Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.08.2022, RV/5100364/2013

nachträgliche Herabsetzung der Abgabenschuld

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheide des FA Gmunden Vöcklabruck vom betreffend dritte Säumniszuschläge 11/2010 (79,42 €) und 12/2010 (2.010,73 €) zu Steuernummer ***3*** Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Bescheide betreffend dritte Säumniszuschläge 11/2010 (79,42 €) und 12/2010 (2.010,73 €) werden - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Zuge einer Außenprüfung kam es zu Feststellungen und in der weiteren Folge zu Umsatzsteuerfestsetzungen, weil überwiegend geltend gemachte Vorsteuern nicht anerkannt wurden. Gegen diese Festsetzungen wurden Beschwerden erhoben.

Mit den Bescheiden vom wurden folgende dritte Säumniszuschläge gem. § 217 Abs. 1 und 3 BAO festgesetzt, weil Abgabenschuldigkeiten nicht spätestens drei Monate nach dem Tag, an dem der jeweils zweite Säumniszuschlag verwirkt wurde, entrichtet wurden.


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Abgabe
Betrag in Euro
Säumniszuschlag in Euro
Umsatzsteuer 11/2010
7.942,35
79,42
Umsatzsteuer 12/2010
201.073,44
2.010,73
Umsatzsteuer 01/2011
105.749,94
1.057,50
Umsatzsteuer 02/2011
49.375,94
493,76
Umsatzsteuer 12/2011
11.652,94
116,53
3.757,94

In der Beschwerde vom wurde auf das bisherige Vorbringen in der Berufungssache verwiesen. Zudem wurden Anträge nach § 217 Abs. 7 und 8 BAO gestellt.

Mit dem am beim Unabhängigen Finanzsenat eingelangten Vorlagebericht wurde unter anderem die Berufung vom gegen die Säumniszuschlagsbescheide vom eingebracht.

Die Berufung blieb bis unerledigt und ging mit an das Bundesfinanzgericht über, wo sie in der Gerichtsabteilung ***1*** als Bescheidbeschwerde anhängig wurde.

Mit dem im Zuge eines Verfahrens nach § 300 der Bundesabgabenordnung erlassenen Bescheides betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer 2010 wurde die mit Bescheid vom festgesetzt mit -17.680,61 €, bisher war vorgeschrieben 351.988,36 €.

Die Bescheidbeschwerde vom blieb weiterhin unerledigt und wurde mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes der inzwischen unbesetzten Gerichtsabteilung ***1*** abgenommen und mit Wirksamkeit der Gerichtsabteilung ***2*** zugeteilt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass die der Festsetzung der dritten Säumniszuschläge 11/2010 (79,42 €) und 12/2010 (2.010,73 €) zu Steuernummer ***3*** zu Grunde liegende Umsatzsteuer 2010 nachträglich soweit herabgesetzt wurde, dass die aus den ursprünglichen Umsatzsteuerfestsetzungen resultierende Abgabenzahlungsschuld nicht mehr besteht.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 217 der Bundesabgabenordnung (BAO) IdF BGBl I 2018/62 lautet:

"(1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

(3) Ein zweiter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt ihrer Vollstreckbarkeit (§ 226) entrichtet ist. Ein dritter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des zweiten Säumniszuschlages entrichtet ist. Der Säumniszuschlag beträgt jeweils 1% des zum maßgebenden Stichtag nicht entrichteten Abgabenbetrages. Die Dreimonatsfristen werden insoweit unterbrochen, als nach Abs. 4 Anbringen oder Amtshandlungen der Verpflichtung zur Entrichtung von Säumniszuschlägen entgegenstehen. Diese Fristen beginnen mit Ablauf der sich aus Abs. 4 ergebenden Zeiträume neu zu laufen.

(4) Säumniszuschläge sind für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als

a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,

b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,

c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,

d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.

(5) Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.

