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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.09.2022, RV/7103993/2019

Keine Verpflichtung zur Entrichtung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für Gemeindebedienstete, die einem ausgegliederten Rechtsträger zur Dienstleistung zugewiesen sind

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103993/2019-RS1
Die Überlassung von Bediensteten einer Gebietskörperschaft (ausschließlich) an deren ausgegliederte Rechtsträger gegen Kostenersatz stellt keine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 1 Abs. 2 GewO dar und begründet daher keine Mitgliedschaft zu den Wirtschaftskammern. Demnach hat die Gebietskörperschaft für diese Bediensteten keinen Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu entrichten.
Folgerechtssätze
RV/7103993/2019-RS2
wie RV/7104987/2018-RS2
Ein Antrag auf Abgabenfestsetzung hat die im § 209a Abs. 2 BAO vorgesehene Wirkung (Verjährung steht der Abgabenfestsetzung nicht entgegen, wenn der Antrag vor Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht wurde) auch dann wenn ein Antragsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen ist (hier: Antrag auf Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe vor ausdrücklicher Einführung eines diesbezüglichen Antragsrechtes in § 201 BAO durch das AbgRmRefG, BGBl. Nr. 97/2002).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf*** (***Bf-Kürzel [neu]***; vormals ***Bf-Kürzel [alt]***), ***Bf-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07.1999-12.2015 Steuernummer ***BFStNr*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die der ***Gesellschaft [neu]*** (vormals: ***Gesellschaft [alt]***) zugewiesenen Bediensteten der Beschwerdeführerin für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2015 mit € 0,00 festgesetzt wird.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit mehreren Schriftsätzen (für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002, für die einzelnen Monate des Jahres 2003 sowie für die Jahre 2004-2015 wurden jeweils gesonderte Anträge eingebracht) beantragte die Beschwerdeführerin, den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2015 hinsichtlich der der ***Gesellschaft [alt]*** (heute: ***Gesellschaft [neu]***) zur Dienstleistung zugewiesenen Bediensteten der Gemeinde Wien mit € 0,00 festzusetzen. Sie brachte vor, dass sie bzw. die Gemeinde Wien den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (Kammerumlage II) für jene Gemeindebediensteten, die nach Ausgliederung der Wiener Stadtwerke in Entsprechung des § 1 Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz, LGBl. Nr. 17/1999, der ***Gesellschaft [alt]*** zur Dienstleistung zugewiesen wurden, bezahlt habe. Tatsächlich bestehe für diese Bediensteten jedoch keine Kammerumlagepflicht, da die Gemeinde Wien als deren Dienstgeberin und bezugsauszahlende Stelle nicht Wirtschaftskammermitglied sei.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde diese Anträge ab. Sie ging davon aus, dass die Beschwerdeführerin dadurch, dass sie Arbeitnehmer an die ***Gesellschaft [alt]*** (sowie an weitere ausgegliederte Betriebe der vormals gemeindeeigenen Wiener Stadtwerke) überlässt, eine Tätigkeit i.S.d. § 1 GewO (Arbeitskräfteüberlassung) ausübt. Daher sei die Beschwerdeführerin gem. § 2 WKG (Pflicht-) Mitglied der Wirtschaftskammer und als solches zur Zahlung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag verpflichtet. Hinsichtlich der Zuschläge für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 nahm die belangte Behörde zudem an, dass eine Festsetzung wegen zwischenzeitig eingetretener Verjährung nicht möglich sei. Gem. § 209a Abs. 2 BAO verhindere ein vor Ablauf der Verjährungsfrist gestellter Antrag auf Abgabenfestsetzung nur dann den Eintritt der Verjährung, wenn er in den Abgabenvorschriften vorgesehen ist. Da bis Ende 2002 in § 201 BAO (i.d.F. vor dem AbgRmRefG 2002, BGBl. Nr. 97/2002) kein Antragsrecht vorgesehen war, habe der Antrag auf Festsetzung des Zuschlages für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 (Anm.: dieser datiert vom und ist am bei der belangten Behörde eingegangen) diese Wirkung nicht gehabt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom . Darin hält die Beschwerdeführerin der belangten Behörde entgegen, dass eine Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 GewO nur dann gewerbsmäßig ausgeübt wird, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Keines dieser Merkmale treffe auf die Beschwerdeführerin zu, sodass sie nicht gewerblich tätig sei. Demzufolge sei sie nicht Mitglied der Wirtschaftskammer und nicht zur Zahlung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag verpflichtet. Den Ausführungen der belangten Behörde zur Verjährung des Zuschlages für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 entgegnete sie, dass Festsetzungen gem. § 201 BAO i.d.F. vor dem AbgRmRefG 2002 stets zwingend vorzunehmen gewesen seien und dass § 209a Abs. 2 BAO ungeachtet dessen, dass ein Antragsrecht nicht ausdrücklich normiert war, anwendbar gewesen sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Sie ging weiterhin davon aus, dass die Beschwerdeführerin in Form der Personalüberlassung gewerblich tätig und sohin als Mitglied der Wirtschaftskammer verpflichtet ist, den auf die ausbezahlten Arbeitslöhne entfallenden Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu entrichten.

