Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.09.2022, RV/3100337/2022

Schätzung von Werbungskosten eines Versicherungsvertreters (Fahrtkosten)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung - BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Beschwerdeführer für das Kalenderjahr 2021 zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei wurde § 5 der Werbungskostenpauschalierungs-Verordnung herangezogen. Beantragte zusätzliche Werbungskosten aus dieser Tätigkeit wurden nicht zuerkannt. Dem Bescheid liegt der vom Dienstgeber übermittelte Lohnzettel zu Grunde.

Dagegen richtet sich die Bescheidbeschwerde vom . Er beantragte, das Vertreterpauschale zu stornieren und dafür die geltend gemachten Werbungskosten zu berücksichtigen.

Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde, die beantragten Werbungskosten nachzuweisen. Mit Antwort vom übermittelte der Beschwerdeführer eine Aufstellung, aus der die dienstlich gefahrenen Kilometer (und die hieraus errechneten Werbungskosten) einerseits und die privat gefahrenen Kilometer andererseits ersichtlich sein sollen. Zugleich wurden eine "Reisekostenabrechnung Außendienst", welche in Monate gegliedert ist, sowie ein Gutachten gemäß § 57a Abs 4 KFG 1967 vorgelegt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Bescheidbeschwerde als unbegründet ab. Begründend führte es aus, der gesetzlich nicht weiter bestimmte Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 4 dEStG sei durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dahingehend präzisiert, dass die Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen.

Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch müsse zeitnah und in geschlossener Form geführt werden, um so nachträgliche Einfügungen oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen. Es habe hierfür neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner oder -wenn ein solcher nicht vorhanden ist- den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung anzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch genügten allenfalls dann, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lasse, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig seien.

Dementsprechend müssten die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Grundsätzlich sei dabei jede einzelne berufliche Verwendung für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Bestehe allerdings eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, so könnten diese Abschnitte miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden. Dann genüge die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Gesamtkilometerstandes, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge angeführt werden, in der sie aufgesucht worden seien.

Wenn jedoch der berufliche Einsatz des Fahrzeugs zugunsten einer privaten Verwendung unterbrochen werde, stelle diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, der im Fahrtenbuch durch Angabe des bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstands zu dokumentieren sei (vgl. BFH-Urteile vom VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408; vom VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410; vom VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625; vom IV R 62/04, BFH/NV 2007, 691; vom VI R 38/06, BFHE 221, 39, BStBl II 2008, 768).

Da das eingereichte Fahrtenbuch nicht einem ordnungsgemäßen Fahrtenbuch im Sinne der ständigen Rechtsprechung entspreche, sei die Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung wurde am der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht eingebracht.

In der Sache wurde neuerlich beantragt, das Vertreterpauschale zu stornieren und dafür die Werbungskosten zu berücksichtigen. Ergänzend wurde u. a. vorgebracht, der Beschwerdeführer habe die Aufzeichnungen nach seinem besten Wissen sowie über die letzten 25 Jahre so geschrieben, und seien diese auch so anerkannt worden. Er habe von Arbeitskollegen erfahren, dass bei ihnen das sehr wohl ausreichend gewesen sei. Ihm sei allerdings nicht bekannt gewesen, dass in der Aufstellung der gefahrenen Kilometer die aufgesuchten Kunden erwähnt werden müssen. Ersucht werde daher, die Reisekosten zu berücksichtigen.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Nach Ansicht des Finanzamtes habe der Beschwerdeführer die Berücksichtigung von Reisekosten als Werbungskosten trotz eines nicht ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuches beantragt.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht ergaben ergänzende Ermittlungen, dass dem Beschwerdeführer kein Dienstfahrzeug von Seiten des Arbeitgebers zur Verfügung gestellt worden ist. Schließlich wurde der Beschwerdeführer mit Ergänzungsersuchen vom aufgefordert, den geltend gemachten Anspruch auf Berücksichtigung von Reisekosten als Werbungskosten durch Vorlage eines "Fahrtenbuches", welches insbesondere auch den Zweck jeder einzelnen Fahrt, z. B. durch Angabe der jeweiligen Kunden und/oder Geschäftspartner enthält, zu untermauern. Alternativ könnten die bereits vorgelegten Aufzeichnungen durch weitere taugliche Beweismittel ergänzt werden.

