Behandlung von deutschen Abfertigungen, die nach den Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzgesetzes bezahlt werden
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0076. Mit Erk. vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Ursula Strobl, Berchtesgadner Straße 3, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land, nunmehr des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurde der BF auf seinen mit zahlreichen Beilagen unterlegten Antrag zur Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für 2019 veranlagt. Unter Verweis auf mitübermittelte Unterlagen (Entgeltsabrechnung für 11/2019, Kopien der Lohnsteuerbescheinigungen für 01/2019 und 02-11/2019, Aufstellung der Lohnnachweise unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes, Kopien aus einem in ***X*** abgewickelten Arbeitsgerichtsprozess sowie einer Beilage für den Antrag auf Berücksichtigung von Werbungskosten) hatte die steuerliche Vertreterin des BF dargestellt, dass der ab Februar 2019 in Österreich wohnhafte BF für seine Tätigkeit für ein deutsches Unternehmen im Zeitraum bis November 2019 neben einem laufenden Monatslohn iHv 138.742,60 € auch eine Kündigungsentschädigung für fünf Monate iHv 69.371,25 € sowie eine Abfindung nach den Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzgesetzes iHv 500.000,00 € sowie einen Bezug von 3.812,02 € an Mitarbeiterboni erhalten habe. Der BF stellte durch seine steuerliche Vertreterin hinsichtlich der Abfindung iHv 208.113,75 € den Antrag auf Versteuerung mit einem festen Steuersatz nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 bzw. auf anteilige Steuerfreistellung der übersteigenden Abfindung und der Kündigungsentschädigung nach § 67 Abs. 8 EStG 1988. iHv jeweils 9.396,00 €. Zudem machte der BF Werbungskosten in Höhe von 19.666,65 € geltend.
Das FA unterzog den vom deutschen Arbeitgeber dargestellten Gesamtbetrag iHv 711.925,87 € den der BF im Jahr 2019 erhalten hatte, abzüglich einer vom deutschen Arbeitgeber dargestellten Abfertigung nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 iHv 208.113,75 € sowie einem weiteren Abfindungsteil von 9.396,00 € und einer Kündigungsentschädigung iHv 9.396,00 € der progressiven Einkommensbesteuerung. Die deutschen Einkünfte des BF aus dem Jänner 2019 zog das FA zur Ermittlung des Progressionsvorbehaltes heran. Die Abfertigung iHv 208.113,75 € besteuerte das FA nicht, die geltend gemachten Werbungskosten iHv 19.666,65 € berücksichtigte das FA nicht. Eine Begründung dazu erfolgte nicht.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine ausgewiesene Vertreterin mit Schriftsatz vom Beschwerde und beantragte unter Verweis auf die Anträge im Erstverfahren und die mit der Steuerklärung 2019 eingereichten Beilagen die geltend gemachten Werbungskosten und die Besteuerung der Abfindung laut Aufstellung bei der Veranlagung 2019 zu berücksichtigen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA diese Beschwerde als unbegründet ab und änderte den Einkommensteuerbescheid 2019 dahingehend ab, dass auch die Abfertigung iHv 208.113,75 € der progressiven Einkommensteuer unterworfen wurde, wodurch sich die Summe der Bezüge des deutschen Arbeitgebers auf 667.199,72 € erhöhte. Die deutschen Einkünfte des BF aus dem Jänner 2019 zog das FA zur Ermittlung des Progressionsvorbehaltes heran. Die geltend gemachten Werbungskosten berücksichtigte das FA nicht. Eine Begründung dazu erfolgte nicht.
Darauf beantrage die BF binnen verlängerter offener Frist die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das BFG.
Über Vorhalt des Richters schlüsselte der BF durch seine ausgewiesene Vertreterin die beantragten Werbungskosten wie folgt auf:
Der BF habe die nichtselbstständige Tätigkeit für die Unternehmungen in ***X*** bis in Deutschland und im Zeitraum von - von seinem Wohnsitz in Österreich aus ausgeübt, da ihm kein Arbeitsplatz am Firmensitz der Dienstgeberin zur Verfügung gestanden sei. Somit seien vom BF selbst getragene Ausgaben für Arbeitsmittel iHv € 564,43 + € 672,90 angefallen, weiters Ausgaben für Arbeitszimmer iHv € 133,00 + € 332,76 + € 70,42 und Ausgaben für Internet iHv € 219,60.
