TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.07.2022, RV/7101265/2018

Einkommensteuerliche Behandlung einer Pensionsabfindung aus der schweizerischen beruflichen Altersvorsorge

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/7101265/2018-RS1
Die Steuerbegünstigung des § 124b Z. 53 EStG 1988 setzt voraus, dass sich der Steuerpflichtige die Pensionsabfindung nur in Form eines Kapitalbetrages auszahlen lassen konnte. Bestand ein Wahlrecht zwischen Kapital- und Rentenzahlung, kommt diese Steuerbegünstigung nicht zur Anwendung. Die Möglichkeit, sich die Pensionsabfindung anstatt als Einmalbetrag in drei Tranchen auszahlen zu lassen, stellt keine solche (die Steuerbegünstigung ausschließende) Wahlmöglichkeit dar.
RV/7101265/2018-RS2
Art 19 DBA CH (Besteuerungsrecht des auszahlenden Staates) setzt voraus, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts sowohl die Dienstleistungen/Arbeitsleistungen erhält als auch die hierfür gebührenden Vergütungen (einschließlich Ruhegehälter) auszahlt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 Steuernummer ***BfStNr*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Einkommensteuer 2015 wird mit € 13.368,00 festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin die Einkommensteuer für das Jahr 2015 mit € 18.691,00 fest. Berücksichtigt wurden hierbei steuerpflichtige inländische Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit im Gesamtbetrag von € 13.749,20 und Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug i.H.v. € 47.350,15 (angespartes Pensionsguthaben aufgrund einer beruflichen Tätigkeit in der Schweiz). Eine anlässlich der Auszahlung des Schweizer Pensionsguthabens entrichtete Quellensteuer i.H.v. € 1.740,93 wurde auf die österreichische Steuer angerechnet. Die geltend gemachten Sonderausgaben (Wohnraumschaffung/-sanierung) i.H.v. € 28.334,57 wurden infolge des Gesamtbetrages der Einkünfte von über € 60.000,00 nur mit dem Pauschbetrag gem. § 18 Abs. 2 EStG 1988 i.H.v. € 60,00 berücksichtigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom , in welcher die Beschwerdeführerin geltend macht, dass es sich bei der Auszahlung von der schweizerischen Pensionskasse um eine von ihr und ihrem Arbeitgeber angesparte Altersvorsorge handle, für welche - laut Auskunft des Finanzamtes Feldkirch - ein begünstigter Steuersatz (gemeint offenbar: Steuerfreiheit eines Drittels von Zahlungen für Pensionsabfindungen gemäß § 124b Z. 53 EStG 1988) gelte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid zulasten der Beschwerdeführerin dahingehend ab, dass nun die Schweizer Quellensteuer nicht mehr auf die österreichische Einkommensteuer angerechnet wurde, da im Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz keine Anrechnung vorgesehen sei. Die in der Beschwerde geltend gemachte Steuerbegünstigung gemäß § 124b Z. 53 EStG 1988 verneinte die belangte Behörde unter Hinweis auf Art. 37 des Schweizer Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG), wonach die Leistungen aus dieser Vorsorge grundsätzlich als Renten ausgerichtet seien, jedoch die Vorsorgeeinrichtung in ihrem Reglement vorsehen kann, dass die Anspruchsberechtigten eine Kapitalabfindung anstelle einer Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrente wählen können. Dieses Wahlrecht schließe eine Behandlung als Pensionsabfindung im Sinne des § 124b Z. 53 EStG 1988 aus, da die dort vorgesehene Drittelbegünstigung nach der Rechtsprechung (; , 2009/15/0188) nur dann zum Tragen komme, wenn der Anspruchsberechtigte sich sein Pensionsguthaben nur in Form eines Kapitalbetrages auszahlen lassen konnte, nicht aber wenn er die Wahl zwischen Kapitalbetrag und Rente hatte und sich für den Kapitalbetrag entschied.