Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.09.2022, RV/7102561/2021

Sicherstellungsauftrag, Ausstellung von Scheinrechnungen des Geschäftsführers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch
V, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid - Sicherstellungsauftrag des Finanzamtes Österreich vom , Abgabenkontonummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird abgeändert.

Gemäß § 232 BAO wird die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen auf die nachstehenden Abgabenansprüche im Gesamtbetrag von 255.867,87 Euro angeordnet:


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Abgabenart
Zeitraum
(voraussichtliche) Höhe in Euro
Umsatzsteuer
2019
95.250,00
Umsatzsteuer
01/2020
43.750,00
Umsatzsteuer
02/2020
15.503,71
Umsatzsteuer
03/2020
7.500,00
Umsatzsteuer
05/2020
4.149,86
Umsatzsteuer
06/2020
5.000,00
Umsatzsteuer
07/2020
17.000,00
Umsatzsteuer
08/2020
25.000,00
Umsatzsteuer
09/2020
26.380,97
Umsatzsteuer
10/2020
16.333,33

Der Betrag, mit dem durch Hinterlegung Maßnahmen zur Vollziehung dieses Sicherstellungsauftrages unterbleiben können, wird mit 255.867,87 Euro festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mit Fahrzeugen der Luxusklasse handelt.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom ordnete das Finanzamt Österreich in das Vermögen der Bf. die Sicherstellung von Abgabenansprüchen in der Höhe von 317.500 Euro (betreffend Umsatzsteuer 2019 und Umsatzsteuer 01-03/2020 und 05-10/2020) an.

Begründend führte es aus:
Die sicherzustellenden Abgabenansprüche sind auf Grund folgender Sachverhalte entstanden und wurden wie folgt ermittelt:

Die X.GmbH kaufte laut eigener Buchhaltung KFZ von folgenden Unternehmen ein:

  1. L1, Inhaber

  2. L2 e.U:, Inhaber IL2

  3. L3

  4. KFZ Handels L4, Inhaber

  5. MM e.U., Inhaber

Im Zuge von Ermittlungen der Steuerfahndung wurde festgestellt, dass es sich bei diesen Lieferungen der angeführten Unternehmen an die X.GmbH um Scheinlieferungen gehandelt hat.
Ein Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Scheinlieferungen ist nicht zulässig. Weiter ist die Anwendung der Differenzbesteuerung beim Verkauf von Fahrzeugen, die mittels Scheinrechnung eingekauft wurden, nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 24 Abs. (1) Zif. 2 lit a) oder lit. b) UStG nicht vorliegen. Eine Scheinrechnung ist nicht geeignet die im § 24 UStG geforderten Voraussetzungen nachzuweisen.

Im Detail ist zu den angeführten Zulieferern folgendes festzustellen:

1. L1, in Rechnung genannt als "Kfz Handel L1"

Mit sind lt. Buchhaltung 2 KFZ von L1 "Kfz Handel L1" eingekauft worden. Das KFZ

  1. WBAKV410000P72415

wurde mit Ausweis der Umsatzsteuer an die X.GmbH verkauft. Das KFZ

  1. WBA5D91090D970027

wurde als differenzbesteuertes Fahrzeug an die X.GmbH verkauft.

Das Unternehmen L1 wurde mit gemäß § 8 SBBG als Scheinunternehmen eingestuft und mit der Konkurs über das Vermögen eröffnet.
Die Lieferungen von
L1 an die X.GmbH sind daher als Scheinlieferungen zu qualifizieren, berechtigen somit nicht zum Vorsteuerabzug und erfüllen auch nicht die geforderte Voraussetzung für die Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 24 Abs. (1) Zif. 2 lit a) oder lit b) UStG.

2. L2, Inhaber IL2

In der Niederschrift zur Schlussbesprechung über die Außenprüfung bei der L2 vom wurde durch den Prüfer festgestellt, dass es sich bei der Lieferung der Fahrzeuge

• WBS8M910505F95372,

• WAUZZZ4GXJN042542 und

• WUAZZZFX2H7902855

umScheinlieferungen handelt und diese daher auf Seiten der L2 auch nicht der Umsatzsteuer unterworfen werden. Diese Lieferungen an die X.GmbH berechtigen somit nicht zum Vorsteuerabzug.
Weiter wurde in dieser Niederschrift festgehalten, dass die
L2 im Zeitraum Mai und Juni 2019 insgesamt einen enormen Umsatzanstieg auf einen Umsatz von € 1.185.000,- erwirtschaftet hat, der wirtschaftlich nicht erklärbar war.
Aus den Buchhaltungsunterlagen der
X.GmbH geht hervor, dass nicht nur die Scheinlieferung verbucht wurden, die in den Aufzeichnungen der L2 erfasst waren, sondern dass darüber hinaus noch KFZ verbucht waren, die gar nicht in dieser Niederschrift zur Außenprüfung erfasst waren, nämlich die KFZ mit den FIN:

• WAUZZZ4G8HN119192,

• WAUZZZ4G0GN181040 und

• WAUZZZF45GA019821.

Diese KFZ können daher auch nicht in der Buchhaltung der L2 erfasst worden sein und wurden von der L2 auch nicht in der Abgabenerklärung dem FA gemeldet. Es handelt sich bei den Lieferungen dieser Fahrzeuge daher auch um Scheinlieferungen. Zusätzlich wurde mit das KFZ mit der FIN

• WPOZZZ97ZJL137540

geliefert, auch dieses KFZ wurde von der L2 nicht in einer UVA an das Finanzamt gemeldet. Weiter wurde in der Prüfung festgestellt, dass die in all diesen Eingangsrechnungen angeführte Lieferadresse "Adresse 2" nicht zutreffend ist, da dort kein Unternehmen ansässig war, sondern es sich um einen Bauplatz gehandelt hat. Aus angeführten Gründen ist daher für alle KFZ keine Vorsteuerabzug zulässig.

3. L3

Die X.GmbH kaufte laut Buchhaltung im Zeitraum bis insgesamt 15 KFZ von der L3 ein, davor und danach sind keinerlei Einkäufe feststellbar. Es handelt sich um folgende KFZ:

• WP1ZZZ95ZFLB88355

• WAUZZZ8TXFA016996

• WP1ZZZ92ZHLA60104

• WBS8M910905J76664

• WBA5J31000D071174

• WP1ZZZ92ZHLA30373

• WP1ZZZ920ZHLA30536

• WP1ZZZ92ZHLA31358

• WP1ZZZ92ZHLA30563

• WBAKS410600R91467

• WP1ZZZ92ZHLA32930

• WBAKV210900V42585

• WBAKS410400W58619

• WP1ZZZ92ZHLA32264

• WP1ZZZ92ZHLA30525

Im Zuge von Ermittlungen wurde festgestellt, dass es sich bei der L3 um ein nicht tätiges Unternehmen handelt. Die L3 wurde mit zu 100% an den in Österreich nicht gemeldeten rumänischen Staatsbürger R verkauft. Laut Erhebung des Finanzamtes gab es an der Adresse "Adresse 3" lt. Auskunft der dort ansässigen Steuerberatungskanzlei S keine L3. Mit wurde vom Finanzamt der Löschungsantrag gestellt und in weiterer Folge dann gelöscht. Auf Grund der unrichtigen Geschäftsadresse ist daher festzustellen, dass für alle angeführten Wareneinkäufe kein Vorsteuerabzug zusteht.
Weiter muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei allen Lieferungen um Scheinlieferungen handelt, da es denkunmöglich scheint, dass der rumänische Staatsbürger und 100% Gesellschafter-Geschäftsführer
R innerhalb von 3 Monaten 15 KFZ über die nicht feststellbar tätige und nicht auffindbare L3 verkauft hat. Dies wird durch den Umstand untermauert, dass festgestellt wurde, dass KFZ bereits zu einem Zeitpunkt in der Verfügungsmacht der X.GmbH standen, als diese noch gar nicht von der L3 angekauft waren. Die Lieferungen der L3 an die X.GmbH sind daher als Scheinlieferungen zu qualifizieren, berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug und erfüllen auch nicht die geforderte Voraussetzung für die Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 24 Abs. (1) Zif. 2 lit a) oder lit b) UStG.

4. L4, in Rechnung genannt als "Kfz Handels L4"

Bei L4 handelt es sich um einen slowakischen Staatsbürger, der mit November 2019 einen Gewerbebetrieb mit dem Schwerpunkt Malerei und Entrümpelung angemeldet hat, die Tätigkeit sollte mit Dezember 2019 gestartet werden.
Eine mit Dezember 2020 angemeldete Prüfung stellte fest, dass mit
L4 kein Kontakt hergestellt werden konnte und dass in der vorgelegten Buchhaltung keinerlei KFZ-Verkäufe aufgezeichnet worden sind. Es ist daher davon auszugehen, dass jene hochpreisigen KFZ, die von der KFZ Handels L4 an die X.GmbH gelieferten Fahrzeuge nicht von der KFZ Handels L4 geliefert worden sind und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Weiter sind daher diese Rechnungen auch nicht dazu geeignet, die geforderte Voraussetzung nach § 24 Abs. (1) Zif. 2 lit a) oder lit b) UStG zu erbringen.
Für folgende KFZ steht ein Vorsteuerabzug nicht zu:

• WP0ZZZ97ZJL137489

• WP0ZZZ97ZJL174174

• WP0ZZZ99ZHS173576

Für den Weiterverkauf folgender KFZ kann die Differenzbesteuerung nicht angewandt werden:

• WDC2539051F234589

• WP1ZZZ92ZHLA31341

• ZFF77XJB000207124

Weiter wurde beispielsweise hinsichtlich des KFZ WP0ZZZ99ZHS173576 festgestellt, dass gegenüber der Behörde ein Erwerb von L4 "Kfz Handels L4" mit vorgetäuscht wurde, tatsächlich aber bereits mit zwischen G und dem schlussendlichen Käufer K der Gesamtkaufpreis von € 178.000,- vereinbart und schlussendlich auch bezahlt wurde. Auf Grund der Lebenserfahrung und logischen Denkgesetzen folgend, kann es daher eine Woche später keinen Verkauf von L4 an die X.GmbH gegeben haben.
Diese Vorgangsweise belegt, dass der für die Belange der
X.GmbH Verantwortliche G nach der derzeitigen Aktenlage aktiv Scheinfirmen zur Verschleierung verwendet, um sich unrechtmäßig einen Finanzierungsvorteil zu verschaffen und um Steuern zu hinterziehen.

5. L5, in Rechnung genannt "MM"

L5 hat gegenüber der Polizei bekannt gegeben, dass er einen Getränkeverkauf an der Adresse 5, betreibt. Eine Bezeichnung L5 habe er noch nie gehört und er hat auch nichts unterschrieben. Dementsprechend hat er auch keine Geschäfte mit "dieser Firma" gemacht. Ein Lokalaugenschein an dieser Adresse bestätigte diese Aussage, es findet sich an dieser Adresse ein Getränkehandel, aber kein KFZ-Handel.
Ein Abgleich der Schriftbilder ergab, dass die Unterschriften auf den Barzahlungsquittungen und auf den Kaufverträgen nicht von
L5 stammen. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass es keine Lieferungen von L5 an die X.GmbH gegeben hat.
Aus den Buchhaltungsunterlagen der
X.GmbH geht hervor, dass von L5 folgende KFZ angekauft worden sind:

• WP0ZZZ97ZJL129756

• WP0ZZZ97ZHL132366

• WP1ZZZ92ZHLA28637

Die Lieferungen von L5 an X.GmbH sind als Scheinlieferungen zu qualifizieren, berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug und erfüllen auch nicht die geforderte Voraussetzung für die Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 24 Abs. (1) Zif. 2 lit a) oder lit. b) UStG.

Die genaue Aufstellung zu den in Punkt 1-5 genannten KFZ ist der Beilage 1 zu diesem Sicherstellungsauftrag zu entnehmen.

Gefährdung und wesentliche Erschwerung der Abgabeneinbringung:

Um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung zu begegnen, kann die Abgabenbehörde nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO) bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO) einen Sicherstellungsauftrag erlassen (§ 232 BAO).

Auf die laufende Rechtsprechung zum§ 232 BAO, insbesondere jedoch das Erkenntnis des [Zl 89/13/0047, ÖSTZB 1990, Seite 328], wird in diesem Zusammenhang verwiesen, worin es heißt:
"Wie aus dieser Gesetzesbestimmung hervorgeht, sind Sicherstellungsmaßnahmen im Wege eines Sicherstellungsauftrages innerhalb des im
§ 232 Abs 1 BAO umschriebenen Zeitraumes zulässig, wenn eine Gefährdung oder Erschwerung der nachfolgenden Einbringung von Abgaben begründet zu befürchten ist. Derartige Gefährdungen oder Erschwerungen werden ua bei drohendem Konkurs- oder Ausgleichsverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite bei Auswanderungsabsicht, Vermögensverschleppung, Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte oder bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben sein. Auch schwerwiegende Mängel in den Büchern und Aufzeichnungen, welche die Annahme begründen, dass sich der AbfPfl auch der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten wird, werden, ebenso wie eine erhebliche Verschuldung des AbgPfl, die einen Zugriff anderer Gläubiger auf sein Vermögen befürchten lässt, eine Maßnahme nach § 232 BAO rechtfertigen. Dabei reicht der objektive Tatbestand einer Gefährdung oder Erschwerung aus; eine vom Abgabenschuldner selbst gesetzte Gefährdungshandlung ist nicht erforderlich.
In diesen Fällen genügt es, wenn aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der AbgBeh die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint (Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, 769 und Stoll, BAO, 577 und die dort angeführte Jud)"

Die Erschwerung der Einbringung ist zu befürchten, weil durch die im Zuge der Ermittlungen festgestellten Tatsachen (siehe oben) und der sich daraus ergebenden Abgabennachforderung mit einer Einstellung der Tätigkeit des Fahrzeughandels zu rechnen ist. Aufgrund der derzeitigen Ertragslage ist jedenfalls davon auszugehen, dass die sicherzustellenden Abgaben neben den zukünftigen laufenden Abgaben nicht in einem absehbaren Zeitraum aus dem laufenden Einkommen getilgt werden können.

