Familienbonus Plus für die in Deutschland lebenden, unterhaltsberechtigten Kinder
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch LeitnerLeitner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Am Heumarkt 7, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***XY*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdefürer (Bf.) ist deutscher Staatsangehöriger und steht seit ***Datum1*** in einem Dienstverhältnis zur österreichischen ***ZZ*** GmbH. Die im Streitzeitraum ganzjährig bezogenen Einkünfte aus dieser Tätigkeit betrugen 167.401,35 € (Kennzahl 245 des Lohnzettels) und wurden zur Gänze in Österreich der Einkommensteuer unterworfen. Seit Beginn seiner Tätigkeit steht dem Bf. ein Wohnsitz in Österreich zur Verfügung (s die Auszüge aus dem Zentralen Melderegister vom , S 31/Rückseite, S 32 BFG-Akt).
Während der nichtselbständigen Tätigkeit des Bf. in Österreich wurde der deutsche Familienwohnsitz bis Ende Mai 2019 beibehalten, weil die Ehegattin des Bf. erst zu diesem Zeitpunkt ihre Ausbildung in Deutschland abschloss. Im Juni 2019 wurde der Familienwohnsitz nach Österreich verlegt, da zu jenem Zeitpunkt seine Ehegattin und seine Stieftochter, ***1***, geboren ***Jahr1***, nachgezogen sind. Die Exgattin des Bf. ist mit dessen drei leiblichen Kindern ***2***, geboren ***Jahr2***, ***3***, geboren ***Jahr3***, und ***4***, geboren ***Jahr4***, weiterhin in Deutschland ansässig und bezieht für die drei leiblichen Kinder des Bf. in Deutschland Kindergeld. Der Bf. kam seiner Unterhaltsverpflichtung für alle drei leiblichen Kinder zur Gänze nach.
In seiner Arbeitnehmerveranlagungserklärung für 2019 vom beantragte der Bf. ua. den Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 für ***1*** in Höhe von 875,00 € (für sieben Monate, ohne Indexierung) und für ***2***, ***3*** sowie ***4*** in Höhe von jeweils 1.461,00 € (indexiert nach § 33 Abs. 3a Z 2 leg. cit. mit dem für 2019 maßgeblichen Anpassungsfaktor von 0,974 für Deutschland).
Am erging ein Bezug habende Ergänzungsersuchen des Finanzamts an die steuerliche Vertreterin des Bf., in dem die Abgabenbehörde ua. ausführte, dass es für die Gewährung des Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 erforderlich sei, dass in Österreich für das Kind Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) gewährt werde. Dieser Antrag müsse von der Person gestellt werden, mit der das Kind im gemeinsamen Haushalt lebe. Erst wenn positiv über einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) abgesprochen worden sei, könne der Familienbonus Plus für ein Kind im EU-EWR-Raum oder der Schweiz berücksichtigt werden.
In ihrem Antwortschreiben vom führte die steuerliche Vertreterin zur Gewährung des Familienbonus Plus aus, gemäß den Ausführungen der Abgabenbehörde sei für dessen Berücksichtigung erforderlich, dass in Österreich für das Kind Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) gewährt werde; dieser Antrag müsse von der Person gestellt werden, mit der das Kind im gemeinsamen Haushalt lebe.
Dazu sei anzumerken, dass in der Literatur davon ausgegangen werde, dass bereits bei Anspruch auf eine Ausgleichszahlung iSd § 4 FLAG dem Grunde nach oder bei Erfüllung der Voraussetzungen für eine Differenzzahlung der Familienbonus Plus zustehe (vgl. Jakom EStG 2020, § 33 Rz 31). Diese Meinung werde auch in Rz 769b LStR 2002 vertreten. Danach stehe der Familienbonus Plus nach § 33 Abs. 3a Z 1 EStG 1988 zu, wenn die Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Kind wohne im EU- oder EWR-Ausland oder in der Schweiz) iSd § 4 FLAG dem Grunde nach erfüllt seien. Somit komme es nicht auf die Stellung eines Antrags und die Gewährung der Familienbeihilfe an, sondern auf das theoretische Vorliegen der Voraussetzungen, welche im Fall des Bf. erfüllt seien.
