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Revisionsverfahren - Einzel - Beschluss, BFG vom 16.08.2022, RR/6100001/2022

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0086. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Susanne Zankl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RA, RA-Adr, betreffend den Antrag vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Revisionsfrist beschlossen:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer ordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom RV wird gem. § 46 Abs 4 VwGG als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

Mit Erkennntis RV, welches dem zustellbevollmächtigten steuerlichen Vertreter der Antragstellerin am zugestellt wurde, wies das Bundesfinanzgericht (BFG) eine Beschwerde der Antragstellerin als unbegründet ab.

In der Folge beauftragte der steuerliche Vertreter die Rechtsanwaltskanzlei RA mit der Einbringung einer ordentlichen Revision. Der Rechtsanwaltskanzlei wurde das angefochtene Erkenntnis mit der darauf angebrachten Stampiglie des Zustelldatums vom übermittelt.

Die von der Rechtsanwaltskanzlei gegen das Erkenntnis gerichtete, am zur Post gegebene ordentliche Revision wies das wegen Versäumung der Revisionsfrist zurück.

Mit Schriftsatz vom , eingelangt beim BFG am , beantragte die revisionswerbende Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist, erhob gleichzeitig ordentliche Revision gegen das Erkenntnis des BFG und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, das Erkenntnis vom Datum sei ihrem mit Zustellvollmacht ausgestatteten steuerlichen Vertreter zugestellt worden. Die Zustellung sei aufgrund des Bundesgesetzes, mit dem das Integrationsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID -19-Begleitgesetz, das Zustellgesetz und das Agramarkt Austria Gesetz (AMA Gesetz 1992) geändert worden seien (BGBl. I Nr. 42/2020), in eine für die Zustellung vorgesehene Abgabeeinrichtung (Zustellbehälter) des steuerlichen Vertreters eingelegt worden, die vor der Zugangstür der Kanzlei angebracht worden sei. Darauf sei ein Hinweis angebracht gewesen, dass das Kanzleipersonal bei Einwurf einer Postsendung durch mündliche Verständigung oder Anklingeln an der Tür zu verständigen sei. Das weitere Procedere und die Übernahme des hier in Rede stehenden Erkenntnisses vom Datum wird im Antrag auf Wiedereinsetzung sodann wie folgt dargestellt:

"…Während der Zeit der Anbringung des Zustellbehälters vor der Eingangstür bestand die Anweisung, dass eine Mitarbeiterin den für die Zustellung vorgesehenen Behälter jeweils nach einer erfolgten Verständigung sowie mehrmals täglich und am Ende des Tages entleert. Im Büro hat anschließend die langjährige und verlässliche Mitarbeiterin ***1*** auf die behobenen Postsendungen einen Eingangsstempel mit Datum des Zugangs angebracht und anschließend zur weiteren Veranlassung Herrn Mag. ***2*** vorgelegt.

Wenn Frau ***1*** kurzfristig nicht anwesend war, waren andere Mitarbeiter damit beauftragt, nach täglicher Entleerung des Postkastens ein Post-it mit dem Datum der Zustellung anzubringen. Anschließend wurden die Poststücke ***1*** zwecks Anbringung des Eingangsstempels übergeben. Diese hat dann den Eingangsstempel mit Datum auf dem Post-it angebracht und Mag. ***2*** vorgelegt. Wenn Frau ***1*** länger als einen Tag abwesend war, war eine weitere Mitarbeiterin mit der Anbringung des Eingangsstempels beauftragt.

Im vorliegenden Fall war Frau ***1*** am wegen Kurzarbeit nicht in der Kanzlei anwesend. Die an diesem Tag eingeworfene Post wurde von der ebenfalls langjährigen und zuverlässigen Mitarbeiterin ***3*** aus der Postkiste entnommen, mit einem Post-it des Zustelltages versehen und ***1*** zur weiteren Bearbeitung bereitgelegt. ***1*** ist am wieder in das Büro zurückgekehrt und hat den Eingangsstempel angebracht. Die Mitarbeiterin ***3*** kann sich nicht erinnern, dass der Postzusteller den Einwurf des gegenständlichen Erkenntnisses in die Postkiste durch mündliche Verständigung mitgeteilt hat. Sie weiß jedoch mit Sicherheit, dass sie die Post an diesem Tag entleert und auch ein Post-it über den Zustellzeitpunkt angebracht hat. Die Anbringung des Zustellstempels erfolgte dann durch Frau ***1***.

