Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.08.2022, RV/7102529/2017

Beschwerde lediglich gegen den Wiederaufnahmebescheid (und nicht gegen den neuen Sachbescheid); Kettenverweis; unmittelbare Einkünftezurechnung aus Immobilienverkauf beim Erben; Steuersubjekt kann keine Verlassenschaft sein.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des (damaligen) Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am brachte der Beschwerdeführer (in Folge kurz BF) seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung2015 beim (damaligen) Finanzamt Wien 12/13/14/Purkersdorf (=FA 08) ein.

Am stellte der BF beim Finanzamt Gänserndorf Mistelbach (=FA 018) zur Steuernummer ***St.Nr. FA18*** ("Verlassenschaft / Erbe nach ***5***") den Antrag auf Rückzahlung von Immobiliensteuer und begründete dies wie folgt:

"Sachverhalt: Der unbeschränkt Steuerpflichtige ***2***, wohnhaft gewesen in ***Adr1***, ist am verstorben. Das zumNachlass gehörige unbewegliche Vermögen wurde in drei Teilen, und zwar mit Kaufvertrag vom an Herrn ***Käufer1*** zum Preise von 4.020 €, mit Kaufvertrag vom an Frau ***Käuferin2*** zum Preise von 42.380 € und mit Kaufvertrag vom an Herrn ***Käufer3*** zum Preise von 170.000 € veräußert.

Vom für die Verlassenschaft zuständigen öffentlichen Notar, Mag. ***Notar***, wurden die Kaufverträge errichtet und Immobilienertragsteuern in der Höhe von 140 €, 1.483 € und 5.950 €, zusammen 5.973 € errechnet, dem Finanzamt Gänserndorf gemeldet und aus Mitteln der Verlassenschaft an das Finanzamt überwiesen.

Den drei Verkäufen ist gemeinsam: Verkäuferin ist die Verlassenschaft nach ***2***, vertreten durch ***Bf1***, Vertretungsbefugnis durch Amtsbestätigung vom nachgewiesen. Die Kaufverträge wurden abhandlungsgerichtlich genehmigt. Die Verbücherung ist zwischenzeitlich erfolgt. Die Berechnung und Überweisung der Immobilienertragsteuer erfolgte irrtümlich und ohne gesetzliche Grundlagen.

Begehren: Als amtlich bestellter Vertreter der Verlassenschaft und Erbe gemäß Einantwortungsbeschluss des BG Gänserndorf vom stelle ich den Antrag das Finanzamt möge die irrtümlich errechneten und abgeführten Steuern in der Höhe von 5.973 € an den Antragsteller, Konto: ***Kontonr.***, zurückzahlen.

Begründung: Verkäuferin des unbeweglichen Vermögens ist in allen Fällen die Verlassenschaft nach dem verstorbenen ***2***. Einkommensteuerpflichtig sind gemäß § 1 (1) EStG nur natürliche Personen. Die Verlassenschaft ist zwischen Erbfall und Einantwortung sowohl nach bürgerlichem als auch Steuerrecht keine natürliche, sondern eine juristische Person und Subjekt der nicht untergegangenen Rechte und Pflichten des Erblassers. Erst mit der Einantwortung treten an die Stelle der Verlassenschaft die Erben.

Dem Erblasser kann der Verkauf nicht zugerechnet werden, da mit dem Tod die Rechts- Geschäfts- und Handlungsfähigkeit eines Menschen endet. Abgesehen davon wäre für einen überwiegenden Teil der Verkäufe die Befreiung gemäß § 30 (2) Z 1 zu berücksichtigen.

Mir als Erben können die Verkäufe nicht zugerechnet werden, weil ich nicht als Verkäufer auftrat und nie Eigentümer der Immobilien war oder wurde. Es war weder der Wille zu Eigentums- oder Besitzerwerb gegeben noch wurde ein Akt der Besitzergreifung gesetzt. Die Sachen der Verlassenschaft wurden weder benutzt noch wurde das Haus bewohnt oder vermietet oder die Felder verpachtet. Letztere wurden nicht einmal besichtigt, was schon deshalb nicht möglich war, weil ich sie nicht gefunden hätte. Ich war zuletzt vor über 60 Jahren auf diesen Feldern. Auch hätte die für den Eigentumserwerb zwingend notwendige Einantwortung gefehlt. Ich hatte nicht einmal ein unbeschränktes Verfügungsrecht. Zu beachten ist darüber hinaus, dass die Erbserklärung vor dem Notar am abgegeben und die Kaufverträge mit den Käufern ***Käufer1*** und ***Käuferin2*** am selben Tag abgeschlossen wurden. Die Willensübereinstimmung zum Verkauf mit dem Ehepaar ***6*** erfolgte am 06.06. Meine Funktion bei den Verkäufen war stets die Vertretung der Verlassenschaft. Diese Tatsache wird auch dadurch unterstützt, dass das Finanzamt Gänserndorf sich durch Annahme der Meldung und abgeführten Steuern als zuständig gesehen hat, da das zuständige Wohnsitzfinanzamt des Erben ja das Finanzamt für den 12., 13., 14. Bezirk in Wien und Purkersdorf gewesen wäre. Sogar eine irrtümlich vom Notariat an dieses Finanzamt abgeführte Steuer wurde vom FA Gänserndorf mit Mahnung vom eingemahnt. Auch das BG Gänserndorf, das die Kaufverträge genehmigt hat, hat als Verkäuferin (und damit juristische Person) die Verlassenschaft bestätigt.

Mein Interesse war, alle körperlichen Sachen des Nachlasses aus höchstpersönlichen und emotionalen Gründen weder zu besitzen noch zu erben, sondern vor der Einantwortung möglichst rasch durch den Nachlass zu veräußern. Darauf habe ich schon beim ersten Kontakt mit dem zuständigen Notar, Herrn ***N***, hingewiesen. Dabei war mir völlig klar, dass diese Vorgangsweise wirtschaftlich unzweckmäßig ist, ich mit dem Verkauf unter Zeitdruck komme und nicht ausreichend lange auf Interessenten, die ein höheres Angebot gelegt hätten, warten konnte. Auch war, bedingt durch die lange, schwere Krankheit des Erblassers das Anwesen stark vernachlässigt, Dächer undicht, viele Fensterscheiben gebrochen, Sparren vermorscht, viel uraltes, unbrauchbares Gerümpel im Haus, in den Wirtschaftsgebäuden und im Hof (darunter mehrere Kubikmeter gebrochener Welleternitplatten mit hohen Entsorgungskosten), was Kaufinteressenten abgeschreckt hat. Eine in meinem Interesse wirtschaftlich vernünftige Vorgangsweise wäre gewesen, das Anwesen nach der Einantwortung mit vertretbarem Aufwand in einen herzeigbaren Zustand zu versetzen und dann ohne Zeitdruck anzubieten. Oder noch besser: das Anwesen zu behalten, die Felder zu verpachten und ein zweites Standbein für die Altersvorsorge zu haben, da beim jetzigen Zinsniveau die Ersparnisse real schrumpfen.

Ich stelle dies klar, weil ich daraufhinweisen will, dass die Vorgangsweise nicht gewählt wurde, um Immobilienertragsteuer zu vermeiden. Zum Zeitpunkt des Entschlusses habe ich nicht einmal gewusst, dass es eine solche gibt. Ich sehe mich schon seit Jahren außerstande, der Gesetzesflut zu folgen."

Der Einkommensteuerbescheid 2015 des BF wurde am erklärungsgemäß erlassen und erwuchs in Rechtskraft.

Am übermittelte das (damalige) Finanzamt Gänserndorf Mistelbach (=FA 018) folgendes Schreiben an den BF:

"Betreff: Immobilienertragsteuer - Schreiben vom

Sehr geehrter Herr Dr. ***1***!

