Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde betreffend eine von Amts wegen vorzunehmende "Anspruchsverzinsung" von Umsatzsteuergutschriften (Verweis auf das Urteil des EuGH vom 12.05.2021, C-844/19, sowie auf das Erkenntnis des VwGH vom 30.06.2021, Ro 2017/15/0035)
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache der Bf., Anschrift, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH, Renngasse 1/Freyung, 1010 Wien, über die Beschwerde vom wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt für Großbetriebe betreffend die von Amts wegen vorzunehmende Anspruchsverzinsung der Umsatzsteuergutschriften 2015 bis 2018, St. Nr. 08-334/1321, beschlossen:
Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a iVm § 284 Abs. 7 lit. b BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 und Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Begründung
Verfahrensgang:
A) Die Bf. (idF Beschwerdeführerin bzw. kurz Bf.) erhob durch ihre steuerliche Vertreterin mit dem mit datierten und am beim Bundesfinanzgericht eingelangten Schriftsatz eine Säumnisbeschwerde gemäß § 284 BAObetreffend "Anspruchsverzinsung der Umsatzsteuergutschriften 2015 bis 2018".
In diesem Schriftsatz, der zusätzlich mit "(Eventual-)Antrag auf Zinsen gemäß § 205a BAO" betitelt ist, heißt es begründend wörtlich wie folgt:
"I. Verletzung der Entscheidungspflicht
(1) Das Finanzamt für Großbetriebe ist seiner amtswegigen Entscheidungspflicht hinsichtlich der Festsetzung von Anspruchszinsen, welche sich aus der verspäteten Erstattung der Umsatzsteuergutschriften 2015 bis 2018 ergeben, innerhalb von sechs Monaten nicht nachgekommen. Die Säumnisbeschwerde betrifft daher die bislang unterbliebene Festsetzung von Gutschriften aus Anspruchszinsen der nachfolgenden Umsatzsteuerbescheide des Finanzamts für Großbetriebesowie Umsatzsteuervoranmeldungen, denen Steuergutschriften zugrunde liegen:
- Umsatzsteuerbescheid 2015, veranlagt am (siehe Anlage …)
- Umsatzsteuerbescheid 2016, veranlagt am (siehe Anlage …)
- Umsatzsteuervoranmeldungen 01-05/2017, eingebucht am (siehe Anlage …)
- Umsatzsteuervoranmeldung 06/2017, eingebucht am (siehe Anlage …)
- Umsatzsteuervoranmeldungen 07-12/2017, eingebucht am (siehe Anlage …)
- Umsatzsteuervoranmeldungen 01-12/2018, eingebucht am (siehe Anlage …)
(2) Daher erheben wir die gegenständliche Säumnisbeschwerde, die wir im Detail wie folgt begründen:
II. Beschwerdebegründung
1. Sachverhalt und Verfahrensgang
(3) Die Abgabenbehörde hat
- eine Betriebsprüfung mit Beginn am betreffend die Jahre 2010 - 2014 sowie
- eine Betriebsprüfung mit Beginn am betreffend die Jahre 2015 - 2017
bei der [Bf.] durchgeführt.
(4) Aufgrund dieser Betriebsprüfungen wurden die Umsatzsteuergutschriften, welche sich aus den Umsatzsteuerbescheiden 2015 und 2016 ergeben, erst am festgesetzt sowie die Umsatzsteuergutschriften, welche sich aus den Umsatzsteuervoranmeldungen 01-12/2017 und 01-12/2018 ergeben, erst am bzw. auf unserem Steuerkonto verbucht. Da die verspätete Auszahlung dieser Umsatzsteuergutschriften zu einem erheblichen Zinsnachteil für unsere Gesellschaft geführt hat, wären von der Abgabenbehörde in analoger Anwendung des § 205 BAO Anspruchszinsen festzusetzen gewesen. Bisher ist die Festsetzung der gegenständlichen Anspruchszinsen jedoch unterblieben.
2. Rechtliche Würdigung
(5) Gemäß § 205 BAO hat die Abgabenbehörde von Amts wegen Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlung ergeben, für den Zeitraum ab 01.10.des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zur Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (= Anspruchszinsen). Anspruchszinsen entstehen völlig unabhängig von einem allfälligen Verschulden des Abgabepflichtigen oder der Behörde (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 205 Rz 2).
(6) Für die Umsatzsteuer hat der österreichische Gesetzgeber bislang keine explizite Regelung über die Anspruchsverzinsung normiert. Dies ist jedoch nach der neueren EuGH-Judikatur unionsrechtsrechtswidrig, wie im folgenden Unterkapitel erläutert wird.
2.1. EuGH in der Rs CS und technoRent: Verpflichtung zur Anspruchsverzinsung bei zu späterstattetem Umsatzsteuerguthaben
(7) Der VwGH hat kürzlich den EuGH um Vorabentscheid zu der Rechtsfrage ersucht, inwiefern ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Verzinsung besteht, wenn die Erstattung eines Umsatzsteuerguthabens nicht innerhalb angemessener Frist erfolgt.