Mit E-Mail vom hat der Beschwerdeführer ausgeführt, der Zweck jeder einzelnen Fahrt und Angabe der jeweiligen Kundenbesuche sei nicht mehr nachvollziehbar.

  1. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der im Beurteilungszeitraum in ***1***, ***2***, wohnhafte Beschwerdeführer stand im Jahr 2021 in einem aufrechten Dienstverhältnis als Versicherungsvertreter im Außendienst und bezog als solcher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für dienstliche Fahrten hat er ausschließlich sein Privatfahrzeug verwendet. Dafür erhielt er keinen Kostenersatz. Ein Firmenauto wurde nicht zur Verfügung gestellt. Seit befindet sich der Beschwerdeführer in vorzeitiger Alterspension.

Der Beschwerdeführer hat für das Jahr 2021 Aufzeichnungen unter dem Titel "Reisekostenabrechnung Außendienst" geführt, welche u. a. Spalten für die Eintragung von Datum, Zeit bei Reisebeginn, Kilometerstand bei Reisebeginn jeweils abzüglich der gefahrenen 26 Kilometer der Strecke ***X*** - ***Y*** als Dienstort, Reiseroute, Taggeldanspruch, Zeit bei Reiseende, Kilometerstand bei Reiseende, Trennung in dienstliche (noch mit 0,356 Euro verrechnet) sowie privat gefahrene Kilometer und Taggeld (Bahn/Bus) vorsehen. Diese brachte er erstmals im Verfahren über die Beschwerde bei.

Die Spalte Reiseroute enthält dabei zunächst die jeweilige Gesamtroute abzüglich jener Kilometer, die dabei auf die tatsächlich gefahrene Strecke ***X*** entfällt. Privat gefahrene Kilometer wurden von den Gesamtkilometern abgezogen. Die Spalte Reiseroute enthält ganz vorwiegend Orte in derselben Region, welche jedoch über das Jahr besehen, ständig wechseln.

Ziel(-ort) und Zweck der jeweiligen beruflichen Fahrt, etwa in Form von Name und Adresse der besuchten Kunden oder in Form des konkreten Anlasses der Besuche, werden nicht angegeben.

In einer eigenen Tabelle wurde eine bestimmte Anzahl von gefahrenen Kilometern als "dienstlich gefahrene Kilometer" bezeichnet und als solche den privat gefahrenen Kilometern gegenübergestellt. Aus der Summe der so bezeichneten "dienstlichen Kilometer" wurden die geltend gemachten Werbungskosten mit dem Faktor 0,42 errechnet.

Zum scheint im Gutachten gemäß § 57a Abs 4 KFG 1967 ein (Gesamt-)Kilometerstand von 236.446 auf. Beginnend mit einem Kilometerstand von 239.355 am wurden laut Kilometerstandangaben im Jahr 2021 insgesamt 21.162 Kilometer gefahren (260.517 am - 239.355 am ), laut tabellarischer Aufgliederung 21.245 Kilometer (165.686 dienstlich und 4.559 privat).

Es steht sohin nicht fest, wieviele Kilometer insgesamt, dienstlich und privat im Jahr 2021 gefahren wurden. Vom niedrigeren Wert wurden die Fahrtkosten als Werbungskosten errechnet.

Höhere tatsächliche Werbungskosten wurden bis zur Erlassung des Ausgangsbescheides nicht nachgewiesen. Aufzeichnungen wurden erst nach diesem Zeitpunkt vorgelegt.

