Kein Abzug von Aufwendungen für Familienheimfahrten, wenn die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung nicht dargestellt werden kann.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 bis 2020, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Strittig ist in der vorliegenden Beschwerdesache, ob die Aufwendungen des Beschwerdeführers (Bf) für Familienheimfahrten als Werbungskosten anerkannt werden können.
Dieser Frage ging folgendes Verwaltungsgeschehen voran:
Der Bf reichte die Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung ein und beantragte darin - wie in den Vorjahren - die Berücksichtigung von Werbungskosten in der Höhe von 3.672 Euro für Familienheimfahrten.
Das Finanzamt richtete ein Ergänzungsschreiben an den Bf und ersuchte darin um die Vorlage von Belegen für die Heimfahrten, eine Aufstellung der Aufwendungen und einen Nachweis über die eigene Wohnung am Familiensitz und die Bekanntgabe, mit welchem Verkehrsmittel der Bf die Heimfahrten getätigt hatte. Weiters wurde er ersucht, die steuerfreien Ersätze, die der Dienstgeber bezahlt hatte, mit einer Aufgliederung und dem Grund für die Zahlung darzustellen.
Der Bf legte einen Meldezettel vor, aus dem seine Wohnadresse in Österreich ersichtlich war und einen Mietvertrag in Kopie über die Miete einer Wohnung in Deutschland, in dem der Bf und seine Gattin als Mieter aufschienen. Die Heimfahrten habe er mit seinem privaten PKW gemacht. In einem Schreiben des österreichischen Dienstgebers des Bf wurde bestätigt, dass der Dienstgeber keine Fahrtkosten für die Heimfahrt nach Deutschland bezahle und dass es auch manchmal notwendig sei, dass der Bf die Arbeitsstätten (Baustellen) mit dem Privatfahrzeug anfahre. Diese Kosten würden auch nicht von der Firma bezahlt.
In einem weiteren Schreiben führte der Bf aus, dass er einen Dekadenarbeitsvertrag habe, er arbeite volle 10 Tage und habe dann 4 Tage frei. Daher fahre er alle 10 Tage nach Hause nach Deutschland zu seinem Hauptwohnsitz. Im Anhang legte er Kopien von einigen Tankrechnungen bei.
Das Finanzamt erließ die Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2018 bis 2020 ohne Berücksichtigung der Aufwendungen für Familienheimfahrten. In der Begründung wurde ausgeführt, dass das Finanzamt trotz Aufforderung nicht alle Unterlagen erhalten habe. Deshalb hätten nur die nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigt werden können.
Gegen diese Bescheide wurde Beschwerde erhoben.
In einem weiteren Ergänzungsschreiben wollte das Finanzamt wissen,
wie viele Kilometer der Familienwohnsitz von der Arbeitsstätte entfernt sei und wie lange die Fahrt dauere
aus welchem Grund der Familienwohnsitz nicht in die Nähe der Arbeitsstelle verlegt werden könne und
welche Einkünfte die Ehepartnerin habe und ersuchte um die Bekanntgabe mittels des Formulares E9.
Der Bf legte die Bescheinigung E9 vor, aus der hervorging, dass die Ehegattin des Bf keine Einkünfte erzielt hatte. Eine Verlegung des Wohnsitzes sei unzumutbar, weil der Bf für den österreichischen Arbeitgeber österreichweit im Einsatz sei, während dieser Zeit wäre seine Gattin in Österreich völlig auf sich alleine gestellt. Sein Lebensmittelpunkt sei in Deutschland, dort habe er seine Ärzte, Freunde, Familie, Kind und Enkeltochter und die gemeinsame Wohnung mit seiner Frau. Die Familienheimfahrten habe er gemacht, um seine Familie zu sehen und die Ehe aufrecht zu erhalten. Auch aus finanzieller Sicht könne er auf die Schnelle keine passende Unterkunft für seine Frau und sich in Österreich finden. Er sei 60 Jahre alt und stehe kurz vor der Pension und wolle wegen so kurzer Zeit seinen Lebensmittelpunkt nicht verlegen. Außerdem befinde er sich im Moment seit Jänner 2022 in Deutschland im Spital und wisse nicht, wie lange er seinen Job noch ausüben könne.
Das Finanzamt entschied über die Beschwerde mit abweisender Beschwerdevorentscheidung. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung vom Familienwohnsitz ausgeübt werde, immer durch Umstände veranlasst sei, die außerhalb der Erwerbstätigkeit lägen. Die Aufwendungen könnten dennoch als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden könne. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichten dafür nicht aus.
