Fristsetzungsantrag, obwohl die Beschwerde noch nicht dem BFG vorgelegt war
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik in der Beschwerdesache Bf., Adresse, vertreten durch Freimüller Rechtsanwalts GmbH, 1010 Wien, Kleeblattgasse 13/11A, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht beschlossen:
Der Fristsetzungsantrag wird gemäß § 30a Abs 1 VwGG iVm § 30a Abs 8 erster Satz VwGG als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung
Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Antragstellerin auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für ihre Tochter A.B., geb. 1992, vom Finanzamt (FA) abgewiesen, da die gesetzlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer erheblichen Behinderung gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 nicht vorliegen würden.
Am brachte die Antragstellerin Beschwerde gegen diesen Bescheid ein.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit Vorlageantrag vom stellte die Antragstellerin den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorzulegen.
Mit Schriftsatz vom brachte die rechtsfreundlich vertretene Antragstellerin einen Fristsetzungsantrag gemäß § 38 VwGG beim BFG ein, da dieses über ggstdl. Rechtssache binnen eines Zeitraums von zumindest 6 Monaten nicht entschieden habe.
Sachverhalt:
Zum Zeitpunkt des Einbringens des Fristsetzungsantrags am war die ggstdl. Beschwerde noch nicht beim BFG eingelangt.
Beweiswürdigung:
Die Feststellung ergibt sich zweifelsfrei durch Abfragen in internen Datenbanken des BFG und dem AIS des Bundes.
Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit:
Im Verfahren über einen an den Verwaltungsgerichtshof (wegen behaupteter Säumnis des Verwaltungsgerichtes) gerichteten Fristsetzungsantrag hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Vorprüfung der Prozessvoraussetzungen auch zu überprüfen, ob eine Säumnis tatsächlich vorliegt. Liegt keine Säumnis vor, hat es den Fristsetzungsantrag entsprechend § 30a Abs 1 in Verbindung mit Abs 8 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen (s. zB , Taxlex 2015/04, S. 142).
Rechtslage:
Gemäß § 291 Abs 1 BAO ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, über Anträge der Parteien und über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Bescheidbeschwerden beginnt die Entscheidungsfrist im Regelfall mit der Vorlage der Beschwerde gemäß § 265 BAO (vgl. Fischerlehner/Brennsteiner3, Abgabenverfahren, Band 1, § 265, Tz. 1) oder auch mit der Einbringung einer Vorlageerinnerung nach § 264 BAO (vgl. Fischerlehner/Brennsteiner aaO, § 264, Tz. 15f).
Gemäß § 38 Abs 1 VwGG kann ein Fristsetzungsantrag erst gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtsssache nicht binnen sechs Monaten, wenn aber durch Bundes- oder Landesgesetz eine kürzere oder längere Frist bestimmt ist, nicht binnen dieser entschieden hat.
Nach der die Vorentscheidung durch das Verwaltungsgericht regelnde Bestimmung des § 30a Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist oder wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegenstehen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Diese Bestimmung ist gemäß § 30a Abs 8 VwGG auf Fristsetzungsanträge sinngemäß anzuwenden.
Zum Zeitpunkt des Einbringens des Fristsetzungsantrages am war die gegenständliche Beschwerde noch nicht beim BFG eingelangt, weshalb die Frist des § 291 Abs 1 BAO noch gar nicht zu laufen begonnen hat.
Es liegt daher keine Säumnis und somit keine Verletzung der Entscheidungspflicht des BFG vor (s. Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen, S. 143).
Aus den angeführten Gründen war daher der Fristsetzungsantrag als unzulässig zurückzuweisen.
Zum per E-Mail am eingebrachten Ansuchen, den Fristsetzungsantrag zu "revidieren" und als Vorlagerinnerung zu betrachten, wird ergänzend bemerkt:
Nach § 85 Abs 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des dritten Abschnittes der BAO schriftlich einzureichen (Eingaben).
Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde gemäß § 85 Abs 2 BAO noch nicht zu deren Zurückweisung; solche inhaltliche Mängel liegen dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen (z. B. Bezeichnung des Bescheides, gegen den sich die Beschwerde richtet, etc…).
Nach Maßgabe des § 86a Abs 1 BAO können Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, auch telegraphisch, fernschriftlich oder, soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden. Die für schriftliche Anbringen geltenden Bestimmungen sind auch in diesen Fällen mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel darstellt.
Mit § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 494/1991 wird für Anbringen im Sinne des § 86a Abs 1 erster Satz BAO, die in Abgaben-, Monopol- oder Finanzstrafangelegenheiten an das Bundesministerium für Finanzen, an den unabhängigen Finanzsenat, an eine Finanzlandesdirektion, an ein Finanzamt oder an ein Zollamt gerichtet werden, die Einreichung unter Verwendung eines Telekopierers (Telefaxgerätes) zugelassen.
Mit der Verordnung BGBl. II Nr. 97/2006 (FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006) wird die automationsunterstützte Datenübertragung in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), soweit nicht eigene Vorschriften bestehen, geregelt. Nach § 1 Abs. 2 der FOnV 2006 ist die automationsunterstützte Datenübertragung für die Funktionen zulässig, die dem jeweiligen Teilnehmer in Finanz-Online zur Verfügung stehen. Gemäß § 5 FOnV 2006 sind andere als die in den Funktionen gemäß § 1 Abs 2 dem jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung gestellten Anbringen, ungeachtet einer allfälligen tatsächlichen Übermittlung in FinanzOnline, unbeachtlich.
Da § 85 und § 86a BAO und die auf Grund des § 86a BAO ergangenen beiden erwähnten Verordnungen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vorsehen, kommt einer
E-Mail nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu, wobei es sich auch nicht um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung zugängliche Eingabe handelt.
Ein mit einem E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts aus, noch berechtigt es die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen (Eingabe) abhängig ist. Die Abgabenbehörde bzw. das Verwaltungsgericht ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einem solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt (s. zB ; ).
Im vorliegenden Fall folgt daraus, dass die Antragstellerin mit dem am mittels
E-Mail erfolgten Schreiben nicht rechtswirksam einen Antrag gestellt hat. Dieses "Anbringen" ist unbeachtlich und löst keinerlei Rechtswirkungen aus.
Es besteht diesbezüglich auch kein Ermessenspielraum des BFG für eine andere Beurteilung.
Im Übrigen sei angemerkt, dass eine rückwirkende "Umdeutung" eines nach dem Parteiwillen eindeutig so gewollten und begründeten Fristsetzungsantrags in eine Vorlageerinnerung auch bei Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Einbringungsform verfahrensrechtlich nicht möglich scheint.
Rechtsbelehrung:
Gegen diesen Beschluss kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses beim Verwaltungsgericht den Antrag stellen, dass der Fristsetzungsantrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag; § 30b Abs 1 VwGG).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 30a Abs. 8 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 § 38 Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 § 30a Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 § 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 86a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 265 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 291 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102822.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at