Am erging der Bezug habende Einkommensteuerbescheid für 2019, mit dem das Finanzamt den Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 für alle drei leiblichen Kinder indexiert mit dem Anpassungsfaktor von 0,974 (siehe oben) berücksichtigte. Für die Stieftochter ***1*** gewährte es den Familienbonus Plus wie vom Bf. beantragt, für die drei in Deutschland lebenden, leiblichen Kinder des Bf. wurde dieser hingegen nicht berücksichtigt.
Begründend führte die Abgabenbehörde dazu aus, der Familienbonus Plus stehe gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt werde. Bisher sei für die Kinder, die im EU-Raum lebten, kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt worden, sodass eine Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich nicht erfolgen könne. Erst wenn positiv über einen Anspruch auf Familienbeihilfe abgesprochen worden sei, könne der Familienbonus Plus für ein Kind im EU-Raum berücksichtigt werden.
Gegen den angeführten Einkommensteuerbescheid erhob die steuerliche Vertreterin des Bf. nach erfolgter Fristverlängerung am Beschwerde:
Nach § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 stehe für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem FLAG gewährt werde und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den EWR oder der Schweiz aufhalte, auf Antrag ein Familienbonus Plus zu. Bei Erfüllung der Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Beschäftigung im Inland, Kind wohnt im EU-Ausland) stehe der Familienbonus Plus zu; dies gelte auch dann, wenn die Familienleistungen im Ausland höher seien und die Differenzzahlung betragsmäßig Null betrage (vgl. Jakom EStG 2020, § 33 Rz 31). Der Familienbonus Plus stehe für ein Kind zu, das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den EWR oder in der Schweiz aufhalte (vgl. Jakom, § 33 Rz 32). Der Absetzbetrag stehe auf Antrag zu, nach § 33 Abs. 3a Z 3 EStG 1988 sei der Familienbonus Plus entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen in der Veranlagung zu berücksichtigen. Anspruchsberechtigt für ein Kind, für das ein Unterhaltsabsetzbetrag zustehe, sei auch der Steuerpflichtige, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zustehe (vgl. Rz 769a LStR 2002).
Die leiblichen Kinder des Bf. lebten in Deutschland; das Kindergeld in Deutschland werde nicht vom Bf., sondern von seiner in Deutschland lebenden Exgattin bezogen. Die Kinder lebten in einem EU-Mitgliedstaat, daher seien die Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Beschäftigung im Inland, Kind wohne im EU-Ausland) gegeben. Der Familienbonus Plus sei vorschriftsmäßig in der Veranlagung geltend gemacht worden. Dem Bf. stehe ein Unterhaltsabsetzbetrag für die in Deutschland lebenden Kinder zu, somit sei er auch für den Familienbonus Plus anspruchsberechtigt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde in im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr strittigen Punkten (va. Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten) statt; den für die drei in Deutschland lebenden, leiblichen Kinder des Bf. beantragten Familienbonus Plus hingegen berücksichtigte die Abgabenbehörde wiederum nicht, ohne dies zu begründen.
In ihrem dagegen erhobenen Vorlageantrag vom führte die steuerliche Vertreterin aus, in der Beschwerdevorentscheidung sei keine Begründung für die Nichtberücksichtigung des Familienbonus Plus in der begehrten Höhe genannt worden. Nach Wiederholung ihres Beschwerdevorbringens zum Familienbonus Plus argumentierte die steuerliche Vertreterin weiters, das Bundesfinanzgericht habe in einem aktuellen Erkenntnis () zu einem annähernd übereinstimmenden Fall zu Gunsten des do. Bf. entschieden. Der Bf. unterliege zufolge seiner Beschäftigung den österreichischen Rechtsvorschriften. Somit könne ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 2 2. Satz FLAG bestehen. Nach dieser Bestimmung habe eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehöre, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 1. Satz FLAG anspruchsberechtigt sei (vgl. , mit Hinweis auf ).