Weiters beschrieb die Vertreterin den Ablauf der Auflösung der Dienstverhältnisse. Hierbei seien Rechtsanwaltskosten iHv € 2.403,21 entstanden. Infolge der Kündigung durch den Dienstgeber am habe der BF ein Personalberatungsunternehmen mit der Berufsberatung bzw Suche nach einem neuen Arbeitsplatz (Karriereberatung) beauftragt. Hierfür sind dem BF Kosten iHv € 2.992,01 + € 3.969,99 entstanden. Die Summe aus den genannten Rechtsanwaltskosten und den Kosten der Berufsberatung (Arbeitsplatzsuche) errechne sich daher mit € 9.365,21.
Die zum Ansatz gebrachten Reisekosten seien durch Gerichtstermine in ***X***, Beratungsgespräche mit Personalberatern, Vorstellungsgesprächen und der Abholung eines Firmenfahrzeuges iHv gesamt 3.443,43 € entstanden.
Der für den Dezember 2019 als Reisekosten zum Ansatz gebrachte Betrag iHv € 623,00 wären eigentlich als Kosten der doppelten Haushaltsführung auszuweisen, da der BF bei seinem neuen Arbeitsort in Oberösterreich ab Dezember 2019 einen Fahrzeitaufwand von 3h 20 Min gehabt habe und deshalb tageweise ein Hotelzimmer angemietet habe und an seinem Wohnsitz im Land Salzburg mit seiner Frau und drei Kindern lebe.
In einer dazu ergangenen Stellungnahme des FAÖ führte dieses zu den geltend gemachten Werbungskosten aus, dass beantragt werden, bei den Arbeitsmitteln einem Privatanteil von 50 % auszuscheiden, bei den Kosten für den PC, Internet und Mobiltelefon einem Privatanteil von 30 % auszuscheiden und die Kosten für das Arbeitszimmer (Betriebskosten und Instandhaltung) sowie die Rechtsschutzversicherung zur Gänze nicht zu berücksichtigen.
Darüber hinaus stellte das FA nochmals seine Rechtsansicht zur Besteuerung der Abfindungszahlungen zum Tarifsteuersatz dar und verwies darauf, dass die zwingend geforderte vollständige Übereinstimmung mit der österreichischen Rechtslage zur Inanspruchnahme der Begünstigung § 67 Abs. 3 EStG 1988 nicht gegeben sei.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt und Beweiswürdigung
Der im folgenden dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom BF mit dem Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung 2019 vorgelegten Unterlagen, insbesondere der vom Arbeitgeber mit vorgelegten Entgeltabrechnung sowie aus dem Vergleich vom vor dem Arbeitsgericht ***X*** und der Vorhaltsbeantwortung des BF. Sie sind von den Parteien des Verfahrens unbestritten.
Die zitierten Bestimmungen des deutschen EStG und des deutschen Kündigungsschutzgesetzes entstammen diesem Gesetz.
Der im Jahr 1967 geborene BF war seit in einem international tätigen Konzern als Dienstnehmer beschäftigt. Im Jahr 2019 bestanden parallel Dienstverhältnisse zu zwei deutschen Unternehmen dieses Konzerns.
Der BF war bis Jänner 2019 in Deutschland ansässig und übte seine Tätigkeit für diese Unternehmen bis einschließlich Jänner 2019 in ***X*** aus. Die Arbeitgeber führten für die nichtselbständigen Einkünfte des BF bis einschließlich Jänner 2019 Lohnsteuer in Deutschland ab.
Der BF verlegte seinen Wohnsitz Anfang Februar 2019 von Deutschland nach Österreich (Land Salzburg) und übte seine Tätigkeit für den Konzern ab diesem Zeitpunkt von seinem Wohnsitz in Österreich aus. Der Arbeitgeber stellte ihm ab diesem Zeitpunkt keinen Arbeitsplatz in Deutschland mehr zur Verfügung. Ein Lohnsteuerabzug erfolgte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr.
Beide Dienstverhältnisse wurden vom Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen im Juni 2019 aufgekündigt. Diese Aufkündigung der Dienstverhältnisse wurde in der Folge vom BF mit gerichtlicher Klage bekämpft. Die Klagebegehren des BF waren - wie aus dem Protokoll des vor dem Arbeitsgericht ***X*** abgeführten arbeitsrechtlichen Verfahren ersichtlich ist - in allen Punkten auf Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse gerichtet, für die eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden war.