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der Vorlageantrag vom . Darin macht die Beschwerdeführerin geltend, dass sie kein Wahlrecht zwischen einer Einmalzahlung und einer Rentenzahlung gehabt hätte. Sie habe bis zum Jahr 2008 in einem Dienstverhältnis zur Gemeinde ***G*** gestanden und in einem dortigen Altersheim gearbeitet. Das bis zu diesem Zeitpunkt angesparte Pensionsguthaben sei verpflichtend bis 2015 (Sperrfrist) auf einem Schweizer Freizügigkeitsskonto gelegen und habe danach ein Wahlrecht lediglich insofern bestanden, als es möglich war, sich das Guthaben einmalig oder in drei Tranchen auszahlen zu lassen. Weiters macht sie geltend, dass es sich bei ihrem Arbeitgeber um eine juristische Person des öffentlichen Rechts der Schweiz handle, weshalb die in der Schweiz entrichtete Quellensteuer gemäß Art. 23 des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich-Schweiz anzurechnen sei.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht erfolgten ergänzende Erhebungen zu den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Sonderausgaben. Die Beschwerdeführerin brachte diesbezüglich vor, dass es sich um die vorzeitige Rückzahlung eines Darlehens handle, mit welchem der Ankauf einer Eigentumswohnung finanziert wurde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin stand bis zum Jahr 2008 in einem Dienstverhältnis zur Schweizer Gemeinde ***G***. Während dieser Zeit leisteten sie und ihr Arbeitgeber Beiträge zur beruflichen Altersvorsorge (2. Säule des Schweizer Altersvorsorgesystems) an die "Pensionskasse ***K***". Bei dieser Pensionskasse, die mittlerweile in "***P*** Vorsorge Genossenschaft" umbenannt wurde, handelt es sich um eine Genossenschaft im Sinne von Art. 828 ff des schweizerischen Obligationenrechts (OR), welche zur Firmennummer ***XXX*** im Handelsregister des Kantons St. Gallen eingetragen ist. Das bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses angesparte Pensionsguthaben (sog. "Austrittsleistung" oder "Freizügigkeitsleistung") der Beschwerdeführerin i.H.v. CHF 47.830,45 wurde - da die Beschwerdeführerin weder den Vorsorgefall (Alter, Berufsunfähigkeit, Tod, in welchem Fall eine Rentenzahlung an die Beschwerdeführerin bzw. ihre Hinterbliebenen erfolgt wäre) verwirklicht, noch eine neue Beschäftigung in der Schweiz aufgenommen hat (in welchem Fall das Guthaben an eine neue Pensionskasse überwiesen worden wäre) - mit Valuta von der "Pensionskasse ***K***" auf ein sogenanntes Freizügigkeitskonto bei der Freizügigkeitsstiftung der ***Bank (Schweiz)*** überwiesen und mit Valuta an die Beschwerdeführerin ausbezahlt. Einschließlich der zwischenzeitig abgereiften Zinsen betrug das Guthaben CHF 51.335,25. Einbehalten wurde die schweizerische Quellensteuer i.H.v. CHF 1.887,45, sodass ein Betrag von CHF 49.447,80 zur Auszahlung gelangte. Daneben bezog die Beschwerdeführerin im Jahr 2015 (inländische) steuerpflichtige Einkünfte (jeweils Kennz. 245) aus nichtselbständiger Tätigkeit von der ***AG*** i.H.v. € 2.705,36 und von der Pensionsversicherungsanstalt i.H.v. € 11.043,84.

Nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses zur Gemeinde ***G*** war die Beschwerdeführerin nicht mehr beruflich in der Schweiz tätig. Für die Beschwerdeführerin bestand keine Möglichkeit, den während ihres Dienstverhältnisses zur Gemeinde ***G*** erworbenen Vorsorgeschutz in der Form aufrechtzuerhalten, dass das Altersguthaben zu irgendeinem Zeitpunkt in Form einer Rente ausbezahlt wird. Es bestand daher nur die Möglichkeit, sich dieses Guthaben in Form eines Kapitalbetrages auszahlen zu lassen.

Die Beschwerdeführerin erwarb mit Kaufvertrag vom gemeinsam mit ihrem Ehegatten eine Eigentumswohnung samt Nebenräumen (selbstständige Wohnungseigentumsobjekte) im damals neu errichteten und spätestens am fertiggestellten Haus ***Bf-Adr alt*** (Anteile BLNr. 26 bis 31 an der Liegenschaft EZ ***XXXX*** KG ***XXXXX***) um ATS 2.435.000,00 von der ***Verkäuferin***. Bei dieser handelt es sich um eine - mittlerweile gelöschte - Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Betriebsgegenstand laut Gesellschaftsvertrag in der Schaffung von Wohnungseigentum bestand und die auch tatsächlich Eigentumswohnungen errichtete. Diese Wohnung diente der Beschwerdeführerin vom bis als Hauptwohnsitz. Zur Finanzierung des Wohnungskaufes nahmen die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte ein Darlehen bei der (heutigen) ***Bank (Österreich)*** auf, welches am mit dem damals noch aushaftenden Restbetrag von € 28.334,57 zurückgezahlt wurde. Die hierfür erforderlichen Mittel stammten aus dem o.a. Pensionsguthaben, welches die Beschwerdeführerin am aus der beruflichen Altersvorsorge i.Z.m. ihrer Tätigkeit in der Schweiz erhalten hatte.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin in der Schweiz und zu den daraus erzielten Einkünften ergeben sich aus dem insoweit unstrittigen Vorbringen der Beschwerdeführerin und den von ihr vorgelegten Urkunden, nämlich dem Antrag auf Eröffnung eines ***Bank (Schweiz)*** Freizügigkeitskontos vom sowie den Schreiben der Freizügigkeitsstiftung der ***Bank (Schweiz)*** vom (Zahlungseingangsbestätigung nach Kontoeröffnung), vom (Vermögensauszug vom bis ) und vom (Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens). Die Feststellungen zur Rechtsform der Pensionskasse ***K*** ergeben sich aus einem amtswegig eingeholten Auszug aus dem öffentlichen und frei zugänglichen (https://sg.chregister.ch/cr-portal/suche/suche.xhtml) Handelsregister des Kantons St. Gallen. Die Feststellungen zu den inländischen Einkünften der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den (einen Bestandteil des angefochtenen Bescheides bildenden) Lohnzetteln.

Zur Frage, ob es für einen Grenzgänger anlässlich der (endgültigen) Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit in der Schweiz möglich ist, sich das im Rahmen der beruflichen Altersvorsorge angesparte Pensionsguthaben (bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit in der Schweiz oder zu einem späteren Zeitpunkt) in Form einer Rente auszahlen zu lassen, hat das Bundesfinanzgericht (Außenstelle Feldkirch) anlässlich mehrerer anhängiger Beschwerden umfangreiche Erhebungen durchgeführt und entsprechende Anfragen an den Schweizer Pensionskassenverband ASIP, das Bundesamt für Sozialversicherungen BSV und die Oberaufsichtskommission über die berufliche Vorsorge OAK BV gerichtet. Die Beantwortung dieser Anfragen hat ergeben, dass im Falle des endgültigen Verlassens der Schweiz (bei einem Grenzgänger entspricht dies der Aufgabe der Erwerbstätigkeit in der Schweiz) vor Eintritt des Vorsorgefalles (Alter, Berufsunfähigkeit, Tod) keine Möglichkeit besteht, den Anspruch auf eine Altersrente aus der beruflichen Vorsorge aufrechtzuerhalten bzw. sich die Austrittsleistung (das angesparte Pensionsguthaben) in Rentenform auszahlen zu lassen, da die Auszahlung der Austrittsleistung beim endgültigem Verlassen der Schweiz gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a des Schweizer Freizügigkeitsgesetzes (FZG) als Kapitalleistung erfolgt. Nach Auffassung und Praxis der Schweizer Behörden kann die Austrittsleistung in einem derartigen Fall daher nur in Form eines Kapitalbetrages ausbezahlt werden. Auch eine nach der Schweizer Freizügigkeitsverordnung (FZV) grundsätzlich noch vorgesehene Freizügigkeitspolice, welche die Veranlagung der Austrittsleistung mit späterer Auszahlung in Rentenform ermöglichen würde, kann de facto nicht abgeschlossen werden, da derartige Produkte von schweizerischen Versicherungsunternehmen aufgrund der historisch tiefen Zinsen nicht (mehr) angeboten werden (dazu ausführlich ; , RV/1100260/2020).