Nach Art. 67 der Verordnung 883/2004 iVm Art. 60 Abs. 1 der Verordnung 987/2009 bestehe ein von der Erwerbstätigkeit des Bf. in Österreich abgeleiteter, grundsätzlich und zufolge Haushaltsführung primärer Anspruch der Kindesmutter auf Differenzzahlung in Österreich. Somit seien die oben genannten Erfordernisse, neben der Unterhaltszahlung auch der Anspruch auf Differenzzahlung und somit Familienbeihilfe, als erfüllt anzusehen. Gegenständlich sei wesentlich, dass für ein Kind Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Differenzzahlung bestehe. Wer diese Familienleistung in Anspruch nehmen könnte, sei irrelevant (vgl. ). Im , sei schlussendlich festgehalten worden, dass Art. 60 Abs. 1 2. Satz der Verordnung 987/2009 dahin auszulegen sei, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen könne, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zustehe, die nicht in dem Mitgliedstaat wohne, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig sei, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt seien.
Wesentlich sei nicht ein Antrag oder eine tatsächliche Gewährung der Familienleistungen, sondern die Anspruchsvoraussetzung. Dies gelte auch dann, wenn allfällige Familienleistungen im Ausland höher wären und die Differenzzahlung betragsmäßig Null wäre (vgl. Jakom, § 33 Rz 31). Dass auch tatsächlich ein Antrag gemäß § 4 Abs. 4 FLAG auf die Ausgleichszahlung/Differenzzahlung einzubringen sei, könne hierin nicht erkannt werden. Es genüge die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach.
In § 33 Abs. 3a EStG 1988 werde auf die Gewährung von Familienbeihilfe nach dem FLAG hingewiesen. Nachdem im FLAG klar auf einen Anspruch auf Familienbeihilfe verwiesen werde (§ 4 Abs. 1 FLAG), gelte dies in teleologischer Auslegung auch für die Bestimmung im Einkommenteuergesetz. Selbst in Rz 769b LStR 2002 werde Folgendes angeführt: "Sind die Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Kind wohnt im EU- oder EWR-Ausland oder in der Schweiz und im Inland wird eine Beschäftigung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ausgeübt) im Sinne des § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach erfüllt, steht der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 auch dann zu, wenn die Familienleistungen im Ausland höher sind und die Differenzzahlung betragsmäßig Null beträgt." Das heiße also, dass selbst die LStR 2002 lediglich einen grundsätzlichen Anspruch auf Familienleistung forderten.
Die leiblichen Kinder des Bf. lebten in Deutschland; das Kindergeld in Deutschland werde nicht vom Bf., sondern von seiner in Deutschland lebenden Exgattin bezogen. Die Kinder lebten in einem EU-Mitgliedstaat, daher seien die Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Be-schäftigung im Inland, Kind wohne im EU-Ausland) gegeben. Der Familienbonus Plus sei vorschriftsmäßig in der Veranlagung geltend gemacht worden. Dem Bf. stehe ein Unterhalts-absetzbetrag für die in Deutschland lebenden Kinder zu, somit sei er auch für den Familien-bonus Plus anspruchsberechtigt. Letzterer sei daher in der Arbeitnehmerveranlagung zu Recht in der beantragten Höhe geltend gemacht worden. Weiters werde der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch den gesamten Senat gestellt [Anm.: Zurückgezogen mit Telefax vom ].
Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Im Bezug habenden Vorlagebericht führte das Finanzamt aus, der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 stehe nur einem Kind zu, für das Familienbeihilfe (bzw. eine Ausgleichs-/Differenzzahlung) nach dem FLAG (somit österreichische Familienbeihilfe) gewährt werde.
Für die mit der Kindesmutter im gemeinsamen deutschen Haushalt lebenden Kinder werde derzeit aber unstrittig keine österreichische Familienbeihilfe bezogen, und die Leistung derselben oder einer Ausgleichs-/Differenzzahlung stehe jenem Elternteil zu, mit dem das Kind im ausländischen gemeinsamen Haushalt lebe. Da aber die in Deutschland lebende Kindesmutter bis zum heutigen Tag keinen Antrag auf Ausgleichszahlung in Österreich gestellt habe, bestehe derzeit kein Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Ausgleichs-/Differenzzahlung, weshalb dem Bf. in keinem Monat der Familienbonus Plus zustehe.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 steht "für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, ... auf Antrag ein Familienbonus Plus" zu.
