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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.10.2022, RV/2100054/2020

Pflichtveranlagung, wenn der Abgabepflichtige unmittelbar für die Lohnsteuer in Anspruch genommen wird

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 und 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) war bei der ***1*** über die gesamten strittigen Jahre 2016 und 2017 beschäftigt und erzielte laut ursprünglich übermittelten Lohnzetteln im Jahr 2016 ein Bruttogehalt iHv € 10.410,00 und im Jahr 2017 iHv € 11.030,00. Weitere Einkünfte sind aus den Erstbescheiden nicht ersichtlich.

Im Zuge eine GPLA bei der ***1*** wurde die Auszahlung von Schwarzlöhnen festgestellt. In der Stellungnahme des Prüfungsorgans zu den Beschwerden wurde ausgeführt, dass die Dienstnehmer der ***1*** einen "freien Dienstvertrag" erhalten hätten, in welchem eine Umsatzbeteiligung von 40%, bzw. 45% des Gesamtumsatzes vereinbart war.

Der Dienstgeber habe die Dienstnehmer aber nicht in dieser Höhe abgerechnet, sondern in viel zu niedrigem und nicht tatsächlichem Ausmaß. Bei der Prüfung wurden die richtigen Bemessungsgrundlagen (auf Basis sämtlicher Dienstbuchzettel) ermittelt und hochgerechnet. Diese nettovereinnahmten Beträge wurden auf Brutto hochgerechnet und die daraus resultierende Summe habe die KZ 210 am L16 ergeben. Von diesem Bruttobetrag wurde die tatsächlich einbehaltene (abgeführte) Sozialversicherung in Abzug gebracht. Das hätte folglich die Lohnsteuerbemessungsgrundlage KZ 245 ergeben.

Gemäß § 83 Abs. 3 EStG 1988 könne der Dienstnehmer in Folge zur Entrichtung der Steuer herangezogen werden, wenn der Dienstgeber und der Dienstnehmer vorsätzlich Zusammenwirken um sich einen gesetzeswidrigen steuerlichen Vorteil daraus zu verschaffen.

Dieses Zusammenwirken bzw. dieser "Tatbestand" bewirke gemäß § 41 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 eine Pflichtveranlagung und könne daher auch nicht zurückgezogen werden.

Aus diesem Grunde würden in beiden Jahren die der Wiederaufnahme zu Grunde liegenden Lohnzettel stimmen.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen dieser Prüfung und erließ unter Berücksichtigung neuer Lohnzettel nach Wiederaufnahme der Verfahren am die gegenständlich angefochtenen neuen Sachbescheide, mit denen für das Jahr 2016 eine Einkommensteuer iHv € 1.047,00 und für 2017 iHv € 2.474,00 festgesetzt wurde.

In den gegen die neuen Sachbescheide vom fristgerecht erhobenen Beschwerden wurde darauf hingewiesen, dass die den angefochtenen Bescheiden zu Grunde gelegten Einkünfte nicht den Tatsachen entsprechen würden. Als Beilagen wurden die in den Erstbescheiden vom betreffend Einkommensteuer 2016 und vom betreffend Einkommensteuer 2017 berücksichtigten Lohnzettel übermittelt. Daraus habe sich für 2016 ein Nettojahreslohn von € 8.772,86 und für 2017 ein Nettojahreslohn von € 9.327,11 ergeben. Die vom Finanzamt angenommenen Einkünfte von € 16.846,78 für 2016 und € 21.272,74 für 2017 seien unrichtig und für den Bf nicht nachvollziehbar. Möglicherweise würden diese Angaben im Zusammenhang mit einer GPLA-Prüfung bei der ***1*** stehen, gegen die allerdings ebenso Beschwerde erhoben werde und die daher nicht rechtskräftig seien.

Gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren wurden keine Beschwerden erhoben.