(8) Der EuGH hat in der Rs CS und technoRent, C-844/19, , sodann entschieden, dass eine Verzinsung von Umsatzsteuerforderungen vor allem unter dem Aspekt der Wahrung des unionsrechtlichen Grundsatzes der steuerlichen Neutralität geboten sei. Der Grundsatz der Neutralität des Mehrwertsteuersystems verlange, dass der finanzielle Verlust, der dem Gläubiger - wenn ihm der Mehrwertsteuerüberschuss nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet wird - durch die fehlende Verfügbarkeit der fraglichen Geldbeträge entsteht, durch eine Zinszahlung ausgeglichen werden muss (vgl. , CS und technoRent, Rz 56). Ein Verzinsungsanspruch soll somit eine Entschädigung für die verspätet zur Verfügung stehende Umsatzsteuergutschrift darstellen (vgl. Sabine Dworak, EuGH: Anspruch auf Verzugszinsen für Umsatzsteuerguthaben bestätigt, taxlex 2021, 407 (408)).
(9) Der EuGH weist in diesem Zusammenhang weiters darauf hin, dass sowohl die nationalen Abgabenbehörden als auch die nationalen Gerichte angehalten sind, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen (vgl. . C-844/19, CS und technoRent, Rz 50 und 52, mit Verweis auf Eesti Pagar, C-349/17, Rz 91 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das nationale Recht wäre derart anzuwenden, dass kein dem Unionsrecht widersprechendes Ergebnis erzielt wird (vgl. , CS und technoRent, Rz 53). Es obliegt daher den Abgabenbehörden - allein aufgrund dieser EuGH-Entscheidung - den unionsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen und eine Verzinsung von zu spät entrichteten Umsatzsteuergutschriften vorzunehmen.
2.2. Folgeentscheidung des
(10) Aufbauend auf dem zuvor genannten Vorabentscheidungsersuchen entschied der VwGH in seinem Erkenntnis vom , Ro 2017/15/0035, dass Umsatzsteuerforderungen durch eine Gesamtanalogie der Zinstatbestände §§ 205, 205a und 212a BAO zu verzinsen sind.
(11) Bei den vom VwGH als für die Umsatzsteuer relevant qualifizierten Zinstatbeständen §§ 205, 205a und 212a BAO ist ein Zinssatz von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz heranzuziehen. UE stellt § 205 BAO eine Bestimmung dar, welche sich auch auf die Umsatzsteuer umlegen lässt, wenn man - in unionsrechtskonformer Interpretation der Norm - das tatbestandsmäßige Abstellen auf die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer ausblendet. Auf diese Weise lässt sich auch für die Umsatzsteuer eine Verzinsung zwischen dem 01.10. des Folgejahres des Entstehens des Abgabenanspruches und der bescheidmäßigen Festsetzung bzw. Gutschrift der Umsatzsteuer auf dem Abgabenkonto abbilden.
(12) Fazit: Um den höchtsgerichtlichen bzw. unionsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen, ist es erforderlich, dass eine rechtsrichtige Anspruchsverzinsung, welche sich aus der verspäteten Festsetzung bzw. Einbuchung der Umsatzsteuergutschriften 2015 bis 2018 ergibt, durch die analoge Anwendung des § 205 BAO hergestellt wird. Der Abgabenbehörde obliegt es daher Anspruchszinsen in der in Punkt II.2.3. dargelegten Höhe festzusetzen.
2.3. Steuerliche Bemessungsgrundlagen für die Anspruchsverzinsung
(13) Der für die Verzinsung relevante Zeitraum beginnt mit 1. Oktober des der Entstehung des Ababenanspruches folgenden Jahres und endet mit der Zustellung des jeweiligen Bescheides vorangehenden Tages bzw. für Umsatzsteuervoranmeldungen sinngemäß mit der Einbuchung der Umsatzsteuergutschriften auf dem Steuerkonto. Die Bemessungsgrundlagen für die Zinsberechnung sind die jeweils zu spät vergüteten Umsatzsteuergutschriften. Die sich aus der Berechnung ergebenden Anspruchszinsen sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Anspruchszinsen USt | |||||
Erklärung | Jahr | Einreichdatum | Veranlagungs-/Gutschriftsdatum | Bmgl | AZ |
UStE | 2015 | - 202.554,36 | 8.882,41 | ||
UStE | 2016 | - 855.742,68 | 25.656,88 | ||
UVA | 2017 | - 930.359,45 | 14.989,95 | ||
UVA | 2018 | - 845.833,27 | 1.896,36 | ||
Summe Anspruchszinsen | 51.425,60 |
III. Anträge
(14) Die Pflicht zur Festsetzung der in Punkt II.2.3. dargelegten Anspruchszinsen ist mit der Zustellung der jeweiligen Bescheide am bzw. mit der Verbuchung der Umsatzsteuervoranmeldungen am bzw. am eingetreten (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3§ 205 Rz 2). Da die Abgabenbehörde seither ihrer amtswegigen Entscheidungspflicht über die Festsetzung von Anspruchszinsen nicht nachgekommen ist und bereits mehr als sechs Monate verstrichen sind, erheben wir das Rechtsmittel der
Säumnisbeschwerde gemäß § 284 BAO.