Dieses Verfahren wurde letztlich durch einen gerichtlichen Vergleich vom beendet, in dem zwar die Arbeitsverhältnisse des BF beendet wurden, ihm jedoch der Anspruch auf eine Abfindung gemäß § 9 bzw. § 10 des deutschen Kündigungsschutzgesetzes iHv 500.000,00 € sowie eine Kündigungsentschädigung iHv 69.371,25 € zugesprochen wurde.
Die zitierten Bestimmungen des d Kündigungsschutzgesetzes lauten:
§ 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts, Abfindung des Arbeitnehmers:
(1) Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.
(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.
§ 10 Höhe der Abfindung
(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.
(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.
(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.
Das laufende Monatsentgelt des über 50 Jahre alten BF im Jahr 2019 betrug 13.874,25 €. Der oben zitierte Anspruch für ein Arbeitsverhältnis mit einer Dauer von mehr als 15 Jahren beträgt daher 208.113,75 €.
Die Höchstbeitragsgrundlage zum ASVG betrug im Jahr 2019 5.220,00 €.
§ 1 Abs. 1 des d EStG lautet: Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
§ 1 Abs. 4 des d EStG lautet: Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind … beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte im Sinn des § 49 haben.
§ 49 Abs. 1 Z. 4 lit. a des d EStG lautet: Inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4) sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet worden ist.
§ 49 Abs. 1 Z. 4 lit. d des d EStG lautet: Inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4) sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 für die Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor aus der Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben.
Im Jahr 2019 bezahlte der BF folgende Kosten:
Die Anschaffung von Arbeitsmitteln iHv 564,43 € sowie für einen Computer iHv 2.691,60 € (AfA iHv 672,90 €) (Anteilige) Kosten für ein Arbeitszimmer iHv 133,00 € für Betriebskosten, Kosten iHv 332,76 € für Telefongebühren, und Instandhaltungskosten iHv 70,42 €; Kosten für den Internetanschluss iHv 219,60 €, Rechts und Beratungskosten iHv 9.365,21 €, Fahrtkosten iHv 2.103,63 €, Taggelder iHv 405,80 € Nächtigungsgelder iHv 934,00 €. Weiters bezahlte der BF Kranken- und Pflichtversicherungen iHv 4.687,20 € sowie eine Rechtschutzversicherung für ihn und seine Gattin iHv 177,70 €.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Gemäß § 1 Abs. 1 EStG 1988 sind nur natürliche Personen einkommensteuerpflichtig.
Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
Gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen beschränkt steuerpflichtig, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte.
Gemäß § 98 Abs. 1 Z 4, erster Gedankenstrich EStG 1988 unterliegen der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25), die im Inland … ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist.
Nach Art. 23 Abs. 1 lit. d) des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen idF BGBl. III Nr. 32/2012 (in der Folge DBA Österreich / Deutschland) dürfen zwar Einkünfte … einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden. Dies setzt aber voraus, dass ein Besteuerungsrecht der Republik Österreich für die Einkünfte des im Jänner 2019 noch in Deutschland ansässigen BF bestehen würde. Die Bestimmung des Art. 23 des DBA Österreich/Deutschland, die dem Art. 23a Z. 4 des OECD-MA entspricht, betrifft nur die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat. Sie begründen keine innerstaatlichen Steueransprüche, sondern entfalten Schrankenwirkung. (Ismer in Vogel/Lehner DBA, Art 23 Rz. 2)
Der BF übte seine nichtselbständige Tätigkeit für zwei deutsche Arbeitgeber bis einschließlich Jänner 2019 in ***X*** aus und hatte seinen Wohnsitz in Deutschland. Er war somit in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, in Österreich bestand keine Steuerpflicht für diese Einkünfte.
Ab Februar 2019 übte er seine nichtselbständige Tätigkeit für die beiden deutschen Arbeitgeber von seinem österreichischen Wohnsitz aus und war somit aufgrund seines Zuzugs nach Österreich hier unbeschränkt steuerpflichtig. Österreich verfügte somit ab diesem Zeitpunkt über das Besteuerungsrecht für alle in- und ausländischen Einkünfte des BF.