Weder Frau ***3*** noch Frau ***1*** können sich erklären, warum im vorliegenden Fall auf dem Zustellstück ein anderes Datum, nämlich der angebracht ist, als jener Tag (der ), an welchem laut Zusteller die Hinterlassung an der Abgabestelle erfolgt ist"... .

Sollte die Hinterlassung an der Abgabestelle im vorliegenden Fall tatsächlich am erfolgt sein, können sich die Mitarbeiter der steuerlichen Vertreterin den Fehler nur so erklären, dass entweder bei dem von Frau ***3*** angebrachten Post-it oder bei Anbringung des Eingangsstempels durch Frau ***1***, möglicherweise, weil der Stempel versehentlich einen Tag vorgestellt war, ein Fehler unterlaufen ist. Hierbei handelt es sich lediglich um einen minderen Grad des Versehens von einer der beiden Mitarbeiterinnen, die über langjährige Erfahrung verfügen und bisher immer zuverlässig gearbeitet haben.

Aufgrund dieses minderen Grades des Versehens wurde ein unrichtiger Zustellzeitpunkt, nämlich jener des auf dem zugestellten Schriftstück vermerkt und von Mag. ***2*** der Ablauf der Rechtsmittelfrist mit eingetragen. Den nunmehr einschreitenden Rechtsanwälten, die vom steuerlichen Vertreter mit der Einbringung einer Revision beauftragt worden seien, sei die Information der Zustellung am sowie das angefochtene Erkenntnis mit der darauf angebrachten Stampiglie des Zustelldatums zugekommen. Ausgehend von dieser Zustellung sei die Revision am rechtzeitig zur Post gegeben worden. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden eidesstattliche Erklärungen von ***3*** und ***1*** beigelegt:

Ich, Mag. ***2***, erkläre an Eides statt:

"Ich bin geschäftsführender Gesellschafter der GmbH. Sämtliche der Kanzlei zugehende Schriftstücke werden mit dem Eingangsstempel jenes Tages versehen, an welchem sie der Kanzlei zugegangen sind. Mit der Aufgabe der Anbringung dieses Eingangsstempels ist Frau ***1*** beauftragt. Sollte diese länger als einen Tag nicht anwesend sein, ist dafür eine Vertreterin zuständig. Nach Anbringung des Eingangsstempels hat Frau ***1*** den Auftrag, mir die eingehende Post zwecks weiterer Veranlassung vorzulegen. Ich zeichne den Eingangsstempel ab und vermerke Fristen.

Wenn Frau ***1*** kurzzeitig nicht in der Kanzlei ist, wird die Post von den Mitarbeiterinnen ***3*** oder ***4*** entgegengenommen, welche auf diesen ein Post-it mit dem Zustelldatum anbringen und anschließend Frau ***1*** zur Anbringung des Eingangsstempels und der weiteren Bearbeitung vorlegen.

Im vorliegenden Fall wurde mir das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes von Frau ***1*** mit dem Eingangsstempel zur weiteren Veranlassung übergeben. Ich habe darauf die Frist für die Einbringung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof mit vermerkt und vor Ablauf der Revisionsfrist die Rechtsanwälte RA mit der Einbringung einer Revision gegen das Erkenntnis namens der Revisionswerberin beauftragt. Ich habe den beauftragten Rechtsvertretern das Erkenntnis mit dem Eingangsstempel übermittelt und das meiner Ansicht nach richtige Eingangsdatum mitgeteilt. Warum es im gegenständlichen Fall dazu gekommen ist, dass das Datum unseres Eingangsstempels von jenem des Rückscheines, mit welchem die Zustellung erfolgt sein soll, abweicht, ist mir nicht erklärlich.
Die mit der Zustellung befassten Mitarbeiterinnen
***3*** und ***1*** sind langjährige und verlässliche Mitarbeiterinnen, welchen diesbezüglich meiner Erinnerung nach noch nie ein Fehler unterlaufen ist.

