Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.09.2022, RV/7102427/2022

Kein Verkehrsabsetzbetrag bei Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/7102427/2022-RS1
1. Für die Beurteilung der Frage, ob bei der Beschwerdeführerin im streitgegenständlichen Jahr ein bestehendes Dienstverhältnis vorlag oder nicht, ist vom Dienstverhältnisbegriff des § 47 Abs. 2 EStG 1988 auszugehen (). 2. Der Begründung eines Dienstverhältnisses durch den Bezug von Notstandshilfe steht schon der Wortlaut des § 47 Abs. 2 EStG 1988 entgegen. Der Verkehrsabsetzbetrag kann daher nicht berücksichtigt werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die im Juni 1961 geborene Beschwerdeführerin bezog im streitgegenständlichen Jahr 2021 in den Monaten Jänner bis Juni Notstandshilfe und ab dem Monat Juli zwei Pensionen.

Mit Bescheid vom wurde die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2021 durchgeführt; sie ergab eine Gutschrift in Höhe von 262,00 €. In der Begründung führte die belangte Behörde aus:

"Sie haben im Jahr 2021 steuerfreie Leistungen wie z. B. Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder bestimmte Bezüge als Soldat oder Zivildiener bezogen. Dies zieht eine besondere Steuerberechnung nach sich (§ 3 Abs. 2 EStG 1988). Wir haben daher Ihre steuerpflichtigen Einkünfte auf einen Jahresbetrag umgerechnet und berücksichtigen Sonderausgaben und andere Einkommensabzüge. Daraus ergibt sich ein Durchschnittssteuersatz, den wir auf Ihr steuerpflichtiges Einkommen anwenden."

In der fristgerecht erhobenen Beschwerde ersuchte die Beschwerdeführerin um nochmalige Berechnung unter Einbeziehung der erhaltenen AMS-Bezüge. Eine von ihr durchgeführte Kontrollrechnung habe eine Abgabengutschrift in Höhe von 406,00 € ergeben. Zweck dieser Regelung - so die Erl. zur RV 277 der Beilagen XVII. GP, 6ff - sei, einen rechtspolitisch unerwünschten Effekt zu beseitigen, der sich ergebe, wenn die steuerfreien, sozialen Transferleistungen in einem Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) mit anderen, steuerpflichtigen Einkünften zusammenträfen. Dies könne, insbesondere im Fall saisonaler Arbeitslosigkeit, wegen der zum Teil erheblichen Milderung der Steuerprogression dazu führen, dass das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten unter Berücksichtigung der im Wege der Veranlagung erhaltenen Einkommensteuer höher wäre als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten. Um nun diese Milderung der Steuerprogression auszuschließen, habe sich der Gesetzgeber dazu gefunden, den Veranlagungszeitraum (Kalenderjahr) auf jenen Zeitraum zu reduzieren, in dem Erwerbseinkünfte erzielt worden seien. Dies solle dadurch erreicht werden, dass die steuerpflichtigen Lohnbezüge für die Dauer des Bezuges von Transferleistungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet werden. Für den Fall des Bezuges niedriger steuerpflichtiger Erwerbseinkünfte im Restzeitraum des Jahres sei überdies noch vorgesehen, dass aus der Umrechnung keine höhere Steuerbelastung als im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistung als steuerpflichtiger Arbeitslohn eintreten dürfe (Hofstätter/Reichel, Kommentar zum EStG 1988, § 3, Tz. 34). Daher sei die sich ergebende Steuer jener gegenüberzustellen, die sich bei einer Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn ergeben würde (Kontrollrechnung). Maßgebend sei jeweils die niedrigere Steuerbelastung.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen und in der Begründung ausgeführt, im Zuge der Beschwerdeerledigung sei der angefochtene Bescheid einer nochmaligen Überprüfung unterzogen und seine Richtigkeit festgestellt worden.

Im Vorlageantrag führte die Beschwerdeführerin aus, aus der Abweisung könne sie keine Gegenüberstellung der Hochrechnung zur Kontrollrechnung erkennen. § 3 Abs. 2 EStG 1988 enthalte eine Schutzbestimmung. Die Steuer dürfe nicht höher sein, als jene Steuer, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Maßgebend sei die für den Steuerpflichtigen günstigere Variante. Nach dem gemäß § 3 Abs. 2 EStG vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich sei im Streitfall die Steuer nach der Kontrollrechnung festzusetzen.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und wies darauf hin, dass im Beschwerdefall strittig sei, ob die Steuergutschrift nach der Um- bzw. Hochrechnung oder der Kontrollrechnung zu berechnen sei (siehe RZ 118a LStR 2002). Bei der vom Abgabeninformationssystem durchgeführten Kontrollrechnung sei der Verkehrs- und nicht der Pensionistenabsetzbetrag angesetzt worden. Nach dieser Kontrollrechnung habe sich eine Gutschrift von 46,00 € ergeben. Die Notstandshilfe sei als Ersatz für das Arbeitslosengeld und dieses wiederum als Ersatz für ein aktives Einkommen anzusehen. Da also von einem aktiven Einkommen auszugehen sei, erweise sich der Verkehrsabsetzbetrag als richtig (der Verkehrsabsetzbetrag schließe nach § 33 Abs. 6 EStG 1988 den Pensionistenabsetzbetrag in der Kontrollrechnung aus).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ging im Streitjahr keiner nichtselbständigen Beschäftigung nach, sondern bezog zunächst vom Arbeitsmarktservice Österreich Notstandshilfe wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
90 Tage
4.020,30 €
-
75 Tage
3.350,25 €
-
16 Tage
714,72 €
Summe
8.085,27 €