§ 49 Abs. 1 Z. 4 lit. a) d EStG sieht eine beschränkte Einkommensteuerpflicht für nichtselbstständige Tätigkeiten nicht nur für in Deutschland ausgeübte Tätigkeiten, sondern auch für Tätigkeiten vor, die in Deutschland verwertet werden. Die Verwertung erfolgt grundsätzlich dort, wo das Ergebnis dem Arbeitgeber zugeführt wird, in der Regel daher am Sitzort des Arbeitgebers. (Haiß in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Anm.750 ff) Von dieser beschränkten Steuerpflicht sind nach § 49 Abs. 1 Z. 4 lit. d) d EStG auch bezahlte Entschädigungen anlässlich der Auflösung des Dienstverhältnisses umfasst. (Haiß in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Anm.785)
Gemäß Art 15 Abs. 1 des DBA Österreich / Deutschland dürfen … Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.
Gemäß Art 15 Abs. 4 des DBA Österreich / Deutschland gilt jedoch die Arbeit nur dann als im anderen Vertragsstaat ausgeübt, wenn die Vergütungen in Übereinstimmung mit diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert worden sind.
Nach dieser Bestimmung hat die Steuerfreistellung der Einkünfte im Ansässigkeitsstaat zugunsten des Tätigkeitsstaates nur dann zu erfolgen, wenn nachgewiesen wird, dass die in Rede stehenden Einkünfte im Tätigkeitsstaat tatsächlich steuerlich erfasst worden sind. (Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes/Daurer Art. 15 DBA Österreich / Deutschland, Anm. 3)
Somit war der BF in Deutschland bis zum unbeschränkt steuerpflichtig, in Österreich bestand nach den Bestimmungen des EStG 1988 kein Besteuerungsrecht.
Ab Februar 2019 war der BF in Österreich unbeschränkt und in Deutschland (grundsätzlich) beschränkt steuerpflichtig. Die nach den nationalen Bestimmungen bestehende beschränkte Steuerpflicht für seine deutschen nichtselbständigen Einkünfte wird durch Art 15 Abs. 1 DBA Österreich / Deutschland zunächst Deutschland zugewiesen. Durch die nachgewiesenermaßen in Deutschland nicht erfolgte Versteuerung der Einkünfte im Zeitraum vom bis werden diese Besteuerungsrechte aber auf Österreich übertragen. Dies gilt auch für die bezahlten Entschädigungen anlässlich der Auflösung des Dienstverhältnisses.
Wie oben dargestellt bestand für die im Jänner 2019 mit Wohnsitz in Deutschland erzielten Einkünfte des BF aus einer nichtselbständigen Tätigkeit in Deutschland kein Besteuerungsrecht Österreichs, da in diesem Zeitraum kein Anknüpfungspunkt in Österreich bestand. Eine Berücksichtigung dieser Einkünfte im Wege der Steuerfreistellung mit Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes nach Art 23 Abs. 1 Z. 4 DBA Österreich / Deutschland für den Zeitraum, in dem Österreich nach dem oben Gesagten keine Besteuerungsrechte zustehen, ist somit entgegen der Ansicht des FA nicht möglich.
Für die ab Februar 2019 erzielten Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gilt hinsichtlicher der begünstigeten bzw. der tarifmäßigen Besteuerung Folgendes:
Gemäß § 25 Abs. 1 Z. 1 lit. a) EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.
Dabei ist es - sofern Österreich ein Besteuerungsrecht an diesen Einkünften hat - unerheblich, ob der Arbeitgeber im Inland eine Betriebsstätte hat oder nicht.
§ 67 EStG 1988 regelt die Besteuerung sonstiger Bezüge, die ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber ausbezahlt bekommt.
Die Begünstigungen des § 67 EStG 1988 stehen … auch im Ausland tätigen Arbeitnehmern zu, wenn Österreich … das Besteuerungsrecht zusteht. … Dies gilt auch für Sonderzahlungen eines in Österreich ansässigen Arbeitnehmers einer ausländischen Gesellschaft unabhängig von der Bezeichnung nach ausländischem Recht. (Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 19 § 67, Tz. 5 mwM)
Damit sind die Bezüge des BF aus seinem Dienstverhältnis mit dem deutschen Arbeitgeber, die nach dem oben Gesagten ab der österreichischen Einkommensteuer zu unterwerfen sind, so zu behandeln, wie wenn diese Bezüge von einem österreichischen Arbeitgeber bezogen worden wären.
Gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 wird die Lohnsteuer von Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt, so berechnet, dass die auf den laufenden Arbeitslohn entfallende tarifmäßige Lohnsteuer mit der gleichen Zahl vervielfacht wird, die dem bei der Berechnung des Abfertigungsbetrages angewendeten Mehrfachen entspricht. Ist die Lohnsteuer bei Anwendung des Steuersatzes von 6% niedriger, so erfolgt die Besteuerung der Abfertigungen mit 6%. Unter Abfertigung ist die einmalige Entschädigung durch den Arbeitgeber zu verstehen, die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund … gesetzlicher Vorschriften, … zu leisten ist.
