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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.09.2022, RV/3100681/2021

Familienbonus Plus

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter_A in der Beschwerdesache Beschwerdeführer, Anschrift_A, vertreten durch Steuerberater_A, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer Zahl_1, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO stattgegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1.) Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer begehrte in seiner am elektronisch eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 ua. den Familienbonus Plus für seinen mj. Sohn_A, welcher ihm vom Finanzamt_A, nunmehr Finanzamt Österreich, im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 (mit Ausfertigungsdatum ) verwehrt wurde.

Die hiergegen fristgerecht erhobene Beschwerde vom begründete der Abgabepflichtige ua. damit:
"Ein Blick in die LStR: Für 2019 - FABO steht zu, es ist ausreichend, wenn die Voraussetzungen dem Grunde nach erfüllt sind - siehe LStR RZ 769b Sind die Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung im Sinne des § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach erfüllt, steht der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a Z 1 EStG 1988 zu. Sind die Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Kind wohnt im EUoder EWRAusland oder in der Schweiz und im Inland wird eine Beschäftigung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ausgeübt) im Sinne des § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach436 von 1017 LStR 2002 GZ 07 2501/4-IV/7/01 idF GZ BMF-010222/0080-IV/7/2019 vom Bundesministerium für Finanzen 110 - 4 erfüllt, steht derFamilienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 zu.RZ 796 DerUnterhaltsabsetzbetrag steht auch zu."

Das Finanzamt Österreich wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, da der Familienbonus Plus in erster Linie unbeschränkt Steuerpflichtigen für ein Kind zustehe, für das Familienbeihilfe nach dem FLAG 1967 gewährt werde. Für das Kind des Beschwerdeführers werde jedoch keine Familienbeihilfe ausbezahlt. Seien die Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung im Sinne des § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach erfüllt (Kind wohne in Österreich), stehe der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a Z 1 EStG 1988 zu. Das Kind wohne jedoch nicht in Österreich, somit komme diese Regelung nicht zur Anwendung. Seien die Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Kind wohne im EU- oder EWR-Ausland oder in der Schweiz und im Inland werde eine Beschäftigung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ausgeübt) im Sinne des § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach erfüllt, stehe der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 auch dann zu, wenn die Familienleistungen im Ausland höher seien und die Differenzzahlung betragsmäßig Null betrage. Der Beschwerdeführer übe allerdings auch keine Beschäftigung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 aus, daher stehe ihm auch dies nicht zu. Ein Unterhaltsabsetzbetrag sei im bekämpften Bescheid bereits berücksichtigt worden.

Den hiergegen fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag vom begründete der Beschwerdeführer ua. damit, das Finanzamt habe den FABO Anspruch in der BVE-Begründung zwar bejaht, allerdings letztendlich mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer übe in Österreich keine Beschäftigung i.S. der VO 883/2004 aus. Die Beschäftigung i.S. der VO 883/2004 per Bescheid festzustellen und zugleich zu behaupten, dass es diese Beschäftigung nicht gäbe, stelle gelinde gesagt eine denkunmögliche Auslegung der VO 883/2004 dar. Gleichzeitig werde der ganze FABO und UAB, wie für die in AUT wohnenden Kinder, beantragt. Die Indexierung sei mit geltendem EU-Recht nicht vereinbar. VO 883/2004 Art. 67 leg. cit.,... dass auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats besteht, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Der klare Wortlaut dieser unmittelbar anwendbaren Bestimmung - als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden - lasse keinerlei Interpretationsspielraum zugunsten einer Indexierung offen. Da derzeit in der gleichen Sache ein EuGH Verfahren und eine Klage anhängig sei, werde hiermit beantragt, das Verfahren auszusetzen und mit der BVE bis zur Entscheidung des EuGHs zuzuwarten.

2.) Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer war im Jahr 2019 in Österreich nichtselbständig beschäftigt (Unternehmen_A vom 7. bis , Unternehmen_F vom 13. Februar bis , Unternehmen_C vom 6. Mai bis , Unternehmen_E vom 16. bis , vom 7. bis und vom 25. November bis , Unternehmen_B vom 12. bis sowie Unternehmen_D vom 18. bis ; siehe die vorliegenden Lohnzettel der Arbeitgeber).

