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen deshalb, weil ihm das zu ihrer Deckung dienende Vermögen zugekommen ist, ist eine Auswirkung auf die (einkommensbezogenen) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verneinen und liegt insoweit daher keine Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 vor.
Erst wenn die Pflegeheimkosten den Wert der übertragenen Liegenschaft übersteigen, liegen steuerliche anzuerkennende Belastungen vor.
Im vorliegenden Fall liegt der Wert der Liegenschaft bzw. dem Haus über dem Wert der Pflegekosten. Die als außergewöhnliche Belastung für das Jahr 2016 zu berücksichtigenden, vom Bf. beantragten Kosten, waren daher nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht zu gewähren.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100863.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at