Die in einem Vergleich des Arbeitgebers mit dem Arbeitnehmer über Gehalts- und Abfertigungsansprüche enthaltenen Beträge zur Abgeltung der Abfertigung sind gemäß Abs. 3 zu versteuern und nicht als Vergleichssummen gemäß Abs. 8 lit. a ( Zl. 797,798/65). Der Betrag muss aber seinem wirtschaftlichen Gehalt nach einer Abfertigung entsprechen ( 86,85/14/0162; vom , 2008/13/0252) (Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 19 § 67, Tz. 58)
Die bloße Bezeichnung der Vergleichssumme … als "Abfertigung" genügt zwar für die Inanspruchnahme der begünstigten Besteuerung nicht, wenn dies nicht dem wahren wirtschaftlichen Gehalt entspricht ( Gz 85/14/0162; s auch , Gz 97/14/0045). Jedoch lässt alleine die Formulierung im Vergleich, wonach mit diesem sämtliche Forderungen und Ansprüche bereinigt und verglichen seien, einen solchen Rückschluss nicht zu, wenn der Bf nach einvernehmlicher Beendigung des Dienstverhältnisses neben einer Reihe weiterer Ansprüche auch einen die Vergleichssumme betragsmäßig übersteigenden Abfertigungsanspruch iSd Abs 3 gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber klagsweise geltend gemacht hat (). (Jakom, Lenneis, EStG 2019, § 67, Rz 13)
Gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ausgenommen von BV-Kassen ausbezahlte Abfertigungen und Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistung für künftige Lohnzahlungszeiträume), nach Maßgabe folgender Bestimmungen mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern:
1.Der Steuersatz von 6% ist auf ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate, höchstens aber auf den Betrag anzuwenden, der dem Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG entspricht.
2.Über das Ausmaß der Z 1 hinaus ist bei freiwilligen Abfertigungen der Steuersatz von 6% auf einen Betrag anzuwenden, der von der nachgewiesenen Dienstzeit abhängt. Bei einer nachgewiesenen Dienstzeit von 20 Jahren ist ein Betrag bis zur Höhe von 9/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern. Ergibt sich jedoch bei Anwendung der dreifachen monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG auf die der Berechnung zu Grunde zu legende Anzahl der laufenden Bezüge ein niedrigerer Betrag, ist nur dieser mit 6% zu versteuern.
3.Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 kürzen das sich nach Z 2 ergebende steuerlich begünstigte Ausmaß.
4.Den Nachweis über die zu berücksichtigende Dienstzeit sowie darüber, ob und in welcher Höhe Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 oder dieses Absatzes bereits früher ausgezahlt worden sind, hat der Arbeitnehmer zu erbringen; bis zu welchem Zeitpunkt zurück die Dienstverhältnisse nachgewiesen werden, bleibt dem Arbeitnehmer überlassen. Der Nachweis ist vom Arbeitgeber zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen.
5.Abs. 2 ist auf Beträge, die nach Z 1 oder Z 2 mit 6% zu versteuern sind, nicht anzuwenden.
6.Soweit die Grenzen der Z 1 und der Z 2 überschritten werden, sind solche sonstigen Bezüge wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen.
Gemäß § 67 Abs. 8 EStG 1988 gilt für die nachstehend angeführten sonstigen Bezüge Folgendes:
a) auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhende Vergleichssummen, sind, soweit sie nicht nach Abs. 3, 6 oder dem letzten Satz mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen, höchstens jedoch ein Fünftel des Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG; Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Fallen derartige Vergleichssummen bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses an und werden sie für Zeiträume ausbezahlt, für die eine Anwartschaft gegenüber einer BV-Kasse besteht, sind sie bis zu einem Betrag von 7.500,00 € mit dem festen Steuersatz von 6% zu versteuern; Abs. 2 ist nicht anzuwenden.
b) Kündigungsentschädigungen sind gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen, höchstens jedoch ein Fünftel des Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG.
Gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die nicht unter Abs. 1 bis 8 fallen, wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen. Diese Bezüge erhöhen nicht das Jahressechstel gemäß Abs. 2.