Es wurde festgestellt, dass das Verhalten des für die Belange der X.GmbH Verantwortlichen G darauf gerichtet war, die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse zu verschleiern, um sich damit einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Somit ist, wie auch aufgrund der Tatsache, dass der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht nachgekommen wurde, nur durch die Sofortmaßnahme eines Sicherstellungsauftrages einer Erschwerung der Abgabeneinbringung zu begegnen. Es sind die objektiven Tatbestandsmerkmale als erfüllt anzusehen, die die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages im Sinne des § 232 BAO notwendig erscheinen lassen.

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages liegt im Ermessen der Abgabenbehörde und erfordert gemäß § 20 BAO die Beachtung der Grundsätze der Billigkeit und Zweckmäßigkeit. Bei der Ermessensübung sind demnach berechtigte Interessen des Abgabepflichtigen gegenüber öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände abzuwägen.

Die berechtigten Interessen des Abgabepflichtigen werden daher grundsätzlich in den Hintergrund treten. Nur in Ausnahmefällen - etwa bei Geringfügigkeit der Abgabenforderung oder des durch die Vollstreckungshandlung zu erzielenden Einbringungserfolges - könnte daher von der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages abgesehen werden. Davon konnte im gegenständlichen Fall jedoch nicht ausgegangen werden.

Es ist daher von einer Gefährdung der Einbringung auszugehen, weil aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden muss, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint.

Die X.GmbH verfügt laut Anlagenspiegel der beim Firmenbuch eingereichten Bilanz über ein Anlagevermögen von € 3.495,48. Der Rest der Aktiva besteht aus Umlaufvermögen. Dem in dieser Bilanz ausgewiesenen Eigenkapital von € 83.084,16 steht somit eine zu erwartende Nachforderung in der Höhe von € 317.500,- gegenüber, wodurch zumindest von einer wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabenschuld ausgegangen werden muss. …..

Gegen diesen Sicherstellungsauftrag richtet sich die vom Rechtsvertreter der X.GmbH am (innerhalb erstreckter Frist) eingebrachte Beschwerde, in der der Bescheid vollumfänglich angefochten wird. Als Beschwerdegründe werden materielle und formelle Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Wörtlich wird ausgeführt:

…..
2. Vorsteuern teilweise nicht geltend gemacht

Dem Gesetzeswortlaut nach ist eine maßgebliche Grundvoraussetzung des § 232 BAO, dass der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen. Im vorliegenden Fall waren nach Meinung der Behörde - neben der Versagung der Differenzbesteuerung (§ 24 UStG) - die Voraussetzungen zur Geltendmachung von Vorsteuern bei den angeführten Lieferungen nicht gegeben.

Im Zusammenhang mit der (fehlenden) Berechtigung zum Vorsteuerabzug kann insoweit ein "Abgabenanspruch" jedenfalls nur dann entstanden sein, wenn der Vorsteuerabzug auch tatsächlich geltend gemacht wurde. Ist dies nicht erfolgt, kann in gesetzmäßiger Weise natürlich auch nichts "sichergestellt" werden und die materiellen Voraussetzungen des § 232 BAO liegen nicht vor. Dazu hat auch der VwGH unmissverständlich festgestellt, dass ein Abgabenanspruch in diesem Sinne der Rückforderungsanspruch eines zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerüberhangs ist [].

Gegenständlich hat die belangte Behörde übersehen, dass die Beschwerdeführerin in zumindest fünf der im angefochtenen Bescheid angeführten Lieferfälle die Vorsteuern gar nicht geltend gemacht hat:


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Zulieferer
FIN-Nummer
Rechnungs-datum
Lieferungs-datum
Brutto-betrag (EUR)
Davon USt (EUR)
KFZ Handel L1
WBAKV410000P72415
38.000,00
6.333,33
L2
WP0ZZZ97ZJL137540
92.000,00
15.333,33
KFZ Handels L4
WP0ZZZ97ZJL137489
25.05.2020
115.000,00
19.166,67
KFZ Handels L4
WP0ZZZ97ZJL174174
102.000,00
17.000,00
MM
WP0ZZZ97ZHL132366
115.000,00
19.166,67
462.000,00
77.000,00

Entsprechend kann in diesen Fällen ein zu sichernder Abgabenanspruch gar nicht entstanden sein. Der Sicherstellungsauftrag ist daher jedenfalls für Abgabenschulden in Höhe von EUR77.000 (Summe der tatsächlich nicht geltend gemachten Vorsteuern) zu Unrecht ergangen und in dieser Hinsicht rechtswidrig. Richtigerweise wird der Sicherstellungsbetrag zumindest um diesen Betrag zu reduzieren sein.

Zum Nachweis des obigen Vorbringens werden jene Details aus der Buchhaltung (Vorsteuerkontrolle, Konto 5003 mit Steuercode 0) vorgelegt, aus welchen bei Abstimmung mit den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen nachvollzogen werden kann, dass Vorsteuern wie oben dargelegt entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht geltend gemacht wurden (Beilagen ./1 und ./2).

3. Begründungsmängel

Ein Sicherstellungsauftrag unterliegt der allgemeinen Begründungspflicht iSd § 93 Abs 3 lit a BAO [siehe z.B. ]. Die Verwirklichung des zugrundeliegenden Tatbestandes muss also in der Begründung des Sicherstellungsauftrages entsprechend dargetan werden.

Abgesehen davon muss die Qualität der Begründung bzw. deren Umfang jedenfalls geeignet sein, den Bescheid für die Partei kontrollier- und nachvollziehbar zu machen und ihr Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Überlegungen zu verschaffen. In ihr sind die wesentlichen Erwägungen wiederzugeben und solcherart das Ergebnis des Verfahrens und die hierzu führenden Gedankengänge nachvollziehbar und nachkontrollierbar darzulegen [Ritz, BAO6 § 93 Tz 11 ff mwN.].

Diesen Anforderungen einer gesetzmäßigen Begründung hat die belangte Behörde insbesondere aus den folgenden Gründen nicht entsprochen:

3.1. Zur Rechtmäßigkeit von Vorsteuerabzug und Differenzbesteuerung

Damit der Vorsteuerabzug versagt werden kann (und ein zu sichernder "Anspruch" in dieser Hinsicht entsteht), musste der Unternehmer wissen oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht (siehe § 12 Abs 14 UStG).

Ähnliches gilt für die Anwendung der Differenzbesteuerung: Ein - hier auch beabsichtigter - Ausschluss von der Differenzbesteuerung ist nach der Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn der Wiederverkäufer von der unrechtmäßigen Inanspruchnahme der Differenzbesteuerung wusste oder wissen musste. Kann ein mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vorgehender Wiederverkäufer nicht erkennen, dass bei der Vorlieferung an ihn die Voraussetzungen für die Anwendung des § 24 UStG nicht vorgelegen haben, kann er daher seinerseits den Gegenstand differenzbesteuert weiterliefern.