Nach einer gewissen Zeit, die stets im Einzelfall zu beurteilen sei, sei es dem Steuerpflichtigen in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahbereich der Arbeitsstätte zu verlegen. Die Lohnsteuerrichtlinien nennen bei einem verheirateten Steuerpflichtigen einen Zeitraum von 2 Jahren. Wenn jemand einen weit entfernten Familienwohnsitz trotz Zumutbarkeit der Verlegung an den Arbeitsort beibehalte, dann könne auch eine bevorstehende Pensionierung nicht dazu führen, dass die Wohnsitzverlegung plötzlich unzumutbar erscheine. Aus diesen Gründen sei beim Bf keine Unzumutbarkeit gegeben, die Aufwendungen hätten daher nicht berücksichtigt werden können.
Der Bf erhob Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung. Der Bf brachte vor, dass laut Arbeiterkammer seine Familienheimfahrten berücksichtigt werden müssten. Er sei bei einem österreichischen Arbeitgeber beschäftigt und dabei regelmäßig auf anderen Baustellen. Er verstehe daher nicht, warum er seinen Familienwohnsitz verlegen und seine Frau in ein anderes Land holen solle, obwohl der Lebensmittelpunkt in Deutschland sei.
Das Finanzamt legte den Akt zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vor. In der Stellungnahme im Zuge der Vorlage führte das Finanzamt aus, dass der Bf bereits seit 2006 bis laufend bei dem österreichischen Arbeitgeber beschäftigt sei und seit über einen Wohnsitz in Österreich verfüge.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf wurde am ****1962 geboren. Seit Jänner 2022 ist der Bf erkrankt.
Der Bf lebt mit seiner Gattin in Deutschland in einer gemeinsamen Wohnung von 65 Quadratmetern. Er hat ein Kind und ein Enkelkind, die in Deutschland leben.
Der Bf ist seit 2006 in Österreich bei einem österreichischen Arbeitgeber beschäftigt. Im Rahmen dieser Beschäftigung ist er österreichweit auf Baustellen im Einsatz. Seit März 2012 hat der Bf einen Nebenwohnsitz in Österreich.
Die Gattin des Bf erzielt keine Einkünfte.
Der Bf hat einen Dekadenarbeitsvertrag, das bedeutet, dass er 10 Tage durchgehend arbeitet und danach jeweils 4 Tage dienstfrei hat.
Der Bf fährt nach 10 Tagen Arbeit für 4 Tage zu seiner Familie nach Hause nach Deutschland und kommt nach den 4 dienstfreien Tagen zu seiner Arbeitsstelle zurück. Er legt dabei eine Strecke von 538 Kilometern in einer Richtung zurück. Er fährt diese Strecke mit seinem privaten PKW.
Ab 2012 bis einschließlich 2017 wurden die Aufwendungen für Familienheimfahrten im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung als Werbungskosten in der beantragten Höhe berücksichtigt.
Beweiswürdigung
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem glaubhaften Vorbringen des Bf und ist insoweit nicht strittig. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind aus dem Akt auch nicht ersichtlich. Aus diesem Grund durfte das Bundesfinanzgericht diesen Sachverhalt als erwiesen annehmen und seiner Entscheidung zugrunde legen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Kosten der privaten Lebensführung und Aufwendungen für den Haushalt des Arbeitnehmers und den Unterhalt der Familienangehörigen dürfen nach § 20 Abs 1 EStG 1988 steuerlich nicht berücksichtigt werden. Diesem Abzugsverbot unterliegen auch die Wohnkosten. Ist ein Arbeitnehmer jedoch aus beruflichen Gründen gehalten, an der Arbeitsstätte oder in deren Nahebereich einen zweiten Wohnsitz zu nehmen, weil ihm weder eine tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz noch die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort bzw in dessen Nahebereich zumutbar ist, können nach der Rechtsprechung bestimmte Aufwendungen für diese doppelte Haushaltsführung ausnahmsweise als Werbungskosten steuerlich berücksichtigt werden.
Damit Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden können, muss also ein Familienwohnsitz bestehen. Ein Familienwohnsitz liegt vor, wo ein Arbeitnehmer seine engsten persönlichen Beziehungen (Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat.
Liegt ein Familienwohnsitz vor, können Kosten der doppelten Haushaltsführung in Abzug gebracht werden, wenn zwei Unzumutbarkeitsvoraussetzungen erfüllt sind:
Die tägliche Rückkehr von der Arbeitsstätte an den Familienwohnsitz muss für den betroffenen Arbeitnehmer unzumutbar sein. Der Verwaltungsgerichtshof hat die tägliche Rückkehr bei einer Wegstrecke von 130 Kilometern und einer Fahrzeit von 70 Minuten für unzumutbar erklärt.
Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort oder in dessen Nahebereich muss unzumutbar sein:
Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers oder in der Erwerbstätigkeit des Ehepartners haben. Dabei sind die Gesamtumstände des Einzelfalles zu würdigen. Dabei ist auch die Ursache der doppelten Haushaltsführung in Betracht zu ziehen.