Meine Mitarbeiterinnen haben mir versichert, sich nicht mehr daran erinnern zu können, warum es im gegenständlichen Fall zu einem falschen Vermerk des Eingangsdatums gekommen ist. Zu berücksichtigen ist sicher auch, dass es durch die Covid-Begleitgesetze zu Änderungen der Zustellmodalitäten gekommen ist".

Ort, am Mag. ***2***

Ich, ***1***, erkläre an Eides statt:

"Ich, ***1***, bin seit bei der GmbH beschäftigt.

Zu meinem Aufgabenbereich gehört es unter anderem die der Kanzlei zugestellte Post mit dem täglichen Eingangsstempel zu versehen und anschließend Mag. ***2*** zur Setzung der weiteren Schritte (Fristvermerke etc) vorzulegen.

Wenn ich im Sekretariat kurzfristig (nicht länger als einen Arbeitstag) nicht anwesend bin, werden die Poststücke von anderen Mitarbeitern der Kanzlei, meistens von ***3*** oder ***4*** gesammelt und mit einem Post-it versehen, auf welchem das Datum der Zustellung angemerkt ist und mir dann zur Anbringung des Eingangsstempels und Vorlage an Mag. ***2*** vorgelegt.

Im gegenständlichen Zeitraum war vor unserer Kanzleitür ein Kistchen angebracht, in welchem die Post eingeworfen werden konnte. Es wurde ersucht, nach dem Einwurf von Postsendungen die Kanzleimitarbeiter zu verständigen oder durch Klingeln auf den Zustellvorgang hinzuweisen.

Am befand ich mich in Kurzarbeit und war nicht in der Kanzlei anwesend. Ich bin am Folgetag, den , in die Kanzlei zurückgekehrt. Zu diesem Zeitpunkt habe ich die gesammelte Post mit dem darauf befindlichen Post-it übernommen und auf jedem Poststück einen Eingangsstempel angebracht, wobei ich davon ausging, dass es jenes Datum ist, an welchem die Zustellung erfolgte.

Ich kann heute nicht mehr sagen, ob das Post-it betreffend das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom RV das Datum 18.05. oder trug, und warum im vorliegenden Fall von mir der Eingangsstempel angebracht wurde, obwohl die Zustellung mit Rückschein bereits am erfolgt sein soll. Möglich ist, dass entweder das Datum auf dem Post-it falsch war oder mir ausnahmsweise ein Fehler insofern unterlaufen ist, als der Eingangsstempel möglicherweise bereits das Datum jenes Tages trug, an welchem ich in die Kanzlei zurückgekehrt war und dieser ausnahmsweise versehentlich nicht zurückgestellt wurde.

Ein solcher Fehler ist mir in meiner bisherigen Tätigkeit bei der GmbH noch nicht unterlaufen und kann ich mir den Grund dafür bis heute nicht erklären.

Ort, am ***1***

Ich, ***3***, erkläre an Eides statt:

"Ich, ***3***, bin seit bei der GmbH beschäftigt.

Wenn meine Arbeitskollegin ***1*** kurzfristig nicht in der Kanzlei anwesend ist, gehört es u. a. zu meinen Aufgaben, die der Kanzlei zugestellten Poststücke zu sammeln und mit einem Post-it zu versehen, auf welchem der Zustellzeitpunkt angebracht ist. Anschließend übermittle ich die Poststücke an Frau ***1***, welche dann entsprechend dem Datum auf dem Post-it den Eingangsstempel anbringt und die Schriftstücke Mag. ***2*** verlegt.