Tatsächlich lässt der angefochtene Bescheid jede Begründung dahingehend vermissen, warum der Beschwerdeführerin in den konkreten Fällen keine Gutgläubigkeit zu attestieren ist. Stattdessen werden Malversationen der Lieferanten hervorgehoben, ohne aber nachvollziehbar darzulegen, wie die Beschwerdeführerin dies hätte erkennen können, um letztlich den Vertrauensschutz zu verlieren.

Soweit demnach die Behörde exemplarisch ausführt, dass sich bei einem Unternehmen ein enormer Umsatzanstieg ereignet (Punkt 2.) habe oder in der Buchhaltung von liefernden Unternehmen Lieferung nicht erfasst wurden (Punkte 2. und 4.) handelt es sich durchwegs umUmstände, die der Beschwerdeführerin dem äußeren Anschein nach gar nicht bekannt sein konnten. Auch aus der Verwendung unrichtiger Firmenadressen (Punkt 3. und 4.) oder aus Unstimmigkeiten im Schriftbild auf Quittungen, die der Behörde offenbar aufgrund konkreter Ermittlungsschritte aufgefallen sind (punkt 5.), kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass dies auch dem Beschwerdeführer im Rahmen einer angemessenen Prüfroutine hätte auffallen müssen, geschweige denn, dass er hieraus hätte erkennen müssen, dass er es offenbar - in allen Fällen - mit auf Abgabenhinterziehung ausgerichteten Unternehmen zu tun hatte.

Der angefochtene Bescheid vermag daher nicht in gesetzmäßiger Weise zu begründen, warum der Vorsteuerabzug und die Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 24 UStG zu versagen wären. Von der Verwirklichung eines Tatbestands, an welche die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, ist demnach nicht auszugehen.

3.2. Zur Behauptung von Scheinlieferungen

Von einer Scheinlieferung spricht man gemeinhin dann, wenn die in der Rechnung genannte Lieferung gar nicht stattgefunden hat. Die Beweislast für den Scheincharakter trägt stets derjenige, der sich auf diesen Scheincharakter beruft. Behauptet daher das Finanzamt das Vorliegen von Scheingeschäften, so trägt es auch die Beweislast dafür [siehe den Stammrechtssatz zu ].

Im angefochtenen Bescheid fehlen aber konkrete Ausführungen, weswegen es sich in den betreffenden Fällen um "Scheinlieferungen" gehandelt haben soll. Es kam nämlich unzweifelhaft zu den Lieferungen an die Beschwerdeführerin und zu anschließenden Veräußerungen der KFZ durch diese. Dies ist auch in der Buchhaltung der Beschwerdeführerin vermerkt und auch die Behörde spricht beispielsweise unter Punkt 4. selbst von "an die X.GmbH gelieferte Fahrzeuge". Die belangte Behörde argumentiert sohin widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.

3.3. Zur behaupteten Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung

Von einer Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung von Abgaben im Sinne der Bestimmung des § 232 BAO ist dann zu sprechen, wenn aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint [].].

Unter Bezugnahme auf diese Sicherstellungsvoraussetzungen verweist die Behörde im angefochtenen Bescheid auf das Erkenntnis des , wonach

"derartige Gefährdungen oder Erschwerungen u.a. bei drohendem Konkurs- oder Ausgleichsverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite, bei Auswanderungsabsicht, bei Vermögensverschiebungen ins Ausland oder an Verwandte oder bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben [seien]".

Sofern die Behörde dies im Lichte des im Raum stehenden Vorwurfs einer Abgabenverkürzung zitiert, ist dem entgegenzuhalten, dass der Rechtsprechung des BFG zufolge selbst

"beim Vorliegen einer Abgabenhinterziehung in bedeutender Höhe nicht automatisch davon auszugehen [ist], dass eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten besteht []."

Dabei bezieht sich das BFG im Übrigen genau auf das von der Behörde zitierte Erkenntnis des .

Die bloße leitsatzartige Verwendung dieses VwGH-Erkenntnisses erweist sich daher gerade im vorliegenden Fall der behaupteten Abgabenhinterziehung als zu kurz gegriffen, zumal die Begründung jegliche Ausführungen vermissen lässt, warum und aus welchen konkreten Gründen gerade die Beschwerdeführerin Anlass zur Befürchtung gibt, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint.

Insbesondere vermag die belangte Behörde nicht zu erklären, aufgrund welcher "festgestellter Tatsachen" bei der Beschwerdeführerin mit einer "Einstellung der Tätigkeit des Fahrzeughandels zu rechnen" sei und die "sicherzustellenden Abgaben […] nicht in einem absehbaren Zeitraum aus dem laufenden Einkommen getilgt werden" könnten.

Entsprechendes gilt auch für den unsubstantiiert vorgetragenen Pauschalvorwurf der Behörde, der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin hätte sein Verhalten darauf gerichtet, "die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse zu verschleiern", um sich einen "Wettbewerbsvorteil zu verschaffen". Weder lässt die Behörde erkennen, aufgrund welcher konkreten Umstände sie zu dieser Schlussfolgerung kommt, noch trifft sie nachvollziehbare Aussagen dazu, welche Relevanz sie diesem unterstellten Verhalten hinsichtlich der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der fraglichen Abgabenschulden beilegen möchte. Dies gilt gleichermaßen für den Hinweis auf die angebliche Verletzung von abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten.

Tatsächlich ist nach der Rechtsprechung des VwGH zur Frage der Gefährdung auf eine Gegenüberstellung der Abgabenforderung und des zur Begleichung der Forderung zur Verfügung stehenden Einkommens und Vermögens abzustellen []. Entsprechend sind die wirtschaftlichen, finanziellen und steuerlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen zu erheben und einer zusammenfassender Würdigung dahingehend zu unterziehen, ob diese die Annahme einer Abgabengefährdung rechtfertigen [siehe zu all dem ]. Dies hat die belangte Behörde aber unterlassen und stattdessen Annahmen getroffen, die erkennbar auf bloßen Vermutungen basieren.

3.4. Fazit

Die Begründung des angefochtenen Bescheides erweist sich daher im Hinblick auf die gesetzlichen Voraussetzungen einer Sicherstellung nach § 232 BAO gleich in mehrfacher Hinsicht als nicht tragfähig. Wäre die Behörde ihrer Begründungspflicht aber in gesetzmäßiger Weise nachgekommen, wäre der Sicherstellungsbescheid nicht erlassen worden bzw. hätte dies jedenfalls zu einem für die Beschwerdeführerin positiven Ergebnis geführt.

Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wurde beantragt.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Ein Sicherstellungsauftrag könne erlassen werden, auch wenn die Höhe der Abgabenschuld noch nicht exakt feststehe. Die Ermittlung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld (somit ein entsprechend ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren) sei für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nicht erforderlich ().
Die Abgabenbehörde sei davon ausgegangen, dass in einer ordnungsgemäßen Buchhaltung in Eingangsrechnungen ausgewiesene Vorsteuern auch in Abzug gebracht werden.
Die im Sicherstellungsauftrag dargestellten Unternehmen seien nicht Lieferanten der aufgezählten KFZ. Die X.GmbH habe diese unstrittig erworben, aber nicht von den Rechnung legenden Unternehmen. Mittlerweile sei erwiesen, dass die X.GmbH an der Erstellung der Scheinrechnungen aktiv beteiligt gewesen sei, um die tatsächliche Herkunft der KFZ zu verschleiern.

