Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.07.2022, RV/7103310/2021

Rückforderung von Familienbeihilfe, selbst wenn das Studium während des Präsenzdienstes zielstrebig weiterbetrieben wurde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für das Kind S., geb. 1998, für den Zeitraum September 2016 bis Februar 2017, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Berufungswerberin (Bf.) bezog für ihren Sohn S., geb. 1998, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

S. maturierte im Schuljahr 2016 und begann im Anschluss daran an der Anton Bruckner Privatuniversität mit dem Bachelorstudium Trompete.

Das Finanzamt stellte durch eine Abfrage bei der Sozialversicherung im September 2020 fest, dass S. im Zeitraum von September 2016 bis Februar 2017 den Präsenzdienst absolvierte und forderte in der Folge von der Bf. mit Bescheid vom die für den diesen Zeitraum bezogenen Beträge unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) mit der Begründung zurück, dass während der Ableistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes keine Berufsausbildung angenommen werden könne, da die Erfüllung der Wehrpflicht eine Haupttätigkeit darstelle.

Die Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid am (Online) fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass ihr Sohn von September 2016 bis Februar 2017 seine Wehrpflicht bei der Gardemusik Wien erfüllt habe und diese Tätigkeit alles Mögliche nur sicher nicht die vom Finanzamt behauptete Haupttätigkeit gewesen sei, sodass er problemlos studieren und den für den Bezug der Familienbeihilfe nötigen Studienerfolgsnachweis erbringen habe können. Da die eingebrachten ECTS vom Finanzamt damals anstandslos anerkannt worden seien, wäre sie niemals auf die Idee einer Unrechtmäßigkeit gekommen, da das Studium eigentlich den größten Teil seiner damaligen Lebensrealität ausgemacht habe. Die sehr geringfügige Aufwandsentschädigung beim Heer und die hohen Kosten eines Studiums in einer anderen Stadt als dem Wohnsitz hätten dazu geführt, dass ihr Kind ohne Familienbeihilfe nur sehr schlecht über die Runden gekommen wäre, sodass ihr klar gewesen sei, dass er völlig zurecht unterstützt werde. Umso mehr sei sie jetzt aus allen Wolken gefallen, als sie mehr als 5 Jahre später (!!) mit einer derartig hohen Forderung konfrontiert worden sei, wo sie sich in gutem Glauben und unter Einreichung aller geforderten Studiennachweise in absoluter Rechtssicherheit gewähnt habe. Wie hätte sie erahnen können, dass in diesem Fall ein anderes Recht als das des Studierenden schlagend werde, zumal das Finanzamt sie durch die Akzeptanz aller Nachweise auch das Gefühl von Rechtskonformität gegeben habe. In Hinblick auf ihre weiteren vier Kinder (noch eine Studierende, drei Schulkinder) bitte sie, diesen speziellen Fall einer erneuten, wohlwollenden Prüfung zu unterziehen, da sie diese Forderung aus heiterem Himmel hart treffe. Diskriminierung sei, wenn man Ungleiches gleich behandle. Ihr Fall sei besonders und sie bitte sehr, ihn auch so zu behandeln und ihr Kind nicht wie einen normalen Wehrpflichtigen abzuhandeln, der er eben nicht gewesen sei.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom erneut mit der Begründung ab, dass die Bf. während des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes keine Familienbeihilfe erhalte. Während einer Berufsausbildung stehe die Familienbeihilfe bis zum 25. Geburtstag zu, wenn das Kind den Präsenz-/Ausbildungs-/Zivildienst vor dem 24. Geburtstag begonnen oder abgeleistet habe.

Die Bf. stellte am (Online) einen Vorlageantrag und brachte vor, dass das Finanzamt leider in der Beschwerdevorentscheidung keinerlei Bezug auf die besonderen Umstände des Falles genommen habe. Sie bitte daher das Finanzamt erneut um Stellungnahme. Wie hätte sie erahnen können, dass ein mit allen erforderlichen Nachweisen von geleisteten ECTS erbrachter Studienerfolg weniger zähle als ein Präsenzdienst, der im Fall ihres Sohnes keinesfalls als Haupttätigkeit bezeichnet werden könne. Wo und wie könne ein sorgsamer Bürger nachvollziehen, dass quasi das eine Recht das andere kompensiere, wenn für das Recht des Studenten auf Familienbeihilfe sogar Nachweise erforderlich seien, die auch erfüllt worden seien. Ihr sei auch nicht klar, wie ihr Sohn sein Studium in einem anderen Bundesland hätte finanzieren sollen mit der lächerlichen Vergütung des Bundesheeres. Sie habe also in gutem Glauben gehandelt, alle Forderungen erfüllt und alles für positiv erledigt gehalten und werde dann nach 5 (!!) Jahren (wieso so spät?) mit einer horrenden Forderung und der Unterstellung einer zu Unrecht bezogenen Beilhilfe konfrontiert. Also wer da den Glauben an das österreichische Rechtssystem nicht verliere, verdiene Hochachtung. Wenn Recht und Gesetz für den sorgsamen Bürger nicht mehr nachvollziehbar und offenbar einem Akt der Willkür unterlegen seien, (denn wo hätte man nachlesen können, dass in diesem einen besonderen Fall der Studienerfolg genau gar nichts zähle? Müsse man als juristischer Laie eine Judikatursichtung durchführen?), könne man nicht mehr von Rechtssicherheit für die Menschen dieses Landes sprechen.