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin Vorlageantrag gemäß § 264 BAO. Den darin (sowie bereits in der Beschwerde vom ) gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zog sie mit Schriftsatz vom zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde die ***Gesellschaft*** gegründet. Mit Generalversammlungsbeschluss vom wurde sie in eine Aktiengesellschaft mit der Firma ***Gesellschaft [alt]*** umgewandelt.

Mit Einbringungsvertrag vom wurden die bislang von der Gemeinde Wien betriebenen Unternehmungen der Wiener Stadtwerke auf Grundlage des Bundesgesetzes über Maßnahmen anlässlich der Ausgliederung der Wiener Stadtwerke, BGBl. I Nr. 68/1999, in die ***Gesellschaft [alt]*** eingebracht, wobei die Teilbetriebe ***2***, ***3***, ***4*** und ***5*** sogleich in Tochtergesellschaften der ***Gesellschaft [alt]*** eingebracht wurden. Die bis dahin in den verschiedenen Betrieben der Wiener Stadtwerke tätigen Bediensteten der Gemeinde Wien wurden ab Juli 1999 den jeweiligen Gesellschaften zur Dienstleistung zugewiesen. Die hier gegenständlichen Bediensteten der ***1*** und der ***1a*** wurden der ***Gesellschaft [alt]*** zugewiesen. Für diese Bediensteten zahlte die Beschwerdeführerin die Löhne und Gehälter aus und führte im beschwerdegegenständlichen Zeitraum (Juli 1999 bis Dezember 2015) die darauf entfallenden Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag an das Finanzamt ab.

Mit Hauptversammlungsbeschluss vom wurde die ***Gesellschaft [alt]*** in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit der Firma ***Gesellschaft [neu]*** umgewandelt.