Die folgenden Ziffern dieses Absatzes regeln die Einzelheiten dieses Anspruchs. Dabei regelt § 33 Abs. 3a Z 3 EStG 1988 die Aufteilung des Familienbonus Plus unter den anspruchsberechtigten Personen.
§ 33 Abs. 3a Z 3 lit. b EStG 1988 in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 103/2019 regelt die Aufteilung des Familienbonus Plus zwischen "Familienbeihilfenberechtigen" und einem "Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht", wie folgt:
"Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigen oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflicheten kein Familienbonus Plus zu."
Die Aufteilung des Familienbonus Plus ist gemäß § 33 Abs. 3a Z 3 lit. c EStG 1988 bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.
Fest steht im gegenständlichen Fall, dass der Bf. im Streitjahr 2019 zufolge seiner ganzjährigen Beschäftigung in Österreich (Dienstverhältnis zur österreichischen ***ZZ*** GmbH) den österreichischen Rechtsvorschriften unterlag, seit Beginn dieser nichtselbständigen Tätigkeit im Jahr 2018 über einen Wohnsitz in Österreich verfügt und die im Streitjahr daselbst erzielten Einkünfte aus jenem Dienstverhältnis zur Gänze in Österreich versteuert wurden (der Bf. hat im Jahr 2019 100% seiner Arbeitstage aus dem Dienstverhältnis zur ***ZZ*** GmbH in Österreich verbracht, weshalb schon vor der erfolgten Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich im Juni 2019 gemäß Art 15 Abs. 1 DBA Österreich-Deutschland die Einkünfte entfallend auf Arbeitstage, welche in Österreich ausgeübt wurden (somit sämtliche Arbeitstage), in Österreich zur Gänze steuerpflichtig waren).
Die Exgattin des Bf. ist mit dessen drei leiblichen Kindern (im Streitjahr 2019 alle unter 18 Jahre alt) weiterhin in Deutschland ansässig und bezieht für diese drei Kinder in Deutschland Kindergeld. Der Bf. kam seiner Unterhaltsverpflichtung für jene drei Kinder zur Gänze nach; das Finanzamt hat dem Bf. für sie den jeweiligen Unterhaltsabsetzbetrag zuerkannt (indexiert mit dem Anpassungsfaktor von 0,974, siehe dazu bereits oben in der Darstellung des Verfahrensgangs in diesem Erkenntnis).
Während die belangte Behörde im angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2019 für die seit Juni 2019 in Österreich lebende Stieftochter des Bf., ***1***, den Familienbonus Plus wie vom Bf. beantragt gewährte, wurde dieser für die drei in Deutschland bei der Exgattin und Kindesmutter lebenden, leiblichen Kinder des Bf. nicht berücksichtigt. Darüber besteht der hier vorliegende Rechtsstreit, über den das Bundesfinanzgericht wie folgt erwogen hat:
Bei Anspruch auf eine Ausgleichszahlung iSd § 4 FLAG dem Grunde nach (Kind wohnt in Österreich) oder bei Erfüllung der Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Beschäftigung im Inland, Kind wohnt im EU- oder EWR-Ausland oder in der Schweiz),steht der Familienbonus Plus zu (Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2022, § 33 Rz 31). Dies gilt auch dann, wenn die Familienleistungen im Ausland höher sind und die Differenzzahlung betragsmäßig Null beträgt (so auch Rz 769b LStR 2002; siehe auch 10 Ob S 115/20i, zum Kinderbetreuungsgeld). Eine Antragstellung gemäß § 4 Abs. 4 FLAG oder tatsächliche Gewährung ist nicht erforderlich, die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung dem Grunde nach genügt (; , bestätigt mit ; siehe auch Jakom/Kanduth-Kristen, § 33 Rz 31).