(15) Verletzt die Abgabenbehörde ihre Entscheidungspflicht, indem sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Verpflichtung zu einer amtswegigen Entscheidung eine Entscheidung trifft, kann die Partei gemäß § 284 BAO Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben. Das Verwaltungsgericht hat sodann der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden, wobei die Frist aus berücksichtigungswürdigen Gründen einmal verlängert werden kann. Für den Fall, dass die Abgabenbehörde innerhalb der vom Verwaltungsgericht bestimmten Frist weiterhin keine Entscheidung erlässt, geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Verwaltungsgericht über.
(16) Aus den oben angeführten Gründen beantragen wir
- die Erteilung einer Entscheidungsfrist durch das Bundesfinanzgerichtgegenüber der zuständigen Abgabenbehörde (Finanzamt für Großbetriebe), es möge innerhalb von drei Monaten nach Maßgabe des § 284 Abs. 2 BAO Anspruchszinsen bescheidmäßig festsetzen, sowie
- (in eventu) für den Fall des Ablaufes der dreimonatigen Nachfrist, eine Entscheidung durch das Bundesfinanzgerichtgemäß § 284 Abs. 3 BAO.
(17) Sollte das Bundesfinanzgerichtdie Ansicht vertreten, dass eine sinngemäße Anwendung der Bestimmung des § 205a BAO besser dazu geeignet wäre, den unionsrechtskonformen Zustand einer Verzinsung der Umsatzsteueransprüche herzustellen, stellen wir hiermit den (Eventual-)antrag auf die Gutschrift von Zinsen hinsichtlich der oben angeführten Umsatzsteuergutschriften unter sinngemäßer Anwendung des § 205a BAO. Da Zinsgutschriften nach § 205a BAO bei der Abgabenbehörde zu beantragen sind, wird die gegenständliche Eingabe in Kopie auch bei der Abgabenbehörde eingebracht."
B) Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtsvom wurde diese Säumnisbeschwerde samt Anlagen (Umsatzsteuerbescheide 2015 und 2016 sowie Auszug des Steuerkontos) dem Finanzamt für Großbetriebe übermittelt und diesem der Auftrag gemäß § 284 Abs. 2 BAO erteilt, bis spätestens die versäumte Entscheidung zu erlassen und eine Abschrift dieser Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.
C) Diese Frist wurde über (begründeten) Antrag des Finanzamts für Großbetriebe mit dem Beschluss des Bundesfinanzgerichtsvom bis verlängert.
D) Das Finanzamt für Großbetriebe brachte darauf innerhalb dieser Frist eine Stellungnahme zur Säumnisbeschwerde ein und stellte sich nach Wiedergabe des Vorbringens in der Säumnisbeschwerde zum einen auf den Standpunkt, dass das , sowie die beiden im Anschluss daran ergangenen Erkenntnisse des , und vom , Ro 2018/15/0026, Beschwerdezinsen gemäß § 205a BAO betroffen hätten. Schon deshalb sei diese Rechtsprechung nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da eine Bescheidbeschwerde nicht anhängig sei.
Zum anderen sei aber auch eine analoge Anwendung des allein für die Einkommen- und Körperschaftsteuer geltenden § 205 BAO (Anspruchszinsen) zu verneinen, da nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ein Analogieschluss eine echte Gesetzeslücke voraussetzen würde, also das Bestehen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Dabei sei im Zweifel das Unterbleiben einer bestimmten Regelung im Bereich des öffentlichen Rechts als beabsichtigt anzusehen (vgl. hiezu , mit Hinweis auf ).
Selbst der EuGH weise im Urteil vom , C-844/19, ausdrücklich darauf hin, dass für den Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts Grenzen bestünden. Die Verpflichtung, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, sei durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze - zu denen auch der Grundsatz der Rechtssicherheit gehöre - begrenzt und dürfe nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen.
Da selbst der VwGH nach bisher vorliegenden Entscheidungen und nach Anrufung des EuGH im geltenden nationalen Recht - mit Ausnahme des Falls der nachträglichen Zuerkennung einer Vorsteuergutschrift im Beschwerdeverfahren - keine (konkrete) tragfähige Grundlage für "Umsatzsteuerzinsen" erkennen konnte und aus der Mehrwertsteuerrichtlinie eine unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen nicht ableitbar sei, könne sich auch für das Finanzamt für Großbetriebe keine (andere) Beurteilung ergeben, die von der bestehenden Rechtslage nicht gedeckt wäre.