Aus Abs 8 lit a folgt, dass eine gesetzliche Abfertigung auch dann nach Abs 3 zu versteuern ist, wenn ein solcher Bezug von einem Vergleich umfasst ist. Dies setzt voraus, dass erkennbar ist, in welchem Ausmaß eine Vergleichssumme auf einen derartigen Anspruch entfällt. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Gegenstand des Verfahrens nur ein derartiger Anspruch war, oder wenn von mehreren Ansprüchen durch (Teil-)Vergleich ein solcher Anspruch verglichen werden soll, während die übrigen Ansprüche strittig bleiben, oder wenn in sonst erkennbarer Weise im Vergleich erklärt wird, welcher von mehreren Ansprüchen mit welchem Betrag verglichen werden soll.
Während im erstinstanzlichen Verfahren offenbar nicht nur der BF sondern auch das FA der Ansicht waren, dass die Ergebnisse des vor dem Arbeitsgericht in ***X*** geschlossenen Vergleichs (auch) eine begünstigte Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 3 EStG 1988 enthalten hätten, vertrat das FA in der Beschwerdevorentscheidung bzw. im weiteren Beschwerdeverfahren die Ansicht, dass die vergleichsweise zugesprochene Abfindung in Sinne der §§ 9 und 10 des d Kündigungsschutzgesetzes in der vom BF beantragten Höhe von rd. € 208.000,00 weder mit einer gesetzlichen noch mit einer freiwilligen Abfertigung gleichzusetzen sei, weswegen die begünstigte Besteuerung nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 auch für diesen Betrag zu verwehren sei.
Dieser Ansicht kann das BFG nicht folgen. Aus dem vom BF vorgelegten Vergleich ist für das BFG unzweifelhaft ersichtlich, dass die dort angesprochenen "Abfindungszahlungen" die Voraussetzungen für eine begünstigte Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 3 bzw. Abs. 8 lit. a EStG 1988 erfüllen. Dies ergibt sich bereits aus dem Verweis auf die Bestimmungen der §§ 9 und 10 des d Kündigungsschutzgesetzes im abgeschlossenen Vergleich, in denen u.a. gesetzlich festgelegt ist, dass das Gericht nach der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, sowohl auf Antrag des Arbeitnehmers als auch auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen hat, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist bzw. Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Da seitens des Arbeitgebers offenkundig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls angestrebt wurde, wurde mit dem Vergleich lediglich der Weg zu diesem für den BF unvermeidbaren Ergebnis der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der damit notwendigerweise einhergehenden Bemessung einer Abfertigung durch das Gericht verkürzt.
Aus Sicht des BFG ist es auch nicht schädlich, dass diese Abfertigung nach deutschen Bestimmungen 15 Monatsgehälter umfasst hat. § 67 Abs. 3 EStG 1988 spricht nicht von einem bestimmten Höchstbetrag von begünstigten Monatsgehältern, sondern begünstigt Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt. Dies ist im gegenständlichen Fall für die 15 Monatsbezüge gegeben.
Gleiches gilt für die ebenfalls im Vergleichswege vereinbarte freiwillige Abfertigung und die Kündigungsentschädigung, die aus Sicht des BFG nach den Bestimmungen des § 67 Abs. 8 lit. a und lit. b EStG 1988 zu erfassen ist.
Diese gesetzlich zustehenden und freiwilligen Zahlungen des Arbeitgebers des BF sind -wie oben dargestellt - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann nach den Bestimmungen des § 67 EStG 1988 zu berücksichtigen, wenn es sich um einen Arbeitnehmer handelt, der in Österreich ansässig ist und für einen ausländischen (deutschen) Arbeitgeber tätig ist.
Damit ist die Rechtsfrage dem Grunde nach entschieden, die vom BF ausgewiesenen Abfindungen und Kündigungsentschädigungen unterliegen nach Maßgabe der einzelnen oben zitierten Bestimmungen des § 67 EStG 1988 einer begünstigten Besteuerung.
Was die konkrete Berechnung und die Bemessungsgrundlagen der Steuern betrifft, so ist den Anträgen der steuerlichen Vertreterin des BF im Schreiben vom zu folgen, die die ausbezahlten Beträge in einen laufenden Monatslohn iHv 138.742,60 €, eine Kündigungsentschädigung für fünf Monate iHv 69.373,25 € eine Abfindung iHv 500.000,00 € sowie einen Bezug von Aktien der Arbeitgeberin im Ausmaß von 3.812,02 € aufgeteilt hatte.