Sie führen in Ihrem Schreiben aus, dass Sie Erbe nach Ihrem verstorbenen Bruder Herrn ***2*** sind. Mit Kaufvertrag sei "aus der Verlassenschaft" das erblasserische Vermögen in 3 Teilen verkauft worden. Fälschlicherweise wurde von Notar ***N*** die aus diesen Verkäufen resultierend Immobilienertragssteuer auf das Konto des verstorbenen ***2*** überwiesen worden. Sie ersuchen um Rücküberweisung dieses Betrages und führen aus, dass weder dem Verstorbenen noch Ihnen als Erben diese Verkäufe zugerechnet werden können.

Dazu wird ausgeführt: Die Verlassenschaft als solche gilt als juristische Person und damit grundsätzlich als selbständiges Steuersubjekt. Sie existiert nur bis zur Einantwortung an die Erben. Mit Einantwortung treten Erben rückwirkend auf den Todesfall als Gesamtrechtsnachfolger (§ 19 Abs 1 BAO) in die von der Verlassenschaft fortgeführte Rechtsposition des Erblassers ein. Ob die Verlassenschaft (dann noch) parteifähig ist hängt somit von der wirksamen Zustellung der Einanwortungsurkunde an den ausgewiesenen Erben ab. Der Erbe erwirbt das Nachlassvermögen unmittelbar vom Erblasser und nicht von der Verlassenschaft ( 2003/13/0160), er tritt daher schon ab Todestag in die Rechtstellung des Erblassers ein. Auch die vom ruhenden Nachlass erwirtschafteten Einkünfte werden unmittelbar dem Erben zugerechnet, so als ob die für die zeitliche Zuordnung maßgeblichen Sachverhaltselemente bei ihm selbst und nicht beim ruhenden Nachlass verwirklicht worden wären. Einkommensteuerbescheide werden daher nach der Einantwortung hinsichtlich des ruhenden Nachlasses (in diesem Fall hinsichtlich des Verkaufes privater Grundstücke) beim Erben erlassen (siehe dazu 2002/14/0146).

Den obigen Ausführungen entsprechend ist der Immobilienertrag aus dem Verkauf der gegenständlichen Grundstücke (3 Verkäufe) nicht Verlassenschaft (juristischen Person des privaten Rechts) zuzurechnen, sondern Ihnen als (rückwirkenden) Erben der Grundstücke. Da die Vorauszahlungen der ImmoESt hinsichtlich der Grundstückverkäufe vom Notar auf das Konto des Erblassers eingezahlt worden sind, muss für das Jahr 2015 eine Veranlagung erfolgen damit die bezahlte ImmoEst als Guthaben aus dem Abgabenkonto entsteht. Erst bei Gutschrift auf dem Abgabenkonto kann dieses Guthaben zurückgezahlt werden. Eine Versteuerung der Grundstücksverkäufe muss jedoch vom zuständigen Wohnsitzfinanzamt Wien 12/13/14/P für Sie als Erben erfolgen."

Am teilte eine Sachbearbeiterin des Finanzamtes Gänserndorf dem Wohnsitzfinanzamt des BF, dem FA 12/13/14/Purkersdorf (FA 08), via Kontrollmitteilung per Mail mit:

"Betreff: Kontrollmitteilung betreffend Verrechnung von Immo-ESt für die Steuernummer ***4*** ***BF*** ***7*** für das Jahr 2015 in der Höhe von EUR 7573.- (AV02), Wichtigkeit: Hoch

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in der Anlage übermittle ich Ihnen eine Kontrollmitteilung für die Steuernummer ***4*** ***BF*** ***7***.

Es ist die Vorschreibung von Immo-ESt in der Höhe von EUR 7573.- für die Veranlagung 2015 im Zuge einer Aufhebung des Erstbescheides nach § 299 BAO erforderlich.

Der Erstbescheid für 2015 wurde per über die JVP ohne Berücksichtigung der Immobilienverkäufe erstellt.

Dazu eine kurze Schilderung des Sachverhalts: ***Bf1*** ist Erbe nach seinem Bruder ***5***, dieser war unter der Steuernummer ***St.Nr. FA18*** am FA Gänserndorf veranlagt. Im Zuge der Abhandlung der Verlassenschaft wurden 3 Grundstücke verkauft, die dem Erben mit der Einantwortung rückwirkend auf den Todesfall als Gesamtrechtsnachfolger zuzuordnen sind. Die Immobilienertragsteuer wurde ursprünglich in 2 Fällen vom Notar auf die Steuernummer der Verlassenschaft nach ***5*** (***St.Nr. FA18***) und nur in einem Fall richtiger Weise auf die Steuernummer des Erben (***4*** ***BF*** ***7***) gemeldet.

Auf Wunsch des Erben wurde aber im September 2015 diesbezüglich eine Umbuchung vom FA 08 auf das FA18 veranlasst (IE 06/15 Fälligkeit /140.- EUR) ***BF*** wollte zu diesem Zeitpunkt alle Grundstücksverkäufe über die Steuernummer der Verlassenschaft seines Bruders abgewickelt haben. Aus Kulanz ist man dieser Bitte nachgekommen.

Mit hat ***BF*** nun aber die Rückzahlung der Immobilienertragsteuer in der Höhe von gesamt EUR 7573.- im Zuge der Veranlagung für das Jahr 2015 für die Steuernummer ***St.Nr. FA18*** beantragt, da diese nicht auf dem richtigen Steuerkonto und somit zu Unrecht erfolgt sei.

Der Fachbereich des FA Gänserndorf, Fr. Mag. ***3***, hat das Ansuchen geprüft und der Rückzahlung zugestimmt, aber gleichzeitig dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben, dass die Verrechnung derselben nun unter seiner Steuernummer beim FA 08 erfolgen muss.

In der Anlage übermittle ich Ihnen den entsprechenden Schriftverkehr. Für eventuelle Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung."

Auf Grund dieser neuen Tatsachen (Immobilienverkäufe) wurde das Verfahren betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2015 am nach § 303 Abs 1 BAO wiederaufgenommen und erging mit selbem Datum ein gesonderter Einkommensteuerbescheid 2015, aus dem eine Abgabennachforderung von € 7.433,- (festgesetzte Einkommensteuer von € 7.325,- abzüglich bisher festgesetzter Einkommensteuer ((=Gutschrift)) von € 108,-) resultierte. In der Begründung wurde auf das Schreiben des FA Gänserndorf vom verwiesen.

In der gegen den Wiederaufnahmebescheid vom fristgerecht erhobenen Beschwerde vom (eingelangt am ) bringt der BF vor:

"Gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2015 erhebe ich BESCHWERDE und begründe diese wie folgt:

a) Das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf ist für die in Anrechnung gebrachten Immobilienverkäufe örtlich unzuständig. Die Verträge wurden von der Juristischen Person "Verlassenschaft nach ***2***" als Verkäuferin geschlossen, die auch Steuersubjekt ist. Die Zuständigkeit liegt also beim FA Gänserndorf, das sich durch Annahme der Meldung und der abgeführten Steuern als zuständig gesehen hat. Sogar eine irrtümlich und ohne Rechtsgrundlage vom Notariat an das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf abgeführte Steuer wurde vom FA Gänserndorf mit Schreiben vom eingemahnt. Auch das BG Gänserndorf, das die Kaufverträge genehmigt hat, hat als Verkäuferin (und damit juristische Person) die Verlassenschaft bestätigt.

b) Die Immobilien wurden vor der Einantwortung, sogar noch vor der Erbserklärung verkauft. Ich bin dabei nie als Verkäufer aufgetreten.

c) Ich war nie und wurde nie Eigentümer der Immobilien. Dies aus rechtlichen Gründen, da derivatives Eigentum an unbeweglichen Sachen nur durch Eintragungen das Grundbuch erworben werden kann (für die Verlassenschaft, nicht jedoch für die Erben, gilt die zivilrechtlich statuierte Ausnahme). Ich hätte also Eigentum an den Immobilien überhaupt nicht rechtsgültig übertragen können.

