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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.07.2022, RV/7100213/2022

Bindung der Anspruchszinsen an die Nachforderung im Einkommensteuerbescheid

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2016 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurden Anspruchszinsen für 2016 in Höhe von 53,96 Euro auf Grundlage der ebenfalls am festgesetzten Einkommensteuernachforderung von 1.610 Euro (beruhend auf Einkünften aus Grundstücksveräußerungen) gegenüber der Beschwerdeführerin (Bf) geltend gemacht.

In der Beschwerde vom wandte sich die Bf gegen die Festsetzung von Anspruchszinsen mit der Begründung, dass der zugrundeliegende Einkommensteuerbescheid für 2016 aus mehrfachen (näher ausgeführten) Gründen rechtswidrig sei.

Die Abgabenbehörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab: Der Anspruchszinsenbescheid sei an die im Stammabgabenbescheid ausgewiesene Nachforderung gebunden. Der Anspruchszinsenbescheid könne daher nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Einkommensteuerbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend seien. Jede Nachforderung bzw. Gutschrift des Einkommensteuerbescheides löse einen (neuen) Anspruchszinsenbescheid aus. Einer Abänderung des Stammabgabenbescheides im Zuge des Beschwerdeverfahrens betreffend Einkommensteuer wäre somit durch die amtswegige Erlassung eines neuen Zinsenbescheides Rechnung zu tragen.

Die Bf verwies im Vorlageantrag vom auf ihr bisheriges Vorbringen und ergänzte, dass der den Anspruchszinsen zugrundeliegende Einkommensteuerbescheid 2016 noch nicht rechtskräftig sei. Die Vorschreibung von Anspruchszinsen sei daher unzulässig. Der Einkommensteuerbescheid werde möglicherweise von einer Oberbehörde bzw vom VwGH aufgehoben. In diesem Fall müsse sie den Anspruchszinsenbescheid wieder um teures Geld (Anwaltspflicht beim Höchstgericht) bekämpfen. Die belangte Behörde habe sich überdies mit ihren Anträgen und Einwendungen in der Beschwerde nicht auseinandergesetzt.

In der mündlichen Verhandlung am brachte die Bf vor, dass alles mit einem zivilrechtlichen Verfahren zusammenhänge, im Zuge dessen es zu einer Zwangsversteigerung eines Grundstücks gekommen sei. Sie habe davon aber keinen Groschen erhalten.

Der Vertreter des Finanzamtes wandte ein, dass das Verfahren betreffend Anspruchszinsen von der Einkommensteuer getrennt zu sehen sei. Falls es im Einkommensteuerverfahren zu einer Änderung kommen sollte, würde aber im Anspruchszinsenverfahren ein neuer Bescheid ergehen. Nach seinem Wissensstand sei das zivilrechtliche Verfahren bereits abgeschlossen und es sei auf einem Treuhandkonto ein größerer Betrag hinterlegt.

Die Bf entgegnete, dass das zivilrechtliche Verfahren keineswegs beendet sei. Sie sei bis auf das Existenzminimum gepfändet.

Der Vertreter des Finanzamtes gab bekannt, dass die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 noch nicht erledigt ist.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurden der Bf Anspruchszinsen für 2016 in Höhe von 53,96 Euro auf Grundlage der ebenfalls am festgesetzten Einkommensteuernachforderung für 2016 von 1.610 Euro vorgeschrieben. Der Einkommensteuerbescheid 2016 wurde ordnungsgemäß an die Bf zugestellt, ist aber aufgrund eines anhängigen Rechtsmittelverfahrens noch nicht rechtskräftig. In der hier verfahrensgegenständlichen Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid machte die Bf. die Rechtswidrigkeit des Einkommensteuerbescheides sowie dessen fehlende Rechtskraft geltend.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist den von der Abgabenbehörde übermittelten Akten zu entnehmen und ist unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 205 Abs. 1 EStG 1988 sind Differenzbeträge an Einkommensteuer (und Körperschaftsteuer), die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen).

Zweck der Anspruchszinsen ist, die (möglichen) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzungen ergeben. Dementsprechend gibt es Nachforderungs- bzw. Gutschriftszinsen. Gutschriftszinsen ergeben sich beispielsweise bei Minderungen der Abgabenfestsetzung im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens.

Im gegenständlichen Fall ist die Grundlage der Anspruchszinsen der Differenzbetrag zwischen vorgeschriebener Einkommensteuer (1.610 Euro) und der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe (Null Euro). Daraus ergibt sich eine Nachforderung von 1.610 Euro als Basis für die Berechnung der Anspruchszinsen.

