Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 bei Vorliegen ausländischer Einkünfte mit Progressionsvorbehalt
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich (vormals des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs ) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 Steuernummer ***StNr*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Am reichte der Beschwerdeführer die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015 elektronisch via FinanzOnline beim Finanzamt ein.
Datiert mit verschickte das Finanzamt einen Vorhalt an den Beschwerdeführer mit folgendem Inhalt:
"Ergänzungspunkte:
Laut vorliegenden Unterlagen waren sie im Jahr 2015 auch im Ausland beschäftigt. Bitte um Beantwortung folgender Fragen:
1) Wo waren sie tätig?
2) In welchem Zeitraum waren sie im Ausland beschäftigt? Vorlage des Entsendungsvertrages, falls vorhanden.
3) Welche Tätigkeit haben Sie dort ausgeübt?
4) Bei Aufenthalten unter 183 Tagen im jeweiligen Land: Warum erfolgte die Besteuerung nicht in Österreich - Bestätigung des Arbeitgebers dazu?
5) Vorlage des Steuerbescheides bzw. Besteuerungsnachweises aus dem jeweiligen Land.
6) Ausländische Einkünfte sind mit dem Formular L1i zu erklären - bitte ergänzen."
Da der Beschwerdeführer den Vorhalt des Finanzamtes vom nicht beantwortet hat, schickte das Finanzamt datiert mit ein schriftliches Auskunftsersuchen mit folgendem Inhalt an den Dienstgeber des Beschwerdeführers:
"Gemäß § 143 BAO ist die Abgabenbehörde berechtigt, Auskunft über alle für die Erhebung von Abgaben maßgebenden Tatsachen zu verlangen.
Die Auskunftsperson wird
- darauf hingewiesen, dass die Auskunft in den im § 171 Bundesabgabenordnung genannten Fällen verweigert werden kann
- ermahnt, die Wahrheit anzugeben und nichts zu verschweigen.
Sie werden aufgefordert, folgende Fragen bis zu beantworten:
Betreffend den übermittelten Auslandslohnzettel:
1) Wo war Hr. ***Bf*** tätig?
2) In welchem Zeitraum war er im Ausland beschäftigt? Vorlage des Entsendungsvertrages, falls vorhanden.
3) Welche Tätigkeit hat er dort ausgeübt?
4) Bei Aufenthalten unter 183 Tagen im jeweiligen Land: Warum erfolgte die Besteuerung nicht in Österreich?
5) Vorlage des Steuerbescheides bzw. Besteuerungsnachweises aus dem jeweiligen Land."
Mit übermittelte der Dienstgeber des Beschwerdeführers dem Finanzamt eine Aufstellung der Tage, an denen dieser im Ausland als Monteur gearbeitet hat. Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2015 insgesamt 212 Tage in den Vereinigten Arabischen Emiraten für seinen Dienstgeber tätig gewesen ist. Weiters wurde dem Finanzamt der Dienstvertrag anlässlich des Auslandsaufenthaltes 2015 des Beschwerdeführers im Jahr 2015 übermittelt.
Mit erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2015 und bezog dabei Euro 39.052,24 ausländische Einkünfte zum Progressionsvorbehalt heran. Es ergab sich eine Nachforderung für 2015 iHv Euro 353,00.
Mit erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 (Arbeitnehmerveranlagung) vom und zog im Rahmen der Beschwerde seinen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015 zurück und beantragte die ersatzlose Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015. Als Begründung führte der Beschwerdeführer an, dass in seinem Fall die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 nicht vorliegen würden, sodass es sich um eine Antragsveranlagung gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 handle.
Die Abgabenbehörde hat am die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und dies wie folgt begründet:
"Gemäß § 41 EStG 1988 liegt ein Grund für eine Pflichtveranlagung vor, wenn neben lohnsteuerpflichtigen Einkünften auch andere Einkünfte bezogen worden sind, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt. Als "andere Einkünfte" gelten alle Einkünfte, die dem Grunde nach nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Andere Einkünfte sind daher Einkünfte aus anderen Einkunftsarten sowie ausländische Einkünfte für die Österreich das Besteuerungsrecht zukommt oder die im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu erfassen sind. Ihr Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015 kann daher nicht zurückgezogen werden."
Daraufhin wurde vom Beschwerdeführer datiert mit ein Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt, in welchem er die Aufhebung des bekämpften Einkommensteuerbescheides 2015 mit derselben Begründung, wie in der Beschwerde beantragt, begehrt.
Das Finanzamt legte am die Beschwerde samt Akt dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte im Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerde, da im gegenständlichen Fall ein Pflichtveranlagungstatbestand iSd § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 vorliege.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war 2015 unbestrittenermaßen 212 Tage für seinen Dienstgeber in Dubai auf Auslandsmontage tätig. Dabei bezog er ausländische Einkünfte, für die kein Lohnsteuerabzug vorgenommen worden ist, in den Vereinigten Arabischen Emiraten über die dort ansässige Firma ***S***. Weiters bezog der Beschwerdeführer nichtselbständige Einkünfte von seinem inländischen Dienstgeber, für die ein Lohnzettel an das Finanzamt übermittelt worden ist.
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ist unstrittig und geht aus dem Vorlagebericht des Finanzamts und den vorgelegten Akten hervor.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Im Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll, BGBl. III Nr. 88/2004 idgF (DBA UAE), wird in Artikel 15 Abs. 1 DBA UAE folgendes normiert: "Vorbehaltlich der Artikel 16, 17, 18, 19 und 20 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden."
