Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.08.2022, RV/5101319/2019

Progressionsvorbehalt bei deutscher Sozialversicherungsrente

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Mozartstraße 11 Tür 6, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich (vormals des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr ) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***StNr*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer bringt am eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 ein. Darin erklärt er neben einem inländischen Pensionsbezug und einem inländischen Aktivbezug noch einen Bezug von einer deutschen Sozialversicherungsrente, der "Deutschen Rentenversicherung ***SV***".

Mit ergeht vom Finanzamt der Einkommensteuerbescheid 2017 unter erklärungsgemäßer Berücksichtigung von beantragten Werbungskosten und Sonderausgaben. Weiters wurden die vom Beschwerdeführer erklärten Einkünfte der "Deutschen Rentenversicherung ***SV***" iHv Euro 4.623,00 mittels Progressionsvorbehaltes im Rahmen der Bescheiderstellung berücksichtigt.

Am bringt der Beschwerdeführer beim Finanzamt eine Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 vom ein und begründet diese wie folgt:
"Ich beziehe aus Deutschland eine kleine Rente die bereits in Deutschland versteuert wird. Außerdem werden in Deutschland meine österreichischen Einkünfte dazugerechnet und deswegen komme ich dort in eine höhere Progression. Das Gleichepassiert in Österreich. Dies ist eine Doppelbesteuerung gegen die ich Einspruch erhebe."

Finanzamt weist diese Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung am als unbegründet ab und führt dazu begründend aus, dass aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen im Doppelbesteuerungsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 182/2002, idF BGBl. III Nr. 32/2012 (im Folgenden kurz als DBA D bezeichnet) "Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung" Deutschlands in Österreich dem so genannten Progressionsvorbehalt unterliegen würden. Dabei verweist das Finanzamt auf die in der Begründung textlich angeführten Art 4 DBA D, Art 18 Abs. 2 DBA D und Artikel 23 Abs. 2 DBA D. Der Beschwerdeführer sei in Österreich wohnhaft und unbeschränkt steuerpflichtig und habe neben einer inländischen Rente, seinen Bezügen aus einem inländischen Dienstverhältnis auch eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung bezogen und auf diese sei der Progressionsvorbehalt anzuwenden.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung vom wird am vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers, einem Rechtsanwalt, ein Vorlageantrag eingebracht. Im Vorlageantrag heißt es dazu wörtlich:
"Aufgrund der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom , Abgabenkontonummer ***StNr***, zugestellt am , stelle ich durch meinen bevollmächtigten Vertreter in offener Frist den Antrag, meine Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Die gestellten Anträge bleiben vollinhaltlich aufrecht. Die Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich-Deutschland sind sowohl gleichheitswidrig als auch unionsrechtswidrig. Sie behindern die Ausübung der Grundfreiheiten der EU. Es wird daher angeregt, dass BFG möge diese Fragen dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Beantwortung vorlegen. Weiteres Vorbringen behalte ich mir ausdrücklich vor."

Das Finanzamt legte die Beschwerde am samt Akt dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte im Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Aus den Verfahrensablauf und dem Akteninhalt ergibt sich vom Sachverhalt her, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2017 mit einem Wohnsitz in Österreich ansässig und unbeschränkt steuerpflichtig war. Weiters hat der Beschwerdeführer eine inländische Pension bezogen, nichtselbständige Einkünfte aus einem inländischen Dienstverhältnis erzielt und Einkünfte aus einer Rente der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung bezogen.

Strittig ist die Anwendung des Progressionsvorbehaltes auf die deutsche Sozialversicherungspension des Beschwerdeführers.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt selbst ist unstrittig und geht aus dem Vorlagebericht des Finanzamts sowie dem vorgelegten Akt hervor.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflichterstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Steuertarif nach § 33 EStG 1988 bemisst sich nach dem Gesamteinkommen, worin der Progressionsvorbehalt innerstaatlich - unbeschadet der Regelung des § 33 Abs. 11 EStG 1988 - seine Rechtsgrundlage findet.

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) entfalten bloß eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein DBA eingeschränkt wird (vgl. ).

Ein Doppelbesteuerungsabkommen vermag also den sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebenden Besteuerungsanspruch einzuschränken, nicht aber einen im innerstaatlichen Steuerrecht nicht bestehenden Besteuerungsanspruch zu begründen (; , 99/14/0217; , 2012/15/0035).

Die unbeschränkte Steuerpflicht des Beschwerdeführers in Österreich ist unstrittig.