Zum Zeitpunkt der fraglichen Zustellung des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom Datum war vor der Kanzlei ein Postkistchen angebracht, in welchem Poststücke hinterlassen werden konnten. Es war auf der Kiste die Bitte angebracht, nach Einwerfen der Post entweder an der Kanzleitür zu klingeln oder die Zustellung mündlich mitzuteilen. Am war ich damit beauftragt, die Postkiste zu entleeren und die zugestellten Dokumente mit dem Post-it und dem Eingangsdatum zu versehen. Ich kann mich an eine mündliche Verständigung der Zustellung des gegenständlichen Poststückes durch den Zusteller nicht erinnern. Ich habe jedenfalls an diesem Tag so wie immer, wenn Frau ***1*** kurzfristig nicht anwesend ist, die Poststücke gesammelt, mit dem Post-it versehen und Frau ***1***, die am Folgetag in die Kanzlei kam, zwecks weiterer Bearbeitung, nämlich der Anbringung des Eingangsstempels und der Vorlage an Mag. ***2*** ausgefolgt.

Ich selbst kann mir nicht erklären, warum im vorliegenden Fall ein falscher Eingangsstempel auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes gekommen ist. Möglich ist dies nur dadurch, dass entweder ich mich bei Anbringung des Datums auf dem Post-it geirrt habe oder Frau ***1*** bei Anbringung des Eingangsstempels. Ich achte stets darauf, dass die von mir gesammelte und mit dem Post-it versehene Post das Datum jenes Tages trägt, an welchem die Post zugestellt wurde. Ich habe jedenfalls die Post tagesaktuell aus dem Postkistchen entnommen. Die Zustellung der Post erfolgt üblicherweise zwischen 9.30 Uhr bis 11.00 Uhr. Ich habe aber auch noch nach Verlassen der Kanzlei noch einmal geprüft, ob im Postkistchen weitere Post vorhanden war, wie ich dies jeden Tag tue, an welchem ich für die Anbringung des Post-it verantwortlich bin. Dies ist gewöhnlich nicht der Fall.

Obwohl ich die bereits seit Jahren abwechselnd mit Frau ***4*** die Zustellzeitpunkte auf zugestellten Schriftstücken vermerke, wenn Frau ***1*** nicht in der Kanzlei anwesend ist, kam es diesbezüglich noch nie zu einer fehlerhaften Fristeintragung. Ich kann mir den gegenständlichen fehlerhaften Eingangsvermerk daher nicht erklären.

Ort, am ***3***

Mit Beschluss vom wies das BFG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und führte dazu aus, dass die Klärung der Frage, ob der steuerliche Vertreter der Antragstellerin alle organisatorischen Vorkehrungen getroffen habe, die für eine korrekte Vormerkung von Fristen erforderlich seien, im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben könne. Entscheidend sei, dass die Antragstellerin neben ihrem steuerlichen Vertreter auch Rechtsanwälte mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen betraut habe. Es sei daher zu prüfen, ob die mit der Erhebung einer Revision betrauten Rechtsanwälte den ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten nachgekommen seien. Das BFG kam zum Schluss, dass die Rechtsanwälte nicht die gebotenen Schritte zur Gewährleistung einer fristgerechten Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit unternommen hätten.

Gegen diesen Beschluss des BFG wurde seitens der Antragstellerin außerordentliche Revision erhoben.

Der VwGH hob den am wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf (Erkenntnis des VwGH X) und stellte dabei fest, dass im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sei, ob der steuerliche Vertreter der Antragstellerin alle organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, die eine fehlerfreie Anbringung des Eingangsstempels und damit eine korrekte Vormerkung von Fristen sicherstellen.

Damit tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Beschlusses des BFG vom XY befunden hat. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom gilt somit wieder als unerledigt.

Festgestellter Sachverhalt

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde rechtzeitig binnen 2 Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses (Zustellung des Beschlusses vom auf Zurückweisung der ordentlichen Revision wegen Versäumung der Frist) gestellt.

Die Beschwerdeentscheidung des wurde am der Kanzlei der ***5*** rechtswirksam zugestellt und zwar dadurch, dass das Dokument in den dafür vorgesehenen Behälter vor der Eingangstür der Kanzlei vom Zusteller eingeworfen wurde und dieser danach das Kanzleipersonal mündlich davon verständigte (siehe dazu Rückschein vom , mündlicher Vermerk des Zustellers).