Ich habe auch keinen Akt der Besitzergreifung ersetzt, die Sachen der Verlassenschaft wurden weder benutzt noch wurde das Haus bewohnt oder vermietet oder die Felder verpachtet. Letztere wurden nicht einmal besichtigt, was schon deshalb nicht möglich war, weil ich sie nicht gefunden hätte. Ich war zuletzt vor über 60 Jahren auf diesen Feldern. Erst mit Amtsbestätigung vom 21.05., dem Tag, an dem zwei Kaufverträge geschlossen wurden, erhielt ich das Recht, die Verlassenschaft zu vertreten, das aber hinsichtlich der Immobilienverkäufe beschränkt war und der Zustimmung des Abhandlungsgerichtes bedurfte. Mein Interesse war, alle unbeweglichen Sachen des Nachlasses aus höchstpersönlichen und emotionalen Gründen weder zu besitzen noch zu erben. Vielmehr sollten sie vor der Einantwortung seitens der Verlassenschaft veräußert werden, worauf ich schon beim ersten Kontakt mit dem zuständigen Notar, Herrn ***N***, hingewiesen habe. Dabei war mir völlig klar, dass diese Vorgangsweise wirtschaftlich unzweckmäßig ist, der Verkauf unter Zeitdruck erfolgen musste und nicht ausreichend lange auf Interessenten, die ein höheres Angebot gelegt hätten, gewartet werden konnte. Auch war, bedingt durch die lange, schwere Krankheit des Erblassers das Anwesen stark vernachlässigt, Dächer undicht, viele Fensterscheiben gebrochen, Sparren vermorscht, viel uraltes, unbrauchbares Gerümpel im Haus, in den Wirtschaftsgebäuden und im Hof (darunter mehrere Kubikmeter gebrochener Welletenitplatten mit hohen Entsorgungskosten), was Kaufinteressenten abgeschreckt hat. Eine in meinem Interesse wirtschaftlich vernünftige Vorgangsweise wäre gewesen, das Anwesen nach der Einantwortung mit vertretbarem Aufwand in einen herzeigbaren Zustand zu versetzen und dann ohne Zeitdruck anzubieten. Ich stelle dies klar, weil ich darauf hinweisen will, dass die Vorgangsweise nicht gewählt wurde, um Immobilienertragsteuer zu vermeiden. Zum Zeitpunkt des Entschlusses habe ich nicht einmal gewusst, dass es eine solche gibt. Ich sehe mich schon seit Jahren außerstande, der Gesetzesflut zu folgen. Ich wäre darüber hinaus mangels Lenkerberechtigung und Erfahrung mit Tieren nicht in der Lage gewesen, das Anwesen zu fuhren.

d) In dem der Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens zu Grunde liegenden Protokoll des zuständigen Gerichtskommisäres vom wird festgestellt, dass die erbl. Liegenschaften verkauft, die Kaufverträge abhandlungsgerichtlich genehmigt und im Grundbuch verbüchert wurden.

e) Rechtliche Beurteilung: BAO §19. (1) [….] Die zutreffende Rechtsquelle dazu bietet der § 797 ABGB: Niemand darf eine Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen. Das Erbrecht muß vor Gericht verhandelt und von demselben die Einantwortung des Nachlasses, das ist, die Übergabe in den rechtlichen Besitz, bewirkt werden. Dies bedeutet aber (in Übereinstimmung mit dem Gesetz und der herrschenden Lehre), dass zwischen Erbanfall und Einantwortung der Nachlass als parteifähige, juristische Person Subjekt der nicht untergegangenen Rechte und Pflichten und Eigentümer der Immobilien ist. Der § 19 (1) BAO steht dem nicht entgegen.

Daher kommt als Zeitpunkt für die Rechtsnachfolge im Falle der Universalsukzession weder der Erbanfall noch die Erbserklärung, sondern eindeutig der Zeitpunkt der Einantwortung in Frage. Dies ist auch die herrschende Lehrmeinung. Im konkreten Fall wurde der Einantwortungsbeschluss vom Bezirksgericht Gänserndorf am ausgestellt. Vor diesem Zeitpunkt konnte ich weder Besitz noch Eigentum erwerben und daher auch nicht veräußern.

Zu ergangenen VWGH-Erkenntnissen in ähnlichen Fällen ist anzumerken, dass solche nur für den Einzelfall gelten und die Immobilienertragsteuer noch nicht berücksichtigt ist.

Ich stelle daher den Antrag das Finanzamt möge der Beschwerde stattgeben und den auf Grund der nicht zulässig gewesenen Wiederaufnahme des Verfahrens ergangenen Einkommensteuerbescheid 2015 beheben."

Am wurde die Beschwerde durch die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung über den Bescheid hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2015 abgewiesen. Begründend wurde festgehalten:

"Wie im Schreiben des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom mitgeteilt, erfolgt die einkommensteuerrechtliche Zurechnung von Einkünften, die aus einer Verlassenschaft erzielt werden, an den Erben.

Der Erbe tritt hinsichtlich des Nachlassvermögens und der daraus erzielten Einkünfte schon mit dem Todestag in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Die Beurteilung, dass die Erben das Nachlassvermögen steuerrechtlich unmittelbar vom Erblasser und nicht von der Verlassenschaft erwerben, vermeidet im Hinblick auf den jedenfalls zeitlich beschränkten (zivilrechtlichen) Bestand der Verlassenschaft und den Umstand, dass die entsprechenden Vermögenswerte einschließlich der von der Verlassenschaft erwirtschafteten (oder verminderten) Werte letztlich den Erben zufließen, die andernfalls gegebene Notwendigkeit, Einkünfte der Verlassenschaft in eigenen Verfahren (eines eigenen Körperschaftsteuersubjektes) einer Besteuerung zu unterziehen (vgl 93/14/0191).

Erwirbt der Erbe das Nachlassvermögen aus Sicht des Einkommensteuerrechts unmittelbar vom Erblasser folgt daraus allerdings auch, dass es auf den Zeitpunkt der Übertragung der Einkunftsquelle (einschließlich der vom ruhenden Nachlass erwirtschafteten Ergebnisse) auf den Erben (zB durch den Nachlassverwalter) nicht ankommt. Da der ruhende Nachlass einkommensteuerlich nicht als Empfänger von Einkünften in Frage kommt, sondern die Einkünfte unmittelbar dem Erben zugerechnet werden, bedeutet dies, dass die zeitliche Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben gemäß § 19 EStG beim Erben als dem Abgabepflichtigen so erfolgt, als ob die für die zeitliche Zuordnung maßgebenden Sachverhaltselemente bei ihm selbst und nicht beim ruhenden Nachlass verwirklicht worden wären. Die vom Nachlass erwirtschafteten Überschüsse werden auch in zeitlicher Hinsicht unmittelbar beim Erben erfasst und bei diesem der Einkommensteuer unterworfen ( 2002/14/0146). Dieser Grundsatz gilt im gesamten Einkommensteuerrecht und somit auch für Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen. Wird ein Grundstück aus einer Verlassenschaft veräußert, sind die Einkünfte entsprechend den Erbquoten auf alle Erben aufzuteilen. Da die Verkäufe der Liegenschaften aus der Verlassenschaft des Herrn ***2*** nach dem Tod des Erblassers erfolgten, sind die daraus resultierenden Einkünfte im Einkommensteuerverfahren des Erben zu erfassen.

Da keine Immobilienertragsteuer auf das Abgabenkonto des Erben entrichtet wurde, sind die Einkünfte im Wege der Veranlagung zu erfassen.