In den abweisenden Beschwerdevorentscheidungen führte das Finanzamt begründend aus, dass bei der durchgeführten Lohnabgabenprüfung bei der ***1*** die Auszahlung von Schwarzlöhnen festgestellt worden sei. Gemäß § 83 Abs. 3 EStG 1988 könne der Dienstnehmer in Folge zur Entrichtung der Steuer herangezogen werden, wenn der Dienstgeber und der Dienstnehmer vorsätzlich zusammenwirken würden, um sich einen gesetzeswidrigen steuerlichen Vorteil daraus zu verschaffen. Aus diesem Grunde stimme der derzeit im Einkommensteuerbescheid berücksichtigte Jahreslohnzettel von der ***1***. Dieses Zusammenwirken bzw. dieser "Tatbestand" bewirke gemäß § 41 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 eine Pflichtveranlagung und könne daher auch nicht zurückgezogen werden. Es sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

In den dagegen fristgerecht erhobenen Vorlageanträgen verwies der Bf auf die Ausführungen in den Beschwerden.

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat dem Bf mit Schreiben vom mitgeteilt, dass das Finanzamt im Zuge von "Gemeinsamen Prüfungen Lohnabhängiger Abgaben" für die Jahre 2016 und 2017 bei seiner ehemaligen Arbeitgeberin, der ***1***, die Auszahlung von Schwarzlöhnen festgestellt habe. Die in den freien Dienstverträgen vereinbarten Umsatzbeteiligungen von 40% bzw. 45% des Gesamtumsatzes wurden im Zusammenwirken mit den Dienstnehmern nicht in dieser Höhe, sondern in viel zu niedrigem und nicht tatsächlichem Ausmaß abgerechnet.

Demnach ergaben sich die von ihm bestrittenen und den angefochtenen Bescheiden zu Grunde liegenden Bruttobezüge daraus, dass anlässlich der Lohnabgabenprüfung bei seiner ehemaligen Arbeitgeberin für die Jahre 2016 und 2017 die richtigen Bemessungsgrundlagen für die an ihn erfolgten Lohnauszahlungen auf Basis sämtlicher Dienstbuchzettel ermittelt wurden und diese an ihn netto ausbezahlten Beträge auf brutto hochgerechnet werden (mussten). Es wurde dem Bf die Möglichkeit gegeben, hierzu innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen. Von dieser Möglichkeit hat der Bf keinen Gebrauch gemacht.

Laut Firmenbuch wurde mit Beschluss des Landesgerichts für ZRS ***2*** vom der Konkurs über die ***1*** eröffnet und die Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Mit Beschluss vom wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Beweiswürdigung

Die vom Finanzamt von der GPLA übernommenen Daten für die Ausstellung neuer Lohnzettel wurden vom Bf zwar bestritten, jedoch wurde im gesamten Beschwerdeverfahren kein geeignetes Vorbringen erstattet, das berechtigte Zweifel an den im Zuge der GPLA getroffenen Feststellungen des Finanzamtes zulassen würde. Es ist daher von der Richtigkeit der Feststellungen des Finanzamtes im Zuge der GPLA und der in deren Folge neu ausgestellten Lohnzettel auszugehen.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs. 1 EStG 1988 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

Gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 EStG 1988 unterliegen der Einkommensteuer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25).

Gemäß § 83 Abs. 1 EStG 1988 ist der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner.

Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten.

Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Der Umstand, dass die Voraussetzungen des § 83 Abs. 3 EStG 1988 vorliegen, steht einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht entgegen.

Gemäß § 83 Abs. 3 EStG 1988 kann der Arbeitnehmer unmittelbar in Anspruch genommen werden, wenn er und der Arbeitgeber vorsätzlich zusammenwirken, um sich einen gesetzeswidrigen Vorteil zu verschaffen, der eine Verkürzung der vorschriftsmäßig zu berechnenden und abzuführenden Lohnsteuer bewirkt.

Gemäß § 41 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind und der Arbeitnehmer nach § 83 Abs. 3 EStG 1988 unmittelbar in Anspruch genommen wird.