Das Finanzamt für Großbetriebe stehe demnach auf dem Standpunkt, dass eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht anzunehmen sei.
Was den in der Säumnisbeschwerde gestellten Eventualantrag auf Beschwerdezinsen nach § 205a BAO anbelange, könne darüber erst nach rechtskräftiger Erledigung des Hauptantrags entschieden werden. Eine vorgezogene Erledigung würde diese nämlich mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belasten (vgl. hiezu Ritz/Koran, BAO7, § 85 Tz 3 mwN). Eine Verletzung der Entscheidungspflicht könne somit auch diesbezüglich (noch) nicht vorliegen.
E) Nachdem diese Stellungnahme des Finanzamts für Großbetriebe vom Bundesfinanzgericht der steuerlichen Vertreterin der Bf. übermittelt worden war, langte eine entsprechende Replik zur Stellungnahme ein. Darin heißt es im Wesentlichen wie folgt:
Das Finanzamt für Großbetriebe ignoriere den Anwendungsvorrang des EU-Rechts, wobei sich jeder Abgabepflichtige auf diesen Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber richtlinienwidrige Regelungen des nationalen Rechts berufen könne. Demnach habe das EU-Recht absoluten Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht, und dieser Vorrang müsse von den nationalen Gerichten in ihren Entscheidungen berücksichtigt werden. Die Verwaltung und die Gerichte der Mitgliedstaaten seien verpflichtet, jene Bestimmungen des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, die mit den Richtlinien nicht in Einklang stünden, dh auch nicht richtlinienkonform interpretiert werden könnten. Im Ergebnis sei festzuhalten, dass die MwStSyst-RL Vorrang vor nationalem Umsatzsteuerrecht habe, welches zwar wirksam bleibe, jedoch nicht anzuwenden sei, wenn es der Richtlinie widerspreche.
In Bezug auf die geltend gemachte Anspruchsverzinsung der Umsatzsteuergutschriften werde nochmals darauf verwiesen, dass die Bestimmung des § 205 BAO zwar nur für die Einkommen- und Körperschaftsteuer gelte und der österreichische Gesetzgeber bislang keine explizite Regelung für die Umsatzsteuer normiert habe. Nach der neueren EuGH-Judikatur sei dies aber unionsrechtswidrig. So habe der EuGH in der schon mehrfach angesprochenen Rs CS und technoRent entschieden, dass eine Verzinsung von Umsatzsteuerforderungen vor allem unter dem Aspekt der Wahrung des unionsrechtlichen Grundsatzes der steuerlichen Neutralität geboten sei. Dieser Grundsatz verlange, dass der finanzielle Verlust, der dem Gläubiger - wenn ihm der Mehrwertsteuerüberschuss nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet werde - durch die fehlende Verfügbarkeit der fraglichen Geldbeträge entstehe, durch eine Zinszahlung ausgeglichen werden müsse. Ein Verzinsungsanspruch soll somit eine Entschädigung für die verspätet zur Verfügung stehende Umsatzsteuergutschrift darstellen. Damit obliege es den Abgabenbehörden - allein aufgrund dieser EuGH-Entscheidung - den unionsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen und eine Verzinsung von solchen Umsatzsteuergutschriften vorzunehmen. In der Folgeentscheidung des , werde dargelegt, dass Umsatzsteuerforderungen durch eine Gesamtanalogie der Zinstatbestände der §§ 205, 205a und 212a BAO zu verzinsen seien. Der VwGH habe daher offensichtlich Möglichkeiten aufgezeigt, wie der derzeit bestehende Konflikt zwischen nationalem Recht und EU-Recht gelöst werden könne. Auch wenn das österreichische Abgabenverfahrensrecht keine allgemeine Verzinsung von Abgabenschulden oder Abgabengutschriften vorsehe, so enthalte die BAO sehr wohl mehrere Zinstatbestände, die - laut dem EuGH - der VwGH im Rahmen seiner Zuständigkeit anzuwenden habe, um die volle Wirksamkeit und Erfüllung dieser unionsrechtlichen Verpflichtung zur Verzinsung von Umsatzsteuerguthaben durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts bzw. eine unionsrechtskonforme analoge Anwendung von Bestimmungen aus der gesamten nationalen Rechtsordnung sicherzustellen.
