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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.07.2022, RV/7101185/2022

Aussetzung der Einhebung gegenüber einer GmbH, deren Geschäftsführer ins Ausland verzogen ist

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101185/2022-RS1
Bei der Anwendung des § 212a Abs. 2 lit. c BAO gegenüber einer juristischen Person ist zwischen deren Vermögenssphäre und jener ihrer Organe zu unterscheiden. Es stellt daher kein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten der abgabepflichtigen GmbH dar, wenn ihr Geschäftsführer seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Aussetzung gem. § 212a BAO, Steuernummer ***BFStNr*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Aussetzung der Einhebung der mit Bescheiden des Finanzamtes Österreich vom , StNr. ***BFStNr***, festgesetzten Körperschaftsteuer 2015 i.H.v. € 79.290,00 und Anspruchszinsen zur Körperschaftsteuer 2015 i.H.v. € 3.757,24 wird gem. 212a BAO bewilligt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin die Körperschaftsteuer 2015 mit € 90.866,00 fest. Es handelte sich hierbei um eine Berichtigung gemäß § 293b BAO zum Bescheid vom , mit welchem die Körperschaftsteuer 2015 noch mit € 11.576,00 festgesetzt wurde, sodass sich eine Nachforderung i.H.v. € 79.290,00 ergab. Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag setzte sie Anspruchszinsen zur Körperschaftsteuer 2015 mit € 3.757,24 fest. Gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2015 vom erhob die Beschwerdeführerin am Beschwerde, worin sie auch den gegenständlichen Aussetzungsantrag hinsichtlich Körperschaftsteuer im Ausmaß von € 79.290,00 und Anspruchszinsen im Ausmaß von € 3.757,24 stellte.

Diesen Aussetzungsantrag wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom ab. Begründend führte sie ins Treffen, dass der gesetzliche Vertreter und wirtschaftliche Eigentümer der Beschwerdeführerin mit Jahresbeginn 2022 in das Ausland verzogen und nicht mehr in Österreich aufhältig sei, wobei die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin dessen Wohn- bzw. Aufenthaltsort trotz abgabenbehördlicher Nachfrage nicht bekannt gegeben habe. Dies stelle ein - der Beschwerdeführerin zuzurechnendes - Verhalten dar, welches auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist, sodass die Aussetzung gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO nicht zu bewilligen sei.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom , mit der unter Vorlage eines Dokumentes der zuständigen spanischen Behörde der nunmehrige Wohnsitz des Geschäftsführers und wirtschaftlichen Eigentümers der Beschwerdeführerin offengelegt wurde. Die Beschwerdeführerin ging hierbei davon aus, dass der Grund für die Versagung der Aussetzung ausschließlich darin gelegen sei, dass dieser Wohnsitz bislang nicht bekannt gegeben wurde und dass die Aussetzung daher nun zu bewilligen sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Sie führte darin aus, dass der Aussetzungsantrag nicht deswegen abgewiesen wurde, weil die ausländische Wohnadresse des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin nicht bekannt gegeben wurde, sondern weil dieser ausgewandert sei. Es liege daher nach wie vor ein Verhalten vor, welches auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin Vorlageantrag gemäß § 264 BAO. Darin hält sie der belangten Behörde entgegen, dass nicht ihr Geschäftsführer, sondern sie selbst die Aussetzung der Einhebung beantragt habe und sie nach wie vor ihren Sitz in Österreich habe und auch ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in Österreich entfalte. Weiters erblickt sie im angefochtenen Bescheid einen Verstoß gegen Art. 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), wonach im Anwendungsbereich der Verträge (= des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union) jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist. Die Beschwerdeführerin als in Österreich ansässige Gesellschaft, deren Geschäftsführer österreichische Staatsbürger ist, dürfe nicht schlechter gestellt werden, als andere in Österreich ansässige Gesellschaften, nur weil der Geschäftsführer seinen Wohnsitz im übrigen Gemeinschaftsgebiet hat.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist eine zu FN ***XXXXXy*** im Firmenbuch eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in ***Bf-Adr***, welche mit Generalversammlungsbeschluss vom aufgelöst wurde und sich seitdem im Stadium der Liquidation befindet. Vormaliger Geschäftsführer und nunmehriger Abwickler der Beschwerdeführerin ist ***Bf-Gf***, geb. ***XX.XX.XXXX***. Dieser ist österreichischer Staatsbürger, war bis in ***BfGf-Adr-alt*** wohnhaft und verlegte danach seinen Wohnsitz nach ***BfGf-Adr-neu*** (Mallorca, Spanien).