Artikel 24 Abs. 2 DBA UAE bestimmt: "In Österreich wird die Doppelbesteuerung wie folgt vermieden: Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte und dürfen diese Einkünfte nach diesem Abkommen in den Vereinigten Arabischen Emiraten besteuert werden, so nimmt Österreich vorbehaltlich des Absatzes 3 diese Einkünfte von der Besteuerung aus."
Artikel 24 Abs. 3 DBA UAE lautet: "Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in diesem Staat auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in diesem Staat bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen der Person einbezogen werden."
Aus den oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen des DBA UAE ergibt sich für den gegenständlichen Fall, dass Österreich zwar nicht das Recht hat, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten erzielten Einkünfte zu verteuern, aber diese Einkünfte bei der Berechnung der Einkommensteuerfestsetzung in Österreich im Rahmen eines Progressionsvorbehaltes heranzuziehen sind.
Bei der Methode des Progressionsvorbehalts werden die im Ausland bezogenen Einkünfte im Ansässigkeitsstaat von der Steuer befreit. Allerdings werden die Auslandseinkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts im Inland steuerlich berücksichtigt. Beim Progressionsvorbehalt werden die Auslands- und Inlandseinkünfte zusammengerechnet und für diese Gesamteinkünfte wird zunächst die Einkommensteuer nach dem inländischen Steuertarif ermittelt. In weiterer Folge wird der Durchschnittssteuersatz berechnet, indem die errechnete Einkommensteuer durch das Gesamteinkommen dividiert wird. Für die eigentliche Steuerberechnung im Inland wird der eben ermittelte Durchschnittssteuersatz jedoch ausschließlich auf die Inlandseinkünfte angewandt.
Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildet die Frage, ob aufgrund der im Jahre 2015 bezogenen ausländischen, nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iHv Euro 39.052,24 der Pflichtveranlagungstatbestand gemäß
§ 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 gegeben ist, sodass eine Rücknahme des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung nicht möglich ist.
Sind gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn
1. er andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt,
2. im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.
Liegen nach § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, so erfolgt eine Veranlagung nur auf Antrag des Steuerpflichtigen. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt werden. § 39 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 ist anzuwenden.
Sind nach § 41 Abs. 3 EStG 1988 im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, ist von den anderen Einkünften ein Veranlagungsfreibetrag bis zu Euro 730 abzuziehen. Dies gilt nicht für Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27a Abs. 1 EStG 1988. Der Freibetrag vermindert sich um jenen Betrag, um den die anderen Einkünfte Euro 730 übersteigen.
Zu den Euro 730 übersteigenden "anderen Einkünften", die nach § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 den Pflichtveranlagungstatbestand auslösen, gehören Einkünfte aus den übrigen Einkunftsarten sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die dem Grunde nach nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen, da sie bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die wegen Fehlens einer inländischen Betriebsstätte iSd § 81 EStG 1988 nicht zum Lohnsteuerabzug verhalten werden können. Weiters zählen dazu ausländische Einkünfte, hinsichtlich der zwar im Wege eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) einem anderen Staat das Besteuerungsrecht zugewiesen ist, die aber bei der Besteuerung in Österreich im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu erfassen sind (vgl. Peyerl in Jakom EStG, 15. Aufl. (2022), § 41, Rz 5; ; ).
Werden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die keinem Lohnsteuerabzug unterliegen, neben lohnsteuerpflichtigen Einkünften erzielt, die den Betrag von Euro 730 übersteigen, kommt grundsätzlich eine Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 in Betracht (Peyerl in Jakom EStG, 15. Aufl. (2022), § 41, Rz 3).
Voraussetzung für eine Pflichtveranlagung nach § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 ist, dass im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind. Ob tatsächlich ein Steuerabzug vom Arbeitslohn vorgenommen worden ist, ist dabei nicht maßgeblich (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG, § 41, Rz 5).
Der Zweck der Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 ist die gemeinsame Erfassung der Bezüge aus sämtlichen Dienstverhältnissen, da die Anwendung des Einkommensteuertarifes auf die Gesamtbezüge in der Regele eine höhere Steuerbelastung zur Folge hat, als bei einem getrennten Lohnsteuerabzug (vgl. ). In die Pflichtveranlagung sind daher auch Dienstverhältnisse einzubeziehen, deren Bezüge (für sich) noch zu keinem Steuerabzug geführt haben oder deren Berücksichtigung sich progressionserhöhend auswirkt (vgl. Peyerl in Jakom EStG, 15. Aufl. (2022), § 41, Rz 10).
Im vorliegenden Fall wurden im Einkommensteuerbescheid 2015 vom steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iHv Euro 13.939,20 berücksichtigt, die auf dem Lohnzettel des inländischen Dienstgebers beruhen. Weiters bezog der Beschwerdeführer im Jahr 2015 in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausländische Einkünfte iHv Euro 39.052,24, für die zwar kein Lohnsteuerabzug vorgenommen worden ist, die aber bei der Ermittlung der Einkünfte für das Jahr 2015 im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu erfassen sind.
Aufgrund der obigen Ausführungen ergibt sich, dass der Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 beim Beschwerdeführer für das Jahr 2015 eindeutig gegeben ist. Eine Antragsveranlagung liegt nicht vor, weshalb der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung auch nicht zurückgenommen werden kann.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Diese Entscheidung folgt in der Frage der Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung ausländischer, im Wege des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigender Einkünfte gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 der Judikatur des VwGH. Somit ist eine Revision an den VwGH nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 41 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 41 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 15 DBA UAE (E), Doppelbesteuerungsabkommen Vereinigte Arabische Emirate (Einkommensteuer), BGBl. III Nr. 88/2004 Art. 24 DBA UAE (E), Doppelbesteuerungsabkommen Vereinigte Arabische Emirate (Einkommensteuer), BGBl. III Nr. 88/2004 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101738.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at