Als gesetzliche Abfertigung, die im Vergleichswege festgelegt wurde, sind - abhängig vom Lebensalter und der Beschäftigungsdauer des BF - durch den Verweis auf die Bestimmungen der §§ 9 und 10 des d Kündigungsschutzgesetzes 15 Monatsentgelte iHv 13.874,25 € anzusetzen, was einem Gesamtbetrag von 208.115,75 € entspricht der mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs. 3 EStG zu versteuern ist.
Als freiwillige Abfertigung ist der den oben angeführten Betrag übersteigende Anteil der Abfertigung von 500.000,00 €, somit ein Betrag von 291.886,25 € zu sehen. Für diesen Betrag ist nach den Bestimmungen des § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 antragsgemäß ein Fünftel des neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG steuerfrei zu belassen womit insgesamt ein Betrag von 9.396,00 € steuerfrei zu stellen ist. Der restliche Betrag von 282.490,25 € ist gemäß § 67 Abs. 10 EStG zum laufenden Steuersatz zu versteuern.
Die mit der Beendigung des Dienstverhältnisses im November 2019 zur Auszahlung gelangte Kündigungsentschädigung iHv 69.371,25 € ist gemäß § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 antragsgemäß iHv einem Fünftel des neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG steuerfrei zu belassen womit insgesamt ein Betrag von 9.396,00 € steuerfrei zu stellen ist. Der restliche Betrag von 59.975,25 € ist gemäß § 67 Abs. 10 EStG zum laufenden Steuersatz zu versteuern.
Somit war der Beschwerde in diesen Beschwerdepunkten stattzugeben.
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im Folgenden ausdrücklich zugelassen ist. … Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Derartige Werbungskosten sind auch Prozesskosten, sofern der Prozess - wie im gegenständlichen Fall - mit der beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang steht. (Jakom/Lenneis EStG 2019, § 16 Rz. 56 mwN) Auch die in diesem Zusammenhang angefallenen Reisekosten nach ***X*** zeigen einen unmittelbaren beruflichen Konnex mit dem Dienstverhältnis und sind daher als Werbungkosten anzusehen.
Gleiches gilt für die Kosten eines Bewerbungstrainings bzw. der Suche nach einem neuen Dienstgeber und die damit im Zusammenhang anfallenden Reisekosten für Beratungen und Vorstellungsgespräche.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. f EStG 1988 sind Werbungkosten auch Beiträge von Arbeitnehmern zu einer ausländischen Pflichtversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht. Der BF war während seiner beruflichen Tätigkeit in Deutschland bis November 2019 nach den dort gültigen Regelungen anstelle der Versicherung bei einer staatlichen Sozialversicherung privat kranken- und pflegeversichert. Eine derartige Pflichtversicherung über eine private Krankenversicherung erfüllt die Voraussetzungen einer ausländischen Pflichtversicherung nach § 16 Abs. 1 Z 4 lit. f EStG 1988 und führt damit zu Werbungskosten.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 sind Ausgaben für Arbeitsmittel (zB Werkzeug und Berufskleidung) Werbungskosten. Ist die Nutzungsdauer der Arbeitsmittel länger als ein Jahr, ist Z 8 anzuwenden. Da der BF de facto ab Februar 2019 in "Heimarbeit" war und ihm vom Arbeitgeber nach seinen Angaben keine entsprechenden Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt wurden, sind derartige Kosten, Telefonkosten (332,76 €), Internet (219,60 €) Kosten für die Büroorganisation (Druckerpatronen und dergleichen mehr im Gesamtausmaß von 564,43 €) sowie die Abschreibung des im Jahr 2019 angeschafften PC (672,90 €) ebenfalls als Werbungskosten anzusetzen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass derartige Gegenstände, die sich in einem Privathaus befänden nach der Lebenserfahrung immer auch in einem bestimmten Umfang privat genutzt werden. Eine derartige Privatnutzung kann mit vernünftigem Aufwand nur geschätzt werden und wird von Seiten des BFG auf Grund der speziellen Situation des BF im Jahr 2019 mit 20 % der oben dargestellten Kosten angenommen. Dies führt in Summe zur Kürzung der geltend gemachten Kosten von gesamt 1.789,69 € um 357,94 €. Die vom FA beantragte Berücksichtigung eines Privatanteiles von 50 % bzw. 30 % berücksichtigt aus Sicht des BFG die spezielle Situation des BF im Streitjahr 2019 nicht ausreichend.