Die Feststellungen zum Ankauf der Eigentumswohnung in ***Bf-Adr alt*** gründen sich auf den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Kaufvertrag vom . Dass das Haus damals neu errichtet wurde, hat die Beschwerdeführerin anlässlich einer telefonischen Befragung glaubhaft angegeben und steht dies auch im Einklang mit dem historischen Grundbuch. Demnach war zunächst ***VE*** Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***XXXX***, KG ***XXXXX*** und hat die ***Verkäuferin***. diese Liegenschaft mit Kaufvertrag vom erworben. In den folgenden Jahren wurde Wohnungseigentum an insgesamt acht Wohnungen begründet und die entsprechenden Liegenschaftsanteile verkauft (sieben Wohnungen im Zeitraum bis , die letzte am ). Dies bildet den typischen Vorgang bei der Schaffung von Neubau-Wohnungseigentum (Ankauf einer Liegenschaft, Errichtung eines Mehrparteienhauses, Abverkauf der Wohnungen im Eigentum) grundbücherlich ab. Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der ***Verkäuferin***. ergeben sich aus dem offenen Firmenbuch und der Einsichtnahme in den Firmenbuchakt FN ***YYYYY*** (vormals: HRB ***ZZZ***) des Landesgerichtes Feldkirch. Gemäß einem in diesem Akt erliegenden Nachtrag vom zum Gesellschaftsvertrag vom besteht der Unternehmensgegenstand der ***Verkäuferin***. in der Schaffung von Wohnungseigentum und erfolgte diesbezüglich bis zur Auflösung der Gesellschaft im Jahr 2009 keine Änderung. Dass die ***Verkäuferin***. auch tatsächlich Eigentumswohnungen errichtet hat, ergibt sich aus der glaubhaften Aussage der Beschwerdeführerin, welche angegeben hat, dass sich die ***Verkäuferin***. nach ihrem Kenntnisstand ausschließlich mit der Errichtung von Eigentumswohnungen beschäftigt hat. Zudem steht außer Zweifel, dass die ***Verkäuferin***. im hier gegenständlichen Haus ***Bf-Adr alt*** Wohnungseigentum geschaffen hat. Die Feststellungen zum Hauptwohnsitz der Beschwerdeführerin ergeben sich aus einer amtswegig eingeholten Auskunft aus dem zentralen Melderegister (ZMR). Aus dem Umstand, dass der Hauptwohnsitz in der Wohnung am begründet wurde, ergibt sich auch, dass das Haus zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellt sein musste. Die Feststellungen zur Darlehensfinanzierung des Wohnungskaufs sowie zur vorzeitigen Rückzahlung dieses Darlehens ergeben sich aus den glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführerin und den von ihr vorgelegten Urkunden (Kontoauszug vom , Löschungserklärung der ***Bank (Österreich)*** vom ). Dass die Mittel zur vorzeitigen Rückzahlung aus der Schweizer Pensionsabfindung stammen und daher von der Beschwerdeführerin alleine aufgebracht wurden, ist auch insofern naheliegend, als ohne diese Pensionsabfindung wohl nicht die Möglichkeit bestanden hätte, die im Jahr 2015 noch offene Darlehenssumme (vorzeitig) zurückzuzahlen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

A. Steuerbegünstigung nach § 124b Z. 53 EStG 1988

Das Schweizer System der Altersvorsorge beruht auf drei Säulen, wobei die (durch Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer an Vorsorgeeinrichtungen dotierte) berufliche Altersvorsorge die sog. 2. Säule darstellt. Gem. Art. 331 Abs. 1 des Schweizer Bundesgesetzes vom 30.3.1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (fünfter Teil: Obligationenrecht - OR) sind die Zuwendungen der Arbeitgeber und die Beiträge der Arbeitnehmer zu dieser Vorsorge auf eine Stiftung, eine Genossenschaft oder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts zu übertragen. Träger der 2. Säule der Altersvorsorge sind daher nicht die jeweiligen Arbeitgeber, sondern spezielle Vorsorgeeinrichtungen, die in einer der drei genannten Rechtsformen errichtet sein müssen. Das Schweizer Bundesgesetz über die Freizügigkeit der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom (Freizügigkeitsgesetz - FZG) normiert nun, dass Versicherte, welche die Vorsorgeeinrichtung verlassen, bevor ein Vorsorgefall eintritt (Freizügigkeitsfall) Anspruch auf eine Austrittsleistung haben, welche bei Eintritt in eine neue Vorsorgeeinrichtung an diese zu überweisen ist, oder hinsichtlich derer der Versicherte mitteilen muss, in welcher zulässigen Form er den Vorsorgeschutz erhalten will (Art. 1ff leg. cit). Gemäß Art. 10 der aufgrund des FZG erlassenen (Schweizer) Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 3.10.1994 (Freizügigkeitsverordnung - FZV) kann der Vorsorgeschutz durch ein Freizügigkeitsskonto oder eine Freizügigkeitspolice erhalten werden, wobei als Freizügigkeitspolice besondere, ausschließlich und unwiderruflich der Vorsorge dienende Kapital- oder Rentenversicherungen gelten.

