Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.06.2022, RV/7100269/2019

Angemessenheit Schmutzzulage

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela Fischer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Karin Gmeiner RA, Werdertorgasse 14/6, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Haftungsbescheid / Lohnsteuer 2009, 2010 und 2011, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

  1. Der Beschwerde betreffend die Jahre 2009 und 2010 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

  2. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
    Die Lohnsteuer 2009 wird festgesetzt iHv Euro 690,56;
    die Lohnsteuer 2010 wird festgesetzt iHv Euro 685,53,
    Der Beschwerde betreffend das Jahr 2011 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
    Der Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  1. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bei der Beschwerdeführerin (Bf.) die einen Rauchfangkehrerbetrieb führt, wurde für die Jahre 2009 bis 2011 eine Prüfung u.a. hinsichtlich Lohnsteuer durchgeführt und mit Bericht vom abgeschlossen. Infolge der getroffenen Feststellungen wurden Haftungsbescheide betreffend Abfuhr von Lohnsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 jeweils mit Datum erlassen. Die Nachforderungen an Lohnsteuer für zwei Arbeitnehmer betrugen:
2009: LSt - 1.494,48,
2010: LSt - 1.810,66
2011: LSt - 308,08.

Gegenständlich ist das fortgesetzte Verfahren nach dem Erkenntnis des VwGH, Ra 2018/13/0001 vom , nach Amtsrevision gegen die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes (BFG), GZ. RV/7101571/2017 vom zur Beschwerde der Bf. vom gegen die Bescheide vom .
Das BFG hatte über die Lohnsteuerpflicht der an Rauchfangkehrer lt. Kollektivvertrag gewährten Schmutzzulage für die Jahre 2009, 2010 und 2011 zu entscheiden.

Die Grundlage der ursprünglichen Beschwerde bildeten die, nach der für den Zeitraum 2009 bis 2011 erfolgten GPLA, getroffenen Feststellungen betreffend Lohnsteuer.
Die GPLA stellte im Bericht vom fest, dass die im geprüften Zeitraum an die Rauchfangkehrer steuerfrei ausbezahlte Schmutzzulage von 18% lt. Kollektivvertrag (gem. § 68 Abs. 1 EStG) nur in Höhe von 8% des Grundlohnes als zulässig anerkannt werde. Begründet wurde die Besteuerung mit Hinweis auf eine diesbezügliche Bestimmung im (Rz. 11130, LStR 2002, 2. Wartungserlass 2008).

Nach Vorlage der Beschwerde wurde dieser mit Erkenntnis des stattgegeben.
Das BFG war bei Beurteilung der Unterlagen und der Angaben zu den Arbeitsbedingungen der Rauchfangkehrer im Betrieb der Bf. zum Schluss gekommen, dass die Höhe der Schmutzzulage lt. Kollektivvertrag Wien und deren Steuerfreiheit iSd § 68 EStG 1988 unter Bezug auf die österreichweit zur Auszahlung gelangenden Zulagen für Rauchfangkehrer als angemessen zu beurteilen war.

Im Erkenntnis des wurde auf das Erkenntnis vom , Ra 2017/15/0025, zur gleichen Thematik, verwiesen.
Nach Beurteilung des VwGH basierte die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des BFG auf dem Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung für die Anerkennung der strittigen Zulage in Höhe eines prozentuellen Durchschnittwertes.
Der VwGH stellte als unstrittig fest, dass die Arbeitsleistungen der Rauchfangkehrer zwangsläufig in erheblichem Maß eine Verschmutzung und Verunreinigung des Arbeitnehmers und der Kleidung bewirkte und derartige Arbeiten auch überwiegend verrichtet wurden. Hinsichtlich der Höhe der Zulage und der in diesem Zusammenhang grundsätzlich möglichen "Angemessenheitsprüfung" hatte der VwGH das Schätzungselement bejaht. Wie weiter ausgeführt war, fehlte es aber an der Ermittlung der Schätzungsgrundlagen. Die Begründung der Angemessenheit allein auf Basis des arithmetischen Mittels der in anderen Bundesländern ausgezahlten Zulage stellte einen Begründungsmangel dar.