Der Beschwerdeführer hat einen mj. Sohn_A, geb. am TT.MM. 2009, der nicht in Österreich, sondern in der Staat_A wohnhaft ist. Der Abgabepflichtige leistet für seinen Sohn den gesetzlichen Unterhalt (siehe die Ausführungen der Abgabenbehörde im Vorlagebericht vom ). Für das Kind wird in Österreich keine Familienbeihilfe nach dem FLAG 1967 gewährt bzw. keine Familienbeihilfe ausbezahlt (siehe die vom Beschwerdeführer unwidersprochenen Feststellungen des Finanzamtes Österreich ua. in der Beschwerdevorentscheidung vom ).

3.) Beweiswürdigung:
Der streitwesentliche Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden unstrittigen Aktenlage, insbesondere aus den oben näher bezeichneten Unterlagen.

4.) Rechtslage:
4.a) Nach § 2 Abs. 2 FLAG hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 leg.cit. genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist (vgl. hierzu auch mit Hinweis auf ).

Nach Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 iVm Art. 60 Abs. 1 der Verordnung 987/2009 besteht ein von der Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich abgeleiteter, grundsätzlich und zufolge Haushaltsführung primärer Anspruch der Kindesmutter auf Differenzzahlung in Österreich.

4.b) Nach § 33 Abs. 3a EStG 1988 in der im strittigen Jahr 2019 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 135/2022 steht für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu.
"1. Der Familienbonus Plus beträgt
a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro, …
2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
a) Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
b) Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.
3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
a) …
b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigen oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder …

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu."

Der Familienbonus Plus ist als "erster" Absetzbetrag von der nach Tarif gemäß § 33 Abs. 1 EStG errechneten Steuer abzuziehen (siehe auch ErlRV 190 BlgNR XXVI. GP, 8). Er ist nicht negativ steuerfähig, die Wirkung ist daher mit der Höhe der Tarifsteuer begrenzt (Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2022, § 33 Rz 45).

Darüber hinaus stehen nach § 33 Abs. 4 EStG der Unterhaltsabsetzbetrag zu, wenn sich das Kind ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält:
"3. Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn
- das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (
§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und
- für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden
(Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird. …
4. Abweichend von Z 1 bis 3 bestimmt sich die Höhe der Absetzbeträge für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, nach Abs. 3a Z 2. Steht ein Absetzbetrag für mehrere Kinder zu und halten diese sich in unterschiedlichen Ländern auf, sind zuerst ältere vor jüngeren anspruchsvermittelnden Kindern zu berücksichtigen. …"

Die hier gegenständlichen Werte in der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Anpassung des Familienbonus Plus, des Alleinverdiener-, Alleinerzieher- und Unterhaltsabsetzbetrages sowie des Kindermehrbetrages in Bezug auf Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einer Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten (Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 257/2018, ausgegeben am , betragen für das Jahr 2019 hinsichtlich Staat_A: Zahl_X € Familienbonus Plus bzw. Zahl_Y € Unterhaltsabsetzbetrag monatlich für ein Kind.