Im Vorlageantrag vom beantragte die Bf. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Das bisherige Beschwerdevorbringen der Bf. bleibe vollinhaltlich aufrecht. Die Abgabenbehörde hätte bereits aus den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen erkennen können, dass Vorsteuern in der Höhe von 77.000 € nicht geltend gemacht worden seien. Der Abgabenanspruch sei in dieser Höhe nicht entstanden.

Der Vertreter des Finanzamtes führte im Vorlagebericht vom aus:

Folgt man der Argumentation der Ergänzung, dass bei KFZ 66 ein Vorsteuerabzug nicht vorgenommen wurde, so ist nun anzumerken, dass das gegenständliche KFZ bei Verkauf auch nicht der Umsatzsteuer unterworfen sein kann, dass der Verkaufspreis von netto € 91.250,- nicht im Gesamtumsatz des Verkaufsmonates 04/2020 idHv. € 35.666,66 Platz findet. Aus der Aufstellung der Buchhaltung ist auch zu entnehmen, dass die Differenzbesteuerung rechtswidrig angewendet wurde. Es ist daher festzustellen, dass die Buchhaltung derartig fehlerhaft ist, dass KFZ mit USt-Ausweis der Differenzbesteuerung unterworfen werden und die Vorsteuer nicht geltend gemacht wird, obwohl die Vorsteuer in der Eingangsrechnung ausgewiesen worden ist und obwohl die Umsatzsteuer in der Ausgangsrechnung in Rechnung gestellt wurde.

Folgt man der Argumentation der Ergänzung, dass bei KFZ 95 ein Vorsteuerabzug nicht vorgenommen wurde, so ist nun anzumerken, dass das gegenständliche KFZ bei Verkauf auch nicht der Umsatzsteuer unterworfen worden sein kann, da der Verkaufspreis von netto € 105.833,33 nicht im Gesamtumsatz des Verkaufsmonates 07/2020 idHv. € 118.499,99 Platz findet, da die differenzbesteuerten Umsätze lt. Unterlage der Buchhaltung Haider zusätzlich € 45.200,- ausmachen. Aus der Aufstellung der Buchhaltung ist auch zu entnehmen, dass die Differenzbesteuerung rechtswidrig angewendet wurde. Es ist daher festzustellen, dass die Buchhaltung derartig fehlerhaft ist, dass KFZ mit USt-Ausweis der Differenzbesteuerung unterworfen werden und die Vorsteuer nicht geltend gemacht wird, obwohl die Vorsteuer in der Rechnung ausgewiesen worden ist und obwohl die Umsatzsteuer in der Ausgangsrechnung in Rechnung gestellt wurde.

Es ist daher festzustellen, dass in der Buchhaltung Buchungen stattfinden, die nicht zulässig sind. Auch nach Vorlage der Buchhaltung sind nicht alle KFZ und nicht alle UVA nachzuvollziehen. Es wird weiter festgestellt, dass bei den KFZ 66 und 95 der nicht vorgenommene Vorsteuerabzug durch die X.GmbH derart wieder kompensiert wurde, dass eigentlich umsatzsteuerpflichtige Lieferungen gar nicht der Umsatzsteuer unterworfen wurden. Wie bereits im Sicherstellungsauftrag vom dargestellt, steht die X.GmbH in direktem Kontakt mit betrügerisch agierenden Unternehmen und es wurden Einkäufe in der Buchhaltung dargestellt, die so nie stattgefunden haben. Die Richtigkeit der Buchhaltung war also bereits zu diesem Zeitpunkt anzuzweifeln.

Zusammengefasst wird zur Bescheidbeschwerde sowie zur Ergänzung zur Bescheidbeschwerde ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Erstellung des Sicherstellungsauftrages eine Involvierung der X.GmbH in Betrugskreisläufe aktenkundig war. Dieser Umstand wurde am Tag der Sicherstellungen Herrn G als Gesellschafter der X.GmbH niederschriftlich mitgeteilt. Dass es bei Involvierung in Betrugskreisläufe zu unrichtigen Verbuchungen kommen muss, ist ein Erfordernis. Dass nun von der bescheidausstellenden Stelle des Sicherstellungsauftrages verlangt wird, dass man auf Grund einer UVA wissen musste, dass für diese KFZ kein Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde und man das hätte erkennen können, ist zurückzuweisen. Ohne Kenntnis der genauen Einzelbeträge und ohne Kenntnis der Verbuchungen kann kein Rückschluss auf die tatsächliche umsatzsteuerliche Qualifikation getroffen werden. So kann zum Beispiel nicht beurteilt werden, ob Saldierungen stattgefunden haben oder ob rechtswidrig der Umsatz nicht der Umsatzsteuer unterworfen und so die Vorsteuer kompensiert wurde. Genau dieser 2. Fall wurde bei den oben dargestellten KFZ 66 und 95 festgestellt. Es ist daher nicht möglich auf Grund der Betrachtung einer Kennzahl, die sich aus beliebigen (auch rechtswidrigen) Summierungen, Gegenbuchungen oder Saldierungen zusammensetzen, Rückschlüsse auf die Verbuchung zu ziehen. Im Zusammenhang mit betrügerischen Lieferungen wäre eine derartige Betrachtung gänzlich unangebracht. …..

Im Schriftsatz vom zog der Vertreter des Bf. den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Ergänzend wurde vorgebracht, die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld im Sicherstellungsauftrag setze sich aus einer im Vergleich zu den eingereichten Voranmeldungen höheren Umsatzsteuerlast sowie aus nicht anerkannten Vorsteuerbeträgen zusammen.
Vorsteuern (bzw. der entsprechende Rückforderungsanspruch) könnten denkmöglich nur in maximaler Höhe jenes Betrages aberkannt werden, mit dem diese für den jeweiligen Zeitraum geltend gemacht worden seien. Dementsprechend bilde der in der Kz 60 der betreffenden Umsatzsteuervoranmeldung angegebene Betrag die Höchstgrenze für die Berücksichtigung von Vorsteuern im Rahmen des Sicherstellungsauftrages. In der Kz 60 fänden keine Summierungen, Gegenbuchungen oder Saldierungen statt. Die tatsächlich geltend gemachten Vorsteuern hätte die Behörde durch Ablesen der Kennzahl ermitteln und die Beträge ihrer eigenen Kalkulation gegenüberstellen können:


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Zeitraum
Vorsteuer lt. SA
KZ 60
02/2020
15.333,33
670,37
05/2020
19.166,67
4.149,86
09/2020
34.999,98
3.047,62
Summe
69.499,98
7.867,85
Überhöhte Sicherstellung
61.632,13