Um die strittige Frage ihrer Wirtschaftskammerzugehörigkeit zu klären, beantragte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom bei der Wirtschaftskammer Wien gem. § 128 Abs. 1 WKG die Erlassung eines Bescheides über Art und Ausmaß ihrer Grundumlagepflicht. Hierauf schrieb die Wirtschaftskammer Wien der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom eine Grundumlage für die Gewerbeberechtigung "Überlassung von Arbeitskräften" gem. § 94 Z. 72 GewO für die Jahre 2014-2018 i.H.v. € 1.680,00 vor. Nachdem die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben hatte, hob ihn das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom , GZ: VGW-162/006/2548/2019-4, ersatzlos auf. Es führte aus, dass gem. § 1 Abs. 2 WKG Rechtspersonen, die (u.a.) Unternehmungen des Gewerbes betreiben, Mitglieder der Wirtschaftskammern sind, wobei Unternehmungen, die der Gewerbeordnung unterliegen, jedenfalls zu den Mitgliedern zählen (§ 2 Abs. 2 WKG). Eine gewerbsmäßige Tätigkeit i.S.d. § 1 Abs. 2 GewO liegt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien bei der Beschwerdeführerin jedoch nicht vor, da hierfür nur Tätigkeiten in Betracht kommen, die in einer Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr bestehen. Da die Beschwerdeführerin ihre Dienstnehmer ausschließlich an die im Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz genannten Gesellschaften überlässt, tritt sie nicht am Markt auf und kann daher von einer Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr nicht gesprochen werden. Zudem treffen die von § 1 Abs. 2 GewO für eine gewerbsmäßige Tätigkeit (kumulativ) geforderten Merkmale nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien auf die Beschwerdeführerin nicht zu. So liegt etwa die von dieser Gesetzesbestimmung geforderte Selbständigkeit nur dann vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird (§ 1 Abs. 3 GewO). Dies schließt insbesondere das Unternehmensrisiko ein, welches die Beschwerdeführerin jedoch gerade nicht zu tragen hat, da ihr der gesamte i.Z.m. der Personalüberlassung anfallende Aufwand (insb. für Aktiv- und Pensionsbezüge) von den Gesellschaften, denen die Gemeindebediensteten überlassen werden, zu ersetzen ist. Da über diesen Aufwandersatz hinausgehende Leistungen der Gesellschaften im Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz nicht vorgesehen sind, kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien auch nicht davon gesprochen werden, dass die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit in der Absicht ausübt, i.S.d. § 1 Abs. 2 GewO einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Letztlich liegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien auch keine Regelmäßigkeit im Sinne dieser Gesetzesbestimmung vor, da es sich bei der ex-lege Zuweisung von Dienstnehmern um einen einmaligen Rechtsakt handelt. Das Verwaltungsgericht Wien ging daher im Erkenntnis vom davon aus, dass die Beschwerdeführerin nicht Mitglied der Wirtschaftskammern ist und demnach keine Grundumlage zu leisten hat. Dieses Erkenntnis ist in Rechtskraft erwachsen.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der (nunmehrigen) ***Gesellschaft [neu]*** sowie zur Einbringung der verschiedenen Betriebe der Wiener Stadtwerke gründen sich auf das offene Firmenbuch. Dass die bei den (bis dahin gemeindeeigenen) Betrieben der Wiener Stadtwerke tätigen Bediensteten seit der Ausgliederung den entsprechenden Gesellschaften, also der ***Gesellschaft [alt]*** (nunmehr ***Gesellschaft [neu]***) und deren Tochtergesellschaften zur Dienstleistung zugewiesen sind, hat die Beschwerdeführerin unwidersprochen vorgebracht und entspricht auch den gesetzlichen Vorgaben (s.u.). Auch dass die Beschwerdeführerin die Löhne und Gehälter für die der vormaligen ***Gesellschaft [alt]*** bzw. nunmehrigen ***Gesellschaft [neu]*** zugewiesenen Bediensteten bezahlt und die darauf entfallenden Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag abgeführt hat, hat die Beschwerdeführerin unwidersprochen vorgebracht, und besteht daher keine Veranlassung für das Gericht, daran zu zweifeln. Die Feststellungen zum Verfahren vor der Wirtschaftskammer Wien sowie zum daran anschließenden Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien gründen sich auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Urkunden, nämlich auf den verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom und das Erkenntnis vom . Der Sachverhalt ist im Übrigen zwischen den Parteien unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Mit dem Einbringungsvertrag vom wurden die vormals gemeindeeigenen Betriebe der Wiener Stadtwerke an rechtlich selbständige Gesellschaften übertragen (Ausgliederung). § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Zuweisung von Bediensteten der Wiener Stadtwerke (Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz), LGBl. Nr. 17/1999, bestimmt hierzu, dass die bei den Wiener Stadtwerken beschäftigten Bediensteten der Gemeinde Wien den jeweiligen Gesellschaften zur Dienstleistung zugewiesen werden, und zwar die Bediensteten der "***1***" und der "***1a***" der ***Gesellschaft [alt]*** (heute: ***Gesellschaft [neu]***). Gem. § 1 Abs. 4 Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz tritt hierdurch in der dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlichen Stellung der Beschäftigten keine Änderung ein. Diese stehen daher nach wie vor in einem Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien, welche - gegen Ersatz durch die Gesellschaften (§ 3 Abs. 3 Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz) - auch weiterhin für deren Löhne und Gehälter aufzukommen hat. Die Wahrnehmung sämtlicher Rechte und Pflichten als Dienstbehörde bzw. Dienstgeber gegenüber den zugewiesenen Dienstnehmern obliegt gemäß § 3 Abs. 1 Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz dem Magistrat. Hierfür ist gemäß § 3 Abs. 2 Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz eine eigene Dienststelle im Bereich der Magistratsdirektion einzurichten. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um die in Entsprechung dieser Bestimmung eingerichtete Dienststelle, welche die Rechte und Pflichten gegenüber den der ***Gesellschaft [alt]*** (heute: ***Gesellschaft [neu]***) zugewiesenen Bediensteten ausübt, also insbesondere deren Löhne und Gehälter auszahlt und den hierfür von der ***Gesellschaft [alt]*** (heute: ***Gesellschaft [neu]***) zu leistenden Ersatz vereinnahmt. Sie ist daher eine öffentliche Kasse i.S.d. § 85 Abs. 1 EStG 1988 und genießt als solche - wenngleich ansonsten nicht rechtsfähig - als Arbeitgeber steuerliche Rechtssubjektivität (vgl. ).