In den weiteren Erkenntnissen des VwGH zum gleichen Thema zeigte der VwGH auf, dass für die Feststellung der Angemessenheit der Schmutzzulage eine Kostenschätzung die Grundlage bilden kann.
Es handelte sich um die folgenden Erkenntnisse: ; , Ra 2020/15/0093; , Ra 2020/15/0114. Auch in der Literatur befasste man sich mit der Thematik: s. Zorn, RdW 2021/467, RdW 2021, 579 - Heft 8 v. .
Die Angemessenheit der Schmutzzulage wäre nach den Ausführungen des VwGH in Relation zu den tatsächlichen (durchschnittlich oder typischerweise) anfallenden Aufwendungen zu beurteilen. Dabei ginge es, wie der VwGH anführte, um den Sach- und Zeit(mehr)aufwand, der dem Arbeitnehmer durch die Beseitigung der Verschmutzung üblicherweise erwächst. Erst auf Basis festgestellter üblicher Kosten, ggf. in Form pauschaler Beträge, könne auf das angemessene Ausmaß einer Schmutzzulage geschlossen werden.

Eine solche Angemessenheitsprüfung war durch die Behörde/GPLA im bisherigen Verfahren nicht erfolgt. Der Anerkennung der Zulage, lt. Erlass, iHv 8% des Grundlohns als steuerfrei lagen keine Sachverhaltsfeststellungen zum infolge der Arbeitsleistung der Rauchfangkehrer entstehenden Verschmutzungsgrad und den daraus folgenden Reinigungskosten und Aufwendungen zugrunde.

Mit an das BFG gerichtetem Schriftsatz vom brachte die Bf. ein ergänzendes Vorbringen zur strittigen Frage der Höhe der steuerfrei belassenen Schmutzzulage ein. Der Schriftsatz enthielt u.a. Berechnungen und die Schätzung des Aufwandes, insbesondere zur Frage der Kosten, die dem einzelnen Rauchfangkehrer entstehen würden.

Die Bf. berechnete die Reinigungskosten der Kleidung der Rauchfangkehrer, wobei eine Differenzierung zwischen spezieller Lederbekleidung für den Winter und für besondere Kehrungen (Schliefer-Fänge) und festem Stoffgewand, das in der kalten als auch warmen Jahreszeit getragen werde, erfolgt war. Auch hinsichtlich der Häufigkeit der Reinigung (pro Woche, pro Monat) wurde diesbezüglich differenziert. Schließlich erfolgte eine Gewichtung der Kosten für die Kleidung der Jahreszeit entsprechend. Die Bf. legte den Berechnungen Preise laut Listen für Reinigung aus dem Jahr 2020 zugrunde.
Die Schätzung ergab für die spezielle Lederbekleidung einen Monatsbetrag von Euro 281,60; für das feste Stoffgewand ergab sich ein Monatsbetrag von Euro 208,00.
Für die Reinigung der Kleidung wurde ein Jahresbetrag von Euro 2.753,60 ermittelt.
Infolge der Verschmutzung durch Ruß wurde ein zusätzlicher Aufwand für die Körperreinigung, für hochwertiges Duschgel, Shampoo und pflegende Creme, angesetzt. Die Bf. kam dabei auf Kosten von Euro 90,00 pro Monat, 1.080,00 pro Jahr.
Insgesamt wurden Jahreskosten von Euro 3.833,60 geschätzt.
Die Bf. hielt fest, dass daher die Höhe der in den Jahren 2009 bis 2011 gewährten, steuerfreien, Zulage (Euro 3.960,00) als gerechtfertigt zu beurteilen sei.
Es war angegeben, dass die Bf. über keine die Aufwendungen betreffenden Rechnungen oder Belege verfüge, wurde die Reinigung doch von den Mitarbeitern veranlasst.

Mit wurde dieser Schriftsatz der Behörde iSd Parteiengehörs übermittelt und um Stellungnahme dazu ersucht.
Unter Hinweis auf die zum Thema vorliegende Rechtsprechung des VwGH wurde die Behörde ersucht darzulegen aus welchen Gründen die Höhe der durch die Bf. steuerfrei gewährten Schmutzzulage als unangemessen zu beurteilen sei und seien diese durch entsprechende Ermittlungen und Feststellungen zum Sachverhalt nachvollziehbar darzulegen. Bei Durchführung einer Angemessenheitsprüfung in Form einer Schätzung der Kosten wären die Schätzungsgrundlagen anzugeben und darzulegen woraus etwaige Abweichungen zur bisher steuerfrei gewährten Schmutzzulage resultierten.