Im zweiten Halbjahr des Streitjahres bezog sie folgende Pensionseinkünfte:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
X- AG
-
594,47 €
Pensionsversicherungsanstalt
-
17.083,50 €
Summe
17.677,97 €

Beweiswürdigung

Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die aktenkundigen Unterlagen und ist unbestritten; strittig ist lediglich die Frage, ob bei der Kontrollrechnung der Verkehrs- oder der Pensionistenabsetzbetrag zu berücksichtigen ist.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.

Nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 sind dann, wenn der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge ua im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit a nur für einen Teil des Kalenderjahres erhält, die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.

Da die Beschwerdeführerin unstrittig Notstandshilfe nur für einen Teil des Kalenderjahres bezogen hat, ist in der Vornahme der Steuerberechnung nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 EStG 1988 seitens der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.

§ 33 Abs. 5 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"Bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis stehen folgende Absetzbeträge zu:

1. Ein Verkehrsabsetzbetrag von 400 Euro jährlich.
[…]"

§ 33 Abs. 6 EStG 1988 lautet:

"Stehen einem Steuerpflichtigen die Absetzbeträge nach Abs. 5 nicht zu und erhält er Bezüge oder Vorteile im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 oder 2 für frühere Dienstverhältnisse, Pensionen und gleichartige Bezüge im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 oder Abs. 1 Z 4 bis 5, steht ein Pensionistenabsetzbetrag gemäß Z 1 und Z 2 oder gemäß Z 3 zu. Bei Einkünften, die den Anspruch auf einen Pensionistenabsetzbetrag begründen, steht der Werbungskostenpauschbetrag nach § 16 Abs. 3 nicht zu. Für die Berücksichtigung des Pensionistenabsetzbetrages gilt:

1. Ein erhöhter Pensionistenabsetzbetrag steht zu, wenn

  1. der Steuerpflichtige mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt,

  2. der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte im Sinne des Abs. 4 Z 1 von höchstens 2 200 Euro jährlich erzielt und

  3. der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag hat.

2. Der erhöhte Pensionistenabsetzbetrag beträgt 1 214 Euro, wenn die laufenden Pensionseinkünfte des Steuerpflichtigen 19 930 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen. Dieser Absetzbetrag vermindert sich gleichmäßig einschleifend zwischen zu versteuernden laufenden Pensionseinkünften von 19 930 Euro und 25 250 Euro auf null.

3. Liegen die Voraussetzungen für einen erhöhten Pensionistenabsetzbetrag nach der Z 1 nicht vor, beträgt der Pensionistenabsetzbetrag 825 Euro. Dieser Absetzbetrag vermindert sich gleichmäßig einschleifend zwischen zu versteuernden laufenden Pensionseinkünften von 17 500 Euro und 25 500 Euro auf null."

Für die Beurteilung der Frage, ob bei der Beschwerdeführerin im streitgegenständlichen Jahr 2021 ein bestehendes Dienstverhältnis vorlag oder nicht, ist vom Dienstverhältnisbegriff des § 47 Abs. 2 EStG 1988 auszugehen (vgl. ; ; ).

Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Der Begründung eines Dienstverhältnisses aufgrund und durch den Bezug von Notstandshilfe steht schon der Wortlaut des § 33 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 entgegen () . Nach dieser Bestimmung steht der Verkehrsabsetzbetrag nur bei Einkünften aus einem "bestehenden Dienstverhältnis" zu.

Das Arbeitslosengeld soll hingegen arbeitslosen Menschen während der Zeit der Arbeitsuche ihre finanzielle Lebensgrundlage sichern. Notstandshilfe wird (bei Vorliegen von bestimmten Voraussetzungen) im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld gewährt (www.ams.at).

Weder beim Bezug von Arbeitslosengeld noch beim Bezug von Notstandshilfe besteht daher ein aktives Dienstverhältnis. Diese Gelder sollen - wie oben angemerkt - in Zeiten der Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche die Existenz arbeitsloser Menschen sichern. Das Bundesfinanzgericht teilt daher nicht die Ansicht der belangten Behörde, dass es sich beim Arbeitslosengeld bzw. bei der Notstandshilfe um ein aktives Einkommen handelt.

Bei der vorzunehmenden Kontrollrechnung sind daher nicht der Werbungskostenpauschbetrag und der Verkehrsabsetzbetrag, sondern der Pensionistenabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 6 EStG 1988 - nach der im Folgenden dargestellten Formel eingeschliffen - zu berücksichtigen:

825/8.000 * (25.500 - 17.677,97) => 806,65

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis weicht hinsichtlich der Voraussetzung für die Berücksichtigung des Verkehrsabsetzbetrages nicht von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab; die Revision war daher nicht zuzulassen.

Beilage: 1 Berechnungsblatt (Einkommensteuer 2021)

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102427.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at