In diesem Zusammenhang ist vorweg darauf einzugehen, dass im Rubrum der Anträge betreffend die Monate Jänner bis September 2003 nicht die Beschwerdeführerin, sondern die ***Gesellschaft [alt]*** (St.Nr. ***Gesellschaft-StNr***) angeführt ist. Da aber in den Anträgen ausgeführt wird, dass die Gemeinde Wien für die der ***Gesellschaft [alt]*** zugewiesenen Gemeindebediensteten den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag entrichtet hat und die Festsetzung dieses Zuschlages mit null beantragt wird, da die Gemeinde Wien - anders als die Gesellschaften, denen die Bediensteten zugewiesen wurden, wie etwa die ***Gesellschaft [alt]*** - nicht Wirtschaftskammermitglied ist, besteht nach Ansicht des BFG kein Zweifel, dass es sich hierbei um ein Versehen handelt und die Gemeinde Wien in Form der (heutigen) "***Bf***", also die Beschwerdeführerin auch hinsichtlich der Anträge betreffend Jänner bis September 2003 als Antragstellerin anzusehen ist (vgl. , wonach maßgeblich ist, wer nach dem objektiven Erklärungswert der Eingabe unter Berücksichtigung aller Umstände als derjenige anzusehen ist, der mit dieser Eingabe die Tätigkeit der Behörde für sich in Anspruch nimmt). Auch die belangte Behörde hatte offenkundig keine diesbezüglichen Zweifel, da sie über sämtliche Anträge (auch über jene betreffend Jänner bis September 2003) inhaltlich entschied, ohne vorher ein Mängelbehebungsverfahren durchzuführen.