Beweiswürdigung

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer im Beurteilungszeitraum in einem aufrechten Dienstverhältnis als Versicherungsvertreter im Außendienst gestanden hat und als solcher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezog, ergibt sich aus dem Verfahrensakt, insbesondere aus den von der Abgabenbehörde vorgelegten Aktenteilen, darunter dem Einkommensteuerbescheid 2021, sowie aus einer Abfrage im Rahmen des vom Dachverband der österreichischen Sozialversicherung zur Verfügung gestellten Auskunftsverfahrens durch das Verwaltungsgericht. Dies gilt in gleicher Weise für die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer seit in vorzeitiger Alterspension befindet.

Dass der Dienstnehmer für dienstliche Fahrten ausschließlich sein Privatfahrzeug verwendet hat, ergaben ergänzende Ermittlungen durch das Verwaltungsgericht (Telefonat mit dem Dienstgeber am ; Aktenvermerk vom selben Tag). Der Lohnzettel für das Beurteilungsjahr 2021 weist keinen Kostenersatz gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 aus.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer für das Jahr 2021 zwar ein Fahrtenbuch geführt hat, welches unter dem Titel "Reisekostenabrechnung Außendienst" Spalten vorsieht, dabei jedoch Ziel(-ort) und Zweck der beruflichen Fahrt nicht angegeben wurden, gründet sich auf Unterlagen in Beantwortung des Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom sowie auf die Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom .

Der Kilometerstand des Fahrzeuges am ergibt sich aus dem vorgelegten Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967, die Kilometerstandangaben aus den als "Reisekostenabrechnung" titulierten monatsweisen Aufzeichnungen und die dienstlichen bzw. privat gefahrenen Kilometer aus der tabellarischen Gliederung. Hieraus ergeben sich auch die Abweichungen, worauf sich die Negativfeststellung bezüglich der beruflich gefahrenen Kilometer gründet.

Unter Annahme einer regelmäßigen Außendiensttätigkeit ergeben sich unterschiedliche Dienstverrichtungsorte aus dem Fahrtenbuch.

Rechtslage

§ 16 Abs. 1 EStG 1988 lautet wie folgt:

"§ 16. (1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. (…) Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind."

§ 184 BAO lautet wie folgt:

"3. Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung

§ 184. (1) Soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."

Verwendet der Arbeitnehmer für beruflich veranlasste Fahrten einen privaten PKW, erhält er aber keinen Kostenersatz nach § 26 Z 4 EStG 1988, kann er die Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen (Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG21a (Stand , rdb.at), § 16, Tz 220). Solche Fahrtkosten stellen grundsätzlich im tatsächlich angefallenen Umfang Werbungskosten dar.

Will ein Arbeitnehmer die Berücksichtigung höherer Werbungskosten anstelle des für ihn in Betracht kommenden Werbungskostenpauschbetrages erreichen, hat er sämtliche Werbungskosten nachzuweisen (vgl ; ; im Übrigen würde auch eine Inanspruchnahme des sogenannten Vertreterpauschales - und damit die Anwendung der Verordnung - die Erbringung eines entsprechenden Nachweises voraussetzen ().

Für nicht durch den Verkehrsabsetzbetrag und ggf. ein Pendlerpauschale abgegoltene Fahrtkosten (tatsächliche Aufwendungen, Kilometergelder) ist der Nachweis grundsätzlich durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch zu erbringen. Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuches ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Aus Sinn und Zweck eines "Fahrtenbuches" folgt allerdings, dass die dem Nachweis der betrieblichen Fahrten dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen.

Das Fahrtenbuch hat die beruflichen und privaten Fahrten zu enthalten (, 1964, 133): Es soll fortlaufend, zeitnah und übersichtlich geführt sein und Datum, Kilometerstrecke, Ausgangs- und Zielpunkt sowie Zweck jeder einzelnen Fahrt zweifelsfrei und klar angeben (; ). Grundsätzlich ist dabei jede einzelne berufliche Verwendung für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Besteht eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, können diese Abschnitte miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden, wobei die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Gesamtkilometerstandes genügt, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden, in der sie aufgesucht worden sind.