Die Stellungnahme der Behörde wurde dem BFG am übermittelt.
Einleitend war festgehalten, dass dem Argument der Bf. entgegengetreten werde, dass die Gewährung einer steuerfreien Schmutzzulage von 18% des Grundlohnes rechtmäßig sei, weil der anzuwendende Kollektivvertrag diesen Satz vorgesehen habe. Weder aus der Verpflichtung des Dienstgebers vereinbarte Entgelte für vereinbarte Leistungen zahlen zu müssen, noch aus Bestimmungen des Kollektivvertrages über eine Schmutzzulage in einer bestimmten Höhe, sei deren Steuerfreiheit abzuleiten. Wäre dies der Fall, so läge es in der Hand der Vertragspartner grundsätzlich steuerpflichtige Entgelte in eine steuerfreie Sphäre zu verschieben und so das Steueraufkommen des Bundes unzulässig zu mindern.
Die Behörde habe Ermittlungen bezüglich der Kosten der Dienstnehmer für Körperpflege und Kleiderreinigung durchgeführt. Es seien vier (ehemalige) Dienstnehmer der Bf. befragt worden. Demzufolge sei die Oberbekleidung (Jacke und Hose mit Ledereinsatz) vom Dienstgeber zur Verfügung gestellt worden. Die Reinigung sei auf Kosten der Dienstnehmer durch Textilreinigungsunternehmen erfolgt. Die handelsübliche Unterkleidung aus Stoff sei privat beigestellt und privat gereinigt worden. Duschen sei in der Arbeitszeit möglich gewesen. Die Pflegemittel seien von den Dienstnehmern privat bezahlt worden. Aufzeichnungen oder Belege über die entstandenen Kosten gab es nicht.

Zur Ermittlung der Kosten im Schätzungswege führte die Behörde an, dass grundsätzlich die Angaben der Bf. zur Orientierung herangezogen worden seien. Es sei auch die angegebene Häufigkeit der Kleiderreinigung anerkannt worden. Jedoch seien die aus dem Jahr 2020 stammenden Preise inflationsbedingt (12 Jahre) nach unten korrigiert worden.
Zur Berechnung der Reinigung der Oberbekleidung mit Ledereinsatz seien, die Inflation betreffend, die Daten der WKO Österreich herangezogen worden. Der Index des Jahres 1995 war mit 100 festgelegt. Die Indexzahlen betrugen für 2009 - 127,6; 2010 - 130; 2011 - 134,3 (https://wko.at/statistik/prognose/inflation.pdf). Für die Vergleichsrechnung sei der Teuerungswert das Jahres 2010 mit 130 und der Wert des Jahres 2020 mit 155,6 herangezogen worden.
Zum Punkt Reinigung der privaten Unterbekleidung hielt die Behörde fest, dass die Schätzung der Bf. exorbitant hoch wäre (Euro 208,00/Monat). Die Ermittlungen der Behörde hätten ergeben, dass die handelsübliche, private Unterbekleidung zu Hause mit der Privatwäsche in der Waschmaschine gereinigt worden sei. Es sei die private Wäsche keinem Reinigungsunternehmen übergeben worden, dies hätte auch der Lebenserfahrung widersprochen. Es seien keine sensiblen Textilien vorgelegen für deren Reinigung Spezialwissen erforderlich gewesen wäre. Ein Herausrechnen von Kosten für die Reinigung der Unterbekleidung aus den Kosten für die tägliche private Wäsche sei unverhältnismäßig. Daher habe die Behörde dafür einen Wert von Euro 20,00/Monat als Kosten angenommen.
Zum Aufwand für Körperreinigung war festgehalten, dass der dafür angesetzte Wert der Bf. von nahezu Euro 100,00 der Lebenserfahrung widerspreche. Bedenke man, dass günstige Duschgels für sensible Haut (für die tägliche Dusche) teilweise unter Euro 3,00 kosten und diese für einen Monat ausreichten, sei der durch die Behörde angesetzte Wert von Euro 30,00 als großzügig zu sehen.

Die Schätzung der Behörde ergab die folgenden Werte:
Reinigung der speziellen Oberbekleidung Euro 208,00/Monat (Wert der Bf. 281,60),
Reinigung der privaten Unterbekleidung Euro 20,00/Monat (Wert der Bf. 208,00),
Körperreinigung Euro 30,00/Monat (Wert der Bf. 90,00).
Insgesamt resultiere daraus ein Betrag von Euro 258,00/Monat.