4.c) Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom , Ra 2021/15/0067, wie folgt ausgeführt:
"24 Das Finanzamt bringt vor, der Gewährung des Familienbonus Plus stehe entgegen, dass der Mitbeteiligte keinen "Antrag" auf Familienbeihilfe bzw. auf eine Ausgleichzahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG gestellt habe; auch wenn bei höheren Familienleistungen im Ausland die Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG "betragsmäßig Null" sei, müsste eine entsprechende Antragstellung (auf Ausgleichszahlung von null Euro) nach dem FLAG erfolgen, sodass der Anspruch dem Grunde nach im Beihilfenverfahren geprüft werden könne.
25 Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs können, wenn die in Rede stehende Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG "betragsmäßig Null" ist, Antragstellende auf Familienbonus Plus jedenfalls (subsidiär) auch in ihrem Einkommensteuerverfahren nachweisen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind. Gemäß § 13 zweiter Satz FLAG ist im Familienbeihilfenverfahren ein Bescheid dann zu erlassen, wenn dem Beihilfenantrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.
26 Dass im Revisionsfall - entgegen der Annahme des BFG - für den 2002 geborenen Sohn in Österreich dem Grunde nach gar kein Familienbeihilfenanspruch bestünde, wurde vom Finanzamt nicht konkret behauptet. Der Umstand, dass sich das Kind ständig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, steht - unbeschadet des § 5 Abs. 3 FLAG - dem Beihilfenanspruch nicht entgegen (vgl. § 53 Abs. 1 zweiter Satz FLAG).
27 Ebenso wurde weder vom Finanzamt vorgebracht noch vom BFG festgestellt, dass auch von der Kindsmutter ein Antrag auf Familienbonus Plus gestellt worden wäre, womit in einer Gesamtbetrachtung das Höchstausmaß des möglichen Familienbonus Plus überschritten worden und eine Kürzung gemäß
§ 33 Abs. 3a Z 3 lit. c EStG 1988 vorzunehmen gewesen wäre.
28 Es kann dem BFG vor diesem Hintergrund daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn es dem Mitbeteiligten im Revisionsfall nach Prüfung der grundsätzlichen Familienbeihilfenberechtigung für den 2002 geborenen Sohn den Familienbonus Plus in voller Höhe zuerkannt hat"
().

Für die Gewährung des Familienbonus Plus kann es dabei aber keinen Unterschied machen, ob die Differenzzahlung Null oder einen anderen Betrag ergäbe, da es wohl keinen Unterschied machen kann, aus welchen Gründen ein Anspruchsberechtigter/eine Anspruchsberechtigte keinen Antrag auf Differenzzahlung stellt. Wesentlich ist daher nicht der Antrag auf oder die tatsächliche Gewährung von Familienbeihilfe, sondern die Anspruchsvoraussetzung. Der Antragstellende kann daher entsprechend der vom Veraltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0067, vertretenen Rechtsansicht auch in seinem Einkommensteuerverfahren nachweisen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind (vgl. auch Hilber in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Lfg. 2021, § 33 Abs. 3a, Tz 21ff; ).

4.d) Mit dem Jahressteuergesetz 2018, BGBl. I 62/2018, ausgegeben am , wurden u.a. der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 eingeführt und der Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 EStG (entsprechend dem Familienbonus Plus) indexiert, d.h. auf das Preisniveau am Wohnort des Kindes außerhalb Österreichs und innerhalb EU/EWR/ Schweiz angepasst - jeweils ab der Veranlagung 2019 (§ 124b Z 335 EStG 1988).

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit Urteil vom in der Rechtssache C-328/20 über eine Vertragsverletzungsklage der Europäischen Kommission nach Art. 258 AEUV gegen die Republik Österreich in Ziffer 2 seines Urteilstenores bezughabend ausgesprochen:
"Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von … und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, … und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen."

5.) Erwägungen:
Der Beschwerdeführer unterliegt infolge seiner Beschäftigungen in Österreich den österreichischen Rechtsvorschriften; er war demzufolge im strittigen Jahr in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig und wurde als solcher von der Abgabenbehörde mit bekämpften Bescheid auch zutreffend veranlagt. Entgegen der Rechtsauffassung in der Beschwerdevorentscheidung übte der Abgabepflichtige im strittigen Jahr 2019 Beschäftigungen iSd VO (EG) Nr. 883/2004 aus.

Somit sind im vorliegenden Fall die zu Pkt. 4.) der Entscheidung dargelegten rechtlichen Erfordernisse, neben der Unterhaltszahlung auch der Anspruch auf Differenzzahlung und somit Familienbeihilfe, als erfüllt anzusehen. Im vorliegenden Fall gewährte daher die Abgabenbehörde dem Beschwerdeführer auch zutreffend den Unterhaltsabsetzbetrag (im bekämpften Bescheid in Höhe von Zahl_Z € gewährt).

