Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 23.08.2022, RV/2100564/2022

Körperschaftsteuer: Nachträgliche Abgabenfestsetzung bei einer wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG gelöschten GmbH (Wegfall der organschaftlichen Vertretung durch die Löschung und Zustellung)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100564/2022-RS1
Wird eine GmbH nach dem Firmenbuchgesetz infolge rechtskräftiger Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens oder wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht, so ist ihre Rechtspersönlichkeit beendet, sofern und solange kein Aktivvermögen vorhanden ist (zum Amtslöschungsgesetz: ).
RV/2100564/2022-RS2
Die Löschung einer GmbH im Firmenbuch wirkt insofern nur deklarativ, als sie nicht zum Verlust der Parteifähigkeit führt, solange Vermögen vorhanden ist. Der Fortbestand der Rechtssubjektivität einer wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöschten GmbH ist zu bejahen, solange noch ein Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind. Für das Rechtsmittelverfahren ist zu prüfen, ob sich auf Grund des Rechtsstreits nachträglich ein abwickelbares Vermögen ergeben könnte, sodass die Rechtspersönlichkeit insoweit als fortdauernd anzusehen wäre. Sind keine Zahlungen auf die strittige Abgabenschuld erfolgt, besteht somit keine Aussicht auf einen Rückzahlungsanspruch, und wurde das Vorliegen eines anderweitigen Vermögens und damit Abwicklungsbedarfes nicht behauptet, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtspersönlichkeit fortbesteht (vgl. , mwA).
RV/2100564/2022-RS3
Es entspricht der herrschenden Lehre und Rechtsprechung, dass die Löschung einer Gesellschaft nach § 40 FBG mit konstitutiver Wirkung auch zum Wegfall der organschaftlichen Vertretung der bisherigen Geschäftsführer oder Liquidatoren führt, selbst wenn die Gesellschaft trotz Löschung noch fortbesteht, weil etwa noch Aktivvermögen vorhanden ist (, mwA).
RV/2100564/2022-RS4
Weil der in der Zustellverfügung als Empfänger bezeichnete (ehemalige) Geschäftsführer durch die Löschung nicht mehr organschaftlicher Vertreter der GmbH und somit nicht mehr gemäß § 13 Abs. 3 ZustG zur Empfangnahme von Bescheiden befugt war, wurden die Erledigungen der Abgabenbehörde nicht als Abgabenbescheide wirksam.
RV/2100564/2022-RS5
Die im Namen der (nicht mehr existenten) GmbH gestellten Vorlageanträge waren mit an den Einschreiter gerichtetem Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den ***Einzelrichter*** über die von Dkfm. ***X***, ***X-Adr***, eingebrachten Vorlageanträge vom gegen die an die ***A-GmbH*** gerichteten Erledigungen des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom betreffend Körperschaftsteuer 2013 und 2014 beschlossen:

Die Vorlageanträge werden als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Der Vorlageantrag ist mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn er nicht zulässig ist (vgl. § 264 Abs. 4 lit. e BAO in Verbindung mit § 260 Abs. 1 BAO).

Die ***A-GmbH*** war eine mit Erklärung vom errichtete Gesellschaft. Gesellschafter waren Dkfm. ***X*** (auch Geschäftsführer) und Susanne Greschitz. Geschäftszweig laut Firmenbuch war "Gewerbe des Immobilientreuhänders".

Mit rechtsanwaltlich erstellten Verträgen vom verkaufte die ***A-GmbH*** drei Tiefgaragenplätze um jeweils 7.000 € und einen Liegenschaftsanteil um 95.000 € (somit insgesamt 116.000 €) an die mit Erklärung vom errichtete ***B-GmbH***. Als Gesellschafter der ***B-GmbH*** war im Jahr 2013 Friedrich Kaltenegger im Firmenbuch eingetragen. Geschäftsführer der ***B-GmbH*** war bzw. ist Dkfm. ***X*** (seit auch als Gesellschafter im Firmenbuch eingetragen). Geschäftszweig der ***B-GmbH*** laut Firmenbuch ist "Bauträger".

Am wurde die ***A-GmbH*** gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Mit an die ***A-GmbH*** gerichtetem (und von Dkfm. ***X*** übernommenen) "Bescheid" über einen Prüfungsauftrag vom führte die Abgabenbehörde eine Außenprüfung ua. betreffend Körperschaftsteuer 2013 und 2014 durch. Dabei traf die Prüferin gemäß dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom die Feststellung, dass die Liegenschaftsverkäufe nicht versteuert worden seien (2013: Hinzurechnung 116.000 €; 2014: Festsetzung Mindestkörperschaftsteuer).

Unter Zugrundelegung dieser Feststellung fertigte die Abgabenbehörde an die ***A-GmbH*** gerichtete, als Körperschaftsteuerbescheide 2013 und 2014 gedachte Erledigungen aus (Abgabennachforderungen: 25.310 € für 2013 und 1.438 € für 2014).