Dabei stelle § 205 BAO eine Bestimmung dar, welche sich auch auf die Umsatzsteuer umlegen lasse, wenn - in unionsrechtskonformer Interpretation der Norm - das tatbestandsmäßige Abstellen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer ausgeblendet werde. Weiters sehe § 205 BAO für eine angemessene abgabenrechtliche Prüfung einen zinsfreien Zeitraum von neun Monaten vor, der den Beginn des Verzinsungszeitraumes verschiebe. Auf diese Weise lasse sich auch für die Umsatzsteuer eine Verzinsung zwischen dem 01.10. des Folgejahres des Entstehens des Abgabenanspruches und der bescheidmäßigen Festsetzung bzw. Gutschrift der Umsatzsteuer auf dem Abgabenkonto abbilden.
Da § 205 BAO für den Abgabepflichtigen kein Antragsrecht auf Anspruchszinsen vorsehe, könne eine Anspruchszinsenfestsetzung nur von Amts wegen erfolgen. Nachdem der Anwendungsvorrang des EU-Rechts lediglich den gelindesten Eingriff in das nationale Recht rechtfertige, könne dieser nicht zu einem Antragsrecht des Abgabepflichtigen auf Festsetzung von Anspruchszinsen für Umsatzsteuergutschriften führen, wenn zur Sicherstellung der Unionsrechtskonformität ein gelinderes Mittel bestehe. Das gelindeste Mitte stelle aber im vorliegenden Fall die amtswegige Festsetzung von Anspruchszinsen für die vom Finanzamt für Großbetriebe betraglich nicht bestrittenen Umsatzsteuergutschriften dar. Es obliege somit der Abgabenbehörde, von Amts wegen die Zinsen auf die Umsatzsteuergutschriften festzusetzen. Die Festsetzung von Anspruchszinsen liege nicht im Ermessen der Abgabenbehörde. Vielmehr unterliege diese der amtswegigen Entscheidungspflicht (§ 85 BAO). Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht könne Säumnisbeschwerde erhoben werden, wenn Bescheide nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegien Erlassung bekanntgegeben würden.
Es werde deshalb die amtswegige Festsetzung von Anspruchszinsen auf die gegenständlichen Umsatzsteuerguthaben angeregt, zumal es keine andere Möglichkeit gebe, Anspruchszinsen für Umsatzsteuergutschriften zu erhalten, da § 205 BAO kein Antragsrecht vorsehe. Das Bundesfinanzgericht möge im Sinn dieser Ausführungen der Säumnisbeschwerde Folge geben.
Das Bundesfinanzgerichthat über diese Säumnisbeschwerde erwogen:
Ausgehend vom Sachverhalt, wie er in der gegenständlichen Säumnisbeschwerde betreffend die verspätete Festsetzung bzw. Verbuchung von Umsatzsteuergutschriften für die Jahre 2015 bis 2018 - zumindest in seinen wesentlichen Grundzügen - dargestellt und vom Finanzamt für Großbetriebe in seiner Stellungnahme hiezu unwidersprochen gelassen wurde, sind folgende gesetzliche Bestimmungen zu beachten:
§ 284 BAO
(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.
(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.
(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.
(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.
(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.
(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.
(7) Sinngemäß sind anzuwenden:
a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),
b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),
c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),
d) § 266 (Vorlage der Akten),
e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),
f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),
g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),
h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).
§ 205 BAO
(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,
b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.
(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.
(3) Der Abgabepflichtige kann, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.
(4) Die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) wird durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.
(5) Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen sind nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind.
(6) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Nachforderungszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen,
a) als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses (§ 295a) ist und die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen oder
b) als ein Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf dem Abgabenkonto bestanden hat.
Strittig ist nach dem Vorbringen in der Säumnisbeschwerde, ob hinsichtlich der verspäteten Erstattung der Umsatzsteuergutschriften 2015 bis 2018 der Bf. Anspruchszinsen im Sinne des § 205 BAO zustehen und ob in diesem Zusammenhang eine amtswegige Entscheidungspflicht des Finanzamts für Großbetriebe anzunehmen ist.
Unstrittig ist vorerst, dass diese mit dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, eingeführte Regelung des § 205 BAO lediglich für den Bereich der Einkommen- und Körperschaftsteuer gilt und - allerdings begrenzt für einen Zeitraum von maximal 48 Monaten ab dem auf das Steuerjahr folgenden Oktober - zum einen zugunsten des Abgabengläubigers, also des Fiskus, von Amts wegen festzusetzende "Nachforderungszinsen" sowie zum anderen zugunsten des Abgabepflichtigen ebenfalls von Amts wegen festzusetzende "Gutschriftszinsen" vorsieht, die sich auf Basis der Differenz zwischen einer neuerlichen Abgabenfestsetzung und bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben können.
In den entsprechenden Erläuterungen zum Budgetbegleitgesetz 2001 heißt es diesbezüglich, der Zweck dieser Anspruchszinsenregelung sei "nach dem Vorbild des § 233a der (deutschen) Abgabeordnung 1977, die (möglichen) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzungen ergeben" (ErlRV 311 BlgNR 21. GP 196).