[...]

Am wurde der Postkasten von Frau ***3***, Kanzleiangestellte der Kanzlei GmbH, entleert (siehe dazu die eidesstattliche Erklärung, ***3*** vom ).

Rechtsausführungen

§ 26 VwGG idF BGBl I Nr. 33/2013 lautet:

(1) Die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) beträgt sechs Wochen. Sie beginnt
- in den Fällen des Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber nur mündlich verkündet wurde, jedoch mit dem Tag der Verkündung.

§ 46 VwGG lautet:

(1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist und der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil das anzufechtende Erkenntnis, der anzufechtende Beschluss oder die anzufechtende Revisionsvorentscheidung fälschlich einen Rechtsbehelf eingeräumt und die Partei den Rechtsbehelf ergriffen hat oder keine Belehrung zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages, keine Frist zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsbehelf zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Gemäß § 98 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) gelten für Zustellungen das Zustellgesetz (ZustG) und sinngemäß die Bestimmungen des 3. Abschnittes der BAO.

§ 13 Zustellgesetz (ZustG) lautet:

(1) Dem Empfänger ist an der Abgabenstelle zuzustellen.

(4) Ist der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person, so ist das Dokument in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der Antragstellerin sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.

Erwägungen

Im fortgesetzten Verfahren ist nach den obigen Ausführungen daher zu prüfen, ob der steuerliche Vertreter der Antragstellerin alle organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, die eine fehlerfreie Anbringung des Eingangsstempels und damit eine korrekte Vormerkung von Fristen sicherstellen.

Den Wiedereinsetzungswerber gem. § 46 VwGG trifft die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist zur Einreichung der Revision gehindert hat. Die Nachweispflicht bezieht sich auch auf die Darlegung, dass der Wiedereinsetzungswerber (oder seine Vertreter) die ihm iZm der Einhaltung der versäumten Frist gebotene Sorgfaltsfrist nicht außer Acht gelassen hat und dass ihm nicht mehr als bloß ein minderer Grad des Versehens an der Fristversäumnis zur Last liegt.

Gemäß § 13 ZustG ist das Dokument dem Empfänger bzw. der zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person an der Abgabenstelle zuzustellen.
Nicht ausdrücklich im ZustG geregelt ist die selbstverständliche Rechtsfolge, dass mit der Aushändigung nach § 13 ZustG (und nach § 24 a ZustG) die Zustellung wirksam wird.

Die Zustellung des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses des BFG vom Datum an die GmbH fällt in jenem Zeitraum vom bis , in welchem aufgrund des Covid-19 Gesetzes BGBl Nr. 42/2020 zu Verhinderung einer Verbreitung von Covid-19 für die Zustellungen mit Zustellnachweis der von den Gerichten oder Verwaltungsbehörden zu übermittelnden Dokumenten Erleichterungen dergestalt vorgesehen wurden, dass das Dokument dem Empfänger bereits zugestellt wird, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt oder an der Abgabenbehörde zurückgelassen wurde. Es war vorgesehen, dass der Empfänger durch schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung von der Zustellung zu verständigen war, soweit dies ohne Gefährdung der Gesundheit des Zustellers möglich war.

Unbestritten im vorliegenden Fall ist zunächst, dass aufgrund der Covid-19 Erkrankungswelle und der damit verbundenen geänderten Zustellmodalitäten die steuerliche Vertretung der Antragstellerin vor der Zugangstür zur Kanzlei einen Behälter angebracht hat, in welchem Poststücke eingeworfen werden konnten. Darauf wurde ein Hinweis angebracht, dass im Falle eines Einwurfs einer Postsendung das Kanzleipersonal durch mündliche Verständigung oder Anklingeln an der Tür verständigt werden soll.