Gem. § 122 Abs. 7 (heute: Abs 8) WKG können die Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft zur Bedeckung ihrer Aufwendungen festlegen, dass die Kammermitglieder eine weitere Umlage zu entrichten haben, die beim einzelnen Kammermitglied von der Summe der in seiner Unternehmung nach § 2 WKG anfallenden Arbeitslöhne zu berechnen ist, wobei als Bemessungsgrundlage die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG gilt (Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag). Diese Umlagepflicht trifft nach dem eindeutigen Wortlaut sohin nur Kammermitglieder, sodass die Kammermitgliedschaft der Beschwerdeführerin als Vorfrage zu prüfen ist. Gem. § 2 Abs. 1 WKG sind alle Rechtsträger, die Unternehmungen des Gewerbes, des Handwerks, der Industrie, des Bergbaues, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs, des Nachrichtenverkehrs, des Rundfunks, des Tourismus und der Freizeitwirtschaft sowie sonstiger Dienstleistungen rechtmäßig selbständig betreiben oder zu betreiben berechtigt sind, Mitglieder der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen (Fachgruppen im Bereich der Landeskammern, Fachverbände im Bereich der Bundeskammer; s. § 1 Abs. 2 WKG). Unternehmungen, die der GewO unterliegen, insbesondere solche, die in der Anlage zur GewO angeführt sind, zählen jedenfalls zu den Mitgliedern. Der GewO unterliegen gem. § 1 Abs. 1 leg.cit. Tätigkeiten, die gewerbsmäßig ausgeübt werden. Gewerbsmäßig ist eine Tätigkeit gem. § 1 Abs. 2 GewO dann, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen.

Im Erkenntnis vom ist das Verwaltungsgericht Wien zur Auffassung gelangt, dass die Beschwerdeführerin nicht Kammermitglied ist und demnach keine Grundumlage zu entrichten hat. Da das Verwaltungsgericht Wien gem. § 128 Abs. 1 WKG über die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Leistung der Grundumlage zu entscheiden hatte, war deren Kammermitgliedschaft auch für das Verwaltungsgericht Wien lediglich eine Vorfrage, sodass dessen Entscheidung insoweit keine Bindung i.S.d. § 116 BAO entfaltet (). Da das Verwaltungsgericht Wien jedoch im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden hat, schließt sich das Bundesfinanzgericht dieser Auffassung an. So liegt nach der Rechtsprechung - wenngleich im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen - eine gewerbsmäßige Tätigkeit nur dann vor, wenn sie in einer Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr besteht (; , Ra 2014/08/0069), wovon im Fall der Beschwerdeführerin, die lediglich in Erfüllung eines gesetzlichen Auftrages Arbeitskräfte an bestimmte, im Gesetz genannte Rechtsträger überlässt, ansonsten aber nicht am Markt auftritt (etwa indem sie ihre Dienstnehmer einem offenen Interessentenkreis anbietet), nicht gesprochen werden kann. Selbständigkeit liegt gem. § 1 Abs. 3 GewO dann vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Tätigkeit mit der Tragung eines Unternehmerrisikos verbunden ist (; , 98/04/0104; VwSlg 9861 A/1979), sowie wenn die Tätigkeit völlig frei eingeteilt bzw. jederzeit abgebrochen werden kann und das Entgelt ausschließlich vom Erfolg der Tätigkeit abhängt (; , 2010/04/0033). Dies ist hier nicht der Fall: Die Beschwerdeführerin erhält aufgrund gesetzlicher Anordnung (ausschließlich) den (gesamten) Aufwand ersetzt, der ihr i.Z.m. der Zuweisung ihrer Bediensteten an die ausgegliederten Rechtsträger entsteht. Sie trägt daher weder ein unternehmerisches Risiko noch hängt das Entgelt vom Erfolg ihrer Tätigkeit ab. Da die Bediensteten der vormals gemeindeeigenen Wiener Stadtwerke aufgrund gesetzlicher Anordnung den ausgegliederten Gesellschaften zugewiesen sind, hat die Beschwerdeführerin auch keine Möglichkeit ihre Tätigkeit jederzeit abzubrechen. Letztlich legt eine Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, dann nicht vor, wenn - wie im Fall der Beschwerdeführerin - durch das vereinnahmte Entgelt nur die entstehenden Unkosten abgedeckt werden (; , 92/04/0245). Da die Merkmale des § 1 Abs. 2 GewO kumulativ vorliegen müssen und Selbständigkeit sowie Vorteilserzielungsabsicht jedenfalls nicht gegeben sind, kann dahingestellt bleiben, ob die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als einmalige Handlung ohne Wiederholungsabsicht (Zuweisung der Bediensteten) oder im Sinne einer dauernden Zurverfügungstellung als regelmäßige Tätigkeit zu qualifizieren ist.