Die Argumentation der Behörde hinsichtlich einer möglichen Kompensation einer nicht abgeführten Umsatzsteuer aus einem an sich umsatzsteuerpflichtigen Vorgang mit einer gar nicht geltend gemachten Vorsteuer sei nicht nachvollziehbar. Im angefochtenen Bescheid habe die Behörde einen angeblich überhöhten Vorsteuerabzug als Grundlage der Sicherstellung angeführt. Von einem "nicht vorgenommenen Vorsteuerabzug", der durch nicht objektivierbare Vorgänge kompensiert worden sein solle, sei nie die Rede gewesen.
Nach der Rechtsprechung sei auch eine periodenübergreifende Summierung von Abgabenansprüchen für Zwecke eines Sicherstellungsauftrages nicht zulässig. Aus einer
ex-ante Sicht sei der Sicherstellungsauftrag hinsichtlich einer voraussichtlichen Abgabenschuld in der Höhe von 61.632,13 € jedenfalls überhöht ergangen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 232 Abs. 1 und 2 BAO lauten:
Die Abgabenbehörde kann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) hat zu enthalten:
a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;
b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;
c) den Vermerk, dass die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;
d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Nach dieser Bestimmung kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, wobei dieser durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages ist somit zwischen der Entstehung des Abgabenanspruches, auch wenn die Abgabenschuld dem Ausmaß nach noch nicht feststeht, und dem Eintritt der Vollstreckbarkeit zulässig.
Die Vollstreckbarkeit tritt gemäß § 226 BAO ein, wenn bescheidmäßig festgesetzte oder selbstberechnete Abgabenschuldigkeiten nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wurden. Einbringungsmaßnahmen dürfen frühestens ab dem Eintritt der Vollstreckbarkeit gesetzt werden.

Die Verwirklichung des Tatbestandes muss im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages oder in der diesen bestätigenden Entscheidung dargetan werden. Die Begründung muss in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren ().

Dazu wird im vorliegenden Fall ausgeführt:
Zum Vorbringen der Bf., das Finanzamt gehe fälschlicherweise von "Scheinlieferungen" aus, obwohl die Lieferungen stattgefunden hätten, wurde vom Finanzamt bereits in der Beschwerdevorentscheidung darauf hingewiesen, dass es sich um (tatsächliche) Lieferungen handelt, die aber nicht von den in den Eingangsrechnungen ausgewiesenen Unternehmen erbracht wurden. Die Ausstellung von Scheinrechnungen sei offensichtlich zu dem Zweck erfolgt, die Vorsteuer bzw. die Differenzbesteuerung beim Weiterverkauf der Fahrzeuge in Anspruch nehmen zu können, weshalb es sich um "Scheinlieferungen" der rechnungslegenden (nicht existenten) Firmen handle.

Im angefochtenen Sicherstellungsauftrag wurde festgestellt, dass die Bf. laut vorliegenden Rechnungen von diversen Lieferanten (L1, L2, L3, KFZ Handels L4, MM e.U.) Fahrzeuge bezogen hat. Im Zuge von Ermittlungen der Steuerfahndung wurde festgestellt, dass die Fahrzeuge mittels Scheinrechnungen angekauft wurden, weshalb gemäß § 24 Abs. 1 UStG 1994 weder die Anwendung der Differenzbesteuerung noch die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges zulässig sei.

Die Bf. brachte durch ihren Vertreter in der Beschwerde dazu vor, der Bescheid lasse jede Begründung dahingehend vermissen, warum ihr keine Gutgläubigkeit zu attestieren sei. Es würden zwar Malversationen der Lieferanten aufgezeigt, ohne nachvollziehbar darzulegen, wie die Bf. diese hätte erkennen können.

Im Einzelnen wird dazu festgestellt:

1. KFZ Handel L1 (L1)

Das Unternehmen wurde am gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) als Scheinunternehmen eingestuft. Am wurde über das Unternehmen das Konkursverfahren eröffnet. Am kaufte die Bf. vom Kfz-Handel L1 zwei Sportwägen.

Im Zuge einer Zeugeneinvernahme vor der Landespolizeidirektion Wien am gab der Geschäftsführer der Bf., G, zu Protokoll, er habe im März 2019 zwei Fahrzeuge der Marke BMW von der Firma Autohandel L1 gekauft. Er habe auf einem Parkplatz neben einem Cafe in der Triesterstraße einen BMW mit blauem Probekennzeichen stehen gesehen. Er sei in das Cafe gegangen und habe sich wegen des Autos erkundigt. Eine männliche Person (laut Ausweisen L1) habe ihm (auf englisch) erklärt, er wolle das Auto verkaufen und habe ihm auch ein Foto von einem weiteren PKW gezeigt. Daraufhin habe er (G) eine Whats app an ihm bekannte Autohändler geschickt. A habe sich gemeldet und Interesse an beiden Fahrzeugen bekundet, weshalb er beide Fahrzeuge um 80.000 € von L1 gekauft habe.
Der Verkäufer habe einen Laptop und einen Drucker dabei gehabt. Er habe eine Kopie seines Reisepasses und seines Personalausweises ausgedruckt und ihm übergeben.
Angesichts der geschilderten dubiosen Ankaufsmodalitäten der Fahrzeuge kann nach der Lebenserfahrung nicht davon ausgegangen werde, dass der Geschäftsführer der Bf. beim Ankauf der Fahrzeuge in gutem Glauben war, von einem Unternehmer rechtskonform Fahrzeuge zu kaufen. Bei Englisch sprechenden rumänischen Staatsbürgern, die am Parkplatz eines Cafes mehrere Autos um 80.000 € in bar verkaufen, kann die behauptete Gutgläubigkeit nicht vorgelegen sein.

2. L2, IL2

Nach den in der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom , ABNr., getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Einzelunternehmens IL2 (Firmenbezeichnung laut vorliegender Rechnung vom über den Verkauf eines BMW M3 Competition über 45.000 €: L2. e.U. Inh. IL2) geht hervor, dass die in den Eingangsrechnungen verzeichneten Fahrzeuge - meist PKW der Luxusklasse - mit einem geringen Aufschlag u.a. an die Bf. weiterfakturiert wurden.

Angebote hochpreisiger Fahrzeuge wurden von Herrn R, Geschäftsführer der R.GmbH, telefonisch unterbreitet. Anschließend traf man sich in einem Kaffeehaus und das Verkaufsobjekt wurde auf dem Handy begutachtet. Die Kaufpreisvereinbarung erfolgte meist mündlich; in weiterer Folge wurden die Geschäftsführer der A.GmbH oder der Bf. angerufen, um über den Weiterverkauf des jeweiligen Fahrzeuges zu verhandeln. Diesfalls wurde der Kaufpreis wiederum telefonisch ausgemacht. Die Lieferung der Fahrzeuge erfolgte ausschließlich durch Herrn R an der Geschäftsanschrift des jeweiligen Käufers. IL2 wartete am Firmengelände der kaufenden Firmen, erhielt von R die Eingangsrechnung sowie die Fahrzeugpapiere und -schlüssel, um diese gleich ins Büro der potentiellen Käufer zu bringen. Die Geschäftsführer der Käufer übergaben den vereinbarten Kaufpreis in bar, IL2 übernahm diesen und beglich - nach Einbehalt eines geringen Aufschlags - den Kaufspreis an R. Mit den Fahrzeugen wurde meist nur eine kleine Proberunde um den Häuserblock gefahren, bevor das Geschäft vollzogen wurde.