Faktum ist weiters, dass das Erkenntnis des BFG vom Datum am der steuerlichen Kanzlei in der Form wirksam zugestellt wurde, als das Dokument an der Abgabenstelle (in den dafür vorgesehenen Behälter vor der Kanzlei) abgegeben bzw. eingeworfen wurde und die Kanzlei (Kanzleipersonal ) durch den Zusteller mündlich davon verständigt wurde.
Unbestritten ist auch, dass Frau ***1*** jene Mitarbeitern der Kanzlei ist, zu deren Aufgabenbereich es unter anderem gehört, die der Kanzlei zugestellten Schriftstücke mit dem täglichen Eingangsstempel zu versehen, um sie anschließend an Mag. ***2*** zur Setzung der weiteren Schritte vorzulegen. Für die Tage, die sie nicht in der Kanzlei anwesend ist, werden die Poststücke von anderen Mitarbeitern der Kanzlei gesammelt, mit einem Post-it, auf welchem das Datum der Zustellung angemerkt ist, versehen, und diese von Frau ***1*** - nach ihrer Rückkehr in die Kanzlei - zur Anbringung des Eingangsstempels übernommen.

Außer Streit seht auch, dass Frau ***1*** am nicht in der Kanzlei war.
Zum Zeitpunkt der Zustellung des Erkenntnisses des BFG vom Datum am war Frau ***3***, Kanzleiangestellte der steuerlichen Vertretung, damit beauftragt, die Postkiste zu entleeren und die an diesem Tag zugestellten Dokumente mit einem Post-it des Zustelltages (hier: ) zu versehen. Wenn sich Frau ***3*** nach eigener Aussage auch nicht an eine mündliche Verständigung durch den Zusteller erinnern kann, so erklärt sie eidesstattlich, die an diesem Tag zugestellten Poststücke gesammelt und diese mit einem Post-it und dem Eingangsdatum versehen zu haben. Die am von Frau ***3*** mit Post-it versehenen Schriftstücke wurde am nächsten Tag von Frau ***1*** zur Anbringung des tatsächlichen Zustelldatums, , übernommen (siehe dazu die eidesstattlichen Erklärungen, ***3*** und ***1***, jeweils vom , außerordentliche Revision vom , S.4).

Außer Streit steht jedoch, dass das der Kanzlei am wirksam zugestellte und von Frau ***3*** übernommene Erkenntnis des mit einem falschen Zustelldatum, nämlich mit versehen wurde.

Keine der beiden - mit der Erfassung und Anbringung des Zustelldatums am Erkenntnis vom (und damit vermutlich am gesamten zum übernommenen Posteingang) befassten - Damen kann sich diesen falschen Eingangsvermerk am Dokument erklären und räumen selbst mehrere mögliche Fehlleistungen ein:
- Entweder war das Datum auf dem Post-it falsch oder
- der Eingangsstempel trug bereits das Datum, an dem Frau ***1*** wieder in die Kanzlei zurückgehrt war und wurde dieser versehentlich nicht zurückgestellt.
Als weitere Ursache wäre denkbar, dass sich das Post-it gelöst und in Verlust geraten ist. Es stellt sich auch die Frage, wer den Eingangsstempel bereits auf den gestellt hat…. .

Damit zeigt sich aber die Fehleranfälligkeit des kanzleiinternen Systems bei der Entgegennahme und (datumsmäßigen) Erfassung der Zustellstücke und damit einhergehend bei der korrekten Vormerkung von Fristen (zumindest bei krankheitsbedingter oder sonstiger Abwesenheit der hierfür zuständigen Kanzleiangestellten).

Nach Ansicht der beschlussfassenden Richterin liegt bereits kein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis hinsichtlich der Versäumung der Revisionsfrist vor. Unvorhergesehen wäre ein Ereignis nämlich nur dann, wenn es die Partei nicht einberechnet hat und sie dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern konnte. Der Umstand, dass ein zugestelltes Schriftstück nicht ordnungsgemäß erfasst, sondern infolge Nachlässigkeit mit einem falschen Eingangsvermerk versehen wird, erfüllt allerdings jedoch für sich gesehen dies Voraussetzungen nicht, wäre dies doch jedenfalls grundsätzlich vorhersehbar und bei gehöriger Sorgfalt auch abwendbar gewesen (selbst wenn es nicht dem üblichen Geschehensverlauf entsprechen mag). Folgt man der Argumentation des (steuerlichen) Vertreters, könnte nämliche jede Nachlässigkeit zur Unabwendbarkeit eines Ereignisses (Fristversäumnis) führen. Somit steht bereits dieses Tatbestandsmerkmal einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegen.