Es wurde außer Streit gestellt, dass die Mitarbeiter die Reinigung der Lederbekleidung und der privaten Unterbekleidung selbst veranlasst haben.

Die Behörde merkte an, dass jeder fixe Prozentsatz des Grundlohnes sich als untauglicher Parameter für die Beurteilung der Angemessenheit einer Schmutzzulage erwiesen habe. Nach der Judikatur des VwGH ist "für sich genommen" kein bestimmter Prozentsatz als angemessen anzusehen. Eine mit einem Prozentsatz des Grundlohnes bemessene Zulage verändere sich mit der Höhe des Grundlohnes nach oben, ohne dass für Rauchfangkehrer die besser verdienen die Kosten der Reinigung steigen würden.
Es bestünden für die Behörde keine Bedenken den geschätzten monatlichen Betrag auf zwölf Monate hochzurechnen. Dabei seien aber Zeiten in welchen kein Reinigungsaufwand entstehen kann (Urlaub, Feiertage) abzuziehen.
Die Behörde beantragte daher den ermittelten geschätzten Jahresaufwand durch 52 (Wochen) zu dividieren und mit 45 (Wochen) zu multiplizieren (d.h. Abzug von 5 Wochen Urlaub und 2 weitere Wochen Feiertage).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Entsprechend der Bestimmung des § 63 Abs. 1 VwGG , sind die Verwaltungsgerichte und Verwaltungsbehörden, wenn der VwGH einer Revision stattgegeben hat, verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit denen ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Gegenständlich war das fortgesetzte Verfahren nach dem Erkenntnis des Ra 2018/13/0001.
Da mit diesem Erkenntnis die stattgebende Entscheidung des BFG zur Beschwerde der Bf. vom gegen die Haftungsbescheide zur Lohnsteuer für die Jahre 2009, 2010 und 2011 vom , wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde, war die Beschwerde wieder unerledigt.

Strittig war in welcher Höhe die laut Kollektivvertrag für das Rauchfangkehrergewerbe für das Land Wien in den Jahren 2009 bis 2011 zwei Mitarbeitern der Bf. gewährte Schmutzzulage iSd § 68 Abs. 1 EStG für die Beurteilung der Steuerfreiheit als angemessen zu beurteilen war.
Die Grundlage der Beschwerde der Bf. bildeten die mit Bericht der GPLA vom für den Zeitraum 2009 bis 2011 getroffenen Feststellungen zur die Höhe der steuerfreien Schmutzzulage mit 8% des Grundlohnes auf Basis eines Erlasses des BMF und die in der Folge festgesetzte Lohnsteuer. Die seitens der Bf. steuerfrei ausbezahlte Schmutzzulage auf Basis der Zulage von 18% laut Kollektivvertrag war als nicht zulässig beurteilt worden (siehe Entscheidungsgründe).

Der VwGH begründete, unter Verweis auf sein zur gleichen Thematik ergangenes, früheres Erkenntnis, Ra 2017/15/0025, die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des BFG zur Beschwerde der Bf. damit, dass eine nachvollziehbare Begründung für die Anerkennung der strittigen Zulage in Höhe eines prozentuellen Durchschnittwertes fehlte.
Der VwGH bejahte zwar grundsätzlich die Möglichkeit einer "Angemessenheitsprüfung" und das darin enthaltene Schätzungselement. Es fehlten aber die entsprechenden Schätzungsgrundlagen. Die Begründung der Angemessenheit allein auf Basis des arithmetischen Mittels der in anderen Bundesländern ausgezahlten Zulage wurde als nicht ausreichend beurteilt.
Auch mit seinen folgenden, zur gleichen Thematik, ergangenen Erkenntnissen zeigte der VwGH auf, dass für die Feststellung der Angemessenheit der Schmutzzulage eine Kostenschätzung als Grundlage dienen kann (vgl. ; ; ).

Gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 sind Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei.

Laut Kollektivvertrag für das Rauchfangkehrergewerbe für das Land Wien bestand ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf Schmutzzulage IHv 18% des Normalstundenlohnes.

Der VwGH als auch die Behörde hielten als unstrittig fest, dass die Arbeitsleistungen der Rauchfangkehrer zwangsläufig in erheblichem Maß eine Verschmutzung und Verunreinigung des Arbeitnehmers und der Kleidung bewirkte und derartige Arbeiten auch überwiegend verrichtet wurden.