Sie ersuche daher um eine fallbezogene Entscheidung und nicht den immer gleichen Hinweis auf das Aussetzen der Familienbeihilfe bei Präsenzdienst. Das sei ja grundsätzlich klar, aber wie und wo sei ihr besonderer Fall beschrieben? Wo stehe, dass der eine Student unterstützt werde bei erwiesenem Studienerfolg und beim dem anderen derselbe Vorgang genau gar nichts zähle...? Sie bitte um Einzelfallbetrachtung und -entscheidung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Folgender unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus dem Familienbeihilfenakt und wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

S. maturierte im Schuljahr 2016, nahm im Anschluss daran an der Anton Bruckner Privatuniversität das Bachelorstudium Trompete auf und betrieb während des Präsenzdienstes (September 2016 bis Februar 2017) weiterhin sein Studium mit den erforderlichen ECTS-Punkten.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen.

c) …

d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.

e) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes begonnen oder fortgesetzt wird.

(Anm.: lit. f aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

g) für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Kinder keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. l gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,

h) … l) …

Die Bf. vertritt die Auffassung, dass ihr im Rückforderungszeitraum (September 2016 bis Februar 2017) die Familienbeihilfe für ihren Sohn zustand, da S. während der Ableistung des Präsenzdienstes problemlos studieren und den für den Bezug der Familienbeihilfe nötigen Studienerfolgsnachweis erbringen habe können.

Der Verwaltungsgerichtshof brachte mit dem Erkenntnis vom , 2007/15/0068, deutlich zum Ausdruck, dass die Familienbeihilfe selbst dann nicht zusteht, wenn das Kind während der Ableistung des Präsenzdienstes seine Ausbildung an einer Universität auch durch Ablegung von Prüfungen und nicht nur durch die Meldung zur Fortsetzung weiterführe.

Wörtlich erkannte der VwGH (Auszug):

"Zur Beantwortung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer Familienbeihilfe für seinen Sohn, der während des Studiums den Präsenzdienst ableistete, zusteht, genügt es, auf das hg. Erkenntnis vom , 2004/15/0103, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG zu verweisen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis seine in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung bekräftigt, dass 1. die Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes nicht als Ausbildung für einen Beruf im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen sei und daher während der Leistung dieses Dienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe nach dieser Gesetzesstelle bestehe, 2. dass die Ableistung dieses Dienstes eine Unterbrechung der Ausbildung eines volljährigen Kindes darstelle und während der Dauer dieses Dienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, und 3. dass die Leistung des Präsenz(Zivil)dienstes bei gleichzeitiger Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der Berufsausbildung nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG diesen Anspruch beseitige. Ob der Präsenz(Zivil)diener auf Grund einer besonders gelagerten Situation oder durch besonderen Fleiß während der Ableistung seines Dienstes seine Ausbildung an einer Universität auch durch Ablegung von Prüfungen und nicht nur durch die Meldung zur Fortsetzung weiterführe, sei für den Anspruch auf Familienbeihilfe (und Kinderabsetz-betrag) nicht entscheidend. Aus diesen Gründen erweist sich auch die vorliegende Beschwerde als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen."

Im bereits zitierten Erkenntnis vom , 2004/15/0103, stellte der VwGH weiters fest:

"… Die Familienbeihilfe will den Unterhaltsbelasteten entlasten und den Mindestunterhalt des Kindes sichern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 98/13/0067, und Mair, Österreichische Richterzeitung 2006, 162). Die belangte Behörde hat zutreffend hervorgehoben, dass der Präsenzdiener während dieser Zeit von der öffentlichen Hand ausreichend versorgt wird. Eine Belastung der Beschwerdeführerin mit Unterhaltsleistungen für ihren Sohn, während er den Präsenzdienst leistet, besteht daher nicht. Für die Zeit des Präsenzdienstes bestehen grundsätzlich auch keine Ansprüche nach den sozialrechtlichen Bestimmungen (vgl. , und JBl 1973, 539)."

Auch nach einhelliger Auffassung der Literatur (Wittmann/Papacek, Kommentar zum Familienlastenausgleich, C, 10/9; Schredl, SWK 1992, Seite 189 ff; Wimmer, SWK 2001, 249) und auch der Verwaltungspraxis (Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967, Stand September 2005, Punkte 16.1., 20.6.), ist die Ableistung des Präsenz (Zivil)dienstes nicht als Ausbildung für einen Beruf iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen. Während der Leistung des Präsenz(Zivil)dienstes besteht sohin kein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967.

Zum Vorbringen der Bf., dass sie in gutem Glauben gehandelt, alle Forderungen erfüllt und alles für positiv erledigt gehalten und nach 5 Jahren mit einer horrenden Forderung und der Unterstellung einer zu Unrecht bezogenen Beilhilfe konfrontiert werden, wird Folgendes festgestellt:

Gemäß § 25 FLAG 1967 sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt oder an Stelle der anspruchsberechtigten Person ausgezahlt (§ 12) wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, daß der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, beim Finanzamt Österreich zu erfolgen.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

§ 26 Abs. 1 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. zB ). Nach der ständigen Rechtsprechung steht es der Rückforderung auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt verursacht worden ist (, ).

Im vorliegenden Fall zahlte das Finanzamt die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Streitzeitraum weiterhin aus, da die Bf. dem Finanzamt entsprechend § 25 FLAG 1967 nicht gemeldet hat, dass ihr Sohn in diesem Zeitraum den Präsenzdienst absolviert hat.

Das Vorbringen der Bf. konnte der Beschwerde daher zum Erfolg zu verhelfen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da zur Frage, ob während des Präsenzdienstes die Familienbeihilfe zusteht, einhellige Judikatur des VwGH vorliegt.

Wien, am

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