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sind dem offenen Firmenbuch entnommen, jene zur Staatsbürgerschaft und zu den Wohnsitzen des ***Bf-Gf*** einer amtswegig eingeholten ZMR-Auskunft sowie der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bestätigung der zuständigen spanischen Behörde (Ajuntament de ***YYY***; wörtlich: Rathaus von ***YYY***) über dessen nunmehrigen Wohnsitz (das in Spanisch abgefasste Dokument wurde mit Google Übersetzer ins Deutsche übersetzt). Die festgestellten Tatsachen sind zwischen den Parteien im Übrigen unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung auf einen Bescheid zurückzuführen ist, der von einem Anbringen abweicht oder dem kein Anbringen zugrunde liegt, höchstens jedoch in jenem Ausmaß, in dem sich die Abgabenschuld bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung reduzieren würde.

Gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, einen Abgabepflichtigen, der sein Vermögen dem Zugriff des Abgabengläubigers zu entziehen versucht, daran zu hindern, den durch eine Aussetzung bewirkten Zahlungsaufschub zu einer erfolgreichen Fortsetzung solcher Versuche zu nutzen (; , 2010/15/0044). Ein derartiger Versuch, Vermögenswerte dem Zugriff des Abgabengläubigers zu entziehen, kann u.a. darin liegen, diese ins Ausland zu schaffen (vgl. ). Demnach erscheint es grundsätzlich vertretbar, auch in einer beabsichtigten, begonnenen oder allenfalls bereits umgesetzten Auswanderung ein auf die Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten zu erblicken, da ein Auswanderer typischerweise sein gesamtes Vermögen mitnimmt und der Zugriff auf Vermögenswerte im Ausland oftmals schwieriger ist als auf Vermögenswerte im Inland bzw. in manchen Fällen überhaupt scheitern wird. Dementsprechend wird in ständiger Rechtsprechung zur vergleichbaren Bestimmung des § 232 BAO judiziert, dass eine Auswanderungsabsicht eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung von Abgaben befürchten lässt und daher einen Sicherstellungsauftrag rechtfertigen kann (z.B. ; , 97/15/0030). Eine derartige Gefährdung kann sich aber nur dann verwirklichen, wenn Vermögen des Abgabenschuldners ins Ausland geschafft wird. Im vorliegenden Fall hat die Abgabenschuldnerin, also die beschwerdeführende GmbH weder ihren Sitz verlegt noch auf sonstige Weise Vermögen ins Ausland geschafft, sondern ist lediglich deren Geschäftsführer/Abwickler nach Spanien verzogen. Da zwischen der Vermögenssphäre einer juristischen Person und jener ihrer Organe zu unterscheiden ist, kann in der Auswanderung des vormaligen Geschäftsführers und nunmehrigen Abwicklers kein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten der Beschwerdeführerin erblickt werden (vgl. , wonach eine Verlagerung von allenfalls als verdeckte Ausschüttungen einem Gesellschafter-Geschäftsführer zugeflossenen Geldbeträgen ins Ausland [durch diesen] kein der Aussetzung der Einhebung von Abgaben entgegenstehendes Verhalten des von den Abgaben betroffenen Abgabepflichtigen [der GmbH] darstellt).

Mangels eines Verhaltens i.S.d. § 212a Abs. 2 lit. c BAO war die beantragte Aussetzung daher zu bewilligen, und zwar auch hinsichtlich der - nicht mit Beschwerde bekämpften - Anspruchszinsen. Diese sind akzessorisch zur Stammabgabe (KöSt 2015), also im Falle einer nachträglichen Abänderung oder Aufhebung der Stammabgabe durch einen neuen Zinsenbescheid an die geänderte Bemessungsgrundlage anzupassen (z.B. ). Sie sind daher i.S.d. § 212a Abs 1 BAO mittelbar von der Erledigung der Beschwerde gegen den Stammabgabenbescheid abhängig, sodass deren Einhebung auch dann auszusetzen ist, wenn keine Beschwerde gegen den Zinsenbescheid erhoben wurde ().

Ob - wie die Beschwerdeführerin vorbringt - auch Unionsrecht einer Versagung der Aussetzung entgegensteht, kann daher dahingestellt bleiben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass bei der Anwendung des § 212a Abs. 2 lit. c BAO zwischen den Vermögenssphären einer juristischen Person und deren Organen zu unterscheiden ist und insbesondere in einem Verhalten des (Gesellschafter-) Geschäftsführers, wodurch allenfalls dessen Vermögen ins Ausland geschafft wird, kein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten der juristischen Person erblickt werden kann, erscheint durch die Entscheidung hinreichend geklärt. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung waren daher im vorliegenden Fall nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a Abs. 2 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101185.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at