Somit war außer Streit gestellt, dass durch die Bf. sowohl die materielle als auch die formelle Voraussetzung für die Begünstigung der Zulage iSd § 68 EStG 1988 erfüllt wurde.

Der VwGH führte aber aus, dass die Angemessenheit der Schmutzzulage in Relation zu den tatsächlichen (durchschnittlich oder typischerweise) anfallenden Aufwendungen zu beurteilen wäre. Dabei ginge es um den Sach- und Zeit(mehr)aufwand, der dem Arbeitnehmer durch die Beseitigung der Verschmutzung üblicherweise erwächst. Erst auf Basis festgestellter üblicher Kosten, ggf. in Form pauschaler Beträge, kann auf das angemessene Ausmaß einer Schmutzzulage geschlossen werden.

Das BFG hatte daher im nunmehr fortgesetzten Verfahren zu prüfen und zu beurteilen, ob und inwieweit die Höhe der in den Jahren 2009 bis 2011 durch die Bf. steuerfrei gewährten Schmutzzulage in Relation zu tatsächlichen Kosten als angemessen zu beurteilen war.
Die Höhe der bisher steuerfrei gewährten Schmutzzulage betrug jährlich pauschal Euro 3.960,00 (Euro 360 x 11).

Die nun durch das BFG durchgeführte Angemessenheitsprüfung, beruhte auf einem Schätzungsverfahren, da konkrete, auf Belegen basierende Kostendaten, nicht vorlagen. Ziel war es jene Werte zu ermitteln, die zum einen mit der Lebenserfahrung im Einklang standen und zum anderen die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hatten. Die einer Schätzung innewohnende gewisse Ungenauigkeit war dabei in Kauf zu nehmen.

Dieser Schätzung wurden in freier Beweiswürdigung grundsätzlich sowohl die seitens der Bf., als auch jene durch die Behörde vorgebrachten Argumente, Ergebnisse der Ermittlungen und Feststellungen zugrunde gelegt.

Das BFG stellte fest, dass für die Berechnungen infolge der unvermeidbaren Verschmutzung und Verunreinigung, insbesondere durch Ruß, sowohl Kosten für die Reinigung der Arbeitskleidung der Rauchfangkehrer, als auch Kosten der Körperreinigung zu berücksichtigen waren.
Es wurde festgestellt, dass die Arbeitskleidung der Rauchfangkehrer aus dem Rußgewand aus strapazierfähigem Stoff mit Lederbesatz (für den Einsatz im Winter und zum Schutz bei speziellen Kehrarbeiten), dem Rußgewand aus festem Stoff (für den Einsatz im ganzen Jahr) und privater Unterbekleidung bestand.

Aufgrund der Verschmutzung mit Ruß erfolgte die Reinigung der beiden Arbeitsoberbekleidungen in Textilreinigungsunternehmen und nicht im privaten Bereich. Dies entsprach den Angaben der durch die Behörde befragten Arbeitnehmer, den Angaben der Bf. und auch der Empfehlung / Arbeitsanweisung Ruß für Zertifizierte Rauchfangkehrer iSd Arbeitnehmerschutzes.
Die Reinigung der üblichen Unterbekleidung erfolgte mit der allgemeinen Wäsche zu Hause privat.