Gemäß § 124b Z. 53 EStG 1988 sind Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen aufgrund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen. Diese Begünstigung soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass (Kapital-)Abfindungen eines (im Normalfall in Rentenform auszuzahlenden) Pensionsanspruches im Jahr der Auszahlung voll zu versteuern sind. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH liegt eine "Abfindung" im Sinne dieser Gesetzesstelle daher nur dann vor, wenn der Anspruchsberechtigte lediglich die Möglichkeit hat, sein Pensionsguthaben in Form einer Einmalzahlung zu beziehen. Besteht dagegen eine Wahlmöglichkeit, liegt keine "Abfindung" vor, wenn der Anspruchsberechtigte seine freie Wahl zwischen mehreren gleichwertigen (primären, aber alternativen) Ansprüchen trifft und die Auszahlung in Form eines Kapitalbetrages wählt (; , 2009/15/0188). Da hier eine derartige Wahlmöglichkeit nicht bestand, ist die der Beschwerdeführerin in Form eines Kapitalbetrages gewährte Austrittsleistung als Pensionsabfindung im Sinne des § 124b Z. 53 EStG 1988 zu qualifizieren und genießt daher die dort vorgesehene Drittelbegünstigung. Anzumerken ist, dass in der Möglichkeit, sich die Austrittsleistung in drei Tranchen auszahlen zu lassen, keine Rentenleistung zu erblicken ist. Von einer Rente kann nur dann gesprochen werden, wenn eine regelmäßige Auszahlung auf unbestimmte Dauer, z.B. auf Lebenszeit bzw. auch darüber hinaus an unterhaltsberechtigte Hinterbliebene bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit, erfolgt, sodass die Gesamtleistung der Höhe nach unbestimmt (da von der Leistungsdauer abhängig) ist. Bei einer Auszahlung in drei Tranchen wird dagegen ein der Höhe nach von vornherein feststehender Betrag in drei Teilzahlungen geleistet, sodass auch eine derartige Leistung als Kapitalzahlung zu qualifizieren ist. Insoweit war der Beschwerde daher stattzugeben und die Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug mit lediglich € 31.566,77 (2/3 von € 47.350,15) zu veranschlagen.

Infolge Steuerfreiheit eines Drittels der Pensionsabfindung reduziert sich der Gesamtbetrag der Einkünfte auf € 45.183,97. Dadurch kommen die Sonderausgaben i.S.d. § 18 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988 (Wohnraumschaffung) nicht nur mit dem Pauschbetrag gemäß § 18 Abs. 2 EStG 1988 (€ 60,00), sondern mit einem Betrag von € 480,62 zum Tragen. Die Höhe ergibt sich aus § 18 Abs. 3 Z. 2 EStG 1988 (Höchstbetrag € 2.920,00; Berücksichtigung lediglich mit einem Viertel, im Falle des Höchstbetrages daher mit € 730,00; zudem Einschleifregelung des § 18 Abs. 3 Z. 2 letzter Satz EStG 1988, s. Formel im angeschlossenen Berechnungsblatt). Da das Darlehen bei der ***Bank (Österreich)*** zur Finanzierung einer damals neu errichteten Wohnung (sohin zur "Wohnraumschaffung") aufgenommen wurde, mit der Bauausführung vor dem begonnen wurde (Fertigstellung 1989) und es sich bei der ***Verkäuferin***. um einen Bauträger handelt, dessen Betriebsgegenstand nach Satzung (Gesellschaftsvertrag) und tatsächlicher Geschäftsführung die Schaffung von Wohnungseigentum ist (§ 18 Abs. 1 Z. 3 lit. a 2. TS EStG 1988), bildet die Rückzahlung dieses Darlehens eine Sonderausgabe i.S.d. § 18 Abs. 1 Z. 3 lit. d EStG 1988 (Rückzahlungen von Darlehen, die für die Schaffung von begünstigtem Wohnraum im Sinne der lit. a bis c aufgenommen wurden).

