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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.08.2022, RV/3100728/2012

Keine Wiederaufnahme des Verfahrens bei Verweis auf falsche Textziffern des Betriebsprüfungsberichts

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100728/2012-RS1
Ein Austausch von Wiederaufnahmegründen durch Verweis auf eine andere Textziffer des Betriebsprüfungsberichts in der Beschwerdevorentscheidung ist nicht möglich.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde (damals Berufung) vom gegen den Bescheid des FA Kufstein Schwaz (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Einkünften für 2005, Steuernummer (damals) ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

  1. Der Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin war im Beschwerdejahr eine KEG, die gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer ***A*** erzielte.

2. Am wurden von der KEG Steuererklärungen eingereicht und die Einkünfte der Personengesellschaft vom Finanzamt mit Bescheid vom (erklärungsgemäß) festgestellt.

3. Nach Durchführung einer Außenprüfung wurde das Verfahren am gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommen und ein neuer Feststellungsbescheid erlassen.

4. Dagegen richtete sich die Beschwerde (damals Berufung) vom , mit der sowohl die Wiederaufnahme als auch der Feststellungsbescheid bekämpft wurde.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung (damals Berufungsvorentscheidung) vom wurde die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen, der Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid mit Beschwerdevorentscheidung (damals Berufungsvorentscheidung) teilweise stattgegeben. Ein im Feststellungsbescheid vom ausgeschiedener Privatanteil betreffend Gebäudeentfeuchtung wurde nicht mehr angesetzt, der geltend gemachte Aufwand in voller Höhe zuerkannt.

6. Nach Stellung von Vorlageanträgen wurde die Beschwerde (damals Berufung) vom mit Bescheid vom zurückgewiesen, weil die Bescheide vom aufgrund falscher Bescheidadressierungen "Nichtbescheide" gewesen seien.

7. Ebenfalls am wurden ein neuer Wiederaufnahmebescheid und ein neuer Feststellungsbescheid erlassen. Im Feststellungsbescheid wurde der o.a. Aufwand für Gebäudeentfeuchtung in voller Höhe berücksichtigt.

In der Begründung wurde auf den Betriebsprüfungsbericht und die Niederschrift über die Schlussbesprechung verwiesen.

Dem Betriebsprüfungsbericht ist zu entnehmen, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens seitens des Finanzamtes auf die Textziffern 1 und 3 gestützt wurde.

In der Textziffer 1 wurde als neue Tatsache angeführt, dass bei der Veräußerung des Warenlagers keine Umsatzsteuer abgeführt worden sei, was eine Wiederaufnahme betreffend Umsatzsteuer notwendig mache.

In der Textziffer 3 wurde festgestellt, dass beim Aufwand betreffend die Gebäudeentfeuchtung ein Privatanteil von 25 % auszuscheiden sei, weil auch private Gebäudeteile von der Entfeuchtung umfasst gewesen seien. Dies mache eine Wiederaufnahme der Feststellung der Einkünfte notwendig.

8. Dagegen richtete sich die Beschwerde (damals Berufung) vom , mit der sowohl die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch der Feststellungsbescheid angefochten wurde.

Bezüglich die Wiederaufnahme des Verfahrens wurde vorgebracht, dass die Textziffer 1 des Betriebsprüfungsberichts sich ertragssteuerlich nicht auswirke, weshalb kein Wiederaufnahmegrund bestehe. Auch die Feststellung in Textziffer 3 würde keinen Wiederaufnahmegrund darstellen, weil die Gebäudeentfeuchtung ausschließlich das Betriebsgebäude betroffen habe und das Ausscheiden eines Privatanteils nicht zulässig sei. Dies habe das Finanzamt in seiner Berufungsvorentscheidung vom bereits anerkannt.

9. Die (abweisende) Beschwerdevorentscheidung (damals Berufungsvorentscheidung) vom wurde von Seiten des Finanzamtes damit begründet, dass die Textziffer 5 des Betriebsprüfungsberichts eine neu hervorgekommene Tatsache enthalte, die eine Wiederaufnahme rechtfertige.

10. Im am eingebrachten Vorlageantrag wurde von der Beschwerdeführerin entgegnet, dass dem Finanzamt der in der Textziffer 5 des Betriebsprüfungsberichts angeführte Sachverhalt aus dem Bewertungsakt sowie aus dem im Steuerakt enthaltenen Anlageverzeichnis bekannt gewesen sei, weshalb kein Wiederaufnahmegrund vorliege. Der schon in der Berufung gestellte Antrag auf Vorlage an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und eine mündliche Berufungsverhandlung wurde wiederholt.

11. Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde (damals Berufung) dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

12. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden iSd. Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

13. Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

1. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung wurde das Verfahren betreffend die Feststellung von Einkünften wiederaufgenommen und ein neuer Bescheid über die Feststellung von Einkünften für 2005 erlassen.