Da dem Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf erst nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides vom bekannt geworden ist, dass Ihnen als Erben nach Herrn ***2*** Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen zuzurechnen sind, lag eine neu hervorgekommene Tatsache vor, deren Kenntnis geeignet war, einen im Spruch anderslautenden Bescheid (mit Ansatz der Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen) herbeizuführen. Da die Auswirkungen nicht geringfügig waren, war der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor der Rechtsbeständigkeit zu geben.

Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2015 lagen daher vor. Die Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2015 war daher abzuweisen."

Am stellte der BF einen Vorlageantrag zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht (BFG):

"1.Den zitierten VwGH-Erkenntnissen liegt einen völlig anderen Sachverhalt zu Grunde. Es wurde nicht beachtet, dass
2. die Verkäuferin der Liegenschaften die juristische Person "Verlassenschaft nach
***2***" ist
3. das Steuerrecht an den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff grundsätzlich gebunden ist
4. die Verlassenschaft nach herrschender Lehre und Rechtsprechung und offensichtlich auch der Meinung der Finanzverwaltung (Gänserndorf/Mistelbach) eine juristische Person und damit ein eigenes Steuersubjekt ist (selbstverständlich nicht der Einkommensteuer, womit in der Berufungsvorentscheidung argumentiert wird, da diese nur natürliche Personen trifft)
5. die Wiederaufnahme des Verfahrens durch das FA 12/13/14/Purkersdorf zu Unrecht erfolgt ist, weil es für die juristische Person "Verlassenschaft nach
***2***" wie in der Beschwerde bereits hingewiesen, unzuständig ist
6. die Ansicht, die (durchaus nicht immer gegebene) Kurzlebigkeit der juristischen Person "Verlassenschaft" aus verwaltungsökonomischen Gründen kein Steuersubjekt begründe und diese sei daher nicht zu veranlagen sei, keine gesetzliche Deckung hat
7. der Erbe vor der Einantwortung weder Eigentümer noch Besitzer der Nachlassgegenstände ist und daher kein Eigentum übertragen kann
8. der Erbe vor der Einantwortung grundsätzlich auch kein Verfugungsrecht über die Nachlassgegenstände hat
9. der Verkäufer privater Grundstücke Schuldner der Immobilienertragsteuer ist (lex spezialis), und dieser ist konkret der Nachlass nach
***2***
10. gemäß §19
(1) BAO bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgaben Vorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger übergehen, wobei für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes gelten. Die herrschende Lehre geht davon aus, dass im Falle einer Universalsukzession für die Rechtsnachfolge des Erben nach dem Erblasser mit Hinweis auf § 797 ABGB die Einantwortung maßgebend ist (Koziol-Welser, Grundriss des Bürgerlichen Rechtes, Band 2,10. Aufl. S 395f). Mit der Einantwortung erfolgt die Übergabe in den rechtlichen Besitz. Wenn Erben (rückwirkend festgestellt) bereits mit dem Todestag das Eigentum erworben hätten, hätte des zur Folge, dass der gesetzlich zulässige Verkauf durch die Verlassenschaft - auch mit allen steuerlichen Konsequenzen - ungültig wäre und die juristische Person rückwirkend enteignet würde.
11. falls die (m.E. unhaltbare) Ansicht vertreten würde, der Erbe würde rückwirkend mit dem Todestag des Erblassers Eigentum erwerben, wäre auf die Rechtsstellung des Erblassers abzustellen, da dessen Rechte ja auf den Erben mit der Einantwortung übergehen, was bedeutet, dass der Verkauf des Hauses gemäß § 20 (2) EStG von der Immobilenertragsteuer befreit wäre. Der Erblasser hat das Haus vor ca. 30 Jahren selbst errichtet und seither als Hauptwohnsitz benützt. Diese Tatsache ist dem Finanzamt Gänserndorf/Mistelbach bekannt und hätte bei einem gesetzeskonformen, ordnungsgemäß durchgeführten Ermittlungsverfahren (§ 115 (1), (2), (3) BAO) berücksichtigt werden müssen. Mir wurde keine Gelegenheit zur Geltendmachung meiner Rechte und rechtlichen Interessen geben. Der Erblasser hatte ja das Recht, das Haus jederzeit unter Ausnützung der Befreiungsbestimmung zu veräußern und dieses Recht wäre auf mich als Erben übergegangen.

Befremdlich ist auch, dass der Einkommensteuerbescheid für 2015 am selben Tage wie der Bescheid über die Wiederaufnahme, also vor dessen Rechtskraft, erstellt wurde.

Hinweis: Falls Sie wieder ein Schriftstück mittels Rsb versenden, würde ich empfehlen, entweder auf dem Rückschein oder wenigstens auf dem Kuvert einen Absender anzugeben, damit die Post weiß, an wen der Rückschein gesendet werden soll. Der Briefträger hat einen Tag nach der Zustellung gebeten das Kuvert zu sehen, und, da auch darauf kein Absender zu finden war, den Inhalt sehen zu dürfen, um den Absender feststellen zu können. Dass die Kuverts ("maschinenfähige Rückscheinbriefe für Ämter und Behörden, Adaptiertes Formular...") händisch ausgefüllt werden, erstaunt im 21. Jahrhundert doch etwas. Ebenso, dass der Absender nicht vorgedruckt ist, sodass alle Behörden, die dieses Kuvert verwenden, diesen einsetzen müssen."

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde unter Anführung folgender Begründung:

"[…] Einkünfte werden dem Steuersubjekt zugerechnet, das auf eigene Rechnung den Steuertatbestand aufgrund seiner Dispositionsfähigkeit durch Leistungserbringung am Markt erfüllt. Entscheidend ist die Disposition (Verfügungsmacht) über den Einsatz des Leistungspotentials, also das wirtschaftliche Bewirken derjenigen Leistung, durch die der Steuertatbestand verwirklicht wird. Disposition (Verfügungsmacht) über die Leistung ist die Nutzung von Marktchancen, das Anbieten oder auch Einstellen von Leistungen. Die Zurechnung der Einkünfte erfolgt gleichzeitig mit der Verwirklichung des Steuertatbestandes durch den Steuerpflichtigen. Die zivilrechtliche Gestaltung hat nur Indizwirkung (Laudacher in Jakom, EStG10, § 2 Tz 36).

Im Steuerrecht ist der ruhende Nachlass nur in Ausnahmefällen (Körperschaft)Steuersubjekt, nämlich dann, wenn mangels Erben eine Erbnachfolge nicht eintritt oder die rechtmäßigen Erben die Erbschaft ausschlagen. In allen anderen Fällen sind die Einkünfte der Verlassenschaft natürlichen Personen zuzurechnen. Dabei wird die Universalsukzession (im Steuerrecht) von der Einantwortung auf den Todestag des Erblassers rückbezogen, sodass kein "steuerfreier Zeitraum" entstehen kann. Das gilt auch dann, wenn der Erbe bis zur Einantwortung die Einkunftsquelle nicht verwaltet hat und durch die Besorgungstätigkeit anderer Personen ihm nicht genehme Verfügungen über die Einkünfte hinnehmen musste ( 2002/14/0146). Eine zwischenzeitliche Besteuerung des Nachlasses wird vermieden, weil die Rechtsfigur des ruhenden Nachlasses nicht ins Steuerrecht übertragbar ist ( 93/14/0191; Laudacher in Jakom, EStG10, § 2 Tz 61).