Hinsichtlich der Höhe der Reinigungskosten für die Jahre 2009 bis 2011 folgte das BFG den Argumenten der Behörde insoweit, als die durch die Bf. im Schriftsatz vom angegebenen Preise aus dem Jahr 2020 stammten und deshalb die Werte dem Index entsprechend nach unten zu korrigieren waren. Eine mögliche Inflationsbereinigung war auch im Schriftsatz der Bf. thematisiert worden.
Als maßgebliche Vergleichswerte wurde der Index des Jahres 2010 mit 130,0, dem Wert des Jahres 2020 mit 155,6 gegenübergestellt (Werte laut WKO Statistik zur Inflation). Die Teuerungsrate betrug für diesen Zeitraum demzufolge 19,69 % und wurde dieser Wert auf die Berechnungen der Bf. angewendet. Dem im Schriftsatz der Behörde enthaltenen rechnerischen Ansatz (Teuerung von 35%) war nicht zu folgen, beruhte das Ergebnis doch auf einem offensichtlichen Kalkulationsfehler.
Hinsichtlich der wöchentlichen und monatlichen Häufigkeit der Reinigung der Oberbekleidung standen die Angaben der Bf. außer Streit.
Die Tatsache, dass die Rauchfangkehrer aufgrund der Arbeitsbedingungen bzw. Jahreszeiten unterschiedliche Oberbekleidungen (Lederbekleidung im Winter und in speziellen Fällen oder nur Stoffkleidung bzw. beide Kleidungen im Winter) trugen, wurde bei den Berechnungen der Kosten berücksichtigt.
Hinsichtlich der Kosten für die Körperreinigung waren weder seitens der Bf., noch seitens der Behörde fundierte Daten angegeben worden. Tatsächliche Kosten für die maßgeblichen Jahre waren nicht ermittelt worden.
Das BFG griff daher für diese Kosten auf die "Konsumerhebungen der Statistik Austria 2009/2010 - Monatliche Verbrauchsausgaben in Wien, Körperpflege, Äquivalenzausgaben (gewichtete Pro-Kopf-Ausgabe)" zurück. Demnach beliefen sich die durchschnittlichen Ausgaben eines Erwachsenen auf Euro 57,80. Da diese Statistik keine außergewöhnlichen Rahmenbedingungen, wie z.B. Verschmutzung durch Ruß, wie sie bei Rauchfangkehrern der Fall sind, berücksichtigte, wurde im Schätzungswege ein um rund 15% höherer Wert von Euro 65,00 pro Monat angesetzt.

Das BFG kam unter Berücksichtigung der genannten Berechnungsgrundlagen zu Aufwendungen für zwölf Monate (52 Wochen) iHv von Euro 3.480,00.
Unter Berücksichtigung von Urlaub und Feiertagen, d.h. der arbeitsfreien Zeit, ergab sich ein für das Jahr geschätzter pauschaler Betrag iHv Euro 3.100,00.

Das BFG kam zum Schluss, dass eine Schmutzzulage in Höhe dieses pauschalen Betrages von Euro 3.100 pro Jahr, aufgrund der im Rauchfangkehrergewerbe gegebenen Arbeitsbedingungen, als für das Gewerbe angemessen beurteilt werden konnte.
Dieser Betrag stellte somit für den gegenständlichen Zeitraum eine als angemessen zu beurteilende Abgeltung der dem Arbeitnehmer durch die Verschmutzung und Verunreinigung üblicherweise angefallenen Kosten dar.

Im Sinne des § 68 EStG 1988 konnte daher ein Zuschlag in Höhe dieses Betrages als begünstigt und somit steuerfrei belassen werden.

Der durch die Bf. bisher als steuerfrei behandelte Zulagenbetrag iHv Euro 3.960,00 pro Jahr stellte einen pauschalen Betrag dar, dem keine tatsächlich ermittelten bzw. belegten Aufwendungen zugrunde lagen. Die Bf. hatte lediglich den gesetzlich möglichen Höchstbetrag von Euro 360,00 der Berechnung der steuerfreien Zulage zugrunde gelegt.
Im Ergebnis war die Differenz zwischen dem durch das BFG berechneten und als angemessen beurteilten Betrag von Euro 3.100,00 und dem in den Jahren 2009 und 2010 jeweils pauschal in Ansatz gebrachten und bisher steuerfrei belassenen Betrag von Euro 3.960,00 zu ermitteln.
Der Differenzbetrag von Euro 860,00 war daher bei Bemessung der jährlichen Lohnsteuer der in Rede stehenden Arbeitnehmer zu berücksichtigen.

Im Jahr 2011 blieb die durch die Bf. steuerfrei zugewendete Schmutzzulage unter dem als angemessen beurteilten Betrag, sodass in diesem Jahr keine Änderung der bisherigen Bemessungsgrundlage durchzuführen und diesbezüglich keine Lohnsteuer festzusetzen war.

Die Details zur Berechnung sind in der Beilage, im Berechnungsblatt, angeführt.

Der Beschwerde war für die Jahre 2009 und 2010 teilweise stattzugeben; für das Jahr 2011 war der Beschwerde stattzugeben.

Die Entscheidung war wie im Spruch angeführt zu treffen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision nicht zulässig, wenn sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da es sich hier um ein fortgesetztes Verfahren handelt, wird auf die in der Entscheidung angeführten Erkenntnisse des VwGH hingewiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 63 Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 68 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100269.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at