5.a) Streitgegenständlich ist wesentlich, dass für ein Kind Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Differenzzahlung besteht. Wer diese Familienleistung in Anspruch nehmen könnte, ist irrelevant ().
Wie oben dargelegt ist im vorliegenden Fall nicht der Antrag auf oder die tatsächliche Gewährung von Familienbeihilfe, sondern die Anspruchsvoraussetzung entscheidungswesentlich. Nachdem nach der Aktenlage sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, steht dem Beschwerdeführer der Familienbonus Plus für das Jahr 2019 dem Grunde nach zu.

5.b) Das gibt der Vertragsverletzungsklage der Europäischen Kommission statt. Ein solches Urteil ist ein Feststellungsurteil (Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge5, Art. 260 Rn. 1). Die Rechtskraft des Urteiles erstreckt sich (nur) auf den im Urteil konkret bezeichneten Vorwurf und wirkt nur gegenüber den Parteien (aaO Rn. 2). Die Republik Österreich ist eine der Parteien des Urteiles. Es enthält den konkreten Vorwurf der Vertragsverletzung u.a. hinsichtlich Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag. Auch der Verstoß u.a. gegen Verordnungen der EU ist eine Vertragsverletzung (vgl. aaO, § 258 Rn. 4 f.).

Art. 260 Abs. 1 AEUV bestimmt: "Stellt der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, so hat dieser Staat die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben." Verpflichtungen aus den Verträgen sind nicht nur Verpflichtungen, die sich aus den Vorschriften des EUV und AEUV selbst ergeben, sondern auch solche, die den Mitgliedstaaten durch die verbindlichen Rechtshandlungen der EU-Organe (Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse) und internationalen Verträge der EU auferlegt werden (Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge5, Art. 258 Rn. 5).

Die dem Mitgliedstaat durch Art. 260 Abs. 1 AEUV auferlegte Abänderungspflicht und Ausführungspflicht richtet sich nicht nur an die Regierung, sondern an alle Organe des Mitgliedstaates, also auch an die Gerichte, welche verpflichtet sind, zugunsten einzelner Rechtsunterworfener die notwendigen Schlussfolgerungen aus dem Urteil zu ziehen. Dies kann im Falle unmittelbar anwendbarer EU-Rechtsnormen bedeuten, dass die Gerichte eine Gesetzesvorschrift noch vor ihrer Änderung durch den Gesetzgeber außer Anwendung zu lassen haben (Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge5, Art. 258 Rn. 4 f.). Verordnungen der EU sind unmittelbar anwendbar, so auch die Verpflichtung aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union ("Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.")

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Anpassung des Familienbonus Plus, … und Unterhaltsabsetzbetrages …, BGBl. II 257/2018, welche ein gesetzlich vorgesehenes Hilfsmittel zur Umsetzung der in § 33 Abs. 3a Z 2 und Abs. 4 Z 4 EStG 1988 vorgesehenen Indexierung/Anpassung des Familienbonus Plus und des Unterhaltsabsetzbetrages war, verstößt genauso wie die zugrundeliegenden Gesetzesstellen gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union. Dies stellt einen Fall von "Acte-claire" dar, denn es kann nach dem Urteil des EuGH zu den zugrundeliegenden Gesetzesstellen vernünftigerweise kein Zweifel an diesem Verstoß bestehen. Somit ist auch die VO BGBl. II 257/2018 bei der Entscheidung über die Beschwerde des Beschwerdeführers nicht anzuwenden. Die in § 33 Abs. 3a Z 2 und Abs. 4 Z 4 EStG 1988 vorgesehene Indexierung/Anpassung des Familienbonus Plus und des Unterhaltsabsetzbetrages ist daher bei der Entscheidung über die Beschwerde des Beschwerdeführers mit dem vorliegenden Erkenntnis des BFG nicht anzuwenden:

Bei der Ermittlung der Einkommensteuer 2019 wird daher stattgebend der Familienbonus Plus mit 1.500,00 € (= 12 x 125,00 €), jedoch begrenzt mit der im gegenständlichen Fall gegebenen Tarifsteuer, und der Unterhaltsabsetzbetrag mit 350,40 € (= 12 x 29,20 €) berücksichtigt.

Die Berechnung der Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

5.) Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die strittige Rechtsfrage wird hier im Einklang mit gelöst. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Beilage:Berechnungsblatt Einkommensteuer 2019

Innsbruck, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100681.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at