(6) Wird vor dem Ende einer für die Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist ein Vollstreckungsbescheid (§ 230 Abs. 7) erlassen, so tritt die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 erst mit dem ungenützten Ablauf dieser Frist, spätestens jedoch einen Monat nach Erlassung des Vollstreckungsbescheides ein und beginnt erst ab diesem Zeitpunkt die Dreimonatsfrist des Abs. 3 erster Satz zu laufen.

(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

(8) Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen; dies gilt sinngemäß

a) für bei Veranlagung durch Anrechnung von Vorauszahlungen entstehende Gutschriften und

b) für Nachforderungszinsen (§ 205), soweit nachträglich dieselbe Abgabe betreffende Gutschriftszinsen festgesetzt werden.

(9) Im Fall der nachträglichen rückwirkenden Zuerkennung oder Verlängerung von Zahlungsfristen hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung der zuerkannten oder verlängerten Zahlungsfrist zu erfolgen.

(10) Säumniszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Dies gilt für Abgaben, deren Selbstberechnung nach Abgabenvorschriften angeordnet oder gestattet ist, mit der Maßgabe, dass die Summe der Säumniszuschläge für Nachforderungen gleichartiger, jeweils mit einem Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid geltend gemachter Abgaben maßgebend ist."

Die verpflichtende Herabsetzung der Säumniszuschläge im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld nach § 217 Abs. 8 BAO in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 14/2013, trat mit in Kraft und ist, soweit sie Beschwerden betreffen, auch auf alle an diesem Tag unerledigten Berufungen und Devolutionsanträge anzuwenden (vgl. § 323 Abs. 37 BAO).

Eine Herabsetzung der für die Verwirkung des Säumniszuschlags maßgebenden Abgabenschuldigkeit ist nachträglich, wenn sie nach Verwirkung des Säumniszuschlags erfolgt. In Betracht kommen Änderungen (§ 295 BAO), Berichtigungen (§§ 293, 293b BAO), neue Sachbescheide nach Aufhebungen (§§ 299, 300 BAO) oder Wiederaufnahme des Verfahrens, Beschwerdevorentscheidungen, sowie Erkenntnisse von Verwaltungsgerichten oder in der Sache entscheidende Erkenntnisse des VwGH. Es ist auf die Minderung jener Abgaben Bedacht zu nehmen, welche die Bemessungsgrundlagen für die Festsetzung des Säumniszuschlags gebildet haben (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3, § 217 Rz 22). Erfolgt eine Herabsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung etwa erst im Zuge des Umsatzsteuerjahresbescheids, liegt eine nachträgliche Herabsetzung einer Abgabenschuld iSd § 217 Abs. 8 BAO vor, die zu einer rückwirkenden Herabsetzung des von der Umsatzsteuervorauszahlung festgesetzten Säumniszuschlags führt (vgl ).

Im gegenständlichen Fall liegt unzweifelhaft eine die zwingende Rechtsfolge nach § 217 Abs. 8 BAO auslösende nachträgliche Herabsetzung der Abgabenschuld vor. Durch die gänzliche Herabsetzung der Abgabenschuld entfiel der Säumniszuschlagsanspruch, sodass der Beschwerde schon aus diesem Grund vollinhaltlich stattzugeben war.

Es stellt sich daher weder die Frage, ob die ursprüngliche Säumniszuschlagsfestsetzung zu Recht erfolgte, noch ob die Antragsvoraussetzungen nach § 217 Abs. 7 BAO vorliegen.

Die angefochtenen Bescheide waren daher aufzuheben.

Die Beschwerde betreffend die dritten Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 01/2011 (1.057,50 €), Umsatzsteuer 02/2011 (493,76 €) und Umsatzsteuer 12/2011 (116,53 €) wird in einem gesonderten Verfahren erledigt, da das beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Fristsetzungsverfahren zu RV/5100588/2013 zweckmäßigerweise abzuwarten ist.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Aufhebung der strittigen Säumniszuschlagsfestsetzung ergibt sich unmittelbar aus § 217 Abs. 8 BAO, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100364.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at