Aufhebung eines Zurückweisungsbescheides betreffend eines Antrages gem. § 295 Abs 4 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Wolfgang Alber, Weihburggasse 4/2/29, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Zurückweisung des Antrages gem. § 295 Abs 4 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2009 sowie des Bescheides über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2009, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Zurückweisungsbescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer, in der Folge als Bf. bezeichnet, brachte am einen Antrag auf Aufhebung gemäß § 295 Abs 4 BAO betreffend des Einkommensteuerbescheides 2009 sowie des Bescheides über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2009 beim Finanzamt ein und führte in diesem begründend aus, dass er sich in diesem Jahr als atypisch stiller Gesellschafter an der Mitunternehmerschaft A beteiligt habe.
Die Einkommensteuer 2009 sei zunächst mit Bescheid vom veranlagt worden. Aufgrund einer bei der A durchgeführten Außenprüfung sei am ein gemäß § 295 Abs. 1 BAO berichtigter Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 ergangen. Gegen den dem Einkommensteuerbescheid 2009 zugrundeliegenden Feststellungsbescheid 2009 der A vom sei am vom steuerlichen Vertreter dieses Unternehmens das Rechtsmittel der Beschwerde (damals Berufung) erhoben worden.
Das Bundesfinanzgericht habe die Beschwerde der A gegen den "Feststellungsbescheid" vom als unzulässig zurückgewiesen, da sich diese gegen einen rechtsunwirksamen Nichtbescheid gerichtet habe. In der Anlage werde dieser Beschluss vom übermittelt.
Werde eine "Bescheidbeschwerde", die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides habe, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid sei, so seien gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide auf Antrag der Partei aufzuheben. Aus diesem Grund stelle der Bf. mittels dieses Schreibens den Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO, den Einkommensteuerbescheid 2009 sowie den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2009, jeweils datiert mit dem aufzuheben, da es sich bei dem diesen Bescheiden zugrundeliegenden o.a. "Feststellungsbescheid" vom um einen sogenannten Nichtfeststellungsbescheid, der als rechtlich nichtig einzustufen sei und daher auch keine rechtliche Wirkung entfalten könne, handelte.
Mit Bescheid vom , zugestellt laut Rückschein am , wies das Finanzamt den o.e. Antrag auf Aufhebung von Bescheiden gem. § 295 Abs 4 BAO (in der zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides geltenden Fassung) als verspätet zurück und führte diesbezüglich im Wesentlichen aus, dass die Festsetzungsverjährungsfrist für die Einkommensteuer 2009 mit Ablauf des Jahres 2009 zu laufen begonnen habe und somit am geendet habe. Innerhalb der gesetzlichen fünfjährigen Verjährungsfrist seien mehrere nach außen gerichtete Verlängerungshandlungen - der Erstbescheid, eine BVE, eine Bescheidänderung gem. §295 BAO - ergangen. Daher habe sich die Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert. Die Festsetzungsverjährung ende somit, da nach der Bescheidänderung im Jahre 2013 in der Folge keine Verlängerungshandlungen erfolgt seien, mit dem .
In der gegen diesen Zurückweisungsbescheid mit Schreiben vom rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Bf. aus, dass gegen das Dokument im Zusammenhang mit der A vom , das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides gehabt habe, am das Rechtsmittel der Berufung eingebracht worden sei. Dieses Rechtsmittel sei mit Bescheid vom zurückgewiesen worden, weil das Dokument der Auffassung der Behörde nach kein Bescheid sei.
§ 209 Abs. 2 BAO lege fest, dass einer Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegenstehe, wenn sie mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde abhänge und die Beschwerde vor Eintritt der Verjährung eingebracht worden sei. Beides sei der Fall gewesen, weshalb auch für den abgeleiteten Bescheid nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers für einen effektiven Rechtsschutz bis zur Umsetzung der Ergebnisse des Beschwerdeverfahrens keine Verjährung eintreten könne und demnach auch nicht eingetreten sei.
Der Bf. beantrage daher, die aus dem Dokument im Zusammenhang mit der Mitunternehmerschaft vom mit Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides abgeleitete Änderung der Tangente für den Einkommensteuerbescheid 2009 zurückzunehmen.
Selbst wenn dieser Auffassung nicht gefolgt werde, sei auf Folgendes hinzuweisen: Der von diesem Dokument abgeleitete Einkommensteuerbescheid 2009 sei am ausgestellt worden. Mit Datum (Kenntniserlangung durch den st.G.) sei ein Antrag auf Aufhebung von Bescheiden gemäß § 295 Abs. 4 BAO eingebracht worden. Dieser Antrag sei zurückgewiesen worden, weil nach Auffassung der Abgabenbehörde eine Antragstellung für den Aufhebungsantrag zum Einkommensteuerbescheid 2009 gemäß § 295 Abs. 4 iVm § 304 BAO bis zum stattfinden hätte müssen.
Nachdem bis zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen gewesen sei, dass eine sorgfältige Abgabenbehörde einen echten Feststellungsbescheid ausgestellt habe - und gegebenenfalls § 209a BAO zur Anwendung käme - und damit das Versäumnis einer entsprechenden Frist überhaupt erst bekannt geworden sei, stelle der Bf. hiermit (innerhalb von drei Monaten seit Kenntniserlangung durch den stillen Gesellschafter) den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und stelle damit verbunden einen Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2009 vom gemäß § 295 Abs 4 BAO.
Das Finanzamt erließ am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und führte in dieser nach Darstellung des Sachverhaltes im Wesentlichen begründend aus, dass § 295 Abs. 4 BAO normiere, dass ein auf diese Gesetzesbestimmung gestützter Aufhebungsantrag der Partei vor Ablauf der für Wiederaufnahmeanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen sei. Gemäß § 304 leg. cit. sei nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmeantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht sei.