Die R.GmbH scheint auf der gemäß § 8 SBBG vom Bundesministerium für Finanzen im Internet veröffentlicht Liste der rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen auf. Der Geschäftsführer ist nicht greifbar; die Firmenadresse ist eine Postkastenadresse, an der kein operativer Geschäftsbetrieb stattfindet.

Auf den Ausgangsfakturen des IL2 wird als Firmenadresse Adresse 2, angeführt. Dabei handelt es sich um einen Bauplatz, auf dem eine Wohnhausanlage errichtet wird.

Das Finanzamt stellte weiters fest, dass von der Eröffnung des Fahrzeughandels im April 2018 bis April 2019 lediglich 16 Fahrzeuge zu einem Bruttoverkaufspreis von 240.000 € differenzbesteuert verkauft wurden. Im Zeitraum Mai und Juni 2019 wurden (ohne Homepage, ohne Büro, ohne Abstellplatz) von IL2 hingegen Verkäufe in der Höhe von 1.185.000 € fakturiert.

Im Zuge einer Beschuldigtenvernehmung vor der Landespolizeidirektion Wien am beantwortete der Geschäftsführer der Bf., G, die Frage "Haben Sie von der Firma L2 Autos angekauft?" wie folgt: "Ich möchte diese Frage nicht beantworten".

Richtig ist der Einwand der Bf. in der Beschwerde, dass ihr der vom Finanzamt bei IL2 festgestellte enorme Umsatzanstieg in den Monaten Mai und Juli 2019 nicht bekannt sein musste. Das Finanzamt ist aber nicht aufgrund dieses unerklärlichen Umsatzanstieges von der Schlechtgläubigkeit des Geschäftsführers der Bf. ausgegangen, sondern aufgrund der im Wirtschaftsleben unüblichen Geschäftsabläufe beim Erwerb der Fahrzeuge durch die Bf.:
Dem Geschäftsführer der Bf. kann im Zuge der Preisverhandlungen und der Übergabe der Fahrzeuge nicht entgangen sein, dass IL2 beim Verkauf der Fahrzeuge lediglich "zwischengeschaltet" war und der Verkauf der Fahrzeuge durch R stattfand. Allein dieser Umstand hätte den Geschäftsführer alarmieren müssen; die Übergabe des vereinbarten Kaufpreises in bar ist im Geschäftsleben unüblich und dient ausschließlich der Verschleierung der Geldflüsse.
Eine Aufklärung der Geschäftsvorgänge durch G erfolgte nicht.
Von einer Gutgläubigkeit des Geschäftsführers beim Kauf der Fahrzeuge kann daher nicht ausgegangen werden.

3. L3

Die Geschäftsanteile der L3 wurden am an den in Österreich nicht gemeldeten rumänischen Staatsbürger R verkauft. Die Bf. kaufte im Zeitraum bis insgesamt 15 Kfz von der L3. An der Firmenadresse Adresse 3, hat die L3 keinen Sitz.

Im Zuge einer Beschuldigtenvernehmung vor der Landespolizeidirektion Wien am beantwortete der Geschäftsführer der Bf., G, die Frage "Was können Sie zur Firma L3 angeben?" wie folgt: "Ich möchte diese Frage nicht beantworten".

Das Finanzamt argumentiert, dass es denkunmöglich sei, dass ein rumänischer Staatsbürger innerhalb von 3 Monaten 15 Fahrzeuge über die nicht feststellbar tätige und nicht auffindbare L3 an die Bf. verkauft habe.
In der Beschwerde wird dagegen eingewendet, die unrichtige Firmenadresse hätte dem Geschäftsführer der Bf. nicht auffallen müssen.
Dem Geschäftsführer der Bf. war aber R bekannt, der ihm bereits im Frühjahr 2019 Fahrzeuge gegen Barzahlung verkauft hatte (siehe Ausführungen unter Punkt 2). Dass an einer Wiener Innenstadtadresse (ohne Abstellplatz) der Sitz einer Autohandelsfirma sein sollte, die in 4 Monaten 15 hochpreisige Autos weiterverkauft, hätte angesichts dieser Fakten einer näheren Überprüfung bedurft.
Eine Aufklärung der Geschäftsabläufe erfolgte seitens des Geschäftsführers der Bf. nicht.

4. KFZ Handels L4, L4

Die Schlussfolgerung des Finanzamtes, es sei davon auszugehen, dass jene hochpreisigen KFZ, die laut Eingangsrechnung von der KFZ Handels L4 an die Bf. gelieferten Fahrzeuge nicht von der KFZ Handels L4 geliefert worden sind und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist ausreichend begründet.
Vom slowakischen Staatsbürger L4 wurde beim Finanzamt ab Dezember 2019 ein Gewerbebetrieb mit dem Schwerpunkt Malerei und Entrümpelung angemeldet.
Das Finanzamt konnte im Zuge einer im Dezember 2020 angemeldeten Prüfung keinen Kontakt zu L4 aufnehmen.
Eine Aufklärung über diese Geschäftsbeziehung durch den Geschäftsführer der Bf. erfolgte nicht.
Darüber hinaus ist angesichts vorliegender Rechnungen davon auszugehen, dass das Fahrzeug WP0ZZZ99ZHS173576 von der Bf. am verkauft wurde, während der Erwerb von der "Kfz Handels L4" angeblich am erfolgte.
Dass der Bf. keine Gutgläubigkeit zu attestieren ist, wird vom Finanzamt wiederum nicht aus den Malversationen der Lieferanten abgeleitet, sondern aus den Malversationen der Bf. selbst. Der Ankauf von Fahrzeugen der Luxuskategorie bei einem tschechischen Staatsbürger, der ein Unternehmen für Entrümpelung anmeldet, belegt, dass von der Bf. Scheinfirmen zur Verschleierung von Fahrzeugankäufen benutzt wurden. Auch in diesem Fall kann von Gutgläubigkeit der Bf. keine Rede sein.

5. L5

In den Akten befindet sich eine Rechnung von L5 Inh: L5, Adresse 5, vom über den Ankauf eines Porsche Panamera 4E-Hybrid über 95.000 €. Eine UID-Nummer des Unternehmens ist auf der Rechnung des Unternehmens nicht angeführt.

Ein Lokalaugenschein ergab, dass an dieser Adresse von L5 ein Getränkeverkauf, aber kein Kfz-Handel betrieben wird. L5 hat von einer Firma "L5" noch nie gehört. Die Unterschriften auf den Kaufverträgen und Barzahlungsquittungen stammen nicht von L5.

Im Zuge einer Beschuldigtenvernehmung vor der Landespolizeidirektion Wien am beantwortete der Geschäftsführer der Bf., G, die Frage "Was können Sie zur Firma L5 angeben?" wie folgt: "Ich möchte diese Frage nicht beantworten".