Mit Ausnahme des Falles, dass dem Dienstnehmer ein firmeneigenes Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt wird, wofür sich das Erfordernis lückenloser Aufzeichnung sämtlicher Fahrten gemäß § 4 Abs. 3 der Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge (Sachbezugswerteverordnung), BGBl II 2001/416 idF BGBl II 2020/221, ergibt, muss der Nachweis dienstlich gefahrener Kilometer allerdings nicht zwingend anhand eines Fahrtenbuches geführt werden. Vielmehr kommt allgemein aus § 166 BAO der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel zum Tragen (vgl etwa mit Hinweis auf die Vorjudikatur; Renner, RdW 2016, 216; vgl Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 16 -Stand , rdb.at- Anm 135).

Allerdings müssen auch diese Aufzeichnungen zumindest das Datum, den Beginn, das Ende, die Dauer, das Ziel und den Zweck jeder einzelnen Reise enthalten (; ), wobei die Anforderungen an die Qualität der Aufzeichnungen mit der Anzahl der dienstlich zurückgelegten Kilometer steigen (Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 16 -Stand , rdb.at- Anm 220; Herzog, Handbuch Einkommensteuer, 741).

Nimmt der Steuerpflichtige das Kilometergeld in Anspruch, kann sich der Nachweis der Fahrzeugkosten darauf beschränken, dass es sich dem Grunde nach um eine beruflich notwendige Fahrt handelte (; vgl ).

Wenn im Ermittlungszeitraum kein Fahrtenbuch geführt wird oder die geführten Aufzeichnungen den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht gerecht werden, ist zu schätzen (; ). Diesfalls hat die Abgabenbehörde den betrieblich veranlassten Teil der Kraftfahrzeugkosten gemäß § 184 BAO zu schätzen (). Entsprechendes gilt für beruflich veranlasste Fahrten, welche Werbungskosten ansprechen (vgl ).

Grundsätzlich sind die Fahrtaufwendungen in der tatsächlichen Höhe anzusetzen. Sind sie mangels Nachweises zu schätzen, wird eine Schätzung mit dem amtlichen Kilometergeld mangels exakten Kostennachweises durch den Beschwerdeführer bis zu einer Fahrleistung von 30.000 km pro Jahr nicht rechtswidrig sein () und in vielen Fällen zu einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Ergebnis führen ( mit Hinweis auf die Vorjudikatur).

Allerdings besteht nicht etwa ein Recht des Steuerpflichtigen, dieses Kilometergeld im Sinne eines Wahlrechtes anstelle der tatsächlichen Aufwendungen und somit gewissermaßen "primär" anzusetzen (vgl etwa mit Hinweis auf die Vorjudikatur). Ungeachtet des Umstandes, dass bei Fehlen eines exakten Kostennachweises, wenn also die Behörde die Fahrtaufwendungen zu schätzen hat, die Schätzung hinsichtlich eines im Eigentum des Steuerpflichtigen stehenden Fahrzeuges, dessen Fahrtleistung die oben genannte Kilometeranzahl pro Jahr nicht übersteigt, mit dem amtlichen Kilometergeld grundsätzlich nicht rechtswidrig ist, kann das Finanzamt also stets auch eine genauere Schätzung der tatsächlichen Fahrtkosten vornehmen, falls der Steuerpflichtige die tatsächlichen Aufwendungen nicht nachweist (Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 16 (Stand , rdb.at) Rz 135, 220).

Rechtliche Würdigung

Wie die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat, genügten die im gegenständlichen Fall vorgelegten Aufzeichnungen den Anforderungen an ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nicht. So wurden insbesondere keine Angaben zum Zweck der jeweiligen Fahrt gemacht.

Zumal im vorliegenden Fall eine Ergänzung fehlender Angaben möglich wäre, wurde der Beschwerdeführer zur Vorlage eines derart ergänzten Fahrtenbuches oder alternativ zur Beibringung tauglicher Beweismittel in Ergänzung der bereits vorgelegten Aufzeichnungen aufgefordert.

Dieser Aufforderung ist der Beschwerdeführer allerdings nicht nachgekommen.