2. Im Wiederaufnahmebescheid wurde in der Begründung auf die Feststellungen des Prüfungsberichts und die Niederschrift verwiesen. Dem Prüfungsbericht ist zu entnehmen, dass sich die neu hervorgekommenen Tatsachen aus den Textziffern 1 und 3 ergeben.

Textziffer 1 enthält die Feststellung, dass bei der im Zuge der Beendigung der KEG erfolgten Veräußerung des Warenlagers keine Umsatzsteuer abgeführt wurde, was eine Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich Umsatzsteuer 2005 notwendig mache.

In Textziffer 3 wurde vom Prüfer angeführt, dass ein geltend gemachter Instandhaltungsaufwand für Entfeuchtung auch die Entfeuchtung privater Gebäudeteile betroffen habe, weshalb ein Privatanteil von 25 % auszuscheiden und eine Wiederaufnahme des Feststellungsbescheides notwendig sei. Diese Feststellung wurde im Bescheid über die Feststellung von Einkünften von der Abgabenbehörde allerdings nicht umgesetzt.

3. Auf die Textziffer 5, in der vom Prüfer festgestellt wurde, dass die Steuerbegünstigung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 nach Ansicht des Finanzamtes nicht in Anspruch genommen werden könne, wurde die Wiederaufnahme nicht gestützt.

Beweiswürdigung

1. Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten und ist zwischen den Parteien grundsätzlich unstrittig.

2. Dass die von der Abgabenbehörde im Prüfungsbericht angeführten Wiederaufnahmegründe keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel im Bereich der Ertragsteuern enthalten, ist dem Prüfungsbericht zu entnehmen. Die Textziffer, auf die das Finanzamt die Wiederaufnahme stützten hätte können, wurde nicht angeführt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

1. Gemäß § 303 Abs. 4 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen "unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

2. Nach der herrschenden Rechtsprechung sind die Wiederaufnahmegründe in der Bescheidbegründung anzugeben, wobei ein Verweis auf den Betriebsprüfungsbericht oder die Niederschrift zulässig ist (u.a. ).

3. "Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides derAbgabenbehörde gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde." ( Rz 15).

Das Bundesfinanzgericht hat dementsprechend (nur) zu prüfen, "ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre" ( Rz 16).

4. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor (oder hat dieses die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt), ist im Rechtsmittelverfahren der angefochtenen Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos zu beheben (vgl. ; ).

5. Begründungsmängel können im Rechtsmittelverfahren saniert werden (vgl. ), nicht jedoch fehlende Wiederaufnahmegründe im Wiederaufnahmeverfahren. Dementsprechend können in der Beschwerdevorentscheidung Wiederaufnahmegründe nicht nachgeholt werden (vgl. Ritz, BAO6, § 307 Tz 3; Brennsteiner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 303 Rz 5; ebenso im - mit , BMF-010103/0118-IV/11/2017, ersatzlos aufgehobenen - , BMF-010103/0053-VI/2006, unter Hinweis auf ).

6. Das Finanzamt hat in der abweisenden Beschwerdevorentscheidung (damals Berufungsvorentscheidung) vom darauf hingewiesen, dass "die unter Tz 5 des Berichtes gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom getroffenen Feststellungen (Entnahme Gebäudeteile Sonderbetriebsvermögen ***B***) für sich einen Wiederaufnahmegrund darstellen, da die unter dieser Textziffer aufgezeigten Sachverhalte als Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind."

Dabei übersieht die Abgabenbehörde, dass der Betriebsprüfungsbericht betreffend die Wiederaufnahme nicht auf die Textziffer 5, sondern lediglich auf die Textziffern 1 und 3 verweist.

Wie bereits dargelegt, rechtfertigen die Textziffern 1 und 3 jedoch keine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Feststellung von Einkünften für 2005. Textziffer 1 nicht, weil sich diese ausschließlich auf die Umsatzsteuer bezieht, Textziffer 3 nicht, weil diese Feststellung von der Abgabenbehörde im Bescheid nicht umgesetzt wurde, sondern der geltend gemachte Aufwand für Gebäudeentfeuchtung ohne Ausscheiden eines Privatanteils zuerkannt wurde.

Es fehlt dem angefochtenen Wiederaufnahmebescheid daher an einer Darstellung der neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel, auf die er sich stützt. Ein Nachholen dieses Versäumnisses in der Beschwerdevorentscheidung ist nach den o.a. Kommentarstellen u.a. deshalb nicht möglich, weil vom Bundesfinanzgericht über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) abzusprechen ist.

7. Damit ist das Schicksal der Beschwerde (damals Berufung) entschieden und der Wiederaufnahmebescheid ersatzlos aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis orientiert sich an der Rechtsprechung des VwGH in Zusammenhang mit der Begründung der Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Bp-Bericht
Verweise





BMF-010103/0118-IV/11/2017
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100728.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at