Während aber die deutsche Regelung sehr weit gefasst ist und Differenzbeträge aus der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen- oder Gewerbesteuer sowie auch der Umsatzsteuer sowohl zulasten als auch zugunsten eines Abgabepflichtigen umfasst, wurde die Beschränkung der Bestimmung des § 205 BAO auf Einkommen- und Körperschaftsteuer den Erläuterungen zufolge insbesondere deshalb gewählt, weit "bei diesen Abgaben die Verzögerung von Abgabenvorschreibungen durch möglichst späte Einreichung von Abgabenerklärungen (zwecks Erzielung von Zinsvorteilen für den Abgabenpflichtigen)" budgetär am meisten ins Gewicht falle. Im Bereich der Umsatzsteuer ging der österreichische Gesetzgeber mithin erkennbar davon aus, dass im Regelfall die periodisch einzureichenden Umsatzsteuervoranmeldungen in Summe der Umsatzsteuerjahreserklärung entsprechen sollten und demnach der erläuterte Anreiz, die Steuererklärung zeitgerecht einzureichen, kaum besteht.
Von der steuerlichen Vertreterin der Bf. wird deshalb auch nicht bestritten, dass die Regelung des § 205 BAO im Bereich der Umsatzsteuer ihrem eindeutigen Wortlaut nach nicht zur Anwendung gelangen kann.
Sie vertritt aber in der Säumnisbeschwerde die ausdrückliche Rechtsansicht, dass in analoger Anwendung des § 205 BAO Anspruchszinsen auf Umsatzsteuerguthaben möglich und demzufolge solche Anspruchszinsen - mangels eines entsprechenden Antragsrechts - von Amts wegen festzusetzen sind.
Dem ist die herrschende Lehre und Rechtsprechung entgegenzuhalten, wonach eine Analogie, eine bestimmte Rechtsvorschrift auf einen inhaltlich ähnlichen Sachverhalt, der nicht explizit mitgeregelt ist, anzuwenden, grundsätzlich nur insofern zulässig ist, als es sich um eine planwidrige Lücke des Gesetzgebers handelt. Dabei wird bei einer planwidrigen Lücke davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber einen Sachverhalt ungewollt nicht (mit)geregelt hat. Es handelt sich also um eine Unvollständigkeit der Rechtslage auf Basis des beabsichtigten Telos, die es mithilfe der Analogie zu schließen gilt. Die analoge Anwendung einer Bestimmung darf jedoch nicht einer gesetzlich bezweckten Beschränkung widersprechen (vgl. hiezu etwa F.Bydlinski/P. Bydlinkski, Juristische Methodenlehre3 (2018) 85 ff, bzw. neben den vom Finanzamt für Großbetriebe in seiner Stellungnahme zur Säumnisbeschwerde genannten Erkenntnissen des VwGH das weitere Erkenntnis vom , Ra 2016/13/0034, zur (unzulässigen) analogen Anwendung des die Beschwerdezinsen regelnden § 205a BAO auf einen Sachverhalt, der unbestritten nicht vom Wortlaut dieser Bestimmung umfasst ist).
Nach den oben geschilderten Erläuterungen zu § 205 BAO wurde jedoch die Verzinsung von Differenzbeträgen aus der Umsatzsteuer bewusst nicht von dieser Bestimmung mitumfasst. Die ausdrückliche, gesetzlich bezweckte Beschränkung des Anwendungsbereichs auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer und die explizite Erklärung, warum dies vorgesehen wurde, schließen deshalb die Annahme einer planwidrigen Lücke aus. Eine Anwendung des § 205 BAO auf Umsatzsteuerguthaben, unabhängig von ihrer Art der Entstehung, ist somit - argumentum e contrario - ausgeschlossen (in diesem Sinne ausdrücklich Chroustovsky/Pollak, AVR 2020, 100, "Verspätet rückerstattetes Umsatzsteuerguthaben - Hat der Steuerpflichtige ein Recht auf Verzugszinsen in der BAO?").
Soweit sich die steuerliche Vertreterin der Bf. in der Säumnisbeschwerde auf das , Rs CS und technoRent, sowie das nachfolgende Erkenntnis des , beruft und daraus in unionsrechtskonformer Auslegung der österreichischen Rechtsordnung auf eine analoge Anwendung des § 205 BAO hinsichtlich der verspäteten Erstattung bzw. Verbuchung von Umsatzsteuergutschriften schließt, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Schlussfolgerung für das Bundesfinanzgericht in dieser Form nicht nachvollziehbar ist.
Vorerst ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass das diesem Urteil des EuGH zugrundeliegende Vorabentscheidungsersuchen des bzw. das erwähnte Erkenntnis des (RS CS - Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts) sowie zudem das weitere Erkenntnis des (RS technoRent - Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts) jeweils Anträge auf Festsetzung von Berufungs- bzw. Beschwerdezinsen gemäß § 205a BAO betrafen.