Somit werden die für den beschwerdegegenständlichen Besteuerungszeitraum geführten Aufzeichnungen den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch - unverändert - nicht gerecht. So fehlen insbesondere Angaben zu den angefahrenen Kunden und Zieladressen. Aus diesem Grund kann von einem Nachweis von Fahrtkosten in einer bestimmten Höhe nicht gesprochen werden. Die "Reisekostenabrechnung" steht überdies zu der tabellarischen Aufstellung der "dienstlich" und der privat gefahrenen Kilometer in Widerspruch. In einer Gesamtschau waren die Aufzeichnungen als in sich rechnerisch widersprüchlich und damit nicht nachvollziehbar anzusehen. Schließlich weist die tabellarische Gegenüberstellung gefahrene Gesamtkilometer unrichtig als "Dienstliche KM" aus. Von diesen wurden die Werbungskosten rechnerisch ermittelt, statt sie nach Abzug der ausgewiesenen privaten Kilometer zu berechnen.

Der Einwand des Beschwerdeführers, dass er ein dergestalt geführtes Fahrtenbuch bereits seit Jahren führt und es immer ausreichend war, ist im gegenständlichen Fall als Argument nicht zugkräftig. Wie der VwGH bereits mehrfach ausgeführt hat, hindert der Umstand, dass eine in der Vergangenheit erfolgte Überprüfung durch die Behörde eine bestimmte Vorgangsweise des Abgabepflichtigen unbeanstandet gelassen hat, die Behörde nicht, diese Vorgangsweise als rechtswidrig zu beurteilen (, mwN).

Jedoch erscheint glaubhaft, dass der Beschwerdeführer, welcher jahrelang als Versicherungsvertreter im Außendienst tätig gewesen ist, auch im Ermittlungszeitraum - in unbestimmter Anzahl - beruflich bedingte Fahrten durchgeführt hat. Daher war schon die Abgabenbehörde zur Schätzung nach § 184 BAO dem Grunde nach berechtigt und verpflichtet (vgl auch ).

Dass der Beschwerdeführer auch im Besteuerungszeitraum in Ausübung seiner Tätigkeit als Versicherungsvertreter im Außendienst beruflich veranlasste Fahrten durchführen musste, entspricht der Lebenserfahrung ebenso wie der Tätigkeitsbeschreibung eines Außendienstes. Die Tätigkeit als Versicherungsvertreter im Außendienst erweist sich als durch die Ergebnisse des der Schätzung vorangegangenen amtswegigen Ermittlungsverfahrens als gedeckt (vgl zu diesem Erfordernis grundsätzlich ). Damit kann als gegeben angenommen werden, dass der Beschwerdeführer beruflich veranlasste Fahrten durchgeführt hat. Sind diese in weiterer Folge - wie hier - ihrem Ausmaß nach im einzelnen nicht (mehr) feststellbar, kann dieses Ausmaß geschätzt werden (Stoll, BAO-Kommentar, 1916).

Gerade unter diesem Aspekt lässt sich die von der Abgabenbehörde zur Begründung ihrer abweisenden Beschwerdevorentscheidung herangezogene Judikatur des deutschen Bundesfinanzhofes nicht auf den gegenständlichen, auf Basis österreichischen Rechts zu lösenden Fall übertragen, zumal der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuches i. S. d. § 8 Abs 2 Satz 4 dEStG durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes dergestalt präzisiert worden ist, wie es in der Beschwerdevorentscheidung vom einwandfrei dargelegt wurde; allerdings bleibt nach ebendieser deutschen Rechtsprechung - im Gegensatz zur österreichischen Rechtslage - seit der Änderung des § 8 Abs 2 (dt.) EStG durch das Jahressteuergesetz 1996, weder Raum für eine freie Schätzung des Anteils der Privatnutzung noch für eine Schätzung, die sich an den Angaben des Steuerpflichtigen in einem Fahrtenbuch orientiert, das sich im Besteuerungs- oder im Klageverfahren als nicht ordnungsgemäß herausgestellt hat (BFH-Urteil v , VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410, m.w.N.; BFH-Beschluss v , VI B 145/06; BFH-Urteil v , VIII R 33/11).