B. Berücksichtigung der schweizerischen Quellensteuer

Gemäß Art. 18 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl Nr. 64/1975, (DBA CH) dürfen vorbehaltlich des Artikels 19 Abs. 1 Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbstständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat (Ansässigkeitsstaat) besteuert werden. Grundsätzlich steht daher für (Schweizer) Ruhebezüge, welche eine in Österreich wohnhafte und damit in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Person erhält, ausschließlich Österreich das Besteuerungsrecht zu. Eine Ausnahme hiervon bilden gemäß Art. 19 DBA CH Vergütungen, einschließlich Ruhegehälter, die ein Vertragsstaat für ihm erbrachte gegenwärtige oder frühere Dienstleistungen oder Arbeitsleistungen auszahlt. Derartige Vergütungen dürfen von jenem Staat besteuert werden, der sie erbringt, und zwar auch dann, wenn solche Vergütungen von einem Land, einem Kanton, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts gewährt werden, wobei die Frage ob eine juristische Person eine solche des öffentlichen Rechts ist, nach den Gesetzen jenes Staates zu beurteilen ist, in dem sie errichtet ist. Die Anwendung des Art. 19 DBA CH setzt sohin voraus, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts sowohl die Dienstleistungen/Arbeitsleistungen erhält als auch die hierfür gebührenden Vergütungen (einschließlich Ruhegehälter) auszahlt ().

Die Beschwerdeführerin war bei der Gemeinde ***G*** beschäftigt und hat damit Dienstleistungen/Arbeitsleistungen an eine der in Art. 19 Abs. 1 DBA CH aufgezählten juristischen Personen erbracht. Die Auszahlung der Austrittsleistung, also des Ruhebezuges für diese Dienstleistungen/Arbeitsleistungen, erfolgte (mittelbar über ein Freizügigkeitsskonto bei der Freizügigkeitsstiftung der ***Bank (Schweiz)***) durch die (damalige) "Pensionskasse ***K***". Diese Pensionskasse (heute: ***P*** Vorsorgegenossenschaft) ist in der Rechtsform einer Genossenschaft errichtet. Eine Genossenschaft ist gemäß Art. 828 OR eine als Körperschaft organisierte Verbindung einer nicht geschlossenen Zahl von Personen oder Handelsgesellschaften, die in der Hauptsache die Förderung oder Sicherung wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe bezweckt oder die gemeinnützig ausgerichtet ist. Gemäß Art. 830 OR entsteht die Genossenschaft nach Aufstellung der Statuten und deren Genehmigung in der konstituierenden Versammlung durch Eintragung in das Handelsregister. Eine Genossenschaft nach schweizerischem Recht wird daher nicht durch Hoheitsakt, sondern durch privatrechtlichen Akt (Aufstellung und Genehmigung der Statuten) errichtete, wobei für die Erlangung der Rechtspersönlichkeit - wie auch bei anderen juristischen Personen des Privatrechts - die Eintragung in das Handelsregister erforderlich ist. Bei der Genossenschaft nach schweizerischem Recht handelt es sich daher (ebenso wie bei der Genossenschaft nach österreichischem Recht) unzweifelhaft um eine juristische Person des Privatrechts.

Da sohin die (damalige) "Pensionskasse ***K***" nicht als juristische Person des öffentlichen Rechts zu qualifizieren ist, gelangt Art. 19 DBA CH nicht zur Anwendung und bleibt es bei der grundsätzlichen Bestimmung des Art. 18, wonach das Besteuerungsrecht für die gegenständliche Austrittsleistung ausschließlich Österreich zukommt. Damit stellt sich auch nicht die Frage, ob und in welcher Form die schweizerische Quellensteuer gemäß Art. 23 DBA CH bei der Festsetzung der österreichischen Einkommensteuer berücksichtigt hätte werden müssen. Die schweizerische Quellensteuer wurde vielmehr zu Unrecht erhoben und ist die Beschwerdeführerin diesbezüglich auf den Rückforderungsanspruch gegenüber den Schweizer Steuerbehörden zu verweisen. Insoweit war daher der angefochtene Bescheid - wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung - zu Lasten der Beschwerdeführerin abzuändern.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Pensionsabfindungen die steuerliche Begünstigung des § 124b Z. 53 EStG 1988 genießen, ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt und hält sich das vorliegende Erkenntnis im Rahmen dieser Rechtsprechung. Die Frage, ob für einen Grenzgänger bei einer Aufgabe der beruflichen Tätigkeit in der Schweiz die Möglichkeit besteht, den Anspruch auf eine Altersrente aus der beruflichen Vorsorge aufrechtzuerhalten, insb. die Austrittsleistung in Form einer Freizügigkeitspolice zu veranlagen, stellt eine Tatsachenfrage dar. Die Frage, ob das Besteuerungsrecht für derartige Austrittsleistungen Österreich oder der Schweiz zusteht, ist durch das DBA CH hinreichend klar geregelt. Zu klären war in diesem Zusammenhang lediglich, ob es sich bei der "Pensionskasse ***K***" um eine juristische Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts handelt und stellt auch dies keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 124b Z 53 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 19 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101265.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at