In der konkreten Causa sei der vorliegende Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides vom gem. § 295 Abs. 4 BAO am bei der Abgabenbehörde eingebracht worden. Nach Ansicht der Abgabenbehörde sei dies erst nachdem Verjährung eingetreten sei erfolgt.
Zum Vorbringen des Bf., wonach nach Maßgabe des § 209 a Abs 2 BAO (in der zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung geltenden Fassung) nicht eingetreten sei, sei auszuführen, dass sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergebe, dass diese den Eintritt der Verjährung nicht verhindern, sondern nur unter den dort genannten Voraussetzungen eine Abgabenfestsetzung trotz des Eintrittes der Verjährung zuließe, wenn die Bedingung - nämlich dass ein entsprechender Antrag vor Verjährung eingebracht worden sei - erfüllt sei.
Im gegenständlichen Fall sei die formelle Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides für 2009 bereits mit Ablauf des Jahres 2015 eingetreten. Um die Verjährung hintanzuhalten hätte ein entsprechender Antrag vor Verjährungseintritt eingereicht werden müssen um die Bedingung für den Nichteintritt der Verjährung zu erfüllen. Dies sei jedoch nicht geschehen.
Wenn nun in der Beschwerde für diese - abgelaufene - Frist ein entsprechender Antrag auf Wiederaufnahme in den vorigen Stand gestellt wurde, so dürfe auf den entsprechenden Abweisungsbescheid und die dortigen Ausführungen verwiesen werden.
Im dagegen mit Schreiben vom rechtzeitig - dem Ansuchen vom um Verlängerung der diesbezüglichen Frist bis zum wurde mit Bescheid des Finanzamtes vom Folge gegeben - eingebrachten Vorlageantrag führte der Bf. aus, dass § 295 (4) BAO in der im Jahr 2018 anzuwendenden Fassung hinsichtlich der Antragsfrist auf jene Fassung des § 204 BAO verweise, die vom VfGH zwischenzeitlich als verfassungswidrig aufgehoben worden sei.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des geschilderten Verwaltungsgeschehens sowie der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Der Bf. war im Jahre 2009 an der Firma A beteiligt. Das Finanzamt erließ den Einkommensteuerbescheid für dieses Jahr am . Aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen betreffend des im vorletzten Absatz erwähnten Unternehmens erging am ein gemäß § 295 Abs 1 geänderter Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009. Die gegen den diesem zugrundeliegenden Feststellungsbescheid vom am erhobene Beschwerde wurde mit , mit der Begründung, dass die als Bescheide intendierten Erledigungen vom keine Bescheidqualität erlangt hätten, als unzulässig zurückgewiesen. Am - somit innerhalb eines Jahres nach der Zurückweisung - brachte der Bf. einen Antrag auf Aufhebung gemäß § 295 Abs 4 BAO betreffend des Einkommensteuerbescheides 2009 sowie des Bescheides über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2009 beim Finanzamt ein.
Das Bundesfinanzgericht stützt sich bei dieser Feststellung auf die unstrittige Aktenlage sowie die Entscheidung des .
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gem. § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.
Nach Feststellung des obigen Sachverhaltes hat das BFG über die vorliegende Beschwerde rechtlich erwogen:
§ 295 Abs. 4 BAO in der bis zum anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 70/2013 lautete:
"(4) Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt
- eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder
- eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmeanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen."
§ 295 Abs. 4 BAO in der am in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 3/2021 weist folgenden Wortlaut auf:
"(4) Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt
- eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder
- eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird."
Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob der verfahrensgegenständliche Antrag des Bf. gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2009 sowie des Bescheides über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2009 fristgerecht eingebracht wurde.
Dazu ist seitens des Bundesfinanzgerichtes festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis , G 226/2019, G 248/2019, die Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl. I Nr. 70/2013 als verfassungswidrig aufgehoben (siehe dazu auch ) und ausgesprochen hat, dass die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt. Die Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl. I Nr. 70/2013 ist somit mit Ablauf des nicht mehr anzuwenden.
Die neue Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl. I Nr. 3/2021 ist am in Kraft getreten. Sie stellt eine Norm des Verfahrensrechtes dar, die auch für am Tag ihres Inkrafttretens offene Verfahren - wie dem hier streitgegenständlichen - anzuwenden ist.
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes:
§ 295 Abs. 4 zweiter Satz BAO idF BGBl. I Nr. 3/2021 normiert ausdrücklich, dass der Antrag der Partei auf Aufhebung des auf den "Nichtbescheid" gestützten Bescheides (hier: der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom ) innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen ist.
Dies ist im gegenständlichen Fall erfolgt, hat doch das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom , RV/2100002/2014, die gegen die am ergangenen, als Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO intendierten Erledigungen betreffend die A für 2005 bis 2010 erhobene Beschwerde mangels Bescheidqualität der angefochtenen Erledigungen (Nichtbescheide) als unzulässig zurückgewiesen.
Somit erfolgte die Einbringung der verfahrensgegenständlichen Anträge des Bf. gemäß § 295 Abs. 4 BAO am rechtzeitig innerhalb der in § 295 Abs. 4 zweiter Satz BAO idF BGBl. I Nr. 3/2021 normierten Jahresfrist (hier: innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung durch das Bundesfinanzgericht vom ), weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Durch die Aufhebung sind die gegenständlichen Anträge auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs 4 wiederum unerledigt. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage war auf die in der Beschwerde gestellten Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2009 nicht näher einzugehen.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam; die Rechtsfolgen ergaben sich vielmehr aus dem Gesetz (§ 295 Abs. 4 BAO idF BGBl. I Nr. 3/2021) und aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (, G 226/2019, G 248/2019). Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104826.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at