Die Lohnabgabenprüfung hat beim Arbeitgeber des Bf ergeben, dass Schwarzlöhne neben anderen Beschäftigten auch an den Bf ausbezahlt wurden. Die Richtigkeit dieser Feststellung wird vor allem dadurch bekräftigt, dass sämtliche Dienstbuchzettel vorgefunden wurden und anhand dieser Dienstbuchzettel die Löhne hochgerechnet wurden. Da die hochgerechneten Löhne nicht mit den Beträgen in den an das Finanzamt übermittelten Lohnzetteln übereinstimmten, wurden die sich aus der Dienstbuchzetteln ergebenden Löhne in neue Lohnzetteln übertragen und nach der Wiederaufnahme der Verfahren neue Veranlagungen mit den sich daraus ergebenden Nachforderungen durchgeführt.

Aus der (unbegründeten) Behauptung des Bf, dass die den angefochtenen Bescheiden zu Grunde gelegten Einkünfte nicht den Tatsachen entsprechen würden, kann jedoch kein Vorbringen abgeleitet werden, mit dem die Feststellungen des Finanzamtes in irgendeiner Weise widerlegt werden. Der Bf hatte in den Beschwerden, im Vorlageantrag und weiters beim BFG (siehe Schreiben vom ) ausreichend Gelegenheit, gegen die Feststellungen des Finanzamtes vorzugehen und die im Zuge der Lohnabgabenprüfung ermittelten und aus den neuen Lohnzetteln ersichtlichen Beträge zu bekämpfen. Nachdem dies in keiner Weise erfolgt ist, musste das BFG davon ausgehen, dass die vom Finanzamt nach Wiederaufnahme der Verfahren in neue Sachbescheide eingeflossenen Lohnzettel und die sich aus der Veranlagung ergebenden Nachforderungen der Richtigkeit entsprechen.

Zum Vorbringen des Bf, dass gegen die im Rahmen der GPLA an die ***1*** ergangenen Nachforderungsbescheide Beschwerden erhoben wurden und diese daher nicht rechtskräftig seien, wird darauf hingewiesen, dass dieses Beschwerdeverfahren bereits abweisend erledigt wurde (siehe ) und die dagegen erhobene außerordentliche Revision vom VwGH mit Beschluss zurückgewiesen wurde ().

Zur unmittelbaren Inanspruchnahme des Arbeitnehmers für die Lohnsteuer in Betrugsfällen ist aus JAKUM, EStG, § 83 Tz 3 Folgendes zu entnehmen: Nach dem durch das BBKG 2010 (BGBl I 105) eingefügten Abs. 3 kann ab der Arbeitnehmer auch bei vorsätzlichem Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber in Betrugsfällen unmittelbar in Anspruch genommen werden. Bloße Fahrlässigkeit schließt die Inanspruchnahme daher aus. Primär ist der Arbeitgeber zur Haftung heranzuziehen, die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers darf nur subsidiär erfolgen. Sind aber nachweislich Schwarzlohnzahlungen an den Arbeitnehmer geflossen, der Arbeitgeber jedoch mittlerweile insolvent oder nicht greifbar, geht ein Haftungsbescheid an diesen ins Leere. Diesfalls kann (Ermessen) somit eine unmittelbare Inanspruchnahme des Arbeitnehmers erfolgen.

Da beim gegenständlichen Sachverhalt ausgeschlossen werden kann, dass der Bf fahrlässig Schwarzlöhne erhalten hat, und dies auch nicht vorgebracht wurde, erfolgten die Vorschreibungen der Lohnsteuer beim Bf in den beiden Veranlagungsverfahren zu Recht. Daraus folgt, dass der Bf gemäß § 41 Abs. 1 Z 11 EStG zu veranlagen war, da in seinem Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind und er nach § 83 Abs. 3 EStG 1988 zu Recht unmittelbar in Anspruch genommen wurde.

Die Beschwerden waren daher wie aus dem Spruch ersichtlich abzuweisen.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
JAKOM EStG § 83 Tz 3

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100054.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at