Da die Beschwerdeführerin keine gewerbliche Tätigkeit ausübt und die weiteren in § 2 Abs. 1 WKG angeführten Unternehmungen hier nicht infrage kommen, ist die Beschwerdeführerin nicht Mitglied der Wirtschaftskammern und sohin nicht zur Entrichtung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag verpflichtet (so auch zur Magistratsdirektion der Stadt Wien - Personalstelle Wiener Stadtwerke in Bezug auf andere ausgegliederte Gesellschaften, denen gemäß § 1 Abs. 1 Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz Gemeindebedienstete zugewiesen wurden: ; , RV/7104327/2019; , RV/7100878/2019; , RV/7100877/2019, jeweils betreffend ***Dienststelle5*** GmbH; , betreffend ***Dienststelle4***; ; , RV/7105802/2019; , RV/7100385/2020, jeweils betreffend ***Dienststelle2***).

Soweit die belangte Behörde hinsichtlich des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 Verjährung annimmt, da § 201 BAO in der insoweit maßgeblichen Fassung vor dem AbgRmRefG 2002, BGBL. Nr. 97/2002 kein Antragsrecht vorgesehen hat, sodass § 209a Abs. 2 BAO, nicht anwendbar sei, ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung ein vor Eintritt der Verjährung gestellter Antrag auf Rückerstattung von Selbstbemessungsabgaben, der mit der Unrichtigkeit der Selbstbemessung begründet wird, die im § 209a Abs. 2 BAO vorgesehene Wirkung (Verjährung steht der Abgabenfestsetzung nicht entgegen) auch dann hat, wenn ein Antragsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen ist (, zu § 201 BAO i.d.F. vor dem AbgRmRefG 2002, sowie die dort zitierten, zu den entsprechenden Bestimmungen früherer Landesabgabenordnungen ergangenen Entscheidungen). Die Verjährungsfrist für die gegenständlichen Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag beträgt gem. § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre und beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Für die ältesten beschwerdegegenständlichen Zuschläge, nämlich jene des Jahres 1999, hat demnach die Verjährung mit Ablauf des begonnen und hätte am geendet, jene für die Zuschläge 2000 bis 2002 jeweils ein Jahr später. Der Antrag vom , mit dem die Beschwerdeführerin die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 beantragte, ist am , sohin noch vor Ablauf der Verjährung für die ältesten Zuschläge bei der belangten Behörde eingegangen. Die Verjährung steht sohin der Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für diesen Zeitraum nicht entgegen.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin mangels Mitgliedschaft zur Wirtschaftskammer im Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2015 keinen Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu entrichten hatte. Da Umstände, die einer Abgabenfestsetzung gemäß § 201 BAO entgegenstehen, nicht vorliegen, war der Beschwerde stattzugeben und der Dienstgeberbeitrag für diesen Zeitraum mit € 0,00 festzusetzen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die im vorliegenden Fall entscheidende Frage der Kammermitgliedschaft der Beschwerdeführerin hängt maßgeblich davon ab, ob diese ein Gewerbe im Sinne der GewO betreibt. Zu den Kriterien des § 1 Abs. 2 GewO liegt umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Zu verweisen ist insbesondere auf die zitierten Entscheidungen zu den Kriterien "Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr", "Selbständigkeit" und "Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen". Da das vorliegende Erkenntnis von diesen Entscheidungen nicht abweicht, liegt eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 122 Abs. 7 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
§ 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103993.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at