Folgende Aufwendungen sind als Werbungskosten grundsätzlich abzugsfähig:
Aufwendungen für die zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort,
die Kosten von Familienheimfahrten
Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass Arbeitnehmern nach einer gewissen Zeit, die nur im Einzelfall beurteilt werden kann, die Verlegung ihres Wohnsitzes in den Nahebereich ihrer Arbeitsstätte zuzumuten ist. Die Lohnsteuerrichtlinien nennen als Faustregel einen Zeitraum von zwei Jahren bei verheirateten Arbeitnehmern. Für Zeiträume, in denen die Unzumutbarkeit nicht gegeben ist, ist ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen.
Umstände des Einzelfalles können jedoch auch langfristig die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung mit sich bringen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung in folgenden Fällen gerechtfertigt:
steuerlich relevante Einkünfte des Ehepartners am Familienwohnsitz, die verloren gingen.
Die Erzielung steuerlich relevanter Einkünfte am Familienwohnsitz durch den Arbeitnehmer selbst.
Fehlende Ausbildungsmöglichkeiten für die Kinder am Arbeitsort.
Besonders gelagerte Pflegenotwendigkeit naher Angehöriger, deren Mitübersiedlung unzumutbar wäre.
Behält der Arbeitnehmer dagegen den entfernt gelegenen Familienwohnsitz trotz der Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ausschließlich aus persönlichen Gründen bei (zB gute Wohnlage, Eigenheim, soziale Anbindung am Familienwohnsitz), fallen die Ausgaben für Familienheimfahrten grundsätzlich unter das Abzugsverbot des § 20 Abs 1 EStG 1988.
Für den vorliegenden Fall ist daher zu beurteilen, ob die Verlegung des Familienwohnsitzes für den Bf in den Streitjahren zumutbar ist.
Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten (vgl etwa ).
Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl ; ).
Die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung kann sich auch aus dem Umstand ergeben, dass in naher Zeit die Pensionierung des Steuerpflichtigen bevorsteht (vgl ). Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (vgl auch ) liegt der Gedanke zugrunde, dass die Verlegung des Wohnsitzes dann nicht zumutbar ist, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit auf vier bis fünf Jahre befristet ist. In Anbetracht dessen ist daher davon auszugehen, dass einem Arbeitnehmer nach Erreichen des 60. Lebensjahres die Verlegung des Wohnsitzes an den Tätigkeitsort nicht zumutbar ist, wenn von vornherein feststeht, dass er die Berufstätigkeit - wie dies der allgemeinen Übung entspricht - spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres einstellen wird ().
Mangelt es an der Unzumutbarkeit, so ist die Entscheidung, den Wohnsitz über Jahre beizubehalten, privat veranlasst. Ist die Beibehaltung des Wohnsitzes privat veranlasst, so fallen die damit verbundenen Ausgaben unter das Abzugsverbot des § 20 Abs 1 EStG 1988.
Für die vorliegende Beschwerdesachte ergibt sich daher:
Der Bf vermochte keinen der angeführten Unzumutbarkeitsgründe darzulegen. Weder verfügt die Gattin des Bf über relevante Einkünfte noch besteht eine Pflegebedürftigkeit von nahen Angehörigen noch muss Rücksicht auf Ausbildungsmöglichkeiten von Kindern genommen werden. Da der Bf bereits Enkelkinder hat, ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Kind bereits um einen selbsterhaltungsfähigen Erwachsenen handelt.
Mit in Betracht gezogen wurde dabei, dass der Bf bereits seit dem Jahr 2012 bis einschließlich 2017 (also für 6 Jahre) die Aufwendungen steuerlich absetzen konnte.
Wenn der Bf vorbringt, dass er seit Jänner 2022 erkrankt ist, so vermag das die Entscheidung für die Jahre 2018 bis 2020 nicht zu beeinflussen, da die Unzumutbarkeit stets aus der Sicht der Streitjahre zu beurteilen ist. Es gibt keine Hinweise aus dem Akteninhalt, dass der Bf bereits in den Jahren 2018 bis 2020 erkrankt ist. Bezüglich Pensionierung ist darauf zu verweisen, dass der Bf im Jahr 2018 erst 56 Jahre alt war, eine Pensionierung daher auch im Jahr 2020 noch in weiterer Ferne lag, wenn man von einem Pensionsantritt im 65. Lebensjahr ausgeht.
Aus diesem Grunde war für das Bundesfinanzgericht für den Streitzeitraum 2018 bis 2020 keine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung erkennbar, die es rechtfertigen würde, dass die Kosten der Familienheimfahrten als Werbungskosten Berücksichtigung finden und dass der damit verbundene Steuerausfall der Allgemeinheit aufgebürdet wird.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgte in seiner Entscheidung der Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung (; ; ; ; und ). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag somit nicht vor.
Aus diesem Grunde wurde die Revision für unzulässig erklärt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 20 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101359.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at