Wie deshalb schon vom Finanzamt für Großbetriebe im Rahmen seiner Stellungnahme zur Säumnisbeschwerde zu Recht vorgebracht wurde, ist allein schon unter diesem Gesichtspunkt fraglich, ob auch auf den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt dieses Urteil des EuGH bzw. die höchstgerichtliche Rechtsprechung des VwGH anwendbar ist.
Abgesehen davon ist der steuerlichen Vertreterin der Bf. zwar insofern Recht zu geben, als der , Rs CS und technoRent, grundsätzlich festhielt, dass es dem Neutralitätsgrundsatz zuwiderlaufen würde, wenn dem Steuerpflichtigen, sofern die Erstattung des Vorsteuerüberschusses nicht innerhalb angemessener Frist erfolge, kein Anspruch auf Verzugszinsen zukäme. Zum anderen verwies der EuGH aber ausdrücklich darauf, dass sich die unionsrechtliche Pflicht zur Verzinsung von Mehrwertsteuerbeträgen nicht aus unmittelbar anwendbarem Unionsrecht ergebe. In weiterer Folge stellte der EuGH klar, dass in Ermangelung einer nationalen Regelung betreffend Zinssatz und Beginn des Zinslaufes diese Aspekte in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten unter Wahrung der Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität fallen würden. Besonderes Augenmerk sei dabei auf den Grundsatz unionsrechtskonformer Auslegung des innerstaatlichen Rechts zu legen, wobei die nationalen Verwaltungsbehörden und die nationalen Gerichte dazu angehalten wären, das gesamte nationale Recht zu berücksichtigen, um zu einem unionsrechtskonformen Ergebnis zu gelangen. Abschließend heißt es in diesem Zusammenhang, dass für den Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts allerdings bestimmte Grenzen bestünden. So sei die Verpflichtung, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze - zu denen auch der Grundsatz der Rechtssicherheit gehöre - begrenzt und dürfe nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (vgl. zu diesem Urteil des EuGH Holzmann, AVR 2021, 88, "EuGH bejaht die Verzinsung von Vorsteuergutschriften", mwN).
Wie in weiterer Folge der VwGH im Erkenntnis vom , Ro 2017/15/0035, darlegte, stünde im Hinblick auf dieses Urteil des EuGH der vom do. Revisionswerber geltend gemachte Verzinsungsanspruch auf den Vorsteuerüberschuss bis zur Einführung einer entsprechenden Regelung durch den Gesetzgeber grundsätzlich zu Recht zu. Der VwGH verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass das österreichische materielle Abgabenrecht im Bereich der Umsatzsteuer keine spezifische Verzugszinsenpflicht kenne, mit der die finanziellen Verluste durch die fehlende Verfügbarkeit der Geldbeträge durch eine Zinszahlung ausgeglichen würden. Auch das österreichische Abgabenverfahrensrecht sehe keine allgemeine Verzinsung von Abgabenschulden oder Abgabengutschriften vor. Allerdings enthalte die BAO für mehrere konkret definierte Tatbestände sehr wohl Zinsfolgen. Dies seien die auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer beschränkte Bestimmung des § 205 BAO (Anspruchszinsen), die nicht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer beschränkte Zinsregelung des § 205a BAO (Beschwerdezinsen), die aber auf eine entrichtete Abgabenschuldigkeit abstelle und somit bei Fällen ausstehender Zuerkennung eines Guthabens nicht zum Tragen komme, sowie die Regelung des § 212a BAO (Aussetzungszinsen). Diese Zinstatbestände würden dem VwGH "in Verfahren beantragter Zinsen von Umsatzsteuer-Ansprüchen eine Rechtsanalogie zur Auflösung des derzeit bestehenden Normenkonflikts zwischen nationalem Recht und (nicht unmittelbar anwendbarem) Unionsrechts" erlauben.
Der VwGH nahm mithin eine sogenannte "Gesamtrechtsanalogie" vor (vgl. zu diesem Erkenntnis etwa bloß Gombotz, BFGjournal 2021, 286, "Der EuGH und VwGH zu Verzugszinsen auf verspätet erstatteten Vorsteuerüberschuss") und verneinte demgegenüber die Möglichkeit zur unionsrechtskonformen Interpretation einer einzelnen Bestimmung der BAO und damit die "Gesetzesanalogie" (so ausdrücklich Zorn, RdW 2021/472, "Analogie im nationalen Recht mittels Unionsrecht", der zudem darauf verweist, dass ein Zinsanspruch eines Unternehmers kraft Einzelanalogie zu den §§ 205a und 212a BAO vom VwGH schon früher abgelehnt worden sei und eine Einzelanalogie zu § 205 BAO allein schon am eindeutigen Gesetzeswortlaut sowie an den ErlRV scheitere).