Der Vollständigkeit halber sei aber auch noch auf die weitere Voraussetzung, welche für eine positive Erledigung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen muss, nämlich ein bloß minderer Grad des Versehens eingegangen.

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt. An rechtskundige Parteienvertreter ist hiebei ein strengerer Maßstab anzulegen als an am Verfahren beteiligte rechtsunkundige Parteien (Ritz, BAO [2017], § 308 Tz 14 ff; ). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (; ).

Der vom Parteienvertreter in diesem Zusammenhang vorgebrachte Sachverhalt, welche zur Fristversäumnis geführt hat, spricht diesbezüglich die von der Judikatur in zahlreichen Entscheidungen behandelte Thematik der "Kanzleiorganisation", somit eine besondere Problematik eines allfälligen Verschuldens, an; ein insoweit bloß minderer Grad des Verschuldens im Sinne einer leichten Fahrlässigkeit () würde insoweit eine Wiedereinsetzung nicht ausschließen. Diesbezüglich hat der VwGH wiederholt ausgesprochen, dass der Parteienvertreter die Organisation des Kanzleibetriebes so einzurichten hat, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrung von Fristen sichergestellt sind (vgl zB Erkenntnisse vom , 2006/13/0058, , 2009/15/0024 bzw , 2007/16/0160). Dazu gehört natürlich auch die zuverlässige und korrekte Erfassung des der Kanzlei zugestellten Posteinganges. Lediglich hinsichtlich rein manipulativer Tätigkeiten ist bei erfahrenen und zuverlässigen Kanzleikräften eine Kontrolle nicht erforderlich, sodass etwa verlässlichen Kanzleiangestellten die näheren Umstände der Kuvertierung, Beschriftung eines Kuverts oder die Postaufgabe allein überlassen werden dürfen (vgl. die Nachweise bei Mayer/Muzak, B-VG 5 Anm. IV.2. zu § 46 VWGG).

Maßgebend ist somit im vorliegenden Fall, ob dem Parteienvertreter grobe Mängel der Kanzleiorganisation anzulasten sind (Ritz, BAO6 [2017] § 308 Tz 17 mwN). Zur Kanzleiorganisation gehört zB

Die in der Kanzlei des steuerlichen Vertreters der Antragstellerin an den Tag gelegte Vorgangsweise bei der Entgegennahme und Datierung des Posteinlaufes offenbart anschaulich, dass in seiner Kanzlei keinerlei zielgerichtete Kontrolle der zuverlässigen und korrekten Erfassung des Posteinganges und damit der Einhaltung von wichtigen, zum Verlust von Rechten führenden, Fristen stattgefunden hat und somit eine ausgesprochen nachlässige Kanzleiorganisation vorliegt. Bei einem derartig mangelhaften Kontrollsystem bei der Erfassung des Posteinganges, welches in der Folge Fristversäumnissen gleichsam Tür und Tor öffnet, kann aber von einer leichten Fahrlässigkeit nicht die Rede sein. Bei entsprechender kanzleiinterner Organisation wäre die Versäumung der Revisionsfrist zu verhindern gewesen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher einerseits mangels Vorliegens eines unvorhergesehenen bzw unabwendbaren Ereignisses als auch infolge eines nicht bloß minderen Grad des Verschuldens des steuerlichen Vertreters, welches die Antragstellerin gegen sich gelten lassen muss, abzuweisen.

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des VwGH. Die Frage, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Fristversäumnis geführt hat, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes und stellt daher regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar ().

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 46 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 26 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 13 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RR.6100001.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at