Dem (oder den) Erben sind die Einkünfte nach der Einantwortung rückwirkend ab dem Erbanfall (dem Todestag des Erblassers; 2004/15/0140) nach den jeweiligen Erbquoten oder Regelungen des Erbübereinkommens zuzurechnen. Vom ruhenden Nachlass erwirtschaftete Überschüsse sind auch in zeitlicher Hinsicht unmittelbar beim Erben zu erfassen ( 2002/14/0146). Der Grundsatz der Zurechnung der Einkünfte ab dem Todestag an den Erben gilt auch für Grundstücksveräußerungen. Wird ein Grundstück aus der Verlassenschaft veräußert, sind die Einkünfte entsprechend den Erbquoten auf alle Erben aufzuteilen (Laudacher in Jakom, EStG10, § 2 Tz 63).

Der Erbe tritt damit bereits mit dem Todestag in die Rechtsstellung des Erblassers ein ( 2004/15/0140). Da die Verlassenschaft einkommensteuerrechtlich nicht als Einkünftezurechnungssubjekt anerkannt wird, erfolgt die zeitliche Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben gemäß § 19 beim Erben, als ob die für die zeitliche Zuordnung maßgebenden Sachverhaltselemente bei ihm selbst verwirklicht worden wären ( 2002/14/0146; Doralt/Toifl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG, § 2 Tz 146/1).

Gibt der Erbe zwar eine Erbserklärung ab, wird ihm aber der Nachlass nicht eingeantwortet, werden ihm die Einkünfte aus dem Nachlass nicht zugerechnet.

Im konkreten Fall erfolgte jedoch die Einantwortung mit Beschluss des BG Gänserndorf vom .Die Einkünfte aus den drei Grundstücksveräußerungen sind daher dem Bf zuzurechnen und im Wege der Einkommensteuerveranlagung der Besteuerung zu unterziehen. Die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2015 erfolgte daher zu Recht, weil die Kenntnis der für das Finanzamt neu hervorgekommenen Tatsache im Ergebnis einen in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid vom anders lautenden Bescheid herbeigeführt hat. Auf die Begründung der BVE wird hingewiesen.

Zum Vorbringen, dass auf die Rechtsstellung des Erblassers abzustellen sei und aufgrund der Errichtung eines Hauses durch ***2*** die Befreiung des § 30 Abs 2 Z 2 EStG zur Anwendung komme, ist anzumerken, dass die Herstellerbefreiung nur dem Errichter selbst zusteht und nicht seinen Rechtsnachfolgern. Diese Rechtsansicht steht im Einklang mit dem Wortlaut des § 30 Abs 2 Z 2 EStG und trägt sowohl dem Telos der Herstellerbefreiung als auch den dazu vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG, § 30 Tz 177).

Insofern im Vorlageantrag vorgebracht wird, dass es befremdlich sei, dass der Einkommensteuerbescheid 2015 am selben Tag wie der Bescheid über die Wiederaufnahme erstellt wurde, wird auf die Bestimmung des § 307 BAO hingewiesen, wonach mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheid die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden ist.

Abweisung der Beschwerde wird beantragt."

Der Vorlage beigefügt waren folgende Kaufverträge samt Selbstberechnungsunterlagen zur Immobilienertragssteuer

  • Kaufvertrag zwischen der Verlassenschaft nach ***2***, vertreten durch den erbantrittserklärten Erben Herrn ***Bf1*** und

  • Herrn ***Käufer1*** zu EUR 4.020,- (ImmoESt 140,-),

  • Frau ***Käuferin2*** zu EUR 42.380,- (ImmoEst 1.483,-) sowie mit

  • Herrn und Frau ***6*** zu EUR 170.000,- (ImmoESt 2x 2.975,- = 5.950,-).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der BF reichte am eine Einkommensteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2015 ein; der Einkommensteuerbescheid 2015 wurde am erklärungsgemäß erlassen und erwuchs in Rechtskraft.

Der BF ist alleiniger Erbe nach seinem Bruder, ***2***, der am verstorben ist; die Einantwortung erfolgte mit Beschluss des BG Gänserndorf vom .

Mit Kaufvertrag vom verkaufte der BF als erbserklärter Erbe nach seinem Bruder die Liegenschaft KG **** EZ ** an ***Käufer1*** um 4.020,- Euro (Erfassungsnummer 10-217302/2015). Ebenfalls mit Kaufvertrag vom verkaufte der BF als erbserklärter Erbe Grundstücke aus dem Nachlass seines Bruders (Grundstücke aus der EZ **, KG **** und aus der EZ **, KG ****, sowie die Liegenschaft EZ *** KG ****) an ***Käuferin2*** um einen Gesamtkaufpreis von 42.380,- Euro (Erfassungsnummer 10-****/2015).

Mit Kaufvertrag vom wurde vom BF als erbserklärten Erben die Liegenschaft EZ ***, KG **** sowie ein Grundstück aus der EZ ** KG **** um einen Gesamtpreis von 170.000,- Euro an Hr. und Fr. ***6*** verkauft (Erfassungsnummer 10-****/2015).

Für alle drei Grundstücksverkäufe wurden vom Parteienvertreter, Notar ***N***, eine Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer und damit verbunden der Immobilienertragsteuer vorgenommen. Als Verkäufer wurde in den Selbstberechnungen die Verlassenschaft nach ***2*** (StNr ***St.Nr. FA18***) angegeben und die ImmoESt auf dieses Abgabenkonto entrichtet. Betreffend Verkauf Erfassungsnummer 10-217302/2015 wurde die ImmoESt in Höhe von 140,- Euro auf das Abgabenkonto des BF eingezahlt; es erfolgte jedoch auf Wunsch des BF eine Umbuchung auf das Abgabenkonto der Verlassenschaft, auf das die ImmoESt gemeldet wurde.

Mit Schreiben an das Finanzamt Gänserndorf vom stellte der BF als "amtlich bestellter Vertreter der Verlassenschaft und Erbe gemäß Einantwortungsbeschluss des BG Gänserndorf vom " einen Antrag auf Rückzahlung der Immobilienertragsteuer mit der Begründung dem Erblasser könne der Verkauf der Grundstücke nicht zugerechnet werden, da mit dem Tod die Rechts- und Handlungsfähigkeit ende und weil er auch nie Eigentümer der Grundstücke geworden sei.

Daraufhin wurde dem BF vom Finanzamt Gänserndorf mit Schreiben vom mitgeteilt, dass der Erbe ab dem Todestag in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt. Die erzielten Einkünfte aus den drei Veräußerungen sind daher nicht der Verlassenschaft, sondern dem Erben zuzurechnen und entsprechend zu versteuern. Da die ImmoESt für den unrichtigen Steuerpflichtigen selbst berechnet und entrichtet worden ist, sind die Einkünfte vom BF im Wege der Einkommensteuererklärung zu erfassen. Das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf ist als Wohnsitzfinanzamt des BF für die Versteuerung zuständig.

Das Finanzamt Gänserndorf übermittelte in der Folge dem Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf mit Mail vom eine Kontrollmitteilung zur Steuernummer ***4*** betreffend diesen Sachverhalt; beigefügt wurde ua das Schreiben des Finanzamtes Gänserndorf vom .

Das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf verfügte daraufhin mit Bescheid vom die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2015 und erließ gleichzeitig einen neuen Sachbescheid, in dem die Einkünfte aus den drei Grundstücksveräußerungen aus dem Verlassenschaftsvermögen erfasst wurden (30.292,- Euro).

Der Wiederaufnahmebescheid enthält sowohl einen Spruch als auch eine Begründung. In der Begründung des Wiederaufnahmebescheides gibt das Finanzamt sowohl die gesetzliche Bestimmung des § 303 Abs. 1 BAO als auch jene des § 20 BAO wieder und verweist hinsichtlich der Wiederaufnahmegründe auf die Begründung des gleichzeitig erlassenen Sachbescheides; der Sachbescheid verweist auf das an den BF ergangene Schreiben vom .

Gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2015 richtet sich die Beschwerde vom . Der Sachbescheid (Einkommensteuer 2015) wurde nicht bekämpft.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen entsprechen den von der belangten Behörde und dem BF vorgelegten Unterlagen, Urkunden und Angaben und sind unstrittig. Darüber hinaus ergeben sich keinerlei Hinweise aus dem Verwaltungsakt, die an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zweifeln lassen. Strittig ist im konkreten Fall die Rechtsfrage der Zurechnung von Einkünften aus privaten Immobilienveräußerungen im Zeitraum zwischen Erbanfall und Einantwortung sowie, ob der Wiederaufnahmebescheid unter Anführung der gesetzlichen Bestimmungen des § 303 Abs. 1 und § 20 BAO sowie unter Verweis auf die Begründung des gleichzeitig erlassenen Einkommensteuerbescheides und des Schreibens vom ausreichend begründet ist und ob die im Einkommensteuerbescheid genannten Gründe geeignet waren, das Verfahren wiederaufzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gesetzliche Grundlagen

§ 303 (1) BAO lautet auszugsweise: Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn [...]

  1. Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, [….]

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

§ 305 BAO: Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des nach § 307 Abs. 1 aufzuhebenden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

§ 307 (1) BAO: Mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid ist unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 97/2002)

(3) Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.

§ 19 (1) BAO: Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

(2) Mit der Beendigung von Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gehen deren sich aus Abgabenvorschriften ergebende Rechte und Pflichten auf die zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter (Mitglieder) über. Hinsichtlich Art und Umfang der Inanspruchnahme der ehemaligen Gesellschafter (Mitglieder) für Abgabenschulden der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) tritt hiedurch keine Änderung ein.

Rechtliche Beurteilung

Wiederaufnahme des Verfahrens

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 lit. b BAO zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Normzweck des § 303 Abs. 1 BAO ist, ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren, dem besondere Mängel anhaften, aus der Welt zu schaffen und die Rechtskraft des konkreten Bescheides zu beseitigen.

Die Wiederaufnahme von Amts wegen ist nur aus den im Gesetz taxativ angeführten Wiederaufnahmegründen zulässig und im Falle des Vorliegens solcher Rechtsgründe ins behördliche Ermessen gestellt (vgl. "... ist zulässig ...").

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens steht von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen gemäß § 305 Abs. 1 erster Satz BAO grundsätzlich der Abgabenbehörde zu, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Wenn der BF in seiner Beschwerde ausführt, dass FA 08 sei für die Immobilienverkäufe örtlich unzuständig, dann unterliegt er einem Irrtum. Da die Verkäufe der Liegenschaften aus der Verlassenschaft des Herrn ***2*** nach dem Tod des Erblassers erfolgten, sind die daraus resultierenden Einkünfte unmittelbar im Einkommensteuerverfahren des Erben zu erfassen (nähere Ausführungen zum Eintritt der Steuerpflicht, siehe unten).

Nachdem keine Immobilienertragsteuer auf das Abgabenkonto des Erben entrichtet wurde, waren die Einkünfte im Wege der Veranlagung zu erfassen. Für die Einhebung der Einkommensteuer für Grundstückveräußerungen im privaten Bereich war das Wohnsitzfinanzamt des BF, sohin das FA 08 örtlich wie auch sachlich zuständig und wurde der (Wiederaufnahme)Bescheid von der zuständigen Behörde erlassen.

§ 307 Abs. 1 BAO normiert, dass mit dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden ist. Das Vorbringen des BF im Vorlageantrag vom , wonach es auf ihn befremdlich wirke, dass der Einkommensteuerbescheid für 2015 am selben Tage wie der Bescheid über die Wiederaufnahme, also vor dessen Rechtskraft, erstellt wurde, geht durch angeführte gesetzliche Bestimmung sohin ins Leere. Diese Verbindungsanordnung ändert auch nichts daran, dass es sich beim Wiederaufnahme- und beim neuen Sachbescheid um eigenständige Bescheide handelt, die im Hinblick auf § 93 Abs. 3 lit. a BAO jeder für sich zu begründen, jeder für sich mit Beschwerde bekämpfbar sind und unabhängig voneinander der Rechtskraft teilhaftig werden können (Ritz, BAO7 § 307 Rz. 7 mwN).

Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen durch das gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständige Finanzamt ist "Sache", über die das BFG zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt und danach dem gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand unterstellt hat (; ; ; ).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) reicht als Begründung für eine Wiederaufnahme von Amts wegen auch aus, wenn im Wiederaufnahmebescheid auf andere Dokumente (etwa auf die Begründung eines anderen Bescheides, eines zuordenbaren Schreibens oder auf Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung, die darüber aufgenommene Niederschrift und den Prüfbericht) verwiesen wird, sofern dem Bescheidadressaten des Wiederaufnahmebescheides der Inhalt des/der verwiesenen Dokumente(s) bekannt ist, und daraus die Wiederaufnahmegründe auch tatsächlich hervorgehen (; ; ; ; ; ; Ritz, BAO7 § 93 Rz. 15). Zulässig ist bspw. auch, sich in einer Begründung auf der Partei zugegangene Erledigungsentwürfe zu beziehen (; ebenso auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung (). Im vorliegenden Fall verweist der angefochtene Wiederaufnahmebescheid vom auf den neu ergangenen Sachbescheid, ebenfalls erlassen am . Dieser (neue) Einkommensteuerbescheid wiederum verweist auf das Schreiben der belangten Behörde vom , dass dem BF zugegangen ist (und kein Zustellmangel vorgebracht wurde). Darin wird dem BF umfangreich dargelegt, warum der Immobilienverkauf einen steuerbaren Tatbestand auslöst und er die vom Notar gemeldete ImmoEst auch schuldet. Die Verweiskette des Wiederaufnahmebescheides auf den Sachbescheid und das Schreiben der Behörde vom ist demnach schlüssig und zulässig (vgl. ).

Im vorliegenden Fall ist der Behörde erst durch die Kontrollmitteilung des FA 18 bekannt geworden, dass Grundstücksveräußerungen der Verlassenschaft nach ***2***, vertreten durch den erbantrittserklärten Erben ***Bf1*** (siehe Wortlaut Kaufverträge) erfolgten und diese zum Zeitpunkt der Selbstberechnung durch den Notar dem falschen Steuersubjekt zugeordnet wurden. Zum Zeitpunkt der Erstbescheiderlassung hatte das Finanzamt 08 keine Kenntnis dieses Umstandes, zumal diese vom BF seinem (zuständigen) Finanzamt im Rahmen seiner am eingebrachten Steuererklärungen auch nicht offengelegt wurden. Sämtliche diesbezüglichen Umstände waren im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits existent und geeignet einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeizuführen (siehe unten). Erst als Folge der im Zuge der Kontrollmitteilung sind diese Tatsachen dem FA 08 mitgeteilt worden. Dem zuständigen Finanzamt 08 ist damit erst nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2015 vom bekannt geworden, dass dem BF als Erben Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken zuzurechnen sind; damit sind Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO neu hervorgekommen, die die Behörde zur Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigen.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der amtswegigen Wiederaufnahme handelt es sich - wie bereits oben ausgeführt - um eine Ermessensentscheidung. Von zentraler Bedeutung für die Ermessensübung ist die Berücksichtigung des Zweckes der das Ermessen einräumenden Norm. Zweck des § 303 BAO ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist daher immer ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis (, , B 2/96, ). Daher ist bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben. Für die Wiederaufnahme des Verfahrens spricht somit vor allem der Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung, wonach alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften gleichmäßig behandelt werden sollen. Bliebe im gegenständlichen Beschwerdefall der Erstbescheid in Rechtsbestand, so würden alle anderen Abgabepflichtigen, deren Sachverhalte von Beginn an richtig subsumiert wurden, gegenüber dem BF benachteiligt werden.