Das von der steuerlichen Vertreterin der Bf. insbesondere in der Replik zur Stellungnahme des Finanzamts für Großbetriebe vorgebrachte Argument, aus diesem Erkenntnis des VwGH folge, dass in unionsrechtskonformer Auslegung die Bestimmung des § 205 BAO im Wege einer "Gesetzesanalogie" auch im Bereich der Umsatzsteuer angewendet werden könne, indem das tatbestandsmäßige Abstellen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer "ausgeblendet" werde, widerspricht demnach den eindeutigen Ausführungen des VwGH.
So heißt es etwa auch bei Gombotz, aao, dass eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 205 BAO bereits an der expliziten Beschränkung der Regelung auf die Einkommensteuer und Köprerschaftsteuer scheitere und eine unionsrechtskonforme Auslegung contra legem jedenfallls nicht möglich sei.
Damit kommt aber auch dem ausdrücklichen Säumnisbeschwerdevorbringen, das Finanzamt für Großbetriebe sei der Entscheidungspflicht betreffend die von Amts wegen vorzunehmende "Anspruchsverzinsung" der Umsatzsteuergutschriften 2015 bis 2018 nicht nachgekommen, keine Berechtigung zu.
Unabhängig davon ist überdies auf den Umstand zu verweisen, dass sich der VwGH im Rahmen dieser "Gesamtrechtsanalogie" eindeutig darauf bezog, dass ein der Entscheidungspflicht unterliegender Antrag auf Festsetzung von Zinsen gestellt wurde.
Weiters hielt der VwGH ausdrücklich fest, dass er sich "mit den (mangels gesetzlicher Regelung einzelfallbezogen zu beantwortenden) Fragen des genauen Beginns eines solchen Zinsenlaufs" im konkreten Revisionsfall nicht näher auseinandersetzen müsse, da unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben für einen zinsfreien Zeitraum für eine angemessene abgabenrechtliche Prüfung allein entscheidend sei, ab welchem Zeitpunkt eine Verzinsung der Umsatzsteueransprüche "beantragt" worden sei.
Daraus folgt aber für das Bundesfinanzgericht, dass - ungeachtet des Umstands, ob überhaupt im gegenständlichen Fall "Umsatzsteuerzinsen" im Sinne der Ausführungen der steuerlichen Vertreterin der Bf. bzw. im Sinne des Begutachtungsentwurfs des Abgabenänderungsgesetzes 2022, mit dem in § 205c BAO eine eigenständige Verzinsungsregelung für die Umsatzsteuer eingeführt werden soll (), vorliegen - aus diesem Erkenntnis des VwGH auch unter dem Blickwinkel einer "Gesamtrechtsanalogie" zu sämtlichen Zinstatbeständen der BAO keine amtswegige Verpflichtung des Finanzamts für Großbetriebe zur Festsetzung solcher Zinsen ableitbar ist.
Im Ergebnis bedeuten diese Ausführungen für die vorliegende Säumnisbeschwerde, dass diese mangels einer amtswegigen Verpflichtung zur Erlassung des begehrten Bescheids gemäß § 260 Abs. 1 lit. a iVm § 284 Abs. 7 lit. b BAO als nicht zulässig zurückzuweisen ist (vgl. hiezu bloß Ritz/Koran, BAO7, § 284 Tz 12).
Was letztlich den schon gemeinsam mit der Säumnisbeschwerde beim Finanzamt für Großbetriebe eingebrachten "(Eventual-)Antrag auf Zinsen gemäß § 205a BAO" anbelangt, wird in weiterer Folge das Finanzamt für Großbetriebe entsprechend seinem Vorbringen in der Stellungnahme zur Säumnisbeschwerde über diesen Antrag zu entscheiden haben. Dabei wird im Sinne der vorstehenden Ausführungen insbesondere zu prüfen sein, ob der Bf. bei einer unter Umständen zulässigen "Umdeutung" dieses Antrags in einen solchen auf Festsetzung von "Umsatzsteuerzinsen" im Rahmen der erwähnten "Gesamtrechtsanalogie" entsprechende Zinsen unter Beachtung der konkreten Sachverhaltselemente und unter Bezugnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben bzw. das schon mehrfach angesprochenen Erkenntnisses des , zustehen oder nicht.
Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichts ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich das Bundesfinanzgericht zwar am Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2017/15/0035, orientierte, für die konkrete Rechtsfrage der Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend eine von Amts wegen vorzunehmende Anspruchsverzinsung von Umsatzsteuergutschriften aber noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, wird die Revision zugelassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | EuGH, C-844/19 EuGH, C-349/17 VwGH, Ro 2017/15/0035 VwGH, Ro 2018/15/0026 VwGH, Ro 2019/16/0015 VwGH, Ro 2014/10/0061 VwGH, Ra 2016/13/0034 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RS.7100001.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at