Dem Vorbringen in der Beschwerde, dass aus Unstimmigkeiten im Schriftbild auf Quittungen nicht ohne Weiteres geschlossen werden könne, dass dies auch dem Geschäftsführer "im Rahmen einer angemessenen Prüfroutine" auffallen hätte müssen, geschweige denn, dass er hätte erkennen müssen, dass er es mit auf Abgabenhinterziehung ausgerichteten Unternehmen zu tun hatte, ist entgegenzuhalten, dass der aus den ermittelten Fakten vom Finanzamt gezogene Schluss, der Geschäftsführer der Bf. sei an der Erstellung von Scheinrechnungen für die Gesellschaft beteiligt gewesen, nach der Lebenserfahreng wesentlich näher liegt.
Als Händler hochpreisiger Fahrzeuge kennt man Handelsunternehmen in der gleichen Sparte und im gleichen Umfeld. Es ist daher unverständlich, dass die Bf. nach ihrem Vorbringen drei Fahrzeuge der Luxusklasse von einem ihr unbekannten Unternehmer kauft, der sich als L5 ausgibt, ohne diesen Verkäufer oder sein Unternehmen in irgendeiner Form zu überprüfen. Letztlich hat es der Geschäftsführer der Bf. unterlassen, die Umstände der Lieferungen von der L5 aufzuklären und seine Gutgläubigkeit beim Fahrzeugkauf darzulegen.
Die Feststellung des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung, es sei in der Zwischenzeit der Beweis erbracht worden, dass die Bf. an der Erstellung von Scheinrechnungen mitgewirkt habe, wurde im Vorlageantrag und im Schriftsatz vom nicht bestritten.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die im angefochtenen Sicherstellungsauftrag angeführten Fahrzeuglieferungen nicht von den in den Eingangsrechnungen angeführten Unternehmen erbracht wurden, weshalb der Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen nicht geltend gemacht und die Differenzbesteuerung nicht angewendet werden kann. Der Abgabenanspruch hinsichtlich der im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Umsatzsteuerschuldigkeiten ist daher unzweifelhaft entstanden.

Höhe des Abgabenanspruches

Die Bf. bringt im Schriftsatz vom vor, die Abgabenbehörde habe in den Umsatzsteuervoranmeldungen 02, 05 und 09/2022 (angeblich) geltend gemachte Vorsteuern in einer Höhe aberkannt, die den angemeldeten Vorsteuerbetrag um insgesamt 61.632,13 € übersteigen.

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist dem § 270 BAO zufolge auch auf im Beschwerdeverfahren der Behörde zur Kenntnis gelangte neue Tatsachen und Beweise, soweit sie im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Sicherstellungsauftrages objektiv gegeben waren, Bedacht zu nehmen (VwGH 2012/115/0036).
Die Ermittlung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld ist für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nicht erforderlich (siehe ).
Dennoch schließt sich das BFG den Ausführungen der Bf. im Schriftsatz vom an, wonach die Sicherstellung von nicht anerkannten Vorsteuerbeträgen mangels Vorliegen entsprechender Feststellungen nicht in einem höheren Ausmaß erfolgen kann als an Vorsteuer in den jeweiligen Umsatzsteuervoranmeldungen geltend gemacht wurde. Aus den in der Beschwerdevorlage vom Vertreters des Finanzamtes ins Spiel gebrachten möglichen Saldierungen oder Kompensationen der Vorsteuer kann nicht fundiert auf die Höhe der sicherzustellenden Umsatzsteuer in den einzelnen Voranmeldungszeiträumen geschlossen werden, weshalb der Beschwerde im von der Bf. geltend gemachten Ausmaß von 61.632,13 € stattzugeben war.

Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Abgabeneinbringung

Von einer Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung von Abgaben im Sinne der Bestimmung des § 232 BAO ist im Wesentlichen dann zu sprechen, wenn aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint ().

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () sind derartige Gefährdungen oder Erschwerungen u.a. bei drohendem Konkurs- oder Ausgleichsverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite, bei Auswanderungsabsicht, bei Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte oder bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben. Auch schwerwiegende Mängel in den Büchern und Aufzeichnungen, welche die Annahme begründen, dass sich der Abgabenpflichtige auch der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten wird, rechtfertigen ebenso wie eine erhebliche Verschuldung des Abgabenpflichtigen, die einen Zugriff anderer Gläubiger auf sein Vermögen befürchten lässt, eine Maßnahme nach § 232 BAO.

Der Ansicht des Finanzamtes, die Ausstellung von Scheinrechnungen sei offensichtlich zu dem Zweck erfolgt, die Vorsteuer bzw. die Differenzbesteuerung beim Weiterverkauf der Fahrzeuge in Anspruch nehmen zu können, obwohl diese Voraussetzungen nicht vorlagen, ist aufgrund der vom Finanzamt durchgeführten Ermittlungen im Geschäftsumfeld der Bf. sowie der vorliegenden Fakten begründet. Es besteht daher der ausreichende Verdacht der Abgabenhinterziehung sowohl beim Geschäftsführer als auch bei der Bf. selbst.

Ob eine Gefährdung der Einbringung von Abgaben vorliegt, ist auf Grund der Gegenüberstellung der Abgabenforderung und des zur Begleichung der Forderung zur Verfügung stehenden Einkommens und Vermögens zu beurteilen. Es reicht, wenn das Aufkommen in Gefahr gerät ().
Dazu hat das Finanzamt im Sicherstellungsauftrag festgestellt, dass aus dem beim Firmenbuch eingereichten Jahresabschluss zum hervorgeht, dass die Bf. über ein Eigenkapital in der Höhe von 83.084,16 € verfügt. Der Bilanzgewinn betrug 2019 81.263,49 €. Die finanziellen Verhältnisse basieren daher entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde nicht auf bloßen Vermutungen des Finanzamtes. Selbst unter Berücksichtigung der Herabsetzung der Sicherstellungsbeträge ist angesichts der zu erwartenden Nachforderung von über 250.000 € und dem Eigenkapital der Bf. von lediglich 83.000 € von einer wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung auszugehen. Dass aufgrund der Vermögens- und der Ertragslage der Bf. die in Rede stehenden Abgaben nicht in einem absehbaren Zeitraum getilgt werden können, ist evident.
Im Übrigen wurde seitens der Bf. zu ihrer Einkommens- und Vermögenslage im gesamten Verfahren keinerlei Vorbringen erstattet.

Ermessen

Das der Abgabenbehörde eingeräumte Ermessen erfordert gemäß § 20 BAO die Beachtung der Grundsätze der Billigkeit und Zweckmäßigkeit. Bei der Ermessensübung sind demnach berechtigte Interessen des Abgabepflichtigen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände abzuwägen (vgl. ).
Aus der zwingenden Tatbestandsvoraussetzung der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben ergibt sich nach Auffassung des VwGH, dass nur durch die Sofortmaßnahme dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben Rechnung getragen werden kann. Die berechtigten Interessen des Abgabepflichtigen werden daher grundsätzlich in den Hintergrund treten. Nur in Ausnahmefällen - etwa bei Geringfügigkeit des zu sichernden Betrages oder der zu erlangenden Sicherheit - ist daher von der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages abzusehen ().

Ein solcher Ausnahmefall liegt gegenständlich nicht vor.
Zur Ermessensentscheidung des Finanzamtes hat die Bf. kein Vorbringen erstattet.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß teilweise stattzugeben.

Zum Spruchpunkt Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 232 Abs. 1 und 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102561.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at