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Verfahrensleitender Beschluss, BFG vom 19.09.2022, RV/7400016/2022

Kein ausdrücklicher Antrag auf Unterbleiben einer BVE; Verständigung nach § 281a BAO

Entscheidungstext

Verständigung

Das Bundesfinanzgericht teilt durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler im Beschwerdeverfahren des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Pfändungsgebührenbescheid des Magistrats der Stadt Wien Magistratssabteilung 6 Erhebungs- und Vollstreckungsdienst, vom , mit:

I. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts ist in Bezug auf die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen.

Die Parteien werden hierüber gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt.

II. Das Beschwerdeverfahren in Bezug auf die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom wird eingestellt.

Begründung

Bisheriger Verfahrensgang:

Die belangte Behörde (Magistrat der Stadt Wien, Rechnungs- und Abgabenwesen, Referat Erhebungs- und Vollstreckungsdienst) forderte den Beschwerdeführer (in Folge kurz BF) mittels 6 Zahlungsaufforderungen (alle datiert mit ) zur Zahlung des aushaftenden Rückstandes auf. Den Zahlungsaufforderungen angefügt waren die dazugehörigen Rückstandsausweise sowie ein Pfändungsgebührenbescheid, ebenso datiert mit . Darin wurde die mit Beginn der Amtshandlung des Vollstreckungsverfahrens fällig gewordene Pfändungsgebühr mit EUR 17,75 EUR (gem. § 26 Abgabenexekutionsordnung) bestimmt. Laut Angabe der belangten Behörde seien die Schriftstücke allesamt am im verschlossenen Kuvert im Postkasten des BF hinterlassen worden.

Mit Eingabe vom erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Pfändungsgebührenbescheid vom und monierte darin die Zustellung des Bescheides, welcher ihm ohne Zustellnachweis am persönlich ausgefolgt worden sei. Der Bescheid werde zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit angefochten, da ein solcher nicht hätte ausgesprochen werden dürfen. In der Beschwerde beantragte der BF wie folgt:

"1. Die Instanzbehörde möge der Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Pfändungsbescheid ersatzlos aufheben, in eventu
2. möge die Instanzbehörde den angefochtenen Pfändungsbescheid aufheben und an die belangte Behörde zurückverweisen, jedenfalls
3. die Instanzbehörde eine öffentliche mündliche Verhandlung/Anhörung anberaumen."

Die belangte Behörde legte die Beschwerde am , eingelangt am , dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Eingabe des BF vom an das Verwaltungsgericht Wien (weitergeleitet an das BFG am ) ersucht dieser um Bekanntgabe des Verfahrensstandes.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

Zur grundsätzlichen Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes (BFG):

Art. 131 Abs. 3 B-VG idF BGBl I 51/2012 lautet: "(3) Das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen erkennt über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden."

Art. 131 Abs. 5 B-VG idF BGBl I 51/2012 lautet: "Durch Landesgesetz kann in Rechtssachen in den Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden. Art. 97 Abs. 2 gilt sinngemäß."

Das (Wiener) Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz Abgaben, LGBl 45/2013, änderte das Landesgesetz mit der abgekürzten Bezeichnung ´WAOR´ (Gesetz über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien). § 5 WAOR lautet nunmehr: "§ 5. Über Beschwerden in Angelegenheiten der in den §§ 1 und 2 genannten Landes- und Gemeindeabgaben und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben entscheidet das Bundesfinanzgericht."

Gemäß § 1 Abs. 1 BAO gelten die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

Gemäß § 2a BAO gelten die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung sinngemäß im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. § 54 VwGVG gilt jedoch sinngemäß für das Verfahren der Verwaltungsgerichte der Länder.

Nach § 1 Abs. 1 BAO sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben, sohin auch in jenen der Landes- und Gemeindeabgaben anzuwenden.

Diesen Bestimmungen zufolge wäre das Bundesfinanzgericht (Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen) - und nicht das Verwaltungsgericht Wien - für die Entscheidung über die Beschwerde des BF vom zuständig.

Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung

Es wird sich jedoch im Folgenden erweisen, dass zum jetzigen Zeitpunkt, zu welchem (noch) keine Beschwerdevorentscheidung erlassen worden ist, nach der Bundesabgabenordnung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (noch) keine verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit zu einer Entscheidung (in der Sache) besteht.

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat gemäß § 262 BAO zu unterbleiben, wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt (Abs. 2), wenn in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet wird (Abs. 3) und schließlich, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat (Abs. 4).

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Gemäß § 265 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen. Gemäß § 265 Abs. 2 hat die Vorlage der Bescheidbeschwerde jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung, des Vorlageantrages und von Beitrittserklärungen zu umfassen.

Im Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0001 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass (unter Hinweis auf § 291 Abs. 1 BAO) der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde unterliegt. Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) sei das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde.

Der BF muss in der Bescheidbeschwerde einen ausdrücklichen Antrag auf das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung iSd § 262 Abs. 2 lit. a BAO stellen (vgl. ; ; ; ; siehe auch Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³, § 262 Anm 7). Ein Vorlageantrag setzt unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraus (Ritz, BAO6, § 264 Tz 6).

In gegenständlichen Fall wurde in der Beschwerde kein (ausdrücklicher) Antrag auf Unterlassung der Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs. 2 BAO gestellt; auch die in der Beschwerde erhobenen Anträge/Formulierungen ""1. Die Instanzbehörde möge der Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Pfändungsbescheid ersatzlos aufheben, in eventu 2. möge die Instanzbehörde den angefochtenen Pfändungsbescheid aufheben und an die belangte Behörde zurückverweisen, jedenfalls 3. die Instanzbehörde eine öffentliche mündliche Verhandlung/Anhörung anberaumen", sind nicht als Verzicht auf die Beschwerdevorentscheidung zu werten. In einem ähnlich gelagerten Verfahren konnte selbst die Formulierung "erheben wir innerhalb offener Frist Beschwerde an das Bundesfinanzgericht" nicht als Verzicht auf das Erlassen einer Beschwerdevorentscheidung interpretiert werden (s. ).

Daher hatte das Bundesfinanzgericht zu prüfen, ob die belangte Behörde die Beschwerdevorentscheidung aus einem der (weiteren) in den Abs. 3 (und Abs. 4) leg. cit. genannten Gründe zu Recht unterlassen hat. Wie jedoch dem oben dargestellten Verfahrensgang und den dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Unterlagen zu entnehmen ist, trifft auf die Beschwerde vom auch keine der (weiteren) Ausnahmen des § 262 Abs. 2-4 BAO zu, weshalb zwingend eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen wäre.

Da somit hinsichtlich des im Spruch genannten Bescheides weder von der belangten Behörde eine Beschwerdevorentscheidung noch vom BF ein Vorlageantrag vorliegen, kann das Bundesfinanzgericht (derzeit) nicht über die Beschwerde vom entscheiden. Das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht ist daher einzustellen.

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens werden hiervon gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt.

Gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 BAO ist hinsichtlich dieser Verständigung von einer Verhandlung abzusehen, da keine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes gegeben ist und zudem auch die Aktenlage keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine andere Entscheidung getroffen werden könnte.

Information für die Parteien (Belehrung gemäß § 280 Abs. 4 BAO)

Gegen diese Verständigung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 2 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 2 bis 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 274 Abs. 3 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400016.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at