In Österreich greift die Schätzung grundsätzlich dann ein, wenn das Beweisverfahren die objektiv nachvollziehbare Überzeugung von der Gewissheit abgabenrechtlich bedeutsamer Sachverhalte (z. B. einer Erwerbstätigkeit, eines Betriebes, einer Quelle) vermittelt, sich aber mit gleicher Sicherheit der Gedankenführung und Erkenntnis nicht auch Umfang, Menge, Ausdehnung, Wert (etwa von Ergebnissen) feststellen lassen (Stoll, BAO-Kommentar, 1908). Mit anderen Worten soll die Schätzung einer auf das Quantitative bezogene Gefahr der Unerweislichkeit von Tatsachen, weil sich die Abgabenberechnungsgrundlagen mit gebotener Genauigkeit von der Abgabenbehörde eben nicht beweisen lassen, begegnen (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 1907f). Allerdings setzt die Vornahme der Schätzung insbesondere die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach legitimierende amtswegige Sachverhaltsermittlungen voraus.

Während also nach deutschem Recht ein nicht ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch den Raum für eine Schätzung jedenfalls stark einschränkt und damit unweigerlich zur Nichtanerkennung von Aufwendungen führt, führt dieser Umstand nach österreichischem Recht geradezu zur Verpflichtung, eine Schätzung vorzunehmen; so auch im Beschwerdefall.

Daraus folgt aber, dass Werbungskosten nicht ausschließlich und ohne Schätzung ausnahmslos aus dem Grunde nicht anerkannt werden dürfen, dass das eingereichte "Fahrtenbuch" nicht einem ordnungsgemäßen Fahrtenbuch im Sinne der (Definition in der) ständigen Rechtsprechung entspräche. Indem die Abgabenbehörde dies im Beschwerdeverfahren getan hat, hat sie die Beschwerdevorentscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Diese tritt jedoch mit dem Ergehen dieser Beschwerdeerledigung aus dem Rechtsbestand (vgl mit Hinweis auf die Vorjudikatur).

Der Erstbescheid, mit welchem die Berücksichtigung von aus damaliger Sicht zusätzlichen Werbungskosten abgelehnt worden ist - die höheren tatsächlichen Werbungskosten wurden nicht nachgewiesen, weshalb damals das Pauschale zu berücksichtigen war (vgl ) - war nunmehr vom Verwaltungsgericht entsprechend abzuändern.

Schätzung

Die Schätzung wurde auf Grund folgender Prämissen vorgenommen:

Die vom Beschwerdeführer in der Gegenüberstellung als "Dienstliche KM" bezeichneten Kilometer sind die Gesamtkilometer pro Monat, welche sich in der Reisekostenabrechnung aus den jeweiligen Kilometerständen des Kraftfahrzeuges als Differenz ergeben und von denen der Beschwerdeführer - folgerichtig - pro Fahrt jeweils die privat zurückgelegten Kilometer abgezogen hat.

Zur Schätzungsmethode:

Anhand der Angaben des Beschwerdeführers wurde der Durchschnitt der pro Monat zurückgelegten dienstlichen Kilometer ermittelt. Dieser Betrag wurde mit der Anzahl der durchschnittlich gefahrenen Tage pro Monat multipliziert und auf das Jahr gerechnet.

Somit ergibt sich

52 dienstlich gefahrene Kilometer * 18 Tage * 12 Monate * 0,42 € (amtliches Kilometergeld). Das sind rund 4.720 € an anzuerkennenden Reisekosten als Werbungskosten. Dieser Betrag ist höher als das ursprünglich zugesprochene "Vertreterpauschale" (2.190,00 €).

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Frage, ob Werbungskosten ausschließlich und ohne Schätzung ausnahmslos aus dem Grunde nicht anerkannt werden dürfen, dass das eingereichte "Fahrtenbuch" nicht einem ordnungsgemäßen Fahrtenbuch im Sinne der (Definition in der) ständigen Rechtsprechung entspräche, kann anhand der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelöst werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Beilage: Berechnungsblatt

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100337.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at