Die Rechtmäßigkeit von Ermessensentscheidungen ist aber auch unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 20 BAO zu beurteilen. Entsprechend dieser Bestimmung sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung "Angemessenheit" in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse insbesondere an der Einhebung der Abgaben beizumessen. Eine derartige Interessensabwägung verbietet bei Geringfügigkeit der neu hervorgekommenen Tatsachen die Verfügung der Wiederaufnahme, wobei die Geringfügigkeit an Hand der steuerlichen Auswirkungen der konkreten Wiederaufnahmegründe und nicht auf Grund der steuerlichen Gesamtauswirkung zu beurteilen ist. Im gegenständlichen Beschwerdefall führte der genannte Wiederaufnahmegrund zu einer Erfassung von Einkünften aus Grundstücksveräußerungen in Höhe von EUR 7.573,-, sodass nicht von einer geringfügigen steuerlichen Auswirkung ausgegangen werden kann. Ein weiteres Argument für die Wiederaufnahme des Verfahrens liegt auch im allgemeinen öffentlichen Interesse an der Abgabeneinbringung. Die Nichterfassung der im Zeitpunkt des Erstbescheides unerklärt gebliebenen Einkünfte bewirkt einen nicht geringfügigen Ausfall von Steuereinnahmen, der von der Allgemeinheit zu Gunsten dem BF zu tragen wäre.

Die belangte Behörde übte das ihr zustehende Ermessen, indem sie dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einräumte. Da die steuerlichen Auswirkungen nicht geringfügig sind, verbietet eine Interessensabwägung den Gebrauch der Wiederaufnahme nicht. Auf Grund dieser Erwägungen ist es daher nicht als unbillig anzusehen, der Herstellung der Rechtsrichtigkeit gegenüber dem Prinzip der Rechtssicherheit den Vorrang einzuräumen. Im Lichte der VwGH-Rechtsprechung ist die Ermessensbegründung zwar knapp, aber nicht rechtswidrig. Die Wiederaufnahme ist auch unter diesem Aspekt zulässig.

Neue Tatsachen, die zu einem anderslautenden Bescheid führen

Wie bereits oben ausgeführt, normiert § 307 Abs. 1 BAO, dass mit dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden ist. Diese Verbindungsanordnung ändert jedoch nichts daran, dass es sich beim Wiederaufnahme- und beim neuen Sachbescheid um eigenständige Bescheide handelt, die im Hinblick auf § 93 Abs. 3 lit. a BAO jeder für sich zu begründen, jeder für sich mit Berufung bekämpfbar sind und unabhängig voneinander der Rechtskraft teilhaftig werden können. Für den gegenständlichen Fall würde dies bedeuten, dass insoweit in der vorliegenden Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid inhaltliche Rechtswidrigkeiten des mit dem gleichzeitig erlassenen Einkommensteuerbescheid festgesetzten Nachforderungsbetrages bekämpft werden, die diesbezüglichen Ausführungen grundsätzlich ins Leere gehen. Diesfalls wäre es nämlich am BF gelegen gewesen, im Rahmen einer gesondert gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 gerichteten Beschwerde jene Gründe vorzubringen, welche nach Meinung des BF dem mit diesem Bescheid festgesetzten Nachforderungsbetrag entgegengestanden wären (vgl. ). Tatsächlich wurde jedoch seitens des BF gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 kein Rechtsmittel eingebracht.

Auch wenn jedoch fallgegenständlich nur der Wiederaufnahmebescheid bekämpft wird, ist in Bezug auf die Rechtsmäßigkeit der erfolgten Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2015 zu überprüfen, ob die im Einkommensteuerbescheid genannten Gründe auch geeignet waren, einen anderslautenden Bescheid herbeizuführen. Demnach ist auch ein inhaltliches Auseinandersetzen mit den vorgebrachten Beschwerdepunkten dem Grunde nach geboten.

Der BF bringt zusammengefasst vor, dass die Immobilienveräußerung von der juristischen Person "Verlassenschaft nach ***2***" durchgeführt worden sei, die ihrerseits selbst Steuersubjekt sei. Die Verkäufe seien vor der Einantwortung erfolgt, der BF sei nie als Verkäufer aufgetreten. Er habe kein Eigentum an den verkauften Liegenschaften erworben. Das Steuerrecht sei an den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff grundsätzlich gebunden. Der Erbe sei vor der Einantwortung weder Eigentümer noch Besitzer der Nachlassgegenstände gewesen und habe daher kein Eigentum übertragen können; er sei nicht verfügungsberechtigt über Nachlassgegenstände und daher könne der steuerrechtliche Tatbestand durch ihn nicht erfüllt werden. Einkommensteuerpflichtig seien gemäß § 1 (1) EStG nur natürliche Personen. Die Verlassenschaft sei zwischen Erbfall und Einantwortung sowohl nach bürgerlichem als auch Steuerrecht keine natürliche, sondern eine juristische Person und Subjekt der untergegangenen Rechte und Pflichten des Erblassers. Erst mit der Einantwortung trete an die Stelle der Verlassenschaft der Erbe. Für den Fall der Zurechnung der Einkünfte an den BF wäre auf die Rechtsstellung des Erblassers abzustellen; dieser habe ein Haus selbst errichtet.

Diesbezüglich wird jedoch entgegnet: Einkünfte werden einkommensteuerrechtlich dem Steuersubjekt zugerechnet, das auf eigene Rechnung den Steuertatbestand aufgrund seiner Dispositionsfähigkeit durch Leistungserbringung am Markt erfüllt. Entscheidend ist die Disposition (Verfügungsmacht) über den Einsatz des Leistungspotentials, also das wirtschaftliche Bewirken derjenigen Leistung, durch die der Steuertatbestand verwirklicht wird. Disposition (Verfügungsmacht) über die Leistung ist die Nutzung von Marktchancen, das Anbieten oder auch Einstellen von Leistungen. Die Zurechnung der Einkünfte erfolgt gleichzeitig mit der Verwirklichung des Steuertatbestandes durch den Steuerpflichtigen. Die zivilrechtliche Gestaltung hat nur Indizwirkung (Laudacher in Jakom, EStG14, § 2 Tz 36).

Der Tod eines Steuerpflichtigen führt zu einer Zäsur in der Einkünftezurechnung. Sowohl Einkünfte des Erblassers, nachträglich zufließende Einkünfte, die noch der Erblasser erwirtschaftet hat und Einkünfte aus der Verlassenschaft (ab dem Todestag) müssen einem Steuerpflichtigen zugeordnet werden. Im Steuerrecht ist der ruhende Nachlass nur in Ausnahmefällen (Körperschaft)Steuersubjekt, nämlich dann, wenn mangels Erben eine Erbnachfolge nicht eintritt oder die rechtmäßigen Erben die Erbschaft ausschlagen. In allen anderen Fällen sind die Einkünfte der Verlassenschaft natürlichen Personen zuzurechnen. Dabei wird die Universalsukzession (im Steuerrecht) von der Einantwortung auf den Todestag des Erblassers rückbezogen, sodass kein "steuerfreier Zeitraum" entstehen kann. Das gilt auch dann, wenn der Erbe bis zur Einantwortung die Einkunftsquelle nicht verwaltet hat und durch die Besorgungstätigkeit anderer Personen ihm nicht genehme Verfügungen über die Einkünfte hinnehmen musste (). Eine zwischenzeitliche Besteuerung des Nachlasses wird vermieden, weil die Rechtsfigur des ruhenden Nachlasses nicht ins Steuerrecht übertragbar ist. Die vom BF auf zivilrechtliche Überlegungen gestützten Argumente, dass die vom ruhenden Nachlass erwirtschafteten Ergebnisse (zivilrechtlich) diesem zuzurechnen sind, sind jedenfalls nicht geeignet, deren wirtschaftliche und als solche für das Steuerrecht maßgebende Zurechnung ebenfalls an den ruhenden Nachlass zu begründen. Der Umstand, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise vielfach der zivilrechtlichen folgt (oder sich mit ihr deckt), zeigt nicht auf, dass die wirtschaftliche Anknüpfung in einem Fall, wo dies nicht so ist, verfehlt wäre. (; Laudacher in Jakom, EStG14, § 2 Tz 61).