Einwendungen der Bf gegen die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides:

Anspruchszinsenbescheide sind an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden ().

Liegen einem Bescheid (hier: Anspruchszinsenbescheid) Entscheidungen zugrunde, die in einem Abgabenbescheid (hier: Einkommensteuerbescheid) getroffen worden sind, kann gemäß § 252 Abs. 2 BAO der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Abgabenbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind ().

Zinsenbescheide setzen nicht die materielle Richtigkeit des Stammabgabenbescheides (z.B. des Einkommensteuerbescheides) - wohl aber einen solchen Bescheid - voraus. Anspruchszinsenbescheide sind daher nicht mit der Begründung anfechtbar, der Stammabgabenbescheid sei rechtswidrig. Erweist sich (z.B. im Beschwerdeverfahren) nachträglich die Rechtswidrigkeit der maßgebenden (Nachforderungszinsen bedingenden) Abgabenfestsetzung, so gleicht der Gutschriftszinsenbescheid die Belastung mit Nachforderungszinsen aus (siehe Ellinger, BAO, § 205 Anm. 2; ).

Der Einwand der Bf, dass der zugrundeliegende Einkommensteuerbescheid ihrer Ansicht nach rechtswidrig sei, ist daher für die Entscheidung über den Anspruchszinsenbescheid nicht relevant. Wegen der Bindung an den Einkommensteuerbescheid ist für das gegenständliche Verfahren auch das in der mündlichen Verhandlung erwähnte zivilgerichtliche Verfahren nicht von ausschlaggebender Bedeutung.

Einwendungen der Bf bezüglich der fehlenden Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides:

Die Voraussetzungen des § 205 Abs. 1 EStG 1988 sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Abgabenanspruch für Anspruchszinsen entsteht mit der Verwirklichung des in § 205 Abs 1 BAO umschriebenen Tatbestandes (Ellinger, BAO, § 205 Anm 4).

Die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides ist für die Vorschreibung von Anspruchszinsen nicht erforderlich. In diesem Zusammenhang ist auf § 192 BAO zu verweisen, wonach die in Feststellungsbescheiden enthaltenen Feststellungen für abgeleitete Bescheide bereits vor Rechtskraft des Feststellungsbescheides verbindlich sind. Gleiches gilt für - wie hier - von Abgabenbescheiden abgeleitete Bescheide (Ritz, BAO, § 192 Tz 1).

Im Übrigen tritt auch die Fälligkeit einer festgesetzten Abgabe unabhängig davon ein, ob der Bescheid bereits in Rechtskraft erwachsen ist oder nicht (siehe § 254 BAO: "Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.")

Zweckmäßigerweise sind Anspruchszinsen gleichzeitig mit der jeweils maßgebenden Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer festzusetzen (siehe Ellinger, BAO, § 205 Anm. 2). Dies ist auch im vorliegenden Fall so geschehen.

Der Einwand der Bf betreffend die fehlende Rechtskraft des zugrundeliegenden Einkommensteuerbescheides konnte daher nicht berücksichtigt werden.

Zum sonstigen Vorbringen der Bf:

Zur Annahme der Bf, sie müsse im Falle der Änderung des Einkommensteuerbescheides die vorgeschriebenen Zinsen bekämpfen, ist festzuhalten, dass von Amts wegen ein neuer Zinsenbescheid ergeht (Gutschriftszinsenbescheid), wenn sich im Beschwerdeverfahren zur Einkommensteuer nachträglich die Rechtswidrigkeit der maßgebenden Abgabenfestsetzung erweisen sollte. Mit dem neuen Anspruchszinsenbescheid würde in diesem Fall die Belastung mit Nachforderungszinsen ausgeglichen werden (vgl auch ).

Soweit die Bf die "im bekämpften Bescheid angeführte Vertretung durch Willibald Steuerberatungskanzlei GmbH" bemängelte, ist dieses Vorbringen unzutreffend. Richtig ist, dass weder ein steuerlicher Vertreter noch eine Zustellvollmacht aktenkundig ist. Der angefochtene Anspruchszinsenbescheid 2016 ist daher ordnungsgemäß direkt an die Bf an ihrer Wohnadresse gerichtet. Eine Steuerberatungskanzlei scheint im Bescheid nicht auf. Das gleiche gilt für den Einkommensteuerbescheid 2016, welcher der Bf mittels Zustellung wirksam bekanntgegeben wurde.

Aus den angeführten Erwägungen war das Beschwerdebegehren auf Aufhebung des angefochtenen Anspruchszinsenbescheides abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im gegenständlichen Fall folgt das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in dieser Entscheidung dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100213.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at