Mit Schreiben vom brachte Dkfm. ***X*** im Namen und unter der Steuernummer der ***A-GmbH*** die Beschwerden gegen diese Erledigungen ein. Dem Schreiben ist zu entnehmen:

Unter Bezugnahme auf die Buchungsmitteilung Nr. 1/2020 vom , eingelangt am , sowie die Körperschaftssteuerbescheide 2013 und 2014 und weiters die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2013 und 2014, alle ebenfalls eingegangen am , lege ich fristgerecht Beschwerde aus folgenden Gründen ein:

Wie bereits mehrmals mündlich ausgeführt, wurde diese Gesellschaft Ende Jänner 2013 vom Firmenbuchgericht am LG Graz amtswegig gelöscht. Zu diesem Zeitpunkt endete meine Einflußnahme auf diese Gesellschaft. In 2015 wurde für einige Monate vom LG Graz ein Grazer Anwalt als Nachlaßliquidator bestellt, welcher in dieser Zeit die Geschäftsführung ausübte. Seit dieser Zeit besteht diese Gesellschaft nicht mehr. Wie schon gesagt habe ich seit Jänner 2013 nichts mehr mit dieser Gesellschaft zu tun und bin daher definitiv der falsche Adressat für Ihre o.g. Bescheide.

Die Abgabenbehörde fertigte mit datierte als Beschwerdevorentscheidungen gedachte Erledigungen an die ***A-GmbH*** (deren Zustellung sie wieder zu Handen des Dkfm. ***X*** verfügte) aus. Den Begründungen ist zu entnehmen:

Gemäß ihrer Beschwerde wurde die Gesellschaft am vom Firmenbuchgericht amtswegig gelöscht und endete demnach zu diesem Zeitpunkt die Einflussnahme durch den Geschäftsführer. Der Zeitpunkt für das Ende der unbeschränkten Steuerpflicht einer juristischen Person des privaten Rechts ist tatsächlich mit der Löschung aus dem Firmenbuch vollzogen. Die steuerlichen Konsequenzen,welche im Zuge der Betriebsprüfung für die Jahre 2013-14 festgestellt und im Prüfbericht vom dargestellt wurden, beruhen jedoch auf Handlungen die vor diesem Datum stattfanden und in der Verantwortung des damaligen GF, Hr. Dipl-Kfm. ***X*** liegen. Die nicht erklärten Liegenschafts- bzw Tiefgaragenvekäufe sind laut vorliegender Kaufverträge mit datiert, wobei angemerkt wird, dass aufgrund der Zahlunsvereinbarung die Fremdüblickeit nicht gegeben war. Der in der Beschwerde angeführte Nachlassliquidator, der ab 2015 die Geschäftsleitung innehatte, kann für diese Geschäftsvorgänge, die vor seiner Bestellung liegen, steuerlich nicht haftend gemacht werden

Mit Schreiben vom stellte Dkfm. ***X*** im Namen und unter der Steuernummer der ***A-GmbH*** die Anträge auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerden durch das Verwaltungsgericht (Vorlageantrag).

Mit Vorlagebericht vom legte die Abgabenbehörde die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Wird eine GmbH nach dem Firmenbuchgesetz infolge rechtskräftiger Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens oder wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht, so ist ihre Rechtspersönlichkeit beendet, sofern und solange kein Aktivvermögen vorhanden ist (zum Amtslöschungsgesetz: ).

Die Löschung einer GmbH im Firmenbuch wirkt insofern nur deklarativ, als sie nicht zum Verlust der Parteifähigkeit führt, solange Vermögen vorhanden ist. Der Fortbestand der Rechtssubjektivität einer wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöschten GmbH ist zu bejahen, solange noch ein Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind. Für das Rechtsmittelverfahren ist zu prüfen, ob sich auf Grund des Rechtsstreits nachträglich ein abwickelbares Vermögen ergeben könnte, sodass die Rechtspersönlichkeit insoweit als fortdauernd anzusehen wäre. Sind keine Zahlungen auf die strittige Abgabenschuld erfolgt, besteht somit keine Aussicht auf einen Rückzahlungsanspruch, und wurde das Vorliegen eines anderweitigen Vermögens und damit Abwicklungsbedarfes nicht behauptet, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtspersönlichkeit fortbesteht (vgl. , mwA).

Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist das Dokument einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen (§ 13 Abs. 3 ZustG).

Die Abgabenbehörde hat die die Zustellung der Körperschaftsteuerbescheide 2013 und 2014 zu Handen des Dkfm. ***X*** verfügt.

Es entspricht der herrschenden Lehre und Rechtsprechung, dass die Löschung einer Gesellschaft nach § 40 FBG mit konstitutiver Wirkung auch zum Wegfall der organschaftlichen Vertretung der bisherigen Geschäftsführer oder Liquidatoren führt, selbst wenn die Gesellschaft trotz Löschung noch fortbesteht, weil etwa noch Aktivvermögen vorhanden ist (, mwA).

Weil der in der Zustellverfügung als Empfänger bezeichnete Dkfm. ***X*** durch die Löschung nicht mehr organschaftlicher Vertreter der ***A-GmbH*** und somit nicht mehr gemäß § 13 Abs. 3 ZustG zur Empfangnahme von Bescheiden befugt war, wurden die Erledigungen der Abgabenbehörde nicht als Abgabenbescheide wirksam.

Unbesehen dessen ist die bereits im Jahr 2013 gelöschte ***A-GmbH*** nach der Aktenlage vermögenslos, weshalb deren Rechtspersönlichkeit nicht mehr besteht.

Die im Namen der (nicht mehr existenten) ***A-GmbH*** gestellten Vorlageanträge waren daher mit an Dkfm. ***X*** als Einschreiter gerichtetem Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.

Von der mündlichen Verhandlung war gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 BAO abzusehen, weil die Vorlageanträge als unzulässig zurückzuweisen waren und weder die Wahrung des Parteiengehörs noch andere Gründe eine solche Verhandlung notwendig machten.

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 40 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991
§ 13 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 274 Abs. 3 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100564.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at