Dem (oder den) Erben sind die Einkünfte nach der Einantwortung rückwirkend ab dem Erbanfall (dem Todestag des Erblassers; ) nach den jeweiligen Erbquoten oder Regelungen des Erbübereinkommens zuzurechnen. Vom ruhenden Nachlass erwirtschaftete Überschüsse sind auch in zeitlicher Hinsicht unmittelbar beim Erben zu erfassen (). Der Grundsatz der Zurechnung der Einkünfte ab dem Todestag an den Erben gilt auch für Grundstücksveräußerungen. Wird ein Grundstück aus der Verlassenschaft veräußert, sind die Einkünfte entsprechend den Erbquoten auf alle Erben aufzuteilen (Laudacher in Jakom, EStG14, § 2 Tz 63).

Der Erbe tritt damit bereits mit dem Todestag in die Rechtsstellung des Erblassers ein (). Da die Verlassenschaft einkommensteuerrechtlich nicht als Einkünftezurechnungssubjekt anerkannt wird, erfolgt die zeitliche Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben gemäß § 19 EStG beim Erben, als ob die für die zeitliche Zuordnung maßgebenden Sachverhaltselemente bei ihm selbst verwirklicht worden wären (; Doralt/Toifl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 2 Tz 146/1). Die Beurteilung, dass die Erben das Nachlassvermögen steuerrechtlich unmittelbar vom Erblasser und nicht von der Verlassenschaft erwerben, vermeidet im Hinblick auf den jedenfalls zeitlich beschränkten (zivilrechtlichen) Bestand der Verlassenschaft und den Umstand, dass die entsprechenden Vermögenswerte einschließlich der von der Verlassenschaft erwirtschafteten (oder verminderten) Werte letztlich den Erben zufließen, die andernfalls gegebene Notwendigkeit, Einkünfte der Verlassenschaft in eigenen Verfahren (eines eigenen Körperschaftsteuersubjektes) einer Besteuerung zu unterziehen (Hinweis E , 93/14/0191).

Gibt der Erbe zwar eine Erbserklärung ab, wird ihm aber der Nachlass nicht eingeantwortet, werden ihm die Einkünfte aus dem Nachlass nicht zugerechnet. Im konkreten Fall erfolgte die Einantwortung mit Beschluss des BG Gänserndorf vom . Die Einkünfte aus den drei Grundstücksveräußerungen sind daher dem BF zuzurechnen und im Wege der Einkommensteuerveranlagung der Besteuerung zu unterziehen.

Die vom Nachlass erwirtschafteten Überschüsse werden auch in zeitlicher Hinsicht unmittelbar beim Erben erfasst und bei diesem der Einkommensteuer unterworfen (). Dieser Grundsatz gilt im gesamten Einkommensteuerrecht und somit auch für Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen. Wird ein Grundstück aus einer Verlassenschaft veräußert, sind die Einkünfte entsprechend den Erbquoten auf alle Erben aufzuteilen. Da die Verkäufe der Liegenschaften aus der Verlassenschaft des Herrn ***2*** nach dem Tod des Erblassers erfolgten, sind die daraus resultierenden Einkünfte im Einkommensteuerverfahren des Erben zu erfassen.

Die Verlassenschaft als solche gilt als juristische Person und damit grundsätzlich als selbständiges Steuersubjekt. Sie existiert nur bis zur Einantwortung an die Erben. Mit Einantwortung treten Erben rückwirkend auf den Todesfall als Gesamtrechtsnachfolger (§ 19 Abs 1 BAO) in die von der Verlassenschaft fortgeführte Rechtsposition des Erblassers ein. Ob die Verlassenschaft (dann noch) parteifähig ist hängt somit von der wirksamen Zustellung der Einanwortungsurkunde an den ausgewiesenen Erben ab. Der Erbe erwirbt das Nachlassvermögen unmittelbar vom Erblasser und nicht von der Verlassenschaft (), er tritt daher schon ab Todestag in die Rechtstellung des Erblassers ein.

Wenn der BF nun einerseits vorbringt, dass die Immobilienveräußerung von der juristischen Person "Verlassenschaft nach ***2***" durchgeführt worden sei, die ihrerseits selbst Steuersubjekt sei, andererseits (im Rückzahlungsantrag vom ) angibt, Verkäuferin des unbeweglichen Vermögens sei in allen Fällen die Verlassenschaft nach dem verstorbenen ***2*** gewesen, jedoch können einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 (1) EStG nur natürliche Personen sein, so verkennt er dabei nicht nur die Rechtslage, sondern ist dieses Vorbringen in sich auch widersprüchlich und nicht konsistent.

Den obigen Ausführungen entsprechend ist der Immobilienertrag aus dem Verkauf der gegenständlichen Grundstücke (3 Verkäufe) zu Recht nicht der Verlassenschaft (juristischen Person des privaten Rechts), sondern dem BF als (rückwirkenden) Erben der Grundstücke zugerechnet worden.

Interessant mutet es für das erkennende Gericht an, wenn es der ausdrückliche Wunsch des BF war, alle Grundstücksverkäufe über die Steuernummer der Verlassenschaft seines Bruders abzuwickeln und er nur wenige Monate später die Rückzahlung der Immobilienertragsteuer beantragt, da diese nicht auf dem richtigen Steuerkonto und somit zu Unrecht erfolgt sei.

Zum Vorbringen, dass auf die Rechtsstellung des Erblassers abzustellen sei und aufgrund der Errichtung eines Hauses durch ***2*** die Befreiung des § 30 Abs 2 Z 2 EStG zur Anwendung komme, ist anzumerken, dass die Herstellerbefreiung nur dem Errichter selbst zusteht und nicht seinen Rechtsnachfolgern. Diese Rechtsansicht steht im Einklang mit dem Wortlaut des § 30 Abs 2 Z 2 EStG und trägt sowohl dem Telos der Herstellerbefreiung als auch den dazu vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung (Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 30 Tz 177).

Die in der Beschwerde zum Wiederaufnahmebescheid gemachten Ausführungen in Bezug auf die inhaltlichen Rechtswidrigkeiten des mittels dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 festgesetzten Nachforderungsbetrages sind daher auch nicht geeignet, zu einer anderslautenden Entscheidung in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens führen zu können.

Zusammengefasst wurden keine Gründe vorgebracht, die geeignet wären, eine Rechtswidrigkeit des gegenständlichen Wiederaufnahmebescheides aufzuzeigen. Aus den angeführten Sach- und Rechtsgründen war der Beschwerde der Erfolg zu versagen.

Zuständigkeitsänderung

Durch den Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der gegenständliche Fall der unbesetzten Gerichtsabteilung 1091 abgenommen und zum Stichtag der Gerichtsabteilung 1078 neu zugeteilt.

Finanzamt Österreich

§ 323b Abs. 1 bis 3 BAO lautet i. d. F. BGBl. I Nr. 99/2020 (2. FORG):

§ 323b. (1) Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Das Zollamt Österreich tritt am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.

(2) Die am bei einem Finanzamt oder Zollamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.

(3) Eine vor dem von der zuständigen Abgabenbehörde des Bundes genehmigte Erledigung, die erst nach dem wirksam wird, gilt als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde.

Die gegenständliche Entscheidung ergeht daher an das Finanzamt Österreich.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beurteilung der Frage der Zurechnung von Einkünften aus Grundstücksveräußerungen zwischen Erbanfall und Einantwortung erfolgte im Einklang mit der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen sohin ausreichend geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Wien, am

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