Im gegenständlichen Fall leben die drei leiblichen Kinder des Bf. in Deutschland; das Kindergeld in Deutschland wird nicht vom Bf., sondern von seiner in Deutschland lebenden Exgattin bezogen. Da die Kinder in einem EU-Mitgliedstaat leben, sind die Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (der Bf. ist im Inland beschäftigt, die drei leiblichen Kinder wohnen im EU-Ausland) gegeben. Da dem Bf. als Unterhaltsleistender der Unterhaltsabsetzbetrag für diese in Deutschland lebenden Kinder zusteht, ist er auch für den Familienbonus Plus anspruchsberechtigt (§ 33 Abs. 3a Z 3 lit. b EStG 1988; Jakom/Kanduth-Kristen, § 33 Rz 34).
Da, wie soeben ausgeführt, eine Antragstellung gemäß § 4 Abs. 4 FLAG oder tatsächliche Gewährung der Familienleistungen nicht erforderlich ist, sondern die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung dem Grunde nach genügt (siehe dazu nochmals ; , bestätigt mit ), steht dem Bf. der Familienbonus Plus für seine drei in Deutschland lebenden, leiblichen Kinder zu (zumal nicht festgestellt werden konnte, dass auch von der Kindesmutter ein Antrag auf Familienbonus Plus gestellt worden wäre).
Der Beschwerde war daher stattzugeben.
Zur Indexierung von Familienleistungen hat der Europäische Gerichtshof in seinem , Kommission gg. Österreich, entschieden, dass der Anpassungsmechanismus, nach dem das für die Höhe der Familienleistungen sowie der sozialen und steuerlichen Vergünstigungen maßgebliche Kriterium der Auslandswohnsitz der Kinder ist, Wanderarbeitnehmer stärker als österreichische Staatsbürger betrifft. Er stellt daher eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nur zulässig ist, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist, was aber nicht der Fall ist (Rn. 103 ff. des Urteils).
Aufgrund dieser vom Europäische Gerichtshof erkannten Unionsrechtswidrigkeit der Indexierung von Familienleistungen sind die Bezug habenden Normen (hier: § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988) nicht mehr anzuwenden.
Somit sind die für die drei in Deutschland bei der Exgattin lebenden, leiblichen Kinder des Bf. zustehenden Unterhaltsabsetzbeträge ohne Indexierung zu gewähren (sohin in der Höhe von 350,40 € für das erste Kind, 525,60 € für das zweite Kind und 700,80 € für das dritte Kind). Dasselbe gilt für die für diese drei Kinder zustehenden Beträge an Familienbonus Plus, die mit jeweils 1.500,00 € zu gewähren sind.
Bemessungsgrundlagen und Höhe der festgesetzten Einkommensteuer für das Jahr 2019:
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit:
***ZZ*** GmbH: 167.401,35 € (Kennzahl 245 des Lohnzettels)
Werbungkosten: -11.071,65 €
Gesamtbetrag der Einkünfte: 156.329,70 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben: -60,00 €
Steuerberatungskosten: -240,00 €
Kirchenbeitrag: -106,44 €
Einkommen: 155.923,26 €
Die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
0% für die ersten 11.000,00 €: 0,00 €
25% für die weiteren 7.000,00 €: 1.750,00 €
35% für die weiteren 13.000,00 €: 4.550,00 €
42% für die weiteren 29.000,00 €: 12.180,00 €
48% für die weiteren 30.000,00 €: 14.400,00 €
50% für die restlichen 65.923,26 €: 32.961,63 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge: 65.841,63 €
Familienbonus Plus: -5.375,00 €
Alleinverdienerabsetzbetrag: -494,00 €
Unterhaltsabsetzbetrag: -1.576,80 €
Verkehrsabsetzbetrag: -400,00 €
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge: 57.995,83 €
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:
0% für die ersten 620,00 €: 0,00 €
6% für die nächsten 24.380,00 €: 1.462,80 €
27% für die restlichen 1.072,00 €: 289,44 €
Einkommensteuer: 59.748,07 €
Anrechenbare Lohnsteuer: -72.836,94 € (Kennzahl 260 des Lohnzettels)
Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG 1988: -0,13 €
Festgesetzte Einkommensteuer: -13.089,00 €
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Das Erkenntnis folgte vielmehr der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ( (siehe oben)). Die (ordentliche) Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100834.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at