Die gegenständlichen deutschen Bezüge fallen eindeutig unter Art 18 Abs. 2 DBA D.
Art 18 Abs. 1 DBA D und Art 18 Abs. 2 DBA D lauten wie folgt:
"Ruhegehälter, Renten und ähnliche Zahlungen
Abs. 1) Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder
Renten aus dem anderen Vertragsstaat, so dürfen diese Bezüge nur im erstgenannten Staatbesteuert werden.
Abs. 2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen
Sozialversicherung des anderen Staates erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1nur in diesem anderen Staat besteuert werden."

Artikel 23 Abs. 2 lit. a DBA D lautet wie folgt:
"Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich vorbehaltlich der Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus."

Strittig ist die Berücksichtigung der deutschen Pensionsbezüge im Rahmen eines Progressionsvorbehaltes.

Im Hinblick auf die bloße Schrankenwirkung des DBA scheiden die ausländischen Pensionseinkünfte aus dem Einkommen aus, sodass nur das verbleibende Einkommen - unter Beibehaltung des Progressionssatzes - zu besteuern ist. Das DBA verbietet lediglich die Besteuerung der gegenständlichen Einkünfte in Österreich, nicht aber die Heranziehung dieser Einkünfte bei Ermittlung des Steuersatzes.

Bei der Methode des Progressionsvorbehaltes werden die im Ausland bezogenen Einkünfte im Ansässigkeitsstaat von der Steuer befreit. Allerdings werden die Auslandseinkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts im Inland steuerlich berücksichtigt. Beim Progressionsvorbehalt werden die Auslands- und Inlandseinkünfte zusammengerechnet und für diese Gesamteinkünfte wird zunächst die Einkommensteuer nach dem inländischen Steuertarif ermittelt. In weiterer Folge wird der Durchschnittssteuersatz berechnet, indem die errechnete Einkommensteuer durch das Gesamteinkommen dividiert wird. Für die eigentliche Steuerberechnung im Inland wird der eben ermittelte Durchschnittssteuersatz jedoch ausschließlich auf die Inlandseinkünfte angewandt.

Das österreichische Steuerrecht behandelt die aus anderen Mitgliedstaaten bezogenen Pensionen nicht schlechter als solche aus Österreich, was daran erkennbar ist, dass die Regelungen des DBA D vice versa gelten.

Eingewendet wird die EU-Rechtswidrigkeit der angewandten Bestimmungen des DBA Deutschland. Insbesondere sei die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit verletzt.

"Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, der grundlegendeStatus der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich inder gleichen Situation befinden, erlaubt, im sachlichen Geltungsbereich des Vertrages unabhängigvon ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenenAusnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen. Zu den Situationen, die in denGeltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, gehören diejenigen, die sich auf die Ausübung derdurch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten beziehen, und insbesondere auch die, in denen esum das durch Artikel 18 EG verliehene Recht geht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zubewegen und aufzuhalten. Da ein Unionsbürger in allen Mitgliedstaaten Anspruch auf die gleicherechtliche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats hat, die sich in der gleichenSituation befinden, wäre es mit dem Recht auf Freizügigkeit unvereinbar, wenn ein Mitgliedstaat ihnweniger günstig behandelte, als wenn er nicht von den Erleichterungen Gebrauch gemacht hätte,die ihm der Vertrag in Bezug auf die Freizügigkeit gewährt. Allerdings garantiert der EG-Vertrag einem Unionsbürger nicht, dass die Verlagerung seiner Tätigkeit in einen anderenMitgliedstaat als demjenigen, in dem er bis dahin gewohnt hat, hinsichtlich der Besteuerungneutral ist. Auf Grund der Unterschiede im Steuerrecht der Mitgliedstaaten kann eine solcheVerlagerung je nach dem Einzelfall auch Vor- oder Nachteile bei der Besteuerung haben (Urteil des C-403/03, Schempp)."

Da im Hinblick auf die angeführten Entscheidungen Zweifel an der Beurteilung der gemeinschaftsrechtlichen Frage nicht bestehen, wurde im Sinne der Rechtsprechung C.I.L.F.I.T. (, Slg. 1982, S. 3415 ff) von einem Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 EGV abgesehen.

Im Sinne der zitierten Judikatur sowie der ständigen Rechtsprechung des VwGH war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen (vgl. ).

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Durch die ständige Rechtsprechung des VwGH ist ausreichend geklärt, dass der Ansatz von ausländischen Rentenbezügen im Rahmen eines Progressionsvorbehaltes weder gegen das österreichische Steuerrecht, noch gegen Unionsrecht verstößt. Eine Revision ist somit nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 18 Abs. 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101319.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at