Aufgrund der speziellen Umstände dieses Einzelfalles kann das BFG auch dem Antrag des FA nicht folgen, die Kosten des Arbeitszimmers nicht zum Abzug zuzulassen. Der Arbeitgeber hatte seinem Arbeitnehmer für die letzten Monate der beruflichen Tätigkeit keinen Arbeitsplatz mehr zur Verfügung gestellt.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung nicht abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.
Da dem BF für den Zeitraum Februar 2019 bis November 2019 von Seiten des Arbeitgebers kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wurde, ist bei dieser Form der "Heimarbeit" davon auszugehen, dass sich der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des BF in diesem Zeitraum innerhalb seines Arbeitszimmers befunden hat. (Jakom/Peyerl, EStG 2019, § 20, Rz.53 mwN) Damit sind die geltend gemachten Kosten im Ausmaß von 3,8 % der laufenden Betriebskosten, sowie der Instandhaltungskosten des Wohnhauses als Werbungskosten anzuerkennen.
Was die "Reisekosten" des BF Dezember 2019 betrifft, so ist der Vertreterin des BF zuzustimmen, dass es sich in diesem Fall aufgrund der Entfernung des neuen Arbeitsortes vom Familienwohnort und dem damit verbundenen Zeitaufwand für die Fahrt zum Arbeitsort und retour von 3 h 20 min um eine Entfernung zwischen diesen beiden Orten handelt, bei denen eine tägliche Rückkehr des BF an den Familienwohnort als nicht zumutbar anzusehen ist (Jakom/Lenneis, EStG 2019, § 16, Rz.56 mwN) womit die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung zumindest vorübergehend vorliegen und durch die Anmietung eines Hotelzimmers mit Gesamtkosten von 623,00 € durch den BF auch dokumentiert wurden.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Dasselbe gilt nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 für Aufwendungen und Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, werden als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen sein, bei der sie erwachsen sind. Die Obergrenze der abziehbaren Wohnungskosten ist mit der Höhe der Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort zu ziehen. In diesem Sinne unterliegen die tatsächlich angefallenen Wohnungskosten einer Angemessenheitsprüfung ( unter Verweis auf , mwN). Entscheidend sind die Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort. () Das BFG erachtet monatliche Kosten in Höhe von rd. 600,00 € als Kosten für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort. Dabei ist es aus Sicht des BFG unerheblich, ob der BF diesen Betrag für Miete und Betriebskosten oder für ein Hotelzimmer aufwendet, was gerade am Beginn einer derartigen neuen Tätigkeit möglicherweise die schnellere und unproblematische Möglichkeit einer Unterkunft am neuen Tätigkeitsort darstellt.
Hinsichtlich der vom BF geltend gemachten Rechtsschutzversicherung für ihn und seine Gattin iHv 177,70 € ist dem FA aus Sicht des BFG zuzustimmen, dass für diese Rechtschutzversicherung kein Konnex zur beruflichen Tätigkeit des BF erkennbar ist, was sich zum einen daraus ergibt, dass diese Versicherung in Österreich abgeschlossen wurde und sowohl den BF als auch seine Gattin betrifft. Weitaus deutlicher wird dieser fehlende berufliche Konnex jedoch daraus erkennbar, dass diese Rechtschutzversicherung die Kosten des vom BF betriebenen, eindeutig beruflich veranlassten Prozesses vor dem Arbeitsgericht in ***X*** nicht übernommen hat, sondern der BF diese selbst mit seinem Rechtsanwalt abzurechnen hatte.
Die vom BF beantragten Werbungskosten iHv 19.666,65 € waren somit um 852,64 € zu kürzen und iHv 18.814,01 € bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen.
Dem entsprechenden Berufungsbegehren war daher teilweise stattzugeben.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Aufgrund des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes sind die vergleichsweisen Zahlungen an den BF anlässlich der Beendigung seines Dienstverhältnisses inländischen gesetzlichen oder freiwilligen Abfertigungen bzw. begünstigten Kündigungsentschädigungen gleichzusetzen. Die daraus resultierenden Rechtsfolgen ergeben sich direkt aus den oben zitierten Bestimmungen des § 67 EStG 1988 und der dazu zitierten Judikatur. Gleiches gilt für die Berücksichtigung der beantragten Werbungskosten. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 